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Zoltán Csehi: Zur Prozessführungsbefugnis des Staatsanwalts bei Verbraucherverträgen - Zur Theorie des Dispositionsgrundsatzes (Annales, 2011., 157-178. o.)

I. Einleitung

Vor beinahe dreißig Jahren wurde die Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Teil des ungarischen Zivilgesetzbuches.[1] Vergessen wir nicht: 1977 wurden die Vorschriften des Unfair Terms Act geschaffen und das deutsche Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) trat in Kraft.[2] Der ungarische Staat, der damals noch eine sozialistische Ausrichtung aufwies, keine Marktwirtschaft hatte und auf eingeschränktes Privateigentum eingerichtet war, schuf mit dem Gesetz Nr. IV (1977) gemäß dem Untenstehenden die Verordnungen der ABGB, die mit der Verordnung mit Gesetzeskraft Nr. 2 (1978) am 01. März 1978 als neuer § 209 ZGB in Kraft traten. § 209 ZGB bestimmte: "Wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen missbräuchlich sind, können diese von der betreffenden Partei angefochten werden. Sind die AGB beim Vertragsabschluss von juristischen Personen angewandt worden, kann die gesetzlich bestimmte Organisation Klage erheben. Ist die Anfechtung begründet, kann das Gericht die AGB mit einer sich auf jedermann erstreckenden Wirkung für ungültig erklären. Die Ungültigkeitserklärung betrifft nicht jene Verträge, die bis zum Zeitpunkt der Anfechtung bereits erfüllt worden sind."

In Verbindung mit § 209 ZGB bestimmte die Verordnung mit Gesetzeskraft Nr. 2 (1978), wer berechtigt ist, die AGB vor Gericht anzufechten:

§ 5 (1) Zur Anfechtung der AGB vor Gericht sind berechtigt:

a) der Generalstaatsanwalt,

b) die Zentrale Volkskontrollkommission,

c) der Nationale Gewerkschaftsrat, die Präsidentschaft der fachlichen (Branchen-) Gewerkschaften und auf ihrem Tätigkeitsgebiet der Komitats-Gewerkschaftsrat (Gewerkschaftsrat von Budapest),

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d) die Minister, die Leiter der Zentralbehörden, sowie die Durchführungskommissionen der hauptstädtischen Räte bzw. Komitatsräte,

e) in ihrem Interessensvertretungs-Aufgabenkreis die nationalen Räte der Genossenschaften, des Weiteren sonstige nationale Organe und Vereine, die die Interessensvertretung der Staatsbürger versehen.

(2) In einem von den Organen gemäß Absatz (1) eingeleiteten Prozess ist gemäß den Verordnungen von Kapitel XXV der ZPO vorzugehen.

An erster Stelle der oben genannten Rechtsvorschrift wurde der Generalstaatsanwalt genannt. Die Notwendigkeit der Prozessführungsbefugnis des Staatsanwalts wurde folgenderweise begründet: " Gemäß der Unterbreitung bezüglich der Verabschiedung des Entwurfs Nr. II der Auslegung des ZGB, adressiert vom Justizminister an den Ministerrat am 06. Dezember 1977, wollte der Gesetzgeber ausschließlich diejenigen Organisationen, so auch die Staatsanwaltschaft, zur Anfechtung der AGBs vor Gericht berechtigen, die gemäß den damals wirksamen - heute nicht mehr existierenden Vorschriften - zur Beantragung der Bemessung eines Wirtschaftsbußgeldes berechtigt waren.

Die eigentümliche Rechtsinstitution des Wirtschaftsbußgeldes wurde von der Regierungsverordnung Nr. 1/1968 (I. 16.) Korm. der Ungarischen Revolutionären Arbeiter-Bauernregierung eingeführt.[3] § 5 Absatz (1) dieser Verordnung bestimmte den Kreis derjenigen, die zur Beantragung der Bemessung des Wirtschaftsbußgeldes berechtigt waren, wobei in lit. a) der Generalstaatsanwalt angeführt wurde. Aus dem Archivmaterial zur Vorbereitung der Rechtsvorschrift ist bekannt, dass der Gesetzgeber bei der Auswahl der zur Beantragung berechtigten Organe in erster Linie das Ziel der Rechtsinstitution vor Augen hatte. Dem Wesen dieses Ziels nach wollte man es ähnlich dem Verfahren, bei dem die Staatsbürger infolge einer Ordnungswidrigkeit zur Verantwortung gezogen wurden, ermöglichen, dass die Gesellschaften mit einer Ordnungsstrafe zur Verantwortung gezogen werden konnten. Dies wollte man mit einer gesonderten Rechtsvorschrift regeln, die unabhängig von denen über die Ordnungswidrigkeiten war.

Die Absicht des Gesetzgebers war darauf gerichtet, dass das Wirtschaftsbußgeld ähnlich beurteilt würde, wie wenn jemand strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird. Deshalb sah er den Grund für die Bevollmächtigung der Generalstaatsanwaltschaft - gemäß dem Vorschlag des Justizministeriums vom 30. Dezember 1966, das an der Vorbereitung der Rechtsvorschrift teilnahm -, in Folgendem: "Es ist zu gewährleisten, dass diejenigen Handlungen, infolge derer die Bemessung des obigen Bußgeldes angebracht ist, nicht ohne Vergeltung bleiben.

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Deshalb soll das Verfahren vor der Zentralen Schiedskommission nicht nur von den zuständigen Aufsichtsbehörden, sondern auch von anderen Organen eingeleitet werden können, so auch von der Generalstaatsanwaltschaft,... ".[4]

Diesem ursprünglichen Gedanken zufolge war der Generalstaatsanwalt sowohl mit privatrechtlichen - im Wege der Anfechtung der AGB vor Gericht -, als auch mit strafrechtlichen Mitteln gegen Missbräuche ausgestattet, die Verbraucher betrafen.

Mangels Quellen und Informationen ist es nachträglich schwer zu sagen, wie die zitierte Vorschrift zur Geltung kam. Es kann nicht genau festgestellt werden, wie oft und in welchen Angelegenheiten die hierzu bevollmächtigten Organisationen vom Recht der Anfechtung der AGB Gebrauch machten und wie die Möglichkeit der gemeinnützigen Klageerhebung in der Praxis zur Geltung kam.[5] Ohne Fakten kann man über die Anwendung dieser Regelung nichts Genaues sagen.[6] Fakt ist jedoch, dass diese Regelung existierte und Teil des gültigen ungarischen Rechts war, eine Tradition einleitete und begründete, die bis heute existiert. Bis 1990 wurden nur sehr wenige solcher Prozesse vom Generalstaatsanwalt eingeleitet; von diesen wurden vom Gericht höchster Instanz zwei bis drei Fälle in seiner offiziellen Fallsammlung veröffentlicht.[7]

Ungarn glich seine Verbraucherschutzvorschriften im Anschluss an den mit der Europäischen Gemeinschaft abgeschlossenen Beitrittsvertrag[8] nach und nach den Erwartungen der Gemeinschaften an. Die ursprüngliche gesetzliche Regelung war von zwei wichtigeren Modifizierungen betroffen, zuerst 1997[9], dann im Jahre 2006.[10] Beide Gesetzesänderungen wurden bereits durch die

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Erwartungen forciert, die seitens der Europäischen Gemeinschaften formuliert worden waren. Die Modifizierung des Jahres 2006 hängt mit den Verpflichtungen zusammen, die auch Ungarn direkt betreffen.[11] Ab 2006 änderte sich auch die gesetzliche Verfügung, die der Anfechtung der AGB zugrunde liegt, und zwar wie folgt:

"§ 209/B (1) Die Feststellung der Ungültigkeit laut § 209/A Abs. 2 der als allgemeine Vertragsbedingung zum Bestandteil des Verbrauchervertrags werdenden missbräuchlichen Klausel kann auch die in einer gesonderten Rechtsnorm festgelegte Organisation vom Gericht beantragen. Das Gericht stellt die Ungültigkeit der missbräuchlichen Klausel mit einer sich auf alle mit der die Klausel verwendenden Person einen Vertrag abschließenden Parteien erstreckenden Wirkung fest.

(2) Die in einer gesonderten Rechtsnorm festgelegte Organisation kann des Weiteren die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer allgemeinen Vertragsbedingung beantragen, die zum Zwecke von Vertragsabschlüssen mit Verbrauchern festgelegt und öffentlich bekannt gemacht wurde, selbst dann, wenn die betroffene Bedingung noch nicht angewendet wurde.

(3) Das Gericht erklärt im Verfahren nach Absatz 2, wenn es die Missbräuchlichkeit der nachteiligen allgemeinen Vertragsbedingung feststellt, diese für den Fall ihrer Anwendung (bezogen auf die Zukunft) - mit einer sich auf alle mit der die Klausel veröffentlichenden Person einen Vertrag abschließenden Parteien erstreckenden Wirkung - für ungültig. Der Verwender der missbräuchlichen Vertragsbedingung muss den Anspruch des Verbrauchers auf Grund des Urteils befriedigen. Das Gericht verbietet in seinem Urteil des Weiteren der die missbräuchliche allgemeine Vertragsbedingung veröffentlichenden Person die Anwendung der Bedingung.

(4) Der Prozess nach Absatz 2 kann auch gegen die Person angestrengt werden, welche die Verwendung einer zum Zwecke von Vertragsabschlüssen mit Verbrauchern festgelegten und bekannt gemachten allgemeinen Vertragsbedingung öffentlich anbietet. Das Gericht erklärt, wenn es die Missbräuchlichkeit der nachteiligen allgemeinen Vertragsbedingung feststellt, diese - für den Fall ihrer Verwendung - für ungültig und verbietet das Anbieten zur Verwendung dieser Vertragsbedingung. "

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§ 10 des Gesetzes III (2006) modifizierte ab dem 01. März 2006 § 5 der Verordnung mit Gesetzeskraft Nr. 2 (1978) folgendermaßen: "[zu § 209/B] § 5 Die Feststellung der Ungültigkeit bzw. Missbräuchlichkeit von AGB, die beim Abschluss eines Verbrauchervertrages verwendet oder zu diesem Zweck öffentlich zugänglich gemacht wurden, sowie das Verbot der Verwendung von missbräuchlichen AGB und die Empfehlung der Verwendung dieser können bei Gericht beantragen: a) der Staatsanwalt, b) der Minister, das Organ mit nationalem Wirkungskreis, sowie der Leiter einer zentralen Behörde, c) der Notar und Obernotar, d) die Wirtschafts-, Berufskammer, Interessensvertretungsorganisation, e) die Verbraucherinteressen vertretende Gesellschaftsorganisation, sowie f) diejenige, auf Grund des Rechts jedwedes Mitgliedsstaates des Europäischen Wirtschaftsraums qualifizierte Organisation - im Rahmen der von ihr geschützten Verbraucherinteressen -, die zum Zweck des Schutzes der Verbraucher im Verzeichnis des Amtsblattes der Europäischen Union gemäß Artikel 4 Absatz (3) der Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Beschlüsse über das Verbot der Rechtsverletzungen angeführt ist, vorausgesetzt derjenige, der die AGB verwendet, veröffentlicht, bzw. zur Verwendung vorschlägt, auf dem Gebiet der Republik Ungarn tätig ist (Hervorhebung des Autors).

Auf Grund der Richtlinien zur Auslegung des ZGB wurden unter den Berechtigten der Prozesseinleitung zahlreiche Organe aufgezählt[12]; anstelle des Generalstaatsanwaltes ist nun mehr "der Staatsanwalt" zu lesen. Dies ist die derzeit gültige ungarische Regelung. Nachfolgend soll analysiert werden, ob die Erzwingung des Verbraucherschutzes durch den Staatsanwalt eine angemessene rechtliche Lösung darstellt, gerade weil in den letzten Jahren mehrere Prozesse von Staatsanwälten eingeleitet wurden.[13]

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II. Über das Recht des Staatsanwalts auf Prozesseinleitung

Nach den gültigen ungarischen Gesetzen kann der Staatsanwalt nur in Ausnahmefällen, in den im Gesetz bestimmten Angelegenheiten und nur im Interesse der Geltendmachung bestimmter Rechte in Zivilprozessen auftreten.[14] Der Staatsanwalt hat keine allgemeine Prozessfähigkeit, ein fremdes Recht im eigenen Namen in Zivilsachen geltend zu machen; eine Ausnahme hiervon bildet der Kreis der Geltendmachung der seine eigene Organisation betreffenden Ansprüche. In der Sache eines anderen oder mit gemeinnützigem Ziel darf er nur auf Grund einer gesetzlichen Bevollmächtigung verfahren. Seine Prozessführungsbefugnis erstreckt sich ausschließlich auf diejenigen Sachkreise und Sachtypen, hinsichtlich derer der Staatsanwalt durch eine gesonderte Rechtsvorschrift bevollmächtigt wird [§ 10 Absatz (2) lit. b) des Gesetzes Nr. V (1972)].

§§ 3, 10 Absatz (2) lit. b), sowie lit. e) und f) des mehrfach modifizierten Gesetzes Nr. V (1972) über die Staatsanwaltschaft bestimmen die Grenzen des Auftretens des Staatsanwaltes im Zivilprozess. Der Staatsanwalt darf ausschließlich mit dem Ziel des in der Rechtsvorschrift bestimmten Rechtsschutzes einen Prozess einleiten. Über die im Gesetz bestimmten Angelegenheiten hinaus verfügt er bezüglich sonstiger Angelegenheiten über keine Rechte.

Die ungarische Vorschrift bezüglich der in § 48 ZPO geregelten Prozessfähigkeit muss unter Beachtung der sich auf den Staatsanwalt beziehenden Regelung angewandt werden. In Einklang damit besagt § 11 Absatz (1) der Anweisung Nr. 7/1996 (ÜK. 7) LÜ des Obersten Staatsanwalts über die privatrechtliche Tätigkeit des Staatsanwaltes Folgendes: "Der Staatsanwalt darf keine Klage im Interesse eines Rechts einleiten, das nur von einer in einer Rechtsvorschrift bestimmten Person oder Organisation geltend gemacht werden kann [§ 9 Absatz (1) ZPO], des Weiteren muss er auch die in den materiellen Rechtsvorschriften bestimmten Grenzen des Rechts zur Klageeinleitung beachten." Als Beispiel der gesetzlichen Bevollmächtigung hinsichtlich der Prozesseinleitung durch den Staatsanwalt kann das Recht zur Einreichung einer Klage zur Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages erwähnt werden, das in das Einführungsgesetz zum ZGB aufgenommen wurde, seit dem 29. August 1995 dem Staatsanwalt zusteht und in § 36/A betreffend die Auslegung des ZGB geregelt ist. Auf dieser Grundlage kann jedoch der Staatsanwalt immer nur einen konkreten, individuellen Vertrag

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anfechten. Eine erga omnes Wirkung erzielt er nicht. Die EU-konformen speziellen ungarischen Rechtsvorschriften bezüglich der Anfechtung allgemeiner Geschäftsbedingungen sind unter Berücksichtigung der historischen Wurzeln der Regelung zu analysieren. Die bis zum 01. März 1978 zurückzuführenden Traditionen sind jedoch im neuen Reglungssystem des europäischen Rechts und der Übertragung dessen in das ungarische Recht zu interpretieren. Die Frage ist, ob die allgemeine Legitimation des Staatsanwalts zur Prozessführungsbefugnis im AGB-Recht besteht bzw. aufrechterhalten werden kann.

§ 10 des bereits zitierten Gesetzes Nr. III (2006) modifizierte Punkt II von § 5 des Einführungsgesetzes ZGB: Anstelle des Generalstaatsanwaltes steht unter den Berechtigten zur Prozesseinleitung der Staatsanwalt an erster Stelle. Neben dem Staatsanwalt benennt er auch die anderen zur Einleitung des Prozesses Berechtigten, die oben bereits erwähnt wurden.

Die Aufzählung und die Bestimmungen der ungarischen Rechtsvorschrift, besonders die Bestimmung des "Staatsanwalts", sind äußerst weit gefasst und ungenau. Die angerufenen Gesetzesstellen decken den gesamten Kreis der zur gemeinnützigen Klageeinleitung Berechtigten ab, ohne jedoch diese detailliert aufzuzählen. Was bedeutet zum Beispiel "Staatsanwalt"? Kann jeder Staatsanwalt einen Prozess einleiten? Die Formulierung "Leiter der Zentralbehörde" ist in ähnlicher Weise viel zu allgemein: Welche Beamten haben solch ein Prozesseinleitungsrecht? Das Kartellamt ("GVH"), die Staatliche Aufsicht der Finanzorgane (Anstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht "AFin"), der Nationale Fernseh- und Rundfunkrat ("ORTT"), die Nationale Rundfunkanstalt ("NHH"), das Nationale Pharmazeutische Institut ("OGYI"), die Zivile Luftverkehrsbehörde und die Nationale Verbraucherschutzbehörde ("NFH")? Mangels einer detaillierten Regelung ist unklar, ob der Leiter jeder Zentralbehörde alle AGB mit einer gemeinnützigen Klage anfechten kann, die Verbraucherverträge betreffen. Obwohl das ZGB und die Auslegung des ZGB ausdrücklich keine Einengung des Gegenstandes der Klageeinleitung fordern, kann man aber aus der Sonderregelung darauf schließen. Im Folgenden soll anhand der einschlägigen Regelungen der Finanzsphäre gezeigt werden, dass die Vorschriften der Verordnungen das Recht der Staatsanwaltschaft auf Einleitung einer Klage wesentlich einschränken und eingrenzen. Das allgemeine Recht der Staatsanwaltschaft zur Klageeinleitung stellt folglich eine Ausnahme dar.

In Ermangelung einer ausdrücklichen Regelung muss sich das Auftreten der handelnden staatlichen Behörde im Prozess auf ihren eigenen Tätigkeitsbereich beschränken. Die Berechtigung zur Prozesseinleitung bedarf zudem einer fachlichen Vorbereitung, eines fachlichen Wissens. Davon abweichend sind NonProfit-Organisationen zu beurteilen: In diesen Fällen kann das in der Satzung des gegebenen Vereins Enthaltene die fachliche Grenze darstellen.

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Als eine Folge der sozialistisch-kommunistischen gesellschaftlichen Umwälzungen nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt die in der ungarischen Verfassung von 1949 geschaffene Organisation der Staatsanwälte ein beinahe uneingeschränktes Recht, sich in die privatrechtlichen Verhältnisse einzumischen. Dies kam auch im Gesetz Nr. III (1952) der ZPO zum Vorschein. Im "sozialistischen", nach kommunistisch-sowjetischem Vorbild geschaffenen Rechtssystem, ermöglichten auch die Verordnungen der ZPO das allgemeine Recht der Staatsanwälte auf Klageeinleitung und Auftreten " im Interesse des Staates und der einzelnen Arbeiter". Die derart weit gefasst formulierte Macht des Staatsanwaltes wurde mit dem grundlegenden staatlichen Interesse der Sicherung der allgemeinen Rechtmäßigkeit begründet:

"Aufgrund des Beschlusses des Zentralkomitees der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei (MSZMP) über die Entwicklung des staatlichen Lebens und der sozialistischen Demokratie erfolgte die Modifizierung der Verfassung, die Schaffung des neuen Gesetzes über die Staatsanwälte [sic! es handelte sich früher um eine Verordnung mit Gesetzeskraft] und die Modifizierung der ZPO. Die mit dem Gesetz Nr. I./1972 modifizierte Verfassung lieferte eine neue Formulierung der Verantwortung für die Rechtmäßigkeit. Das Monopol der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Gewährleistung der Rechtmäßigkeit erlosch. Die organisatorische Reform der Gesetzgebung erstreckte sich auch auf die Neuregelung der zivilrechtlichen Tätigkeit des Staatsanwaltes. Die Richtlinien der Politischen Kommission des Zentralkomitees der MSZMP vom Juli 1970 bestimmten die Richtung der Änderungen. Die Richtlinien hielten die Teilnahme des Staatsanwaltes an Zivilverfahren auch weiterhin für notwendig, hielten jedoch fest, dass der Staatsanwalt in erster Linie dann am Zivilprozess teilnehmen soll, falls dies ein wichtiges staatliches oder gesellschaftliches Interesse verlangt, oder der Berechtigte aus jedwedem Grund nicht auftreten kann. Die Richtlinien betonten, dass die Verfügungsrechte der Parteien in Ehren gehalten werden müssen."[15]

In der Version der ZPO aus dem Jahre 1952 kam der Staatsanwalt nur kurz vor: "§ 2 (1) Das Gericht beurteilt eine im Kreis des Zivilrechts entstandene Streitigkeit nur im Falle eines hierauf gerichteten Gesuchs. Solch ein Gesuch kann im Allgemeinen von der an der Streitigkeit beteiligten Partei unterbreitet werden. Im Interesse des Staates und der einzelnen Arbeiter ist jedoch auch der

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Staatsanwalt berechtigt, einen Zivilprozess einzuleiten, oder im eingeleiteten Prozess - in jeder Phase - im Interesse der Parteien aufzutreten. (2) Im Interesse der Geltendmachung einer Unterhaltsforderung, die einem Minderjährigen zusteht, sind auch die Vormundschaftsbehörde, der Standesbeamte, sowie die Mutter- und Säuglingsschutzorgane berechtigt, im Interesse des Minderjährigen eine Klage einzuleiten."

Die Modifizierung der ZPO im Jahre 1954 fügte am Anfang der ZPO den neuen § 2/A ein und führte die Macht des Staatsanwaltes aus. Dies änderte sich 1957 und dann im Jahre 1972. Ab 1972 blieb die gesetzliche Ermächtigung folgendermaßen bestehen: " Der Staatsanwalt kann eine Klage bei einem wichtigen staatlichen und gesellschaftlichen Interesse erheben bzw. wenn der Berechtigte aus etwaigen Gründen nicht fähig ist, seine Rechte durchzusetzen. Der Staatsanwalt kann keine Klage hinsichtlich eines Rechts einleiten, das nur von einer in einer Rechtsvorschrift bestimmten Person oder Organisation geltend gemacht werden kann."

Diese beinahe uneingeschränkte Macht wurde auf Grund der Verordnungen des Gesetzes Nr. V (1972) über die Staatsanwaltschaft ein wenig eingeschränkt. Infolge der Modifizierung der ZPO im Zusammenhang mit dem Gesetz über die Staatsanwaltschaft stand dem Staatsanwalt lediglich "infolge eines wichtigen staatlichen und gesellschaftlichen Interesses", sowie in demjenigen Fall ein Klageeinleitungsrecht zu, falls der Berechtigte aus irgendeinem Grund nicht zum Schutz seiner Rechte fähig war. Der Staatsanwalt konnte auch weiterhin in jedweder Phase des Prozesses im Interesse zur Gewährleistung der Rechtmäßigkeit auftreten. Diese Regelung war nach 1990, also nach der Wende, noch etliche Jahre gültig und wurde von den Staatsanwälten vor allem damit begründet, dass in den Zivilprozessen die oberste Garantie der Rechtmäßigkeit die Teilnahme eines Staatsanwaltes ist.

In der Einschränkung der Macht des Staatsanwaltes kommunistisch-sowjetischen Typs stellt der Beschluss Nr. 1/1994 (I. 7.) AB des Verfassungsgerichts, der nach der Wende entstand, die erste bedeutende Änderung dar. In diesem Beschluss wurden durch das Verfassungsgericht das dem Staatsanwalt zustehende allgemeine Klageeinleitungsrecht, bzw. das Recht des Staatsanwaltes in Zivilprozessen aufzutreten, als verfassungswidrig eingestuft. Das Verfassungsgericht erklärte unter anderem einzelne Vorschriften des damaligen § 2/A der ZPO und des § 10 des Gesetzes über die Staatsanwaltschaft für verfassungswidrig. Das Verfassungsgericht nannte in seinem Beschluss drei Gründe für die Einschränkung der Prozessführungsbefugnis der Staatsanwaltschaft: 1. das verfassungsrechtliche Verfügungsrecht, das aus § 57 der Ver-

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fassung[16] folgt; 2. das dem Subjekt zustehende Selbstbestimmungsrecht und die Handlungsautonomie; sowie 3. das verfassungsmäßige Gebot der Rechtsstaatlichkeit. Im Kreis des als erstes erwähnten Verfügungsrechts sind folgende Gedanken aus dem Beschluss hervorzuheben:

"Das Verfügungsrecht der Partei im Sinne des Verfahrensrechts ist ein Aspekt, ein verfahrensrechtlicher Bezug des verfassungsmäßigen Selbstbestimmungsrechts, der die Autonomie des Subjekts berührt bzw. mit dieser zusammenhängt. Der Entzug des Verfügungsrechts der Partei bzw. der "Ersatz" verstößt gegen § 57 Absatz (1) der Verfassung. Die am Rechtsstreit interessierte Partei hat ein verfassungsmäßiges Recht, die Sache vor Gericht zu bringen. Dieses Recht beinhaltet - ähnlich den anderen Freiheitsrechten - auch die Freiheit, von diesem Recht nicht Gebrauch zu machen. § 57 Absatz (1) der Verfassung gewährt jedem die Berechtigung, sein eigenes Recht vor dem unabhängigen und unparteiischen Gericht selbst geltend zu machen. Abgesehen von verfassungsmäßig begründeten Ausnahmen hat also niemand das Recht, das Recht eines anderen - unabhängig vom Willen des Berechtigten - vor Gericht zu bringen. Eine Regelung, die die "Inanspruchnahme" des Gerichts, das Vor-Gericht-Tragen der Rechte und Verpflichtungen unabhängig vom Willen der direkt interessierten, sogenannten materiellen Partei, ja sogar entgegen diesem, jemand anderem im Allgemeinen ermöglicht, verletzt das in § 57 Absatz (1) der Verfassung gewährte Grundrecht, da mangels verfassungsmäßiger Gründe auch dieses Recht nicht notwendig sein kann, genauso wenig, wie seine Einschränkung verhältnismäßig sein kann.

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Auch das wichtige staatliche und gesellschaftliche Interesse ist kein geeignetes Mittel der verfassungsmäßigen Einschränkung des Rechts. Diese "charakteristische Restriktion " gewährt dem Staatsanwalt - die allgemeine Klageeinleitung durch den Staatsanwalt legitimierend - eine auf freier Einsicht beruhende Befugnis zur Prozesseinleitung, die eine direkte Verletzung des verfassungsmäßigen Rechts zur Inanspruchnahme des Gerichts darstellt und so gegen § 57 Absatz (1) der Verfassung verstößt."[17] (Hervorhebungen des Autors).

Aufgrund der folgenden Gedanken erklärte das Verfassungsgericht in seinem Beschluss an zweiter Stelle das Recht des Staatsanwaltes auf Prozessführung als Einschränkung des verfassungsmäßigen Grundrechts der Menschenwürde gemäß § 54 Absatz (1), welches als allgemeines verfassungsrechtlich geschütztes Persönlichkeitsrecht und als Recht der Selbstbestimmungsfreiheit bestimmt ist:

"Das allgemeine Klageeinleitungsrecht des Staatsanwalts, auf Grund dessen der Staatsanwalt aus wichtigem staatlichen und gesellschaftlichen Interesse anstelle der Partei eine Klage einleiten kann, verstößt gegen das Selbstbestimmungsrecht des Subjekts und verletzt seine Handlungsautonomie, verstößt also gegen § 54 Absatz (1) der Verfassung und ist auch deshalb verfassungswidrig. Auf Grund der allgemeinen Bevollmächtigung kann nämlich überhaupt nicht ausgeschlossen werden, dass der Staatsanwalt in jedweder Sache auch entgegen dem ausdrücklichen Willen des Subjekts von seinem Klageeinleitungsrecht Gebrauch macht. [...]

Das dem Staatsanwalt hinsichtlich der Entscheidung des wichtigen staatlichen oder gesellschaftlichen Interesses gewährte diskretionäre Recht ermöglicht die vom Willen des Subjekts unabhängige oder diesem sogar entgegenstehende Geltendmachung der subjektiven Rechte und die gegen die persönliche Autonomie der Rechtsverhältnisse verstoßende Änderung dieser. Das Selbstbestimmungsrecht schützt die Autonomie des Subjekts auch gegen staatliche Eingriffe. Deshalb bezieht sich das allgemeine Klageeinleitungsrecht des Staatsanwalts -auch wenn es aus einem wichtigen staatlichen oder gesellschaftlichen Interesse erfolgt - auf den wesentlichen Inhalt dieses Rechts, das heißt, es handelt sich um eine Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts, das einen organischen Teil des Rechts auf Menschenwürde darstellt, die verfassungsmäßig unzulässig ist."[18]

Aus der Begründung des Beschlusses ist als Drittes das in § 2 Absatz (1) der Verfassung festgehaltene Prinzip der Rechtsstaatlichkeit hervorzuheben, das dem Verfassungsgericht zufolge schwer verletzt wurde: "Die rechtstaatliche

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Verfassung bietet - unter anderen - verfahrensrechtliche Garantien zur Durchsetzung subjektiver Rechte, aber die Durchsetzung kann nicht im Gegensatz zum Verfügungsrecht der Einzelnen stehen. Der Beschluss weist darauf hin, dass die Entscheidung der Einzelnen über eine Prozesseinleitung ein von der Verfassung geschütztes Recht ist. Solche Gesetze, die unabhängig von dem Parteiwillen im Allgemeinen eine Prozessführungsbefugnis ermöglichen, können nicht als notwendige und verhältnismäßige Beschränkungen des von der Verfassung geschützten Verfügungsrechts akzeptiert werden."[19]

Zahlreiche Personen haben den Beschluss des Verfassungsgerichts kritisiert und dabei für die Anfechtungsmöglichkeit des das Interesse der Gesellschaft verletzenden Vertrags argumentiert.[20] Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts modifizierte das Gesetz Nr. LX (1995) zum einen die Regelung der ZPO bezüglich des Staatsanwaltes, zum anderen fügte es in § 33 Absatz (6) als § 36/A der Verordnung mit Gesetzeskraft Nr. 11./1960 über das Inkrafttreten und die Durchführung des ZGB eine neue Regelung ein. Diese Vorschrift, die weiter oben bereits erwähnt wurde, ist bis zum heutigen Tage in Kraft: "§ 36/A. Der Staatsanwalt kann zur Aufhebung der mit dem nichtigen Vertrag verursachten Verletzung zwecks Feststellung der Nichtigkeit des Vertrages aus öffentlichem Interesse eine Klage erheben. "

III. Verfassungsmäßige Kriterien[21]

Die privatrechtliche Tätigkeit des Staatsanwalts und seine Macht sind seit langer Zeit umstritten; vor allem weichen die Meinungen der Prozessrechtler und der Staatsanwälte voneinander ab. Der Staatsanwalt ist im kontinentalen Rechtssystem traditionell das die Anklagefunktion wahrnehmende Organ, seine privatrechtliche Rolle stellt dem gegenüber eine Ausnahme dar. Auch in der Literatur ist es unumstritten, dass die Staatsanwaltschaft zum Schutz des öffentlichen Interesses eine Befugnis haben kann, die über das Recht der Prozessführung bzw. des Auftretens im Prozess hinaus auch einen Eingriff in die privatrechtlichen Rechtsverhältnisse ermöglicht. Solch eine Regelung, die eine ausgleichende Rolle einnimmt, kann in denjenigen privatrechtlichen Rechtsverhältnissen berechtigt sein, in denen eine der Parteien aus irgendeinem Grund nicht in der Lage ist, ihre Rechte zu schützen, bzw. in denen die

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Verletzung des öffentlichen Interesses durch die gegnerischen Partei erfolgen kann. Im ungarischen Recht kann das Auftreten des Staatsanwaltes aus öffentlichem Interesse in Vereins- und Stiftungsangelegenheiten als staatliche Überwachung nunmehr als traditionell bezeichnet werden. Die Tatsache an sich, dass bestimmte Gesetze in den Zivilprozessen die Teilnahme der Staatsanwaltschaft ermöglichen, verstößt nicht gegen die Verfassung bzw. gegen die dem Staatsanwalt in der verfassungsmäßigen Ordnung gewährte Rolle.[22] Die gesamte verfassungsrechtliche Problematik der Staatsanwaltschaft kann hier nicht erörtert werden.[23]

IV. Verbraucherschutzvorschriften

Auch die aktuellen Verbraucherschutzvorschriften zeigen eine Änderung der ungarischen Regelungen.[24] § 5 Absatz (1) des seit dem 1. Dezember 2007 gültigen Gesetzes Nr. CXXXV (2007) über die Staatliche Aufsicht der Finanzorgane (im Weiteren: "AFIN-Gesetz") lautet:

"§ 5 (1) Die Aufsicht versichert in ihrem Aufgabenkreis zur Durchführung der Verordnung Nr. 2006/2004/EG, die folgenden Richtlinien umzusetzen:

a) die Richtlinie Nr. 90/88/EWG des Rates über die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, des Weiteren die Richtlinie Nr. 87/102/EWG des Rates, die durch die Richtlinie Nr. 98/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates modifiziert wurde,

b) die Richtlinie Nr. 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, sowie

c) die Richtlinie Nr. 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher."

Auf den Wirkungskreis des oben zitierten Gesetzes wird später noch eingegangen. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die in § 4 enthaltene Formulierung " falls das Gesetz nicht anders verfügt" in § 5 nicht enthalten ist. Dies könnte bereits darauf hindeuten, dass im obigen Kreis nur die AFIN zum Auftreten im

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Prozess berechtigt ist. In den hier aufgezählten Fällen wollte der Gesetzgeber keine Ausnahme gewähren.

§ 209/B ZGB, der das Prozessführungsrecht des Staatsanwalts gewährleistet, gilt als Rechtsvorschrift eines Mitgliedsstaates, die die Richtlinie Nr. 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen umsetzt. Dieser Paragraph wurde vom Gesetz Nr. CXLIX (1997) eingeführt, das das ZGB gerade wegen der obigen Richtlinie modifizierte. Zum Beispiel gehören die Überprüfung der im Rahmen der sogenannten Finanzdienstleistungstätigkeit[25] ausgearbeiteten und verwendeten AGB, sowie ihre Anfechtung vor Gericht, ausschließlich in den Aufgabenkreis der über einen nationalen Wirkungskreis verfügenden AFIN.

Artikel 4 Absatz (1) der am 29. Dezember 2005 in Kraft getretenen Verordnung Nr. 2006/2004/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (27. Oktober 2004) über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden, d.h. die Gemeinschaftsrechtsvorschrift, die einem Recht eines Mitgliedsstaates vorangeht, direkt, ohne Umsetzung und verbindlich anzuwenden ist, besagt folgendes: "Jeder Mitgliedstaat benennt die zuständigen Behörden und eine zentrale Verbindungsstelle, die für die Anwendung dieser Verordnung verantwortlich ist." Art. 5 Abs. 1 legt fest: "Jeder Mitgliedstaat teilt der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten mit, welche zuständigen Behörden, andere Behörden und Stellen, die ein legitimes Interesse daran haben, dass innergemeinschaftliche Verstöße eingestellt oder verboten werden, und welche zentrale Verbindungsstelle er benannt hat." Ungarn hat hinsichtlich des "Rechts zur Klageeinreichung bei Gericht" lediglich die AFIN und die Hauptaufsichtsbehörde für Verbraucherschutz als Behörde angegeben, die in Richtung der Europäischen Kommission über einen Wirkungskreis verfügt.[26] Ungarn hat im Zusammenhang mit dem Verbraucherschutz lediglich das Kartellamt, die Hauptaufsichtsbehörde für Verbraucherschutz, die Aufsichtsbehörden der Komitate, bzw. die Branchenregelungsbehörden (z.B. AFIN, OGYI, NHH, Zivile Luftverkehrsbehörde, usw.) als über einen Wirkungskreis verfügende Behörden bestimmt, die Staatsanwaltschaft hingegen nicht. Es ist auch bemerkenswert, dass hinsichtlich des Klageeinleitungsrechts die Aufsichtsbehörden der Komitate für Verbraucherschutz nicht bestimmt wurden, sondern lediglich die Hauptaufsichtsbehörde.[27]

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Aus dem Obigen folgt, dass auf Grund von § 209/A und § 209/B ZGB, die die Richtlinie Nr. 93/13/EWG des Rates umsetzten, zum Beispiel auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen, also in einem derart speziellen Bereich, in dem die AFIN die über einen Wirkungskreis verfügende Behörde ist, das Anrufungsrecht der Staatsanwaltschaft zweifelhaft ist. Gemäß der Verordnung Nr. 2006/2004/EG, dem Regierungsbeschluss Nr. 2083/2006. (IV. 18.) über einzelne Maßnahmen, die zur Durchführung der Verordnung Nr. 2006/2004/EG notwendig sind, bzw. gemäß der oben angeführten und im Amtsblatt veröffentlichten Meldung der Republik Ungarn darf eine auf § 209/A und § 209/B gegründete Klage von öffentlichem Interesse außer von den hierzu befugten, eingetragenen und im Amtsblatt veröffentlichten Verbraucherorganisationen nur von der Hauptaufsichtsbehörde für Verbraucherschutz und der AFIN eingeleitet werden. Die Staatsanwaltschaft verfügt hinsichtlich solcher Klagebegehren über keine Prozessführungsbefugnis.

Es gibt zahlreiche rationale und akzeptable Gründe für die obige Regelung: Zur Geltendmachung der Verbraucherschutzrechte sind auch branchenspezifische Kenntnisse notwendig, über die die Staatsanwaltschaft nicht verfügt. Infolge der eventuellen wettbewerbsverzerrenden Wirkung der Geltendmachung der Verbraucherschutzrechte schreibt die Europäische Union die Koordination der Zusammenarbeit und der Handlungen solcher Organe vor (siehe z.B. Artikel 9 Absatz (1) der Verordnung Nr. 2006/2004/EG)[28], wobei die Republik Ungarn an dieser Zusammenarbeit nicht teilnimmt. Es muss auch die allgemeine Anforderung der Verhältnismäßigkeit erwähnt werden. Sowohl aus den Gemeinschaftsrechtsvorschriften, als auch aus der ungarischen Verfassungsordnung folgt, dass der staatliche Eingriff in einem angemessenen Verhältnis zur Rechtsverletzung stehen muss.

Eine Klageeinleitung aus öffentlichem Interesse und mit Erga-omnes-Wirkung bedingt durch von Unternehmen ausgearbeiteten und verwendeten AGB ist die schwerwiegendste Form aller möglichen Maßnahmen, da sie das auf diese Vertragsbedingungen vertrauende Unternehmen - im Falle einer erfolgreichen Anfechtung der Vertragsbedingungen - leicht in eine schwierige Lage bringt. Die Aufsichtsbehörden für Verbraucherschutz, die AFIN und die ebenfalls mit Verbraucherschutzaufgaben versehenen Fachaufsichtsbehörden können aufgrund der für sie gültigen administrativen Rechtsvorschriften zwischen Sanktionen wählen, die mit der Rechtsverletzung in einem angemessenen Verhältnis stehen. Dies kann über die Prozesseinleitung der Staatsanwaltschaft nicht sichergestellt werden. So kann zum Beispiel gemäß § 47 bzw. § 48 des Verbraucherschutzgesetzes die verfahrende Behörde im Falle

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der Feststellung einer Rechtsverletzung unter anderem die Aufhebung des rechtswidrigen Zustandes anordnen, die Fortsetzung des rechtswidrigen Verhaltens untersagen, ein Bußgeld bestimmen, in bestimmten Fällen das Geschäft schließen lassen und gemäß § 47 Abs. 5 des Verbraucherschutzgesetzes einen Vertrag mit der Partei abschließen, wenn die Partei die Verpflichtung eingeht, das rechtswidrige Verhalten aufzugeben bzw. seine Geschäftstätigkeit gemäß den Verbraucherschutznormen zu leiten. Im Falle des Staatsanwaltes fehlt sogar die aus einer Rechtsvorschrift folgende Möglichkeit des verhältnismäßigen Auftretens. Die Vorbereitung der Prozesseinleitung, der vorab erfolgende Hinweis und die verbindliche, der Prozesseinleitung vorausgehende Abstimmung, die im Falle solcher Prozesse erwartet werden können, sind nicht einmal ansatzweise in der Regelung vorhanden und die Staatsanwaltschaft macht von diesen auch in der Praxis keinen Gebrauch.

Der Grund für die obige Regelung ist wohl die Absicht des Gesetzgebers, dass die Wirkungskreise des Verbraucherschutzes von denjenigen Organen, die am ehesten auf den Schutz der betroffenen Verbraucherinteressen vorbereitet sind und direkt mit den Verbraucherbeschwerden zu tun haben, auf Grund einheitlicher Gründe identisch ausgeübt werden (im Finanzbereich z.B. - durch die Hauptabteilung für Verbraucherschutz - die AFIN). Nur so kann nämlich die Möglichkeit des unbegründeten und eigenwilligen Auftretens vermieden werden. Die miteinander abgestimmte Tätigkeit der über Fachkenntnisse verfügenden Behörden ist unabdingbar.[29] Früher war auch von einer Modifizierung des § 39 des Verbraucherschutzgesetzes die Rede[30], so sollte der Staatsanwalt aus dieser Regelung herausgenommen werden.[31]

Auf die Verworrenheit der Regelung weist auch die weitere Tatsache hin, dass bestimmte, mit natürlichen Personen geschlossene und gemäß § 685 lit. e) des ZGB als Verbraucherverträge geltende Verträge zugleich gemäß Anhang 2, Interpretierende Verordnungen, III. Sonstige Bestimmungen, Punkt 5 des Gesetzes Nr. CXII (1996) über Kreditinstitute und Finanzunternehmen (im Weiteren: KreditwesenG)[32] auch als Verbraucherdarlehen gelten. Die obige, sich im Allgemeinen auf die Finanzdienstleistungen beziehende Einschränkung der Klageeinleitung aus öffentlichem Interesse kommt insbeson-

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dere im Zusammenhang mit dem Verbraucherdarlehen zur Geltung. Die Regelung der Verbraucherdarlehen wurde auf Grund des Gemeinschaftsrechts Teil des KreditwesenG (§§ 212-214/B). Im Interesse der Einhaltung dieser Verordnungen darf jedoch auf Grund des früher zitierten § 5 Absatz (1) lit. a) des AFIN-Gesetzes nur die AFIN auftreten und im Falle der Anwendung von missbräuchlichen Klauseln auch nur die AFIN eine Klage aus öffentlichem Interesse einleiten. Diese Regel änderte sich erneut mit der Umsetzung der Richtlinie Nr. 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates mit dem Gesetz Nr. CLXII (2009). In § 27 Absatz (1) dieses Gesetzes[33] ist es erneut nicht gelungen, die Untersuchung der AGB der unter das Gesetz fallenden Verträge eindeutig zu bestimmen.

V. Wettbewerbsrechtliche Überlegungen

Die aus der Gesetzgebung zum Verbraucherschutz und der Gesetzgebung der EU folgende Verbraucherschutzregelung muss auch hinsichtlich ihrer wettbewerbsrechtlichen Aspekte untersucht werden. Die Richtlinie Nr. 93/13/EWG verweist selbst an mehreren Stellen darauf, dass die Verabschiedung dieser durch die Aufhebung der Wettbewerbsverzerrung zwischen den Mitgliedsstaaten begründet ist.[34] Artikel 7 Absatz (1) und (2), der das "entsprechende und wirksame" Auftreten der Behörden der Mitgliedsstaaten vorschreibt, verfügt wie folgt:

(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.

(2) Die in Absatz 1 genannten Mittel müssen auch Rechtsvorschriften einschließen, wonach Personen oder Organisationen, die nach dem innerstaatlichen Recht ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher haben, im Einklang mit den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften die Gerichte oder die zuständigen Verwaltungsbehörden anrufen können,

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damit diese darüber entscheiden, ob Vertragsklauseln, die im Hinblick auf eine allgemeine Verwendung abgefasst wurden, missbräuchlich sind, und angemessene und wirksame Mittel anwenden, um der Verwendung solcher Klauseln ein Ende zu setzen.

Dem Auftreten der Behörden liegt nicht ausschließlich der Interessensschutz der Verbraucher zugrunde, sondern die Gewährleistung des ungestörten Funktionierens des Binnenmarktes, also der Unverzerrtheit des Wettbewerbs. Gemäß der Entsprechungstabelle im Anhang der Ministerialbegründung des Entwurfs des Gesetzes Nr. III (2006) wurde Artikel 7 Absatz (1) und (2) der oben zitierten Richtlinie von § 209 Absatz (1) bis (3) ZGB und § 5, sowie § 5/B der Auslegung des ZGB II im nationalen Recht umgesetzt. Auch dies zeigt, dass man die Prinzipien des wirtschaftlichen Wettbewerbs und auch die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften bei der Bestimmung der zur Klageeinleitung im öffentlichen Recht Berechtigten beachten muss. Der staatliche Eingriff sollte den Wettbewerb nicht verzerren und zum Zwecke des Verbraucherschutzes nicht andere Sphären verletzen. Diese Forderung kann nur mit einem wettbewerbsneutralen Eingreifen und einem neutralen staatlichen Auftreten realisiert werden. Im Falle identischer oder ähnlicher Rechtsverletzungen muss die hierzu berechtigte Behörde in identischer oder ähnlicher Weise gegen den Rechtsverletzenden auftreten. Die Rechtsvorschriften bezüglich der Organisation und Tätigkeit der Staatsanwaltschaft regeln dies überhaupt nicht; das Prinzip der Wettbewerbsneutralität tritt gar nicht auf. Die Staatsanwaltschaft kann frei wählen, infolge welchen vermeintlichen Verhaltens der Rechtsverletzenden und gegen wen sie einen privatrechtlichen Prozess einleitet. Sie muss sich mit niemandem abstimmen und auch keine Wettbewerbsaspekte abwägen. Aber genau dies ist derjenige Mangel, der im Kreis der fehlenden Regelungen der Prozesseinleitung verfassungsmäßige Bedenken aufwirft.

Im Falle der Staatsanwaltschaft ist nicht nur ein wettbewerbsneutrales Auftreten einzufordern, sondern auch die Begründetheit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingreifens. Die Begründetheit kann zum Beispiel leicht mit Verbraucherbeschwerden mit dem Bedürfnis nach einem staatlichem Auftreten in Verbraucherbeschwerden nachgewiesen und die Verhältnismäßigkeit mit differenzierten und schrittweise realisierten Maßnahmen gewährleistet werden. Im Falle der Staatsanwaltschaft ist keines von beiden geregelt. Das Auftreten der Staatsanwaltschaft ist auf die Möglichkeit der Prozesseinleitung beschränkt, die in vielen Fällen auch mit der Aufforderung zum rechtmäßigen Verhalten erreicht werden könnte.

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VI. Prozessrechtliche Vorschriften

§ 9 Absatz (1) Satz 2 ZPO lautet wie folgt: "Der Staatsanwalt kann keine Klage hinsichtlich eines Rechts einleiten, die nur von einer in einer Rechtsvorschrift bestimmten Person oder Organisation geltend gemacht werden kann. " Diese Vorschrift bezieht sich nicht nur auf Einschränkungen mit verfahrensrechtlichem Charakter, sondern auch auf diejenigen mit materiellrechtlichem Charakter. Die Vorschrift kann auch auf Einschränkungen bezogen werden, die auf den oben ausgeführten Verbraucherrechtsvorschriften aufbauen. Dies entspricht der herrschenden Auffassung in der Literatur[35] und wird durch § 11 Absatz (1) der Weisung des Generalstaatsanwalts Nr. 7./1996 (ÜK. 7.) über Die privatrechtliche Tätigkeit des Staatsanwalts untermauert. Danach hat der Staatsanwalt auch die in den materiellen Rechtsvorschriften bestimmten Einschränkungen des Klageeinleitungsrechts zu beachten.

VII. Zwischenfazit

Im ZGB wird das Klageeinleitungsrecht aller dazu berechtigten Organisationen und Personen mit allgemeinem Charakter zur Feststellung der Unlauterkeit bestimmter Vorschriften der Vertragsbedingungen, die einen Teil der Verbraucherverträge bilden, von der speziellen Branchenregelung des Mitgliedsstaates oder der Gemeinschaft, insbesondere von der Verordnung Nr. 2006/2005/EG des Rates[36] eingeschränkt und konkreten Behörden zugewiesen. Die hierzu berechtigten staatlichen Organe dürfen nur zum Schutz der zu ihrem fachlichen Tätigkeitsgebiet gehörenden Verbraucherinteressen auftreten und nicht zum Schutz jedweder Verbraucherinteressen.

Zum Beispiel muss auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen die im ZGB -bzw. in Anbetracht dessen in dem Einführungsgesetz I bzw. II des ZGB - gewährte allgemeine Bevollmächtigung zusammen mit dem KreditwesenG und den branchenneutralen Rechtsvorschriften bezüglich des Verbraucherschutzes, unter gegenseitiger Beachtung dieser, interpretiert und angewandt werden. Auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen, und dies trifft insbesondere auf das Verbraucherdarlehen zu, ist die AFIN das zum Schutz der Verbraucherinteressen verpflichtete und berechtigte Organ bzw. subsidiär die Nationale Verbrau-

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cherschutzbehörde. Im Laufe der Durchführung der Verordnung Nr. 2006/2004/EG - insbesondere des Abschnitts über das Klageinleitungsrecht, das in Artikel 4 Absatz (4) lit. b) auch gesondert hervorgehoben wird - hat sich der ungarische Gesetzgeber entschieden, den Kreis der zur Klageeinleitung aus öffentlichem Interesse mit einer erga omnes Wirkung berechtigten Organe auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen auf die AFIN und die Hauptaufsichtsbehörde für Verbraucherschutz (heute Nationale Verbraucherschutzbehörde) zu beschränken. Dies steht auch im Einklang mit den oben zitierten Abschnitten des am 01. Dezember 2007 in Kraft getretenen AFIN-Gesetzes.

VIII. Berücksichtigung der Interpretation des Europäischen Gerichtshofs

Die Prozesseinleitung aus öffentlichem Interesse durch den Staatsanwalt kann auch mit den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts formulierten Prinzipien bezüglich der Verbraucherschutzrichtlinie nicht in Einklang gebracht werden.

Bezüglich der Berechtigung zur Prozesseinleitung durch den Staatsanwalt spielen die im Vorabentscheidungsverfahren des Europäischen Gerichtshofs Pannon GSM Zrt. und Sustikné Erzsébet Győrfi - Nr. C-243/08[37] - formulierten Prinzipien eine außerordentlich wichtige Rolle.[38] Im Zusammenhang mit dem Ius-cogens-Charakter des Gemeinschaftsverbraucherschutzrechts erklärte das Gericht, dass es zur Geltendmachung der Rechtsverletzung nicht notwendig ist, dass der Verbraucher aktiv auftritt, also einen Prozess einleitet; es genügt die Verteidigung im Prozess. Dem Europäischen Gerichtshof zufolge muss das Gericht des Mitgliedstaates die Ungültigkeit der missbräuchlichen Klauseln von Amts wegen untersuchen, falls die sachlichen und rechtlichen Bedingungen dieser gegeben sind. Als Ausnahme hiervon könne es jedoch in einem von Amts wegen eingeleiteten Prozess der Ungültigkeitserklärung ein Hindernis sein, dass der Verbraucher die Ungültigkeitserklärung ablehnt. Somit wurde der Verbraucherwille - die Privatautonomie - als Schranke der Ius-cogens-Vorschrift, der Ungültigkeitserklärung von Amts wegen, aufgestellt. Dies wiederum wirft die Frage auf, ob die Staatsanwaltschaft von Amts wegen berechtigt ist, einen Prozess einzuleiten, um die AGB des Verbrauchers für ungültig zu erklären, bei dem der Verbraucher selbst gegebenenfalls auf die Vertragsbedingung besteht bzw. mit der Prozesseinleitung nicht einverstanden ist. Diese Interpretation wirft die Frage der Durchsetzung des Verbraucherschutzes von

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Amts wegen auf, und liegt nah an anderen EG-Normen, die fast imperativen Charakter haben, wie Art. 81 Abs. 2 EGV und die daran anknüpfenden EG-Vorschriften[39] und andere Verbraucher-Richtlinien.[40]

Das Recht der gerichtlichen Geltendmachung privatrechtlicher Ansprüche steht grundsätzlich der Privatperson zu, falls die vertragliche Ausgestaltung ex lege nichtig ist. Dem Europäischen Gerichtshof zufolge kann der Verbraucher trotzdem entscheiden, ob diese angewandt wird. In diesem Fall gibt es - falls kein sonstiges rechtspolitisches Ziel formuliert wird - keine entsprechende Erklärung und Rechtsgrundlage für die allgemeine Möglichkeit des Auftretens des Staatsanwaltes. Welchem Ziel dient die Prozesseinleitung mit allgemeinem Charakter, wenn die betroffenen missbräuchlichen Vertragsklauseln infolge der Rechtsanwendung des Gerichts des Mitgliedsstaates von Amts wegen nicht zur Geltung kommen können? Warum muss vor dem Gericht wegen solcher Vertragsklauseln ein Prozess eingeleitet werden, deren Rechtswirkung ex lege für nichtig erklärt wird? Hierfür kann es nur eine einzige Erklärung geben, und zwar die Beschränkung der Verbreitung der missbräuchlichen Vertragsklauseln mit quasi Soft-Law-Charakter. Der Staat kann gegen die weit verbreitete, teils Überhand nehmende, die vertragliche Rechtspraxis verschlechternde Wirkung solcher Vertragsklauseln nur auf diese Weise effektiv entgegentreten, da die im einzelnen Prozess gefällte Entscheidung nicht genügt, sondern nur die Erga-omnes-Wirkung ein effektiveres Einschreiten bedeuten kann.

Zusammenfassend lassen sich folgende Ergebnisse festhalten:

1. Die europäische Gesetzgebung gewährte und gewährt dem Staatsanwalt keinen Raum in der Bekämpfung unlauterer Vertragsausbedingungen; die Rolle des Staatsanwaltes wird durch die Rechtsanwendung der Mitgliedstaaten von Amts wegen ersetzt.

2. Die derzeitige Regelung des ungarischen Rechts hinsichtlich der Prozessführungsbefugnis des Staatsanwalts wirft starke verfassungsmäßige Zweifel auf, bezüglich derer das Verfassungsgericht die entsprechende Antwort formulieren kann. Das Auftreten des Staatsanwaltes ist im Grunde nicht geregelt.

3. Die ungarische Regelung kann mit demjenigen Prinzip des europäischen Rechts nicht in Einklang gebracht werden, das die Privatautonomie, den

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Verbraucherwillen, vor die staatliche Geltendmachung eines Anspruchs stellt. Aus dieser Sicht verstößt die ungarische Regelung gegen die vom Europäischen Gerichtshof formulierten Prinzipien und somit gegen das europäische Recht.

4. Soll der staatliche Kampf gegen die Soft-Law[41]-Welt der AGB den Dispositionsgrundsatz durchbrechen? Verlangt der allgemeine Verbraucherschutz die Beschränkung des Dispositionsgrundsatzes des Einzelnen im Interesse des Gemeinwohls? Eine solche Rechtsentwicklung sollte vermieden werden. ■

ANMERKUNGEN

[1] Zur Geschichte der ungarischen AGB-Regelung Fazekas Judit: Fogyasztóvédelmi jog. [Verbraucherschutzrecht], Budapest 2007, S. 38 ff.

[2] Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom 9.12.1976, das am 1.4.1977 in Kraft getreten ist.

[3] Die Regierung nach dem Niederschlag der Revolution des Jahres 1956.

[4] Beitrittsabkommen vom 16.4.2003, als Gesetz Nr. XXX (2004) angekündigt.

[5] Takáts Péter: A szabványszerződések [AGBs], Budapest 1987, zur Regelung liegt keine Rechtsprechung vor.

[6] Zwischen 1978 und 1998 erging kein Gerichtsurteil: Németh László: Az általános szerződési feltételek és a fogyasztói szerződések érvénytelensége iránti perek tapasztalatai [Allgemeine Geschäftsbedingungen und die Erfahrungen der Prozesse über die Ungültigkeit von Verbraucherverträgen], Gazdaság és Jog [Wirtschaft und Recht], 20. November 2008.

[7] Frühere ungarische Rechtsprechung: GK 37, állásfoglalás [Stellungnahme des Zivilkollegs des Obersten Gerichts]; GKT-PKT 1/1983; BH 1982.12.525; BH 1983.8.513; BH 1987.11.404; - Legf.Bír. Pf.III.0.343/1992.sz. - Rechtsprechungsammlung zum Zivilrecht 1970-1995, Polgári jog 1970-1995, Kötelmi Jog, Általános rész. szerk: Horeczky K - Szilágyi D [Schuldrecht AT] Civilisztikai Döntvénytár [Rechtsprechungssammlung Zivilrecht], Budapest 1996, S. 616 ff.

[8] Beitrittsvertrag zwischen den EG-Mitgliedstaaten und Ungarn v. 16.4.2003, angekündigt vom Gesetz Nr. XXX (2004).

[9] Gesetz Nr. CXLIX (1997).

[10] Gesetz Nr. III (2006).

[11] Fazekas Judit: Az európai integráció hatása a magyar magánjog fejlődésére, különös tekintettel a fogyasztóvédelemre, [Einfluss der europäischen Integration auf die Entwicklung des ungarischen Privatrechts, insbesondere auf das Verbraucherrecht], in: Bíró György (szerk.): A magyar magánjog az európai jogfejlődés áramában [Ungarisches Privatrecht in der europäischen Rechtsentwicklung], Miskolc 2002, S. 180 ff.

[12] In Verbindung mit § 209/B Abs. 1 ZGB.

[13] Rechtsprechung über die Ungültigkeit von Verbraucherverträgen: Szegedi Ítélőtábla - Pf.I.20 452/2007/3 - BDT 2008/109 - Finanzdienstleistung AGB, Staatsanwaltschaft von Komitat Csongrád; Szegedi Ítélőtábla - Pf.I.20 469/2007/3 - BDT 2008/109 - Werbungs- und Wertschätzungs-AGB, Staatsanwaltschaft Komitat Békés - AGB des Immobilienmaklers; Fővárosi Ítélőtábla 6.Pf.20 911/2008/7 - BDT 2009/59; Fővárosi Ítélőtábla 6.Pf.21 059/2007/5 - BDT 2009/60; Fővárosi Ítélőtábla 14. Gf.40.033/2007/12 - Staatsanwaltschaft Budapest in Sachen Leasing-AGB; Fővárosi Ítélőtábla 6.Pf.21.095/2007/8 - Staatsanwaltschaft Budapest in Banken-AGB; Rechtsprechung bei Németh (FN 2); Rechtsprechung über Rechtssachen, die durch Verbraucherorganisationen eingeleitet wurden: Fővárosi Ítélőtábla 6.Pf.20 556/2008/4 - BDT 2009/58; Fővárosi Ítélőtábla 6.Pf.20 087/2008/8 - BDT 2009/61 (BDT = Monatszeitschrift der rechtskräftigen Urteile der zweiten Instanzen [keine höchstgerichtlichen Urteile]).

[14] Über die Rolle des Staatsanwalts im Zivilprozess, Kengyel Miklós: Magyar polgári eljárásjog [Ungarisches Zivilprozessrecht], Budapest 2008[9], S. 153 ff.; § 9 ung. ZPO, Németh János - Kiss Daisy (szerk.) [Hg]: A polgári perrendtartás magyarázata [Kommentar zur ZPO], Budapest 2007, Band I, S. 133 ff.

[15] Sallós István, Győri Györgyné: A polgári bírósági eljárások és az ügyészi közreműködés múltja, jelene és perspektívái [Vergangenheit, Gegenwart und Perspektiven der Zivilprozesse und der Mitwirkung der Staatsanwaltschaft], In: Magyar Tudományos Akadémia, [Ungarische Akademie der Wissenschaften], Budapest, 1988, S. 26.

[16] Artikel 57 Abs. 1 der Verfassung besagt: "In der Republik Ungarn ist jeder vor dem Gericht gleich, und jeder hat das Recht darauf, dass ein unabhängiges und unparteiisches Gericht in einer gerechten und öffentlichen Verhandlung jede gegen ihn erhobene Anklage oder in irgendeinem Prozess seine Rechte und Pflichten beurteilt. (2) In der Republik Ungarn ist jeder solange nicht für schuldig anzusehen, bis die rechtskräftige Entscheidung des Gerichts seine strafrechtliche Verantwortlichkeit festgestellt hat. (3) Den einem Strafverfahren unterzogenen Personen steht in jeder Phase des Verfahrens das Recht der Verteidigung zu. Der Verteidiger kann wegen seiner bei der Ausübung der Verteidigung geäußerten Meinung nicht zur Verantwortung gezogen werden. (4) Niemand darf wegen einer Handlung für schuldig erklärt und mit einer Strafe belegt werden, die zur Tatzeit nach ungarischem Recht oder - zur Durchsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Beschlüssen, in dem durch die Rechtsakte der Europäischen Union festgelegten Bereich und indem der wesentliche Inhalt der Grundrechte nicht eingeschränkt wird - dem Recht eines an der Schaffung einer auf Freiheit, Sicherheit und der Rechtsdurchsetzung beruhenden Region mitwirkenden anderen Staates keine Straftat war. (5) In der Republik Ungarn kann entsprechend den Festlegungen in den Gesetzen jeder Bürger gegen Gerichtsbeschlüsse bzw. Verwaltungs- oder andere behördliche Entscheidungen Rechtsmittel einlegen, die ihre Rechte oder berechtigten Interessen verletzen. Das Recht auf Rechtsmittel kann - zur Beurteilung von Rechtsstreitigkeiten innerhalb einer sinnvollen Zeit - ein Gesetz einschränken, das mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Parlamentsabgeordneten angenommen wurde."

[17] Entscheidung Nr. 1994/1 (I. 7.) ABh., III. 2.1.

[18] Entscheidung Nr. 1994/1 (I. 7.) ABh., III. 2.2.

[19] Entscheidung Nr. 1994/1 (I. 7.) ABh., III. 2.2.

[20] Vgl. Beck Károly: Magán- (külön) vélemény az ügyész polgári perbeli jogállásáról hozott alkotmánybírósági határozathoz [Persönliche (abweichende) Stellungnahme zur Entscheidung des VerfG bezüglich der Prozessführungsbefugnis des Staatsanwalts im Zivilprozess], In: Magyar jog, 1994/3., S. 155.

[21] Varga Zs. András: § 51, Rn. 51, in Jakab András (szerk.) [Hg]: Az Alkotmány kommentárja, II., [Kommentar zur Verfassung], Budapest 2009, S. 1868.

[22] Beschluss Nr. 1/1994 (I. 7.) AB határozat des ung. VerfG.

[23] Wichtigste Entscheidungen des Verfassungsgerichts: Entscheidung Nr. 1/1994 (I. 7.) AB; Entscheidung Nr. 20/1997. (III. 19.) AB; Entscheidung Nr. 2/2000 (II. 25.), Entscheidung Nr. 12/2001 (V. 14.) AB, Entscheidung Nr. 255/B/2002 AB.

[24] Dazu: Csehi Zoltán: Az általános szerződések feltételei szabályai az európai jog szorításában [Die AGB-Regelung unter dem Druck des Rechts der Europäischen Union], In Barta Judit (szerk.) [Hg.]: Bank- és hitelviszonyok [Bank- und Kreditwesen] Miskolc 2009, S. 82-101.

[25] Der Begriff der Finanzdienstleistung wird in § 3 Abs. 1 des Gesetzes Nr. CXII (1996) über Kreditinstitute und Finanzinstitute definiert.

[26] HL L 40, 23.2.2007, S. 27.

[27] Anstelle der Hauptaufsichtsbehörde ist durch Regierungsverordnung Nr. 225/2007 (VIII. 31.) die Nationale Behörde für Verbraucherschutz benannt.

[28] Art. 9 Abs. 1: "Die zuständigen Behörden koordinieren ihre Marktüberwachungs- und Durchsetzungstätigkeit. Sie tauschen alle hierfür erforderlichen Informationen aus."

[29] Darauf weist die Regierungsverordnung Nr. 153/2009 (VII. 23.) hin. Als zuständige Behörde wurde die AFIN benannt.

[30] Gesetzesvorschlag Nr. 6089/2008 - SZMM des Sozial- und Arbeitsministeriums betreffend das Gesetz über Verbraucherschutz Nr. CLV (1994), der die auf das Verbraucherschutzgesetz gegründete Klagebefugnis der Staatsanwaltschaft abschaffen wollte.

[31] Zur Zeit gilt § 39 des Gesetzes.

[32] "Verbraucherkredit: Zum Kauf, zur Reparatur der üblichen Sachen des alltäglichen Lebens und anderer Dienstleistungen Privater gegebenes Darlehen und nicht zweckgebundenes Darlehen Privater, welches nicht zur gewerblichen Tätigkeit in Anspruch genommen wird."

[33] Inkraftgetreten am 11.06.2010; § 27 legt die Kompetenz der Finanzaufsichtbehörde fest.

[34] Abs. 2 der Präambel: "Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Vertragsklauseln zwischen dem Verkäufer von Waren oder dem Dienstleistungserbringer einerseits und dem Verbraucher andererseits weisen viele Unterschiede auf, wodurch die einzelnen Märkte für den Verkauf von Waren und die Erbringung von Dienstleistungen an den Verbraucher uneinheitlich sind; dadurch wiederum können Wettbewerbsverzerrungen bei den Verkäufern und den Erbringern von Dienstleistungen, besonders bei der Vermarktung in anderen Mitgliedstaaten, auftreten."

[35] Németh János - Kiss Daisy (szerk.) [Hrsg.]: A polgári perrendtartás magyarázata I. [Kommentar zur ZPO], Budapest 2007, S. 134 - 136.

[36] Der Vorrang des Europarechts vor dem nationalen Recht ist allgemein anerkannt, Vgl. Várnay Ernő - Papp Mónika: Az Európai Unió joga, [Das Recht der Europäischen Union], Budapest 2003, S. 233-253.

[37] NJW 2009, S. 2367.

[38] Thomas Pfeiffer: Anmerkung, NJW 2009, S. 2369.

[39] EuGH v. 25.11.1971 - Beguelin Import ./. G.L. Import Export, u. EuGH, Rs. C-126, Eco Swiss China Time Ltd. ./. Benetton International N.V.

[40] Richtlinie 93/13/EG, Art. 6, Abs. 2, dazu Christian Kohler: Der europäische Justizraum für Zivilsachen und das Gemeinschaftskollisionsrecht, IPRax 2003, S. 401 ff.; Erik Jayme -Christian Kohler: Europäisches Kollisionsrecht 2005: Hegemonialgesten auf dem Weg zu einer Gesamtvereinheitlichung, IPRax 2005, S. 483.

[41] Jean Carbonnier: Droit et non-droit, in Ders.: Flexible Droit, Paris 2001[10], S. 9 ff.

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