Gemäß Art. 45 Abs. 1. der ungarischen Verfassung wird in der Republik Ungarn die Rechtssprechung durch das Oberste Gerichtshof (OGH) der Republik Ungarn, die Tafelgerichte, die Departmentgerichte und das Hauptstädtische Gericht, sowie durch Amtsgerichte und Arbeitsgerichte ausgeübt. Die Gerichte kontrollieren - unter anderem - die Gesetzmäßigkeit der Verwaltungsentscheidungen nach Art. 50 Abs. 2. der Verfassung. Außer der Verfassungsgerichtsbarkeit gibt es also die ordentliche Gerichtsbarkeit und die Arbeitsgerichtsbarkeit in Ungarn. Die schon seit 1896 eigenständige Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit wurde nach dem 2. Weltkrieg graduell in die ordentliche Gerichtsbarkeit integriert, die Spruchkörper sind nur auf oberster Ebene personell autonom. Die ungarische Verwaltungsgerichtsbarkeit ist somit eine Mischform des monistischen und des dualistischen Modells der Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit existieren drei "Bereiche", denen die Richter durch den Präsidenten des jeweiligen Gerichts zugeordnet werden: Zivilrecht mit Wirtschaftsrecht, Strafrecht und Verwaltungsrecht. Für Verwaltungssachen werden die Richter vom Nationaljustizrat zugeteilt. An Departmentgerichten existieren Kammern, Gruppen und Kollegien. Das Kollegium ist die Gesamtheit der in einem Bereich arbeitender Richter. Innerhalb der Kollegien werden für bestimmte Sachen Gruppen gebildet (z. B. gibt es beim Zivilkollegium Gruppen für Sachenrecht, für Schuldrecht, für Familienrecht, etc.). An Amtsgerichten können lediglich Gruppen gebildet werden.
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Die zentralen Aufgaben der Justizverwaltung werden unter Wahrung des verfassungsrechtlichen Prinzips der richterlichen Unabhängigkeit vom Nationaljustizrat wahrgenommen. Dieser übt die Dienstaufsicht über die Verwaltungstätigkeit der Präsidenten der Tafelgerichte und der Departmentgerichte aus[1]. Der Nationaljustizrat hat 15 Mitglieder: neun gewählte Richter und von Amts wegen der Justizminister, der Oberste Staatsanwalt, der Präsident der Landesanwaltskammer, je ein Parlamentsabgeordneter aus dem Rechtsausschuß und aus dem Finanzausschuß des Parlaments. Präsident des Nationaljustizrates ist der Präsident des Obersten Gerichtshofes[2]. Die neun Richter werden mittelbar durch die gesamte Richterschaft gewählt: die Richter wählen auf ihren Vollversammlungen auf Departmentebene, bzw. auf der Vollversammlung des OGH und der Tafelgerichte Wahlmänner, deren Zahl sich nach der Zahl der Richterplanstellen richtet[3]. Die Wahlmänner wählen die neun Mitglieder des Nationaljustizrates für sechs Jahre aus ihrer Mitte.
Wie es keine selbstständige Verwaltungsgerichtsbarkeit gibt, gibt es auch keine Verwaltungsprozeßordnung. Im Verwaltungsprozeß werden die Regeln des Gesetzes über den Zivilprozeß (GZP) angewendet, das ein Kapitel mit Sondervorschriften für Verwaltungsprozesse enthält. Auch das Gesetz über das Verwaltungsverfahren (GVwVf) enthält Regelungen zur "gerichtlichen Überprüfung von Verwaltungsakten".
Gegenstand eines Verwaltungsprozesses können außer Verwaltungsakten nur Entscheidungen des Kommunalrates sein, aber nur auf Begehren der Regierungspräsidenten (staatliche Aufsichtsbehörde auf Departmentebene)[4]. Für die Normenkontrolle ist ausschließlich das Verfassungsgericht zuständig. Als Klagearten existieren die Anfechtungsklage und die Untätigkeitsklage. Das Gericht kann die Verwaltungsentscheidung aufheben, und falls notwendig, die Verwaltung zum erneuten Verfahren verpflichten. In gewissen gesetzlich geregelten Fällen kann das Gericht die Verwaltungsentscheidungen ändern. Zulässig-
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keitsvoraussetzungen der Klage sind ein inneradministratives Vorverfahren, die Beachtung der Klagefrist von 30 Tagen und die Verletzung der Rechte oder Interessen des Klägers. Die Anrufung des Verwaltungsgerichtes hat - mit gesetzlichen Ausnahmen - aufschiebende Wirkung auf den Vollzug, es sei denn die Behörde hat Sofortvollzug angeordnet. In diesem Fall kann das Gericht die Vollstreckung aber aussetzen und auch einstweilige Anordnungen erlassen.
Die finanzielle Ausstattung der Gerichte ist ziemlich schlecht. Richter sind keine Beamten, sondern haben einen Sonderstatus, ihre Besoldung ist schlechter als die der Beamten, und damit weit unterhalb der privatwirtschaftlichen Einkommensverhältnisse von Juristen. Die Sachausstattung läßt auch viel zu wünschen übrig, auch im Verhältnis zu der öffentlichen Verwaltung. Viele Gebäude sind renovierungsbedürftig, die meisten Gerichte sind zu klein und z. T. gar nicht funktional. Die Gerichtsbibliotheken sind karg ausgestattet. Die Ausstattung mit PCs und die Vernetzung ist im Gange, der Nationaljustizrat hat viel für die Vereinheitlichung gemacht, und auch gewisse PHARE Programme sahen viele Mittel für die Verbesserung der EDV-Ausstattung vor. Es wurden alle Gerichte landesweit vernetzt (Justicia NET), und es gibt auch schon eine Datenbank, welche die vollständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs enthält.[5] Das größte Problem ist zur Zeit die Hardware-Ausstattung, die an den meisten Gerichten noch viel zu wünschen übrig läßt. Meistens arbeiten der Richter und sein Assistent zusammen an einem Computer.[6]
Die Gerichtsorganisation in Ungarn ist in 1997 in Bewegung geraten, als eine umfassende Justizreform in Form von sieben Gesetzen verabschiedet worden ist. Im Rahmen des neuen Gesetzes über die Organisation und Verwaltung der Gerichte wurde der schon erwähnte Nationaljustizrat aufgestellt und die Justiz so aus der Verantwortung des Justizministeriums herausgenommen. Das Parlament hat sich auch dazu entschlossen, die vor dem 2. Weltkrieg existierende Tafelgerichte als regionale Obergerichte zwischen der Departmentebene und dem OGH aufleben zu lassen, um dadurch das OGH zu entlasten. Aus den fünf geplanten Tafelgerichten ist nach dem Regierungswechsel ein Tafelgericht
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geworden[7], schließlich haben nach erneutem Regierungswechsel Mitte 2003 drei Tafelgerichte den Betrieb aufgenommen, zwei weitere wurden im Juli 2004 aufgestellt. Die Tafelgerichte sind für Berufungen gegen die Entscheidungen der Departmentgerichte zuständig, und entlasten damit das OGH wesentlich, das nunmehr nur für Revisionen und für die Verfahren zur Sicherung der Rechtseinheit zuständig ist.
Auch der Status der Richter und des nicht-richterlichen Personals wurde in zwei Gesetzen neu geregelt. Das Gesetz über die Staatsanwaltschaft wurde auch modifiziert, und ein neues Gesetz über die Rechtsanwaltschaft wurde verabschiedet.
Das Prozeßrecht wurde auch reformiert. Ein neues Gesetz über den Strafprozeß wurde verabschiedet und die Zivilprozeßordnung wurde auch an zahlreichen Stellen geändert. Im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit war hierbei die größte Änderung, daß die Verwaltungssachen aus der Zuständigkeit der am Sitz der Departmentgerichte funktionierender Amtsgerichte in die der Departmentgerichte herübergeführt worden sind. Die Berufung in Verwaltungssachen wurde parallel dazu generell abgeschafft und auf die Mitwirkung von ehrenamtlichen Richtern wurde auch verzichtet.
Ziel dieser Arbeit ist es, die Änderungen mit den - zum Teil aus gleichen Gründen erfolgten -deutschen Reformen zu vergleichen und daraus Erkenntnisse für die Weiterentwicklung der ungarischen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu gewinnen.
Der Zuwachs der Eingänge und des materiellen Rechts, die gesetzliche Umgestaltung des Verwaltungsverfahrensrechts, die gewachsene (kommunal) politische Einflußnahme auf die Verwaltungsentscheidungen, sowie die Verkürzung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst und die vermehrte Teilnahme der
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Richter in der Justizverwaltung oder in der Richtervertretung sind die wichtigsten Ursachen für eine verstärkte Inanspruchnahme der Verwaltungsgerichtsbarkeit[8], und damit auch für die längere Dauer von Verfahren. Der deutsche Gesetzgeber reagierte auf diese Entwicklung mit mehreren Maßnahmen -so auch mit Prozeßrechtsreformen. Auch der Sachverständigenrat "Schlanker Staat" hat Vorschläge zur Entlastung der Justiz gemacht.[9]
In Ungarn stellt sich das Problem der zu langen Verfahren auch. Die Überbelastung der Gerichte ist hier speziell einerseits auf die mit der Demokratisierung erfolgten Ausweitung des Rechtswegs bei Verwaltungssachen[10], andererseits auf die immer stärkere Privatwirtschaft (bzw. den damit verbundenen Zuwachs des materiellen Rechts) und die deutlich gewachsene Kriminalität zurückzuführen. Auch die Tatsache, daß viele Richter die Justiz in den letzten 12 Jahren verlassen haben, trägt zu diesem Ergebnis bei[11]. Die 1997 verabschiedete Novelle des Gesetzes über den Zivilprozeß (GZP) soll vor allem der Beschleunigung dienen, der damals aufgestellte Nationaljustizrat hat auch primär dieses Ziel vor Augen.
Beiden Ländern ist bei den Prozeßrechtsänderungen die Favorisierung der Einzelrichterentscheidung sowie die Begrenzung der Möglichkeit der Anrufung der übergeordneten Instanz gemeinsam.
Obwohl bis vor Kurzem das Einzelrichtermodell für die Verwaltungsgerichtsbarkeit allgemein nicht für geeignet gehalten wurde[12], hat es seinen Weg in die Verwaltungsgerichtsbarkeit gefunden: um der Flut der Asylverfahren mächtig zu werden, wurden ausnahmsweise Einzelrichter eingesetzt; mit der Änderung des § 6 VwGO wurde dann der Einzelrichter 1994 allgemein eingeführt. Ver-
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fassungsrechtlich ist dies nicht bedenklich, da Art. 19 Abs. 4 GG keine Festlegung auf das Kollegialprinzip trifft[13]. Für viele stellt aber der Einzelrichter für die überkommene Form der Verwaltungsgerichtsbarkeit eine Anomalie dar, einerseits mit Blick auf die neuen systembildenden Aufgaben der Verwaltungsgerichtsbarkeit[14], andererseits wegen der Besonderheiten der Rechtsschutzsituation gegenüber der Verwaltung.[15] Auch wurde die Verfassungsmäßigkeit der Übertragung auf den Einzelrichter unter dem Gesichtspunkt des gesetzlichen Richters (Art. 101 GG Abs. 1 Satz 2) in Zweifel gezogen.[16] Als praktischer Grund wird das Fehlen der hinreichenden Spezialisierung einzelner Richter genannt.[17] Die gegenseitige horizontale Kontrolle - die Garantie für die Abgewogenheit der Entscheidung - ist auch ein Argument für die Kammer: sie führt zur Steigerung der Qualität[18], und außerdem zur gesellschaftlichen Akzeptanz.[19] Durch die Einschränkung der Möglichkeit der Berufung verlagert sich ferner auch die Auslegung des Landesrechts stärker auf die Verwaltungsgerichte, welcher Aufgabe sie durch Kammerentscheidungen eher gerecht werden können.[20] Wichtig ist die Kammer außerdem als Fortbildungsinstitut für unerfahrene Richter. Die Vorteile der Entscheidung durch Einzelrichter sind aber keineswegs nur die Einsparungsmöglichkeiten. Zur Entlastung der Rechtsprechung kann dieses Modell auch entscheidend beitragen[21], außerdem können Einzelrichter flexibler und schneller entscheiden, als Kammern.[22]
Zwischen dem originären Einzelrichter und dem alleinigen Kollegialprinzip gibt es aber weitere Lösungen, die eine " aurea mediocritas " bieten können, wie dies § 6 VwGO auch vorsieht. Damit es wirklich zur goldenen Mitte wird, kommt es auf die richtige Anwendung dieser Vorschriften an, welche die Beachtung der Besonderheiten der einzelnen Fälle, wie den Schwierigkeitsgrad, oder das prozedurale Vorfeld[23] ermöglichen. Einfacher gelagerte Fälle gibt es in der Verwaltungsgerichtsbarkeit auch, und die Gerichte dürfen bei solchen Fragen nicht effizienzblind sein, und nur auf eine bessere finanzielle
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und personelle Ausstattung beharren. Dies fordert von den Gerichten die verantwortungsbewusste Handhabung der Einzelrichterregelung. Die Gerichte werden am besten wissen, wann eher die Kammer zu entscheiden hat, deshalb hat der Gesetzgeber ihnen auch die konkrete Entscheidung überlassen. So kann die Kammer eine konsequente Rechtsanwendung sichern, was für die Verwaltung auch sehr wichtig ist, denn sie orientiert sich bei ihrer Rechtsanwendung an der Rechtsprechung der Gerichte.[24]
In Ungarn ist die Möglichkeit der variablen Besetzung der Richterbank leider nicht gegeben. Die Entscheidungen werden immer mehr durch Einzelrichter getroffen, dementsprechend wurde Art. 46 der Verfassung im Gange der Justizreform geändert. Das als Hauptregel geltende Kollegialprinzip wurde so zur Ausnahme.[25] Das GZP beruht nunmehr auf dem originären Einzelrichter in der Eingangsinstanz, und dies gilt mangels eigener Verwaltungsprozessordnung auch für Verwaltungssachen. Dies ist ein radikaler Einschnitt in die Besetzung der Spruchkörper in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, denn bis Ende 1998 wurde fast ausschließlich in Kammern (ein Berufsrichter und zwei ehrenamtliche Richter in der ersten Instanz, drei Berufsrichter in der zweiten Instanz) entschieden, Ausnahmen gab es nur durch spezialgesetzliche Regelungen. Es wäre angebrachter gewesen, wenn der Gesetzgeber differenziert hätte und für manche Sachen die Kammern belassen hätte.[26] Der Übergang zum Einzelrichter war nur finanziell begründet, rechtspolitische Überlegungen wurden hierbei überhaupt nicht gemacht.[27] Die einzige - nachträglich Ende 1999 eingefügte -Ausnahme vom Einzelrichterprinzip bilden die Prozesse, in denen "die Summe der Geldforderung" mehr als 30 Millionen Forint (etwa 120.000€) ausmacht; hier entscheiden drei Berufsrichter. Diese Regelung verfehlt gänzlich ihr Ziel: bei den Verwaltungsprozessen geht es doch um die Gesetzlichkeit von Verwaltungsentscheidungen, bei denen meistens nicht einmal der Streitwert in Geld ausgedrückt werden kann. Gewiß, für Unternehmen ist damit mehr Schutz geboten, was zur Standortsicherung auch dazugehört. Für den Bürger spielt diese Regelung aber meistens keine Rolle. Auf jeden Fall zeigt es die absolute Dominanz zivilprozessualen Denkens, und schafft ein Argument mehr für eine Verwaltungsprozeßordnung.
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Die Statistiken zeigen, daß es Departmentgerichte gibt, wo es überhaupt keine Verwaltungsrichter gibt, die höchste Zahl erreicht das Hauptstadtgericht mit 11 (!) Richtern - und das bei 31000 Neuzugängen im Jahr.[28] Diese Zahl mag wohl Anlaß zur Verwunderung sein, vor allem da die meisten Richter, die in Verwaltungssachen in erster Instanz entschieden, von den Amtsgerichten an die Departmentgerichte abgeordnet worden sind. Dies hat seinen Grund darin, daß es keine besonderen Qualifizierungskriterien für Verwaltungsrichter gibt, was ermöglicht, daß der Nationaljustizrat einfach Zivilrichter auch zu Einzelrichtern in Verwaltungssachen auf Grund der ihm gegebener Befugnis[29] einteilt. In einer Zeit, in der wegen der immer schwächeren Steuerungsleistung des Rechts, die vor allem auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts sichtbar wird, kommt der Rechtsprechung eine sehr große rechtsbildende und -fortentwickelnde Rolle zu. Diese müßte mangels Berufung hauptsächlich von der ersten Instanz wahrgenommen werden, deren Professionalität und Fachlichkeit mit dieser Praxis überhaupt nicht gefördert wird. Die Möglichkeit, daß ein Richter zugleich in Zivilsachen und in Verwaltungssachen entscheiden kann, müßte abgeschafft werden. Das Gerichtsverfassungsrecht müßte dafür sorgen, die Zuordnung der Richter zu den "Bereichen" zu stabilisieren, vor allem durch die Aufstellung von Kriterien der speziellen Fortbildung[30], und durch die Ausschließlichkeit der Zuordnung, die eine "Mischung" von Zivil- und Verwaltungssachen nicht erlaubt. Die Einführung der Präsidialverfassung mit Kompetenzen für die Geschäftsverteilung und die Zuordnung der Richter könnte auch zu einem solchen Ergebnis führen. Bei letzterem könnte der Nationaljustizrat durch die Feststellung von Quoten die zentrale Steuerung auch behalten. Die Stabilität wäre in der aktuellen Situation wichtiger als die Flexibilität, welche die freie Zuordnung zur gleichmäßigen Verteilung der Arbeitslast schafft.
Zu diesem Problem kommt noch dazu, daß die Verwaltungskollegien an den Departmentgerichten (mit Ausnahme des Hauptstädtischen Gerichtes) mit den Zivilkollegien zusammengelegt worden sind. Sparen konnte man nämlich auch mit dieser Maßnahme[31]. Damit gibt es noch ein Mittel weniger zur Förderung der Professionalität und fachlicher Kompetenz von Verwaltungsrichtern.
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Das Sechste Gesetz zur Änderung der VwGO[32] hat mit der Einführung einer allgemeinen Zulassungsberufung das Rechtsschutzsystem der VwGO grundsätzlich verändert. Von dieser Regelung erhoffte sich der Gesetzgeber eine deutliche Entlastung der Oberverwaltungsgerichte, und des Bundesverwaltungsgerichtes. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert den Rechtsweg, d.h. eine Kontrolle staatlichen Handelns durch ein unabhängiges Gericht, gegen den Richter wird dadurch kein Schutz gewährt[33], die Berufung ist also nicht verfassungsrechtlich geboten. Die Zulassungsgründe sollen dafür sorgen, daß es dann, und nur dann zur Berufung kommt, wenn dies von der Sache her notwendig ist. Die Zulassungsgründe - über deren Bestehen das OVG zu entscheiden hat - wurden im § 124 Abs. 2 VwGO abschließend geregelt.[34] Die Änderungen wurden mit viel Kritik empfangen[35], die sich zum Teil auch bestätigt hat.[36] Die "Konturenlosigkeit" der Zulassungsgründe hat zur Divergenz der Zulassungspraxis der Oberverwaltungsgerichte geführt, und dadurch auch zu einer Ungewissheit über den Erfolg eines Rechtsmittels. Auch die Bedeutung der Berufungs- und Revisionsgerichte haben sich laut Kritik verringert[37]. Es erfordert eine aktivere Rolle der Beteiligten im erstinstanzlichen Verfahren[38] und führt damit mittelbar zum Anwaltszwang in der ersten Instanz. Die größte Kritik galt der Reduzierung des Rechtschutzes[39] und der Tatsache, daß die Verwaltungsgerichte überhaupt nicht entlastet wurden.[40]
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Die Probleme, die sich in der Praxis gezeigt haben, führten zu einer erneuten Änderung der VwGO.[41] Den Verwaltungsgerichten wurde für ein Teil der Zulassungsgründe (3-5) die Zulassungskompetenz erteilt, und die Frist für die Einreichung des Zulassungsantrags wurde verlängert. Die Gründe für die Zulassung, für deren Handhabung das Bundesverfassungsgericht schon wesentliche Vorgaben aufgestellt hat, um einer allzu restriktiven Praxis entgegenzuwirken[42], wurden zum Teil (Nr. 1. und 2.) auch moderat erweitert. Auch wurde bis zum 31. 12. 2004 ein Vorlageverfahren an das Bundesverwaltungsgericht zur Klärung von Auslegungsfragen bezüglich der Zulassungsgründe und der Begründungsanforderungen geschaffen. Die grundsätzliche Kritik, daß der Rechtsschutz der Bürger für den Wirtschaftsstandort Deutschland geopfert wird[43], kann durch diese Änderungen nicht verstummt werden.
Bei der Reform des Verwaltungsprozesses in 1997 wurde die Berufungsinstanz für Verwaltungssachen einfach allgemein ausgeschlossen. Ausnahme bilden Verwaltungsakte, die von Verwaltungsbehörden auf Landesebene ohne Widerspruchsverfahren erlassen worden sind, falls dem Gericht die Möglichkeit der Reformation der Entscheidung offen steht (§ 340/A GZP). In Ungarn wurden durch diese Reform die Amtsgerichte entlastet, denn die Zuständigkeit in Verwaltungssachen wurde - mit Ausnahme der Sozialversicherungssachen - auf die Departmentgerichte übertragen. Da die Verfassung aber in Art. 57 Abs. 5 den Rechtsweg nicht nur gegen Verwaltungsentscheidungen und Entscheidungen anderer Behörden, sondern auch gegen gerichtliche Entscheidungen vorsah, mußte sie geändert werden. Ein Satz wurde eingefügt: im Interesse der Erledigung der Rechtsstreitigkeiten in angemessener Zeit kann das Recht auf den Rechtsweg verhältnismäßig beschränkt werden. Die offizielle Begründung der Reformen[44] lag darin, daß ein Verfahren über fünf Instanzen (mit Revision) in Verwaltungssachen von der Länge her weder dem Rechtssuchenden zumutbar, noch für die Funktionsfähigkeit der Verwaltung vorteilhaft sei. Grundsätzlich ist daher der Ausschluß der Berufung zu befürworten, denn eine Entscheidung in angemessener Zeit ist ein sehr wichtiges Element des Rechtsschutzes und auch der Rechtsstaatlichkeit. Oft nützt es dem Kläger nichts, wenn der Rechtsschutz nach 3-4 Jahren gewährt wird - dies kann zur Rechtsvereitlung führen. Ferner verlangt Art. 6 Abs. 1 EMRK auch die Beendigung von Verfahren innerhalb angemessener Zeit.
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Die offizielle Begründung führt weiter aus, daß es eine fachlichere Entscheidung am Departmentgericht geben würde. In Zusammenhang mit dem Übergang zum originären Einzelrichter und den damit verbundenen Problemen der fehlenden Professionalisierung der Verwaltungsrichter ist aber bei diesem Argument Skepsis angebracht.
Ferner wurde in der offiziellen Begründung ausgeführt, die Sprungrevision zum OGH diene ja als Rechtsmittel, denn in Verwaltungssachen ist keine Zulassung erforderlich, und es können Rechtswidrigkeiten jeglicher Art gerügt werden[45]. Dieses Argument greift aber nicht mehr, denn die Revision wurde Ende 2001 neu geregelt, und ist nun in Verwaltungssachen nicht mehr zulassungsfrei. Damit gibt es keinen genügenden und funktionalen Ersatz für die Berufung mehr, denn die Revisionsbefugnis ist sehr eng geschnitten. Es kann nur zur Revision kommen, falls die Entscheidung ursächlich rechtswidrig ist und entweder von einer Entscheidung zur Sicherung der Rechtseinheit des OGH abweicht, oder die Revision zur Einheit und Weiterentwicklung der Rechtssprechung deshalb notwendig ist, weil die Entscheidung eine Sache betrifft, die von grundlegender theoretischer Bedeutung ist und das OGH in der Rechtsfrage noch keine, oder gegensätzliche veröffentlichte Entscheidungen getroffen hat. Diese Gründe erlauben die Revision nur in Ausnahmefällen, was bei einem "durchschnittlichen" zweiinstanzlichem Zivilprozeß durchaus berechtigt ist, bei den eininstanzlichen Verwaltungsprozessen aber zu wenig zu sein scheint. Hier müßte neben dem Ziel der Wahrung der Rechtseinheit auch der Rechtsschutz zur Geltung kommen.
Fraglich ist andererseits auch, ob das Widerspruchsverfahren als zweite Instanz mit dem Berufungsverfahren gleichgestellt werden kann, vor allem in Fällen mit Drittwirkung, wo die Betroffenen in das Verwaltungsverfahren vielleicht gar nicht einbezogen wurden. Um für Ausgleich zu sorgen, muß folglich das Widerspruchsverfahren aufgewertet werden, wobei die erneute Einführung von Widerspruchsräten in Landesbehörden und Ministerien sehr zu begrüßen wäre.[46]
Die Tatsache, daß der Untersuchungsgrundsatz aus dem GZP gänzlich gestrichen worden, ist ein weiterer Aspekt der Bewertung des Berufungsausschlusses. Wenn der Richter Rechtswidrigkeiten sieht, die in der Klage nicht gerügt worden sind, kann er diese nicht beachten. Dies ist aber mit dem verfassungsrechtlichen Ziel des Verwaltungsprozesses nicht zu vereinbaren, genau so wenig wie die völlige Gleichstellung der Verwaltung mit dem Bürger im Prozeß durch die Übertragung der Verantwortung für den Erfolg auf die Parteien. Ge-
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wiß ist die Mitwirkungspflicht der Beteiligten wichtig, aber für den Fall, daß die Sachlage nicht geklärt werden kann, und keine der Parteien Beweisanträge erhebt, gibt es im GZP keine spezielle Lösung für Verwaltungssachen. Die Konferenz der Verwaltungsrichter vertritt den Standpunkt, daß das Gericht den Verwaltungsakt außer Kraft setzen und ein neues Verfahren anordnen muß. Nach h. L. ist diese Ansicht falsch: die Beweislast liegt auf dem Kläger, was in diesem Fall die Abweisung der Klage nach sich zieht.[47] Nur wenn die Sachlage schon im Verwaltungsverfahren nicht hinreichend geklärt worden ist, kann der Verwaltungsakt außer Kraft gesetzt werden: dies ist dann als Beweislast der Verwaltung zu sehen. Diese Praxis kann die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidungen auf keinen Fall sichern. Der Untersuchungsgrundsatz kann zur Klärung der Sachlage entscheidend beitragen, was in vielen Fällen dann zur Reformierung der Entscheidung und somit zum endgültigen Abschluß der Sache führen kann. Auch wenn die Reformation nicht möglich ist, kann das Gericht bei geklärter Sachlage in der Urteilsbegründung Anhaltspunkte für die Behörde liefern, welche sie im erneuten Verfahren zu berücksichtigen hat. Dies kann einer weiteren Klage stark entgegenwirken.
Die Abschaffung der Berufung in sich führt also nicht in jedem Fall zur Kürzung der gesamten Verfahrensdauer und zur Entlastung der Gerichte, andere Regeln des Prozeßrechts sind auch zu beachten. Die hier aufgeworfenen Probleme münden in die Frage nach der Selbstständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit ein.
In Deutschland wird die Frage der Vereinheitlichung der Verwaltungsgerichtsbarkeit von Zeit zu Zeit wieder aufgegriffen.[48] Die beinahe drei Jahrzehnte andauernde Diskussion um die Vereinheitlichung des Prozeßrechts für die drei öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten wurde schließlich Anfang der 90er Jahre beiseite gelegt, und es wurden punktuelle Reformen im Wege von "Entlastungsgesetzen" durchgeführt. Da sich diese aber als "Sackgasse" erwiesen haben[49], bzw. keine umfängliche Justizreform bewirken konnten[50], bekommt
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die Forderung der "großen Justizreform" allmählich neuen Schwung. Im Zeichen des "Schlanken Staates" wird die Zusammenlegung der Gerichtszweige befürwortet, weil dadurch die Zusammenführung der Fachgerichtsbarkeiten Synergieeffekte[51] erzeugt werden könnten, die zur Entlastung der Justiz und zur Senkung der Kosten beitragen könnten. Auch trage das zur Verwaltungsvereinfachung und zur größeren personellen Flexibilität bei. Fachlich wird für die Vereinheitlichung einerseits aus Überlegungen der Rechtssicherheit und Rechtseinheit, bzw. der Rechtswegklarheit und damit der Bürgernähe heraus[52] argumentiert, deren Gebot für die Vereinheitlichung der verschiedenen Fachgerichtsbarkeiten spricht. Durch den Wandel der Staatsfunktionen ein "schleichender Zweckverfall" der Eigenständigkeit der Fachgerichtsbarkeiten erfolgt[53]. Die historische Auslegung und der Vergleich mit der europäischen Länder sind weitere Argumente für die Vereinheitlichung.[54]
Die Vereinheitlichung der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten könnte schrittweise erfolgen.[55] Zuerst wäre die Schaffung der einheitlichen Rechtspflegeministerien ratsam, dann könnte die Vereinheitlichung des Gerichtsverfassungsrechts und der Prozeßordnungen folgen, dem nach h. M. keine verfassungsrechtlichen Regelungen entgegenstehen. Schließlich käme es zur organisatorischen Integration, die wohl nach fast einhelliger Ansicht auch mit dem Grundgesetz vereinbar ist.[56]
Auch die Entwicklungen des Rechtssystems der Europäischen Union weisen in die Richtung der Vereinheitlichung. Durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Gerichtes erster Instanz, bzw. durch die voranschreitende Vertiefung der Integration werden immer deutlicher Tendenzen der Europäisierung des Verwaltungsrechts und so auch der Verwaltungsgerichtsbarkeit bemerkbar.[57] Immer stärkere Konvergenzen markieren Fragen wie den einstweiligen Rechtsschutz, die Klagebefugnis, die Kontrolldichte, so daß heute auch für die nationale Verwaltungsgerichtsbarkeit europäische Rahmenbedingungen gelten.[58] Der starke Einfluß der gemeinschaftlichen Rechtsprechung sollte dahingehend genutzt werden, daß im Zuge der Angleichung des Rechts
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die Vereinheitlichung der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten angestrebt wird.[59]
Die Europäisierung wirkt sich zwar vor allem auf das Verfahrens- und das Prozeßrecht aus, aber auch hinsichtlich der Organisation gibt es durchaus Entwicklungen, welche im Zeichen der Europäisierung stehen. Das Gerichtssystem der Europäischen Union soll in naher Zukunft reformiert werden.[60] Grund für die Reformen ist die Überlastung der beiden Gemeinschaftsgerichte und die damit stark gestiegene Verfahrensdauer. Bei den möglichen Wegen wird auch die Organisationsreform seit längerer Zeit erwägt, bei der die Schaffung von Fachgerichten oder der Ausbau des Kammersystems vorgeschlagen wurde. Der Vertrag von Nizza hat den Weg für die Einrichtung spezieller Spruchkörper, "gerichtlicher Kammern", unterhalb des EuG freigegeben.[61] Dies zeigt, daß die Multiplizierung institutionell unabhängiger Spezialgerichte nicht der Weg der Zukunft sein wird. Für die Beschleunigung und sachkompetente Erledigung der Verfahren reicht die Schaffung von Kammern mit Zuständigkeiten für klar umrissene Sachbereiche, wodurch die schon bestehende Infrastruktur noch rationeller genutzt werden könnte.[62] Dies ist ein Signal dafür, daß die Existenz spezieller Fachgerichte immer weniger befürwortet wird, was auch bei innerstaatlichen Justizstrukturreformen als Argument für die Einheitlichkeit genutzt werden kann.
Erwägt wird durch die Gemeinschaftsgerichte und in der Theorie auch die Möglichkeit der Dezentralisierung[63] der Gerichtsstrukturen, so daß entweder regionale Gemeinschaftsgerichte errichtet, oder nationale Gerichte stärker in die gemeinschaftsrechtliche Rechtsprechung einbezogen würden.[64] Die Dezentralisierungsdiskussion kann auch als Anlaß genutzt werden, die Integration der Verwaltungsgerichtsbarkeiten voranzutreiben. Bei den Reformen der europäischen Justizstrukturen ist der Aufgabenzuwachs der obersten Bundesgerichte wahrscheinlich[65], die Integration der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten könnte die dazu erforderlichen Kapazitäten freisetzen.
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In Anbetracht dieser Vereinheitlichungsdiskussion kann man sich fragen, ob die Frage nach der Selbstständigkeit für die ungarische Verwaltungsgerichtsbarkeit sich überhaupt noch stellt? Ist es nicht besser, die Gerichtsbarkeiten so zu lassen, wie sie sind? Bei der aktuellen deutschen Diskussion geht es aber nicht um die Vereinheitlichung der ordentlichen Gerichtsbarkeit mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Diese Frage kommt nur vereinzelt auf[66], es ist selbstverständlich, daß die Verwaltungsgerichtsbarkeit von der ordentlichen Gerichtsbarkeit unabhängig funktioniert. Zwar kam auch der Gedanke der Gleichartigkeit in der Legislative und in der Regierung öfters auf[67], dies aber immer zu Fragen des Prozeßrechts, nicht der Organisation. Gleichwohl hat die Einheit der Verwaltungsgerichte mit den ordentlichen Gerichten im Hinblick auf die Gerichtsorganisation und insbesondere für die organisatorische, personalpolitische und haushaltsrechtliche Infrastruktur[68] zum Teil die selben Vorteile wie die Vereinheitlichung der Fachgerichtsbarkeiten. Und bis zu einer gewissen Größe bleiben diese Vorteile, zumindest was die Justizverwaltung betrifft, auch bestehen.
Die organisatorische Selbstständigkeit ist eigentlich für das Funktionieren der ungarischen Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht notwendig. Traditionell kam es zu der Zweigeteiltheit der Gerichtszweige dadurch, daß die Verwaltungsgerichtsbarkeit sich aus der Verwaltung herauslöste. Die Selbstständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit war im Verhältnis zur Verwaltung und nicht zur Zivilgerichtsbarkeit von Bedeutung. Davon zeugt auch das monistische Modell, das in vielen europäischen Staaten aufzufinden ist, in dem die Zivilgerichte für die Verwaltungssachen zuständig sind. Es kommt also nicht so sehr auf die organisatorische Lösung, sondern vielmehr auf die normative Umgebung an. Das Beispiel der ungarischen Arbeitsgerichte ist in diesem Fall lehrreich. Dadurch, daß sie von der ordentlichen Gerichtsbarkeit getrennt worden sind, sind sie doch nicht wirklich selbstständig geworden: weder räumlich, noch organisatorisch oder in der Rechtsprechung. Die Arbeitsgerichte existieren nur in der ersten Instanz, befinden sich räumlich in den Gebäuden der Departmentgerichte, der Präsident des Departmentgerichts übt die selben Funktionen über Arbeitsgerichte aus, wie dies bei den Amtsgerichten der Fall ist. Auch die Steuerung der Rechtsprechung erfolgt durch das OGH, da es auf Nationalebene
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keine Instanz der Arbeitsgerichte gibt. Die organisatorische Trennung hat insoweit keine Fortschritte gebracht. Bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit wäre das wohl auch nicht anders, denn die finanziellen Möglichkeiten des Staates würden zur Zeit keine komplette Trennung ermöglichen. Einen sehr großen Vorteil hätte diese Art der Verselbstständigung doch: daß durch den Nationaljustizrat die Zivilrichter des Departmentgerichts nicht zur Erledigung von Verwaltungssachen ermächtigt werden könnten.
Die Verfassung erlaubt in Art. 45 Abs. 2, daß durch Gesetz für bestimmte Fallgruppen Fachgerichte, so auch Verwaltungsgerichte gebildet werden. Es müsste aber auf jeden Fall zur Verfassungsänderung kommen, damit die Verwaltungsgerichte in die Liste der die Rechtsprechung ausübender Organe von Abs. 1 aufgenommen werden können. Das starke und z. T. unerklärbare Ausharren der Justizpolitik am einheitlichen Modell[69] regt eher dazu an, eine funktionale Äquivalente der organisatorischen Selbstständigkeit zu finden. Diese müßte die Selbstständigkeit der Rechtsprechung, die Trennung dieser von der der Zivilgerichtsbarkeit ermöglichen. Änderungen des Prozeßrechts sowie des Gerichtsorganisationsgesetzes könnten also zum selben Ergebnis führen wie die organisatorische Verselbstständigung, denn sie würden zur Spezialisierung und damit zur Professionalisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit führen, die sogar die Steuerungswirkungen der Organisation ersetzen[70] könnte. Das Prozeßrecht ist der wichtigste strukturbestimmende Faktor der Verwaltungsgerichtsbarkeit, deshalb würde eine getrennte Prozeßordnung am bedeutendsten dazu beitragen, die Spezialitäten der Verwaltungsgerichte hervorzuheben: es geht vor allem um das Leitbild, welches so den Verwaltungsrichtern vermittelt würde, und die Professionalisierung stärken könnte. Für die ideelle Trennung der Verwaltungsgerichte von den Zivilgerichten könnte dieses Leitbild sorgen. Wieso das Not tut, erklärt die aktuelle Rechtslage selber. Die Dominanz des Zivilprozesses läßt die Klärung des Verhältnisses zwischen Verwaltung und Verwaltungsgericht nämlich nicht zu, was aber die Voraussetzung für die Ziel- bzw. Zwecksetzung, und so der Verfassung entsprechender Aufgabenwahrnehmung der Verwaltungsgerichte wäre.
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Das GZP setzt in den Eingangsbestimmungen, bei den Grundsätzen fest: "Dieses Gesetz hat zum Ziel, die unparteiliche Entscheidung der Rechtsstreitigkeiten, die in Verbindung mit den Vermögens- und Persönlichkeitsrechten der natürlichen und anderer Personen aufkommen, im Verfahren vor Gericht zu sichern." Und unter der Überschrift "die Aufgabe des Gerichts im Zivilprozeß" heißt es weiter: "Die Aufgabe des Gerichtes ist es, das Recht der Parteien auf die Entscheidung der Rechtssachen, auf eine faire Prozeßführung und auf die Beendigung der Prozesse in angemessener Zeit zur Geltung zu bringen." Für andere Prozesse wie die in Arbeits- oder Verwaltungssachen existieren keine ergänzende Ziel- und Aufgabebestimmungen bei den Sondervorschriften. Wenn man sich nun fragt, welche Aufgabe den Gerichten in Verwaltungsprozessen zukommt, bekommt man keine Antwort aus dem GZP, es bleibt bei dem einzigen Satz der Verfassung (Art. 50 Abs. 2): "die Gerichte kontrollieren die Gesetzmäßigkeit der Verwaltungsentscheidungen". Damit scheint zu kollidieren, daß das GZP zu den Besonderheiten von der Aufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit schweigt. Hinzu kommt, daß in Verwaltungsstreitigkeiten gänzlich die Grundprinzipien des Zivilprozesses gelten. Wie schon erwähnt, gibt es keinen Untersuchungsgrundsatz, das Gericht ist an die Klage gebunden: wenn sie eine Rechtswidrigkeit der Verwaltungsentscheidung entdeckt, die in der Klage nicht gerügt wurde, sind ihr die Hände gebunden, denn es gilt der Verfügungsgrundsatz. Die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltungsentscheidungen erfolgt in solchen Fällen nicht.
Diese Defizite können bei der einheitlichen und großteils gleichartigen Regelung der Zivil- und Verwaltungsprozesse im GZP nie behoben werden, und ermöglichen keine Verwaltungsgerichtsbarkeit, wie dies die Verfassung fordert. Die Feststellung von Ule gilt auch für die ungarische Situation: "Diese Stellung zwischen dem einzelnen und der Verwaltung unterscheidet die Verwaltungsgerichtsbarkeit von der ordentlichen Gerichtsbarkeit, die einen zwar 'gleichwertigen' oder 'gleichrangigen', aber nicht 'gleichartigen' Zweig der Gerichtsbarkeit darstellt. Diese Verschiedenartigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit verbietet es, Regelungen innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit, die durch deren Eigenart begründet sind, auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu übertragen. ... Dem steht der Umstand entgegen, daß die Verwaltungsgerichte nicht den Streit zwischen zwei rechtlich gleichgeordneten Parteien entscheiden, sondern über die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen einer Verwaltungsbehörde."[71] Die jetzt laufende Neuregelung des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren bietet eine Möglichkeit dazu, über die Frage der Gleichartigkeit
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nachzudenken und die wichtigsten Regeln zur Wahrung der Eigenart der Verwaltungsgerichtsbarkeit schon in diesem Gesetz zu erfassen, da es die Bestimmungen über die Überprüfung der Verwaltungsentscheidungen sowieso weiterhin beinhalten wird. Solange das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit - und damit auch das Rechtschutzbedürfnis des Bürgers gegenüber der Verwaltung - nicht geklärt ist, wird es in Ungarn keine funktionale und der Verfassung entsprechende Verwaltungsgerichtsbarkeit geben.
Ungarn und Deutschland haben zum Teil die selben Probleme im Zusammenhang mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Diese sind auf die europaweit immer allgemeiner werdende Überbelastung der Justiz zurückzuführen. Die Lösungen, die sich im Hinblick auf das Prozeßrecht bieten, sind deshalb auch gleich. Die immer stärkere Rolle des Einzelrichters und der Ausschluß der Berufung sind Möglichkeiten der Entlastung. Im Hinblick auf den Rechtsschutz der Bürger und auf die Kontrolle der Verwaltung ist es aber sehr wichtig, wie und in welchem Regelungsumfeld diese eingesetzt werden. So zeigt sich in diesem Aspekt die wenig differenzierte ungarische Lösung dieser Fragen im Vergleich mit der deutschen Lösung als defizitär. Der Vergleich zeigt zugleich die verschiedenen Akzentsetzungen, die auch zu unterschiedlicher konkreter Ausgestaltung der Prozeßrechtsreformen führen. Diese kann man nicht damit begründen, daß die primäre Funktion der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterschiedlich (subjektiver Rechtsschutz oder Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Verwaltung) ist, denn die beiden Funktionen existieren nicht alleine, sie ergänzen sich immer mehr[72]. Grund für die Verschiedenheit der Akzentsetzung ist vielmehr der Stellenwert der Verwaltungsgerichtsbarkeit im jeweiligen System. Effizienz darf bei richtiger Einschätzung nicht oberstes Ziel sein, die Eigenheiten und Funktionen der Rechtsprechung müssen auch bedacht werden und es muß für die tatsächliche Kontrolle der Verwaltung, und dadurch für den Rechtsschutz gegenüber der Verwaltung gesorgt werden. Der Unterschied liegt also in der Anerkennung der Funktion von Verwaltungsgerichtsbarkeit, ihrer Verschiedenheit gegenüber der Zivilgerichtsbarkeit, und damit in der Beachtung ihrer Besonderheiten.
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Was einzelne Bestimmungen betrifft, wäre es ratsam, von dem originären Einzelrichter zum obligatorischen Einzelrichter überzugehen, und damit wenigstens in Fällen von grundsätzlicher Bedeutung oder besonderer Kompliziertheit (und nicht nur bei Fällen mit hohem Streitwert) die Kammer entscheiden zu lassen. Damit die Entscheidungen über die Übertragung wiederum nicht den Effizienzbestrebungen des Nationaljustizrates zum Opfer fallen, muß es klare gesetzliche Rahmenbestimmungen geben. Als Regelungsbeispiel ist § 6 VwGO auf jeden Fall ein Ausgangspunkt.
Im Bereich der organisatorischen Selbstständigkeit zeigen sich die Probleme auf den ersten Blick als gegensätzlich, gleichwohl sind sie zum Teil auf das selbe Problem zurückzuführen, nämlich auf die optimale Ausgestaltung, und die Funktion der Selbstständigkeit der Gerichtszweige. In Ungarn, wo man erst dabei ist, die Rechtsstaatlichkeit in allen Bereichen auszubauen, hat die Verwaltungsgerichtsbarkeit mit anderen Problemen zu kämpfen, als in Deutschland. Die Entwicklungen in Deutschland bestätigen gleichwohl, daß die Integration der ordentlichen Gerichtsbarkeit mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht unbedingt zu verneinen ist. Die personelle und prozeßrechtliche Autonomie der Verwaltungsgerichtsbarkeit wäre aber essentiell für den Ausbau einer funktionsfähigen Verwaltungsgerichtsbarkeit in Ungarn. Nur mit dieser Autonomie könnte die Verwaltungsgerichtsbarkeit die zur Wahrnehmung ihrer Aufgabe notwendige Professionalisierung erreichen. Dies verlangt nicht die Trennung der Organisationsstrukturen, wohl aber die Trennung der Spruchkörper und des Prozeßrechts. Die Eigentümlichkeiten der Verwaltungsstreitigkeiten könnten nur so in den Vordergrund gestellt werden. Die momentane parallele Regelung der Verwaltungsstreitigkeiten im GZP und im GVwVf schafft auch kein ausreichend differenziertes Verwaltungsprozeßrechts. Dies könnte durch eine eigenständige Verwaltungsprozeßordnung, oder zumindest mit einer viel umfänglicheren Regelung innerhalb des GVwVf geschehen. Bei der aktuell laufenden Neuregelung des Verwaltungsverfahrens ist letzteres auf jeden Fall anzustreben. Dies kann einen Anfangsschritt in die Richtung der eigenständigen Verwaltungsprozeßordnung bedeuten. Auch ist es in diesem Zusammenhang wichtig, die neue Regelung des Verwaltungsverfahrens in Beziehung zum Berufungsausschluß zu setzen, und insbesondere der Klärung der Sachlage im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren und dem Widerspruchsverfahren, bzw. dem Drittschutz sehr große Aufmerksamkeit zu schenken. Auch die Wiedereinführung zumindest eines beschränkten Untersuchungsgrundsatzes wäre sehr wichtig, um das Fehlen der Berufung auszubalancieren und für einen schnelleren Verfahrensabschluß allgemein und für die tatsächliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsentscheidungen zu sorgen.
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Die Arbeit ist von der These ausgegangen, daß die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Ungarn existiert. In dem Sinn, wie sie in Deutschland funktioniert, gibt es sie aber in Ungarn nicht. Doch kann man von Verwaltungsgerichtsbarkeit sprechen, denn ein wesentlicher Teil der Verwaltungsentscheidungen werden durch die Gerichte überprüft, wodurch den Bürgern in einem gewissen Maß auch Rechtsschutz gewährt wird. Die grundliegenden Bedingungen für eine starke und wirklich dem Rechtsstaatprinzip entsprechende Verwaltungsgerichtsbarkeit sind schon gegeben. Es kommt nun darauf an, ob die Verwaltungsrichter erkennen, welche Rolle ihnen eigentlich zukommt, und durch ihre Rechtsprechung das Verständnis von Verwaltungsgerichtsbarkeit immer mehr durchdringen. So tief, daß es dadurch in Ungarn auch selbstverständlich wird, von der Verwaltungsgerichtsbarkeit als einem eigenständigen Gerichtszweig zu sprechen. Dann gibt die Gesetzgebung das Dogma der Gleichartigkeit sicherlich auch auf.
Csiby, Attila: Verwaltungsprozesse [Közigazgatási perek], in Pongrácz, Eszter (Hrsg.): COMPLEX-Kommentar zum Gesetz über den Zivilprozeß Nr. 1952: III. [Kommentár a polgári eljárásról szóló 1952. évi III. törvényhez] §§ 324-341. Stand: 31. März 2004. Budapest: KJK-Kerszöv (auf CD).
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The study analyses the changes of civil procedure within the realm of administrative jurisdiction. In doing so, it evokes the comparative legal method as similar reforms had been simultaneously carried out in Germany. As a result of this comparative study, it is clear that administrative jurisdiction is less important for the Hungarian legislator than for the German. The changes are less elaborate and characteristic features of administrative jurisdiction are not taken into account at all. The sole objective is relieving the courts from their workload while the function of law enforcement is neglected.
It may be concluded by analysing the independence of administrative jurisdiction that such independence on a structural basis is not necessary. The issue of amalgamating the administrative judicial branches in Germany is raised from time to time with reference to creating synergy-effects. At the European Court of Justice professional specialisation is resolved via specialised divisions and not by establishing independent specialised tribunals. According to the author, the most sriking problem of administrative jurisdiction in Hungary is its legislative conditions: regulating administrative litigation within the framework of civil procedure hinders the specialisation of justices and thus the development of judicial practice. Therefore, devising an independent procedure for administrative jurisdiction is of paramount importance. ■
ANMERKUNGEN
[1] Gesetz über die Organisation und Verwaltung der Gerichte Nr. 1997: LXVI. (GOVG) § 34 Abs. 1.
[2] GOVG § 35 Abs. 1.
[3] OGH und Tafelgerichte schicken je einen Wahlmann, sonst gibt es für 40 Richterplanstellen einen Wahlmann.
[4] § 324 GZP. Gesetze können den Rechtsweg auch für andere Entscheidungen eröffnen, es gibt zahlreiche solche Gesetze. Eine wichtige ergänzende Rolle bei der Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen spielen der allgemeine Parlamentsbeauftragter für Menschenrechte und die Parlamentsbeauftragten für Minderheitsrechte bzw. für den Datenschutz, deren Rolle es ist, die Bürger vor "Verfassungsmißständen" zu schützen. Das Handeln der öffentlichen Verwaltung ist oft Gegenstand ihrer Untersuchungen.
[5] Der Präsident des Nationaljustizrates: Informationsschreiben zur allgemeinen Lage der Gerichte und die Verwaltungstätigkeit des Nationaljustizrates (2002), IV. 5.
[6] Im Durchschnitt fallen 61 PCs auf 100 Personen.
[7] Nach Angabe der Regierung deshalb, weil die Richter nicht vom OGH, sondern von den unteren Gerichten dahin abgeordnet worden wären, was zu Personalmangel bei den Departmentgerichten, und zu Personalüberfluß bei dem OGH geführt hätte.(Offizielle Begründung des Gesetzes über die Änderung einiger Justizgesetze Nr. 1998: LXXI.) Ziel war es, den Personalbestand des OGH stark zu verringern, da aber die Regierung darauf keinen Einfluß hat, wurde dieses mittelbare Mittel benutzt. Auch die Erwägung, daß so viel gespart werden kann, hat wohl eine Rolle gespielt.
[8] Stelkens, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, § 5 Rn. 11.
[9] Sachverständigenrat "SchlankerStaat", Abschlußbericht, Kap. X., S. 179-197.
[10] Zuerst durch das Gesetz über die gerichtliche Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen Nr. 1991: XXVI., das den Rechtsweg allgemein gegen Verwaltungsakte eröffnet hat, zuletzt durch das Gesetz über die Ordnungswidrigkeiten Nr. 1999: LXIX.
[11] Die Fluktuation ist äußerst hoch: 62% der Richter am Amtsgericht haben weniger als 10 Dienstjahre, an Departmentgerichten liegt ihr Anteil um 40%. Richter mit über 30 Dienstjahren gibt es wenige: ihr Anteil liegt bei 7%. Auch die Tatsache, daß der Frauenanteil an Amtsgerichten bei 75% liegt, zeigt die relative geringe Anziehungskraft der richterlichen Laufbahn. An Departmentgerichten liegt der Anteil bei 62%, am OGH bei 55%. (Bei Führungspositionen liegt der Anteil der Frauen bei 54%.) Informationsschreiben des Präsidenten des Nationaljustizrates 2002 (Fn. 5), IV. 2.1.2.
[12] Stelkens, (Fn. 8), § 6 Rn. 1.
[13] Schmidt-Aßmann, Einleitung, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Fn. 8), Rn. 29.
[14] Schmidt-Aßmann, Aufgaben- und Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit vor dem Hintergrund der Verwaltungsrechtsentwicklung, VBlBW 2000. S. 52.
[15] So z. B. Schmidt, Organisatorische und gerichtsverfassungsrechtliche Bedingungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Aufgabenbewältigung. VBlBW 2000. S. 54.
[16] Stelkens, in (Fn. 8), § 6 Rn. 5. m. w. Nachw.; Kissel, GVG, § 75 Rn. 7. m. w. Nachw. 18 Schmidt-Aßmann (Fn. 13), Rn. 29; Schmidt (Fn. 15), S. 54.
[18] So schon die Beratungen zum GVG, zitiert bei Kissel (Fn. 16), § 75 Rn. 2.
[19] Stelkens, Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Krise, DVBl. 1995. S. 1112.
[20] Schmidt (Fn. 15), S. 54.
[21] Die Flut der Asylsachen hat gezeigt, daß die Umstellung auf Einzelrichter bei temporären Überbelastungen eine sehr große Hilfe sein kann. Dies erkennt auch Schmidt an, fordert jedoch eher die bessere finanzielle Ausstattung.
[22] Pitschas, Der Kampf um Art. 19 IV GG, ZRP 1998. S. 103.
[23] Schmidt-Aßmann (Fn. 14), S. 52.
[24] Verstegen, Vorstellungen und Erwartungen der Verwaltungsrichterinnen zum künftigen Verwaltungsprozeß und zur internen Rationalisierung der Gerichtsorganisation, in: Pitschas: Die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1999. S. 177.
[25] An den Platz von "Gesetze können Ausnahmen ermöglichen" des Art. 46 1. Abs. trat mit dem 1. 10. 1997 der Halbsatz "falls es keine andere gesetzliche Bestimmung gibt" [...entscheiden die Gerichte in Kammern].
[26] Diese Regelung ist in Ungarn auch nicht fremd, auch das neue GStP [14. § Abs. 3, 271. §] kennt die Möglichkeit der Übertragung.
[27] Offizielle Begründung des Gesetzes über die Änderung des GZP Nr. 1997: LXXII.
[28] Angaben dazu unter der Adresse www.birosag.hu.
[29] Gesetz über den Status und Besoldung von Richtern Nr. 1997: LXVII. (GSBR) § 14 Abs. 3: "Der Nationaljustizrat bestimmt die Richter, die befugt sind, in Verwaltungsprozessen zu verfahren." (Sonst werden die Richter immer eingeteilt in den jeweiligen "Bereich" bzw. Gruppe.)
[30] Patyi, Grundfragen der Organisation und Zuständigkeit im aktuellen System unserer Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 6. Diese Forderung wirkt wohl erst längerfristig, und reicht daher nicht aus.
[31] Der Zuschlag eines Kollegiumleiters kann so eingespart werden.
[32] Vom 1. 11. 1996 (BGBl. I 1996. S. 1626.).
[33] Meyer-Ladewig, in: Schoch/Schmidt - Aßmann/Pietzner (Fn. 8), Vorb § 124, Rn. 4.
[34] Entweder müssen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen (Nr. 1), oder die Rechtssache muß besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweisen (Nr. 2) , oder grundsätzliche Bedeutung haben (Nr. 3). Die Berufung ist ferner zugelassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung des OVG, des BVerwG, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht (Nr. 4), oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 5).
[35] Meyer-Ladewig (Fn. 33), § 124 Rn. 71. m. w. Nachw.
[36] So z.B. die Kritik von Meyer-Ladewig (Fn. 33), § 124 Rn. 72 und 73.
[37] Stüer/Hermanns, Erfahrungen mit der 6. VwGO-Novelle, VBlBW 2000. S. 256.
[38] Quaas, 6. VwGOÄndG und seine Folgen, Dokumentation zum 12. Deutschen Verwaltungsrichtertag, S. 116.
[39] Meyer-Ladewig (Fn. 33), § 124, Rn. 67 m. w. Nachw. Stüer/Hermanns (Fn. 37), S. 256.
[40] Meyer-Ladewig (Fn. 33), § 124, Rn. 68.
[41] Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozeß vom 20. 12. 2001 (BGBl I 2001. S. 3987.).
[42] BVerfG, DVBl 2000. 1458.
[43] Quaas (Fn. 38), S. 116.
[44] Offizielle Begründung des Gesetzes über die Änderung der Verfassung Nr. 1997: LIX. und des Gesetzes über die Änderung des GZP Nr. 1997: LXXII.
[45] § 340/A i. V. m. §§ 270 und 271 Abs. 1 GZP.
[46] Auch müßte der Heilung von Verfahrensfehlern vor Gericht mehr Beachtung geschenkt werden, und die damit zusammenhängende Regelung überprüft werden.
[47] Csiby, in: Pongrácz, Kommentar zum Gesetz über den Zivilprozeß Nr. 1952: III. § 339.
[48] Schmidt-Aßmann (Fn. 13), Rn. 99.
[49] So Däubler-Gmelin, Schwerpunkte der Rechtspolitik in der neuen Legislaturperiode, ZRP 1999. S. 81-82.
[50] Pitschas, Reform des sozialgerichtlichen Verfahrens. Zur Integration von Sozial- und allgemeiner Verwaltungsgerichtsbarkeit, SGb 1999. 392.
[51] Franke, Wieviele Gerichtsbarkeiten brauchen wir? ZRP 1997, 335.
[52] Schmidt-Aßmann (Fn. 13), Rn. 98.
[53] So Franke (Fn. 51), S. 335.; für die Sozialgerichtsbarkeit Pitschas (Fn. 52), S. 386. [54] Franke (Fn. 51), S. 334.
[55] Abschlußbericht Sachverständigenrat Schlanker Staat (Fn. 9), S. 188.; Franke (Fn. 51), S. 336.
[56] Bei Beibehaltung der obersten Bundesgerichte. So Franke (Fn. 51), S. 336. m. w. Nachw.; Pitschas (Fn. 50), S. 392.; anders aber Stüer/Hermanns (Fn. 38), S. 509. m. w. Nachw.
[57] Das deutsche Schrifttum ist kaum mehr übersehbar vgl. Sommermann, Konvergenzen im Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozeßrecht europäischer Staaten, DÖV 2002. S. 133 m. w. Nachw.
[58] Schwarze, Europäische Rahmenbedingungen für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2000. S. 252.
[59] Pitschas, (Fn. 50), S. 392.
[60] Reflexionspapier "Die Zukunft des Gerichtssystems der Europäischen Union" des EuGH und des EuG, darüber ausführlich Rösler, Zur Zukunft des Gerichtssystems der EU, ZRP 2000. S. 52-57.
[61] Art. 50, Amtsblatt der EG vom 10. 3. 2001. C 80/63; Lipp, Europäische Justizreform, NJW 2001. S. 2661.
[62] Ausführlich dazu Dauses, Empfiehlt es sich, das System des Rechtsschutzes und der Gerichtsbarkeit in der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere die Aufgaben der Gemeinschaftsgerichte und der nationalen Gerichte, weiterzuentwickeln? 60. DJT 1994. S. D 98-D 101.
[63] Hirsch, Dezentralisierung des Gerichtssystems der Europäischen Union? ZRP 2000. S. 57-60. [64] Kritik dazu bei Dauses (Fn. 62) S. D 100. und Lipp (Fn. 61) S. 2663.
[65] Vgl. die Ausführungen von Lipp (Fn. 61), S. 2663, und Hirsch (Fn. 63), S. 59.
[66] Franke (Fn. 51), S. 336.
[67] Ule: Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit in: Merten, Detlef: Die Vereinheitlichung der Verwaltungsgerichtsgesetze zu einer Verwaltungsprozeßordnung, S. 28.
[68] Franke (Fn. 51), S. 335.
[69] Petrik, Wie weit ist die Justizreform? Magyar Jog 1995. S. 222.; Kritik bei Patyi (Fn. 30), S. 2.
[70] Pitschas, Organisationsrecht als Steuerungsressource in der Sozialverwaltung. in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997. S. 162-163.
[71] Ule (Fn. B7), S. 4B.
[72] So auch in der ungarischen Verfassung, welche in Art. 50 Abs. 1 besagt, daß die Gerichte jeder Person subjektiven Rechtsschutz gewähren; Art. 57 Abs. 1 besagt, daß jeder ein Recht zum Schutz seiner Rechte und Interessen durch das Gericht hat.
Lábjegyzetek:
[1] Lehrstuhl für Verwaltungsrecht, Telephonnummer: (36-1) 411-6519, e-mail: rokri@ajk.elte.hu
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