"Wie viel Zeit bleibt mir noch auf Erden?" "Wie und unter welchen Umständen werde ich sterben?" Werde ich leiden müssen?" "Werde ich bis zum Schluss bei Bewusstsein oder auf die Hilfe anderer angewiesen sein?" Solche oder ähnliche Fragen stellen sich heutzutage früher oder später wohl die meisten von uns. Doch das war nicht immer so. Der Zeitpunkt des eigenen Todes und seine Umstände waren lange ein Tabu, etwas, das man ob seiner eigenen Machtlosigkeit nur allzu gerne verdrängt.[1] Doch mit der rasanten Weiterentwicklung der Medizin in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die dazu geführt hat, dass Ärzte nun auch in Fällen, die einstmals für hoffnungslos gehalten wurden, mitunter noch eine beträchtliche
Lebensverlängerung erreichen können (mit der leider allzu oft auch eine Leidensverlängerung einhergeht),[2] ist zunehmend die Frage in den Vordergrund gerückt, ob die gesamte Bandbreite medizinischen Könnens der Disposition des Einzelnen unterliegt, und wenn ja, inwieweit. Oder etwas präziser: Geht mit der tatsächlichen Möglichkeit der Beeinflussung und Gestaltung des eigenen Lebensendes auch ein Gestaltungsrecht einher? Und im Bejahungsfall: Wie ist sein Umfang, wo sind seine Grenzen?
Obwohl die Sterbehilfe neben einer verfassungsrechtlichen auch über eine zivilrechtliche Komponente verfügt und gerade diese in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen hat, gilt sie in der deutschen Jurisprudenz nach wie vor als primär strafrechtliches Topos. Das mag unbefriedigend sein[3] und auch von der Bewertung in anderen Ländern abweichen;[4] eine fundierte Kritik soll hier aber anderen überlassen werden. Wichtig ist nur zu wissen, dass eine überzeugende Bewältigung der zahlreichen diffizilen Fragen, die Entscheidungen am Lebensende anhaften, nur wird gelingen können, wenn sich das Strafrecht in Zukunft etwas zurücknimmt und eine Akzentverschiebung zu den beiden anderen Rechtsgebieten erfolgt. Doch zurück zur gegenwärtigen Situation: Für ROXIN gehört die Sterbehilfe zu den "schwierigsten Probleme des Strafrechts", weil die Tötungsdelikte im StGB[5] nicht auf diese Thematik bezogen sind (und auch der die Tötung auf Verlangen sanktionierende § 216 StGB nur einen sehr begrenzten Ausschnitt erfasst), die Entscheidung des Einzelnen pro oder contra morte nur eingeschränkt rechtlich regulierbar ist und schließlich, weil in diesem Bereich nicht nur Juristen, sondern auch Ärzte, Literaten, Geistliche und Philosophen mitreden wollen, es sich mithin bei der Sterbehilfe nicht nur um ein intra-, sondern auch um ein interdisziplinäres Problemfeld handelt.[6] Vor diesem Hintergrund mutet es nun allerdings erstaunlich an, dass man sich in der deutschen Strafrechtswissenschaft über die Behandlung der meisten Sachverhalte im Ergebnis einig ist,[7] wobei dieser Umstand durch die Feststellung relativiert wird, dass die Begründung der Strafbar- bzw. Straflosigkeit bestimmter als Sterbehilfe zu bezeichnender Verhaltensweisen häufig äußerst umstritten ist. Hinzu kommt, dass en détail nach wie vor vieles offen ist und viele Einzelfragen einer Klärung harren.
Dies ist freilich nicht nur in Deutschland so. Die Sterbehilfe ist kein landes- und gesellschaftsspezifisches, sondern vielmehr ein landes- und gesellschaftsübergreifendes Problem, das freilich - und mit dieser Behauptung lehnt man sich sicher nicht zu weit aus dem Fenster - bis dato noch in keiner Rechtsordnung einer befriedigenden Lösung zugeführt wurde. Der Umstand, dass es "den großen Wurf" noch nicht gegeben hat (so er denn überhaupt möglich sein sollte), darf indes nicht zur (Fehl-)Annahme verleiten, dass man von anderen Ländern nichts lernen könnte, sei es in positiver oder in negativer Hinsicht. Allseits bekannt dürfte die niederländische Regelung zur Straflosigkeit aktiv-gezielter Lebensverkürzungen und des assistierten Suizids in bestimmten Fällen sein,[8] die bei Ihrem Inkrafttreten im Jahre 2002 hohe Wellen schlug und Zündstoff, aber auch Nährboden für eine fruchtbare Diskussion über den Umgang mit Schwerkranken und Sterbenden bietet.
Ein Blick lohnt aber auch nach Osten, in die Länder jenseits des ehemaligen Eisernen Vorhangs. Galt dort auf dem Boden der sozialistischen Ideologie lange der Grundsatz "salus aegroti suprema lex",[9] wurde in den Jahren nach der
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Wende versucht, das Arzt-Patient-Verhältnis auf Grundlage eines neu gewonnenen liberalen Staatsverständnisses neu auszugestalten und dabei dem Recht des Patienten zur Selbstbestimmung über seinen Körper Geltung zu verschaffen. Im Zuge dieser tiefgreifenden rechtlichen Umwälzungen trat auch in Ungarn 1998 ein neues "Gesundheitsgesetz" ("GesG") in Kraft, welches die ärztlich-paternalistische Vorgängerregelung ablöste und dem Patienten deutlich weiter gehende Rechte einräumt. Insbesondere die rechtliche Ausgestaltung des Verzichts auf lebensrettende Maßnahmen erscheint interessant, wurde hier doch mit der Implementierung verfahrensrechtlicher Mechanismen schon früh ein Weg beschritten, der unter dem Stichwort "Prozeduralisierung" den künftigen Umgang mit der Sterbehilfeproblematik - in einem positiven Sinne - nachhaltig prägen dürfte. Aber auch außerhalb des GesG weist das ungarische Recht mit der Strafbarkeit der "Mitwirkung" an einer Selbsttötung in § 162 uStGB eine bedeutsame Abweichung von der deutschen Rechtslage auf, die mit Blick auf die erst am 6.11.2015 vom Bundestag beschlossene Sanktionierung der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe[10] eine nähere Betrachtung verdient.
Dieser Beitrag setzt sich zum Ziel, dem Leser einen Überblick über die ungarische Rechtslage zur Sterbehilfe zu verschaffen und diese durch punktuelle Gegenüberstellung mit dem deutschen Sterbehilferecht einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Dazu wird zunächst die in beiden Ländern übliche Terminologie vorgestellt (II.), um sich anschließend den verschiedenen Sterbehilfeformen und ihrer strafrechtlichen Beurteilung (III.-V.) sowie dem Prozeduralisierungsaspekt als ein wesentliches Charakteristikum der Regelung im GesG zuzuwenden (VI.). Auf diesem Fundament aufbauend wird in den letzten beiden Abschnitten schließlich auf die aus Sicht des Autors dringlichsten Probleme der "ungarischen Lösung" eingegangen (VII.) und der Versuch unternommen, mögliche Lösungswege aufzuzeigen (VIII). Der Klarstellung halber sei angemerkt, dass es im Folgenden nur um die rechtliche Bewertung von Entscheidungen am Lebensende bzw. deren Umsetzung bei Erwachsenen geht.
Die in der ungarischen Diskussion verwendeten Begriffe unterscheiden sich nicht grundlegend von denjenigen im deutschen Diskurs. Augenfällig ist allenfalls, dass in Ungarn durchgängig von "Euthanasie" die Rede ist, wohingegen dieser Begriff in Deutschland aufgrund der "Vernichtung lebensunwerten Lebens" während der NS-Zeit als diskreditiert gilt und stattdessen von "Sterbehilfe" gesprochen wird.[11] Ansonsten wird hier wie dort eine Kategorisierung entlang der Parameter "Verhalten" (Tun vs. Unterlassen) sowie "Absichten und Motive" (Beschleunigung des Todes vs. Schmerzlinderung) des Täters vorgenommen, die sich in der Differenzierung zwischen "aktiver" und "passiver" Sterbehilfe einer-, und "aktiver" und "indirekter" Sterbehilfe andererseits ausdrückt.[12] Anders als in Deutschland werden in Ungarn üblicherweise nur ärztliche Verhaltensweisen unter genannte Begriffe subsumiert.[13] Übereinstimmung besteht wiederum insoweit, als auch in Ungarn verschiedentlich versucht wird, auf eine zumindest partielle Änderung der Nomenklatur hinzuwirken und/oder bestimmte Verhaltensweisen aus dem Problemfeld auszuklammern. So will etwa die Ungarische Ärztekammer in ihrem sog. Ethik-Kodex potenziell lebensverkürzende Schmerzlinderungen ebenso wie den Verzicht auf lebenserhaltende Maßnahmen aus dem Bereich der Sterbehilfe ausklammern und unter den Begriff "terminale Palliativmedizin" eingeordnet wissen.[14] Derartige Desiderate sind kritisch zu sehen, da sie zu einer Zersplitterung des Sprachgebrauchs führen und durch die Verwendung bestimmter Begriffe die normative Bewertung der mit ihnen assoziierten Verhaltensweisen nicht präjudiziert wird. Schließlich wird zur Sterbehilfe mitunter auch die Beihilfe zur Selbsttötung eines unheilbaren Patienten gezählt,[15] deren rechtliche Beurteilung jedoch mit Blick auf Titel und Zielsetzung dieses Beitrages, den Widerstreit zwischen "voluntas" und "salus" des Patienten als "suprema lex" des ungarischen Gesundheitsrechts deutlich zu machen, nachfolgend außen vor bleiben soll.
Die als "indirekte Sterbehilfe" bezeichnete medizinisch indizierte Schmerzlinderung mit der unbeabsichtigten (Neben-)Folge der Lebensverkürzung wird in der ungarischen Lehre, soweit sie sich überhaupt mit ihr beschäftigt, für straflos erachtet. Das entspricht der Situation in Deutschland; ebenso, dass verschiedene Begründungsmodelle für das Ergebnis der Straflosigkeit offeriert werden. Während sich jedoch in der deutschen Debatte auch Versuche finden, die indirekte Sterbehilfe bereits tatbestandslos zu stellen,[16] setzen die "ungarischen Lösungen" allesamt bei der Rechtswidrigkeit an.[17] Das ist richtig, da einzelfallorientierte Abwägungsvorgänge, wie sie bei der indirekten Sterbehilfe zum Tragen kommen, auf diese Ebene gehören.[18]
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Im Wesentlichen lässt sich in Ungarn zwischen drei "Rechtfertigungslösungen" unterscheiden:
Horváth hat bereits in den 1970er Jahren vorgeschlagen, auf die Rechtsfigur der Pflichtenkollision zu rekurrieren.[19] Er scheint dabei jedoch zu verkennen, dass es hier nicht um die Kollision zweier Handlungspflichten ("Schmerzlinderung" vs. "Lebenserhaltung"), sondern um das Aufeinandertreffen einer Handlungs- mit einer Unterlassungspflicht ("Schmerzlinderung" vs. "Tötungsverbot") geht - dies aber ist der klassische Fall des rechtfertigenden Notstands.[20]
Die in der deutschen Lehre von der Mehrzahl der Autoren (mit Recht) favorisierte Notstandslösung[21] wird bislang - soweit ersichtlich - nur von FILÓ vertreten,[22] dessen Ansatz in der ungarischen Lehre bis dato noch nicht ausreichend gewürdigt wurde. Er scheint aber auch unter Zugrundelegung ungarischen Rechts gut vertretbar, weil alle denkbaren Einwände gegen ihn im Ergebnis unbegründet sind.
So lässt sich nicht behaupten, die Anwendungsvoraussetzung der Notstandsvorschrift, wonach der durch die Notstandshandlung verursachte "Schaden" nicht größer sein darf, als der abgewendete, sei in den Fällen der indirekten Sterbehilfe nie erfüllt, weil das Rechtsgut "Leben" das Rechtsgut "Schmerzlinderung" stets überwiege. Bei genauerer Betrachtung wird klar, dass auch die Notstandsvorschrift im uStGB nicht der Güterabwägungstheorie, sondern dem Grundsatz der Interessenabwägung folgt.[23]
Gegen die Notstandslösung kann zudem nicht ins Feld geführt werden, dass das Rechtsgut "Leben", welches auch nach dem ungarischen Grundgesetz ("uGG") einen "Höchstwert" darstellt, im Rahmen einer Interessenabwägung niemals zurücktreten könne.[24] Wenngleich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des ungarischen Verfassungsgerichts zum Grundrecht auf Leben und Menschenwürde nach § 54 Abs. 1 der vorherigen Verfassung[25] und des sehr ähnlichen Wortlauts von Art. II uGG nach wie vor davon auszugehen sein wird, dass sich eine Abstufung menschlichen Lebens nach qualitativen (und quantitativen) Gesichtspunkten verbietet, würde mit diesem Argument verkannt, dass besagter Grundsatz keine Abwägung durch den Rechtsgutsträger selbst verbieten kann, andernfalls ein Recht auf Leben in eine Pflicht zu leben umgedeutet würde.[26]
Der Anwendung von § 23 Abs. 1 uStGB auf die Fälle der indirekten Sterbehilfe steht auch nicht die (behauptete) Unvereinbarkeit mit dessen normativer Logik - die man richtigerweise als Ausprägung des Solidaritätsprinzips zu begreifen hat[27] - entgegen. Zwar ist die Priorisierung eigener Interessen Ausdruck der Autonomie des Einzelnen ist, doch lässt sich daraus nicht die Unanwendbarkeit der auf zwischenmenschliche Interessenkonflikte zugeschnittenen Notstandsvorschrift auf intrapersonale Interessenkollisionen folgern und die Gefahr heraufbeschwören, durch ihre Anwendung auf die indirekte Sterbehilfe das Selbstbestimmungsrecht des Patienten auszuhöhlen.[28] Erklärt man die ausnahmslose Strafbarkeit auch konsentierter Lebensverkürzungen im ungarischen Strafrecht mit dem Schutz des Tötungstabus,[29] so lässt sich eine Vereinbarkeit mit dem Solidaritätsgedanken mit der Erwägung begründen, die Rechtsordnung verzichte ausnahmsweise auf seine Bestätigung, wenn das Schmerzlinderungsinteresse des Patienten das gesellschaftliche Normstabilisierungsinteresse aufwiegt.[30] Bei der Frage nach der Kompatibilität mit dem Autonomieprinzip gilt es zu berücksichtigen, dass der Patient zur Disposition über das Rechtsgut "Leben" nicht befugt ist, mithin eine rechtfertigende Einwilligung ausscheidet. Zugleich darf ihm die Not(stands)hilfe aber auch nicht aufgedrängt werden, was mit anderen Worten bedeutet, dass es ohne Einwilligung keine (Notstands-)Rechtfertigung geben kann.[31] So ist auch in der deutschen Lehre anerkannt, dass eine Straflosigkeit der indirekten Sterbehilfe zumindest die mutmaßliche Einwilligung des Patienten in die Schmerzlinderung voraussetzt.[32]
Auch der Hinweis, mit dem Notstandsparagraphen die durch § 160 uStGB statuierte "Einwilligungssperre" zu umgehen,[33] ist nicht stichhaltig, da eine Notstandsrechtfertigung auf anderen Wertungen beruht als eine Rechtfertigung qua Einwilligung.[34]
Keine Beachtung verdienen schließlich auch den beiden verwandten Argumente, wonach eine Notstandsabwägung am fehlenden Eingriffs- (weil der Patient in die indirekte Sterbehilfe einwilligen müsse und daher kein Interesse mehr an Lebensverlängerung habe)[35] und/oder am fehlenden Erhaltungsinteresse (weil der Patient gleichzeitig mit der Schmerzbeseitigung getötet werde) scheitern muss.[36] Ein Eingriffsinteresse liegt schon mit dem gesellschaftlichen Interesse an der Aufrechterhaltung des Tötungstabus vor.[37] Gegen das Fehlen eines Erhaltungsinteresses spricht, dass es hier selbstverständlich nicht um das Schmerzlinderungsinteresse des toten, sondern das des (noch) lebenden Patienten geht.[38]
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Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die von Filó vertretene Notstandslösung strafrechtsdogmatisch überzeugend ist.
Ihr kommt im Ergebnis gleichwohl keine Bedeutung zu, weil eine lebensverkürzende Schmerzlinderung auch unter das GesG subsumiert werden kann und dieses eine abschließende Regelung der im Arzt-Patient-Verhältnis zulässigen Verhaltensweisen enthält, mithin eine "Sperrwirkung" entfaltet. Strafrechtsdogmatisch ist die indirekte Sterbehilfe damit aufgrund einer "gesetzlichen Ermächtigung" i.S.v. § 24 uStGB gerechtfertigt. In der ungarischen Lehre wird dies freilich kaum erkannt. Tatsächlich statuiert das GesG aber in § 6 das Recht des Patienten auf Linderung seiner Schmerzen und Leiden, mit dem dann - soll es nicht leerlaufen - eine entsprechende ärztliche Pflicht korrelieren muss. § 129 GesG bestimmt demgegenüber, welche Therapiemethoden unter welchen Voraussetzungen zulässig sind. Der behandelnde Arzt ist zur Festlegung einer Therapie befugt, wenn sie wissenschaftlich anerkannt ist, er bzw. das Behandlungsteam sie beherrschen und auch die vorhandene sachlichpersonelle Ausstattung ihre Anwendung zulässt (Abs. 1).
Die indirekte Sterbehilfe lässt sich unter diese Vorschrift subsumieren. Dass es sich bei ihr trotz aller Fortschritte in der Schmerzforschung nach wie vor um einen anerkannten Bestandteil der Palliativmedizin handelt, wird in Ungarn von niemandem ernsthaft bestritten.[39] Der Subsumtion steht auch nicht § 129 Abs. 2 lit. b GesG entgegen, wonach das Risiko des Eingriffs geringer als das Risiko seiner Unterlassung sein bzw. ein profunder Grund für seine Eingehung bestehen muss. Sieht man einmal davon ab, dass sich eine unterlassene Schmerzlinderung durchaus lebensverkürzend auswirken kann,[40] wird man in dem Umstand, dass eine Schmerzkontrolle nicht anders zu erreichen ist als durch die Gabe potenziell lebensverkürzender Medikamente, ohne Wortlautüberdehnung einen "profunden Grund" in oben genanntem Sinne sehen können.
Als weitere Voraussetzung bedarf die jeweilige Maßnahme schließlich auch der nach Maßgabe des Gesetzes erklärten Einwilligung des Patienten (§ 129 Abs. 2 lit. a GesG). Die entsprechenden Vorschriften, deren Wortlaut hier aus Platzgründen nicht wiedergegeben werden kann, finden sich in den §§ 15-19 GesG. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass beim (voll) geschäftsfähigen Patienten eine potenziell lebensverkürzende Schmerzlinderung stets seiner aufgeklärten Einwilligung bedarf und diese im Falle invasiver Maßnahmen zudem schriftlich[41] erklärt werden muss. Beim beschränkt geschäftsfähigen Patienten folgt aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 GesG, der nur vom (voll) geschäftsfähigen Patienten spricht, sowie der Vorgabe in § 16 Abs. 4 i.V.m. Abs. 7 GesG, wonach sein Gesundheitszustand durch die Erklärung seines gesetzlichen Vertreters bzw. seines gewillkürten Patientenvertreters nicht nachteilig beeinflusst werden darf, dass eine medizinisch indizierte Analgesie stets, d.h. ggf. zwangsweise durchzuführen ist. Diese Einschränkung gilt auch für den gesetzlichen Patientenvertreter des geschäftsunfähigen Patienten, wohingegen sie auf seinen gewillkürten Patientenvertreter nicht anwendbar ist. Da aber gem. § 21 Abs. 1 GesG ein Behandlungsverzicht i.S.v. § 20 Abs. 2 GesG, d.h. ein solcher, der zu einer schweren oder bleibenden Gesundheitsschädigung des Patienten führen würde, unzulässig ist und die eine indirekte Sterbehilfe erforderlich machenden Schmerzzustände typischerweise äußerst gravierend sind, ist sie auch beim geschäftsunfähigen Patienten stets, d.h. ggf. zwangsweise durchzuführen.[42]
Klärungsbedürftig ist in diesem Zusammenhang noch die Frage, welche Auswirkungen ein Verstoß gegen die im GesG niedergelegten Form- und Verfahrenserfordernisse zeitigt. Man stelle sich etwa den Fall vor, dass ein Arzt einem schwer leidenden Krebspatienten eine kontrollierte Morphingabe über eine intravenös zu legende Kanüle vorschlägt, ihn über die möglichen Risiken und Nebenwirkungen - in concreto eine medizinisch nur schwer beherrschbare Atemdepression - aufklärt, dann aber aufgrund chronischer Arbeitsüberlastung vergisst, sich die Einwilligung des Patienten schriftlich bestätigen zu lassen. Der Patient stirbt. Ist der Arzt hier wegen Totschlags strafbar? Anders als in Deutschland, wo der Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften des BGB nach h.L nicht per se zu einer Tötungsstrafbarkeit führt,[43] würde diese Frage in der ungarischen Lehre mit Blick auf den abschließenden Charakter des GesG wohl bejaht.[44] Indes sollte jedem einleuchten, dass dies mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hochgradig bedenklich ist.
Geht man von der indirekten Sterbehilfe als aufgrund einer im GesG enthaltenen Ermächtigung gerechtfertigte Handlung aus, so stellen sich keine Probleme hinsichtlich ihrer Reichweite. Die in Deutschland diskutierten Fragen,[45] ob ihre Zulässigkeit in zeitlicher Hinsicht auch den noch nicht Sterbenden und in qualitativer Hinsicht auch sonstige Leidenszustände erfasst, sind beide mit
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Blick auf den Wortlaut von § 6 Abs. 1 GesG, der jedem Patienten das Recht auf Linderung seiner Schmerzen und Minderung seiner Leiden zusteht, zu bejahen. Zu verneinen ist hingegen die Einbeziehung auch der Fälle feststehender Lebensverkürzung, da § 129 Abs. 2 lit. b GesG verlangt, dass das Risiko des Eingriffs geringer als das seiner Unterlassung sein muss, mithin eine Schmerzlinderung ausscheiden muss, wenn sich der Todeseintritt zur Gewissheit verdichtet.
Das oben zur indirekten Sterbehilfe Gesagte hat weitreichende Implikationen auch für die Behandlung der aktiven Sterbehilfe. Entgegen der ganz h.L. in Ungarn ist die zielgerichtete Tötung eines unheilbar Kranken zumindest immer dann straflos, wenn sie Folge einer medizinisch indizierten Schmerzlinderung ist, d.h. phänotypisch einer indirekten Sterbehilfe entspricht. Da die §§ 6, 129 GesG nicht nach dem Vorsatzgrad differenzieren, sind auch solche ärztlichen Verhaltensweisen aufgrund einer "gesetzlichen Ermächtigung" gerechtfertigt. Darüber hinaus gehende, sich äußerlich nicht mehr als Analgesie darstellende Tötungen sind demgegenüber unzulässig, weil das GesG nach dem oben Gesagten das Arzt-Patient-Verhältnis abschließend regelt und eine entsprechende "Ermächtigung" gerade nicht enthält. Diese "Sperrwirkung" kann freilich nur soweit reichen, wie die Möglichkeiten der Palliativmedizin für den Patienten erreichbar sind. In besonderen Extremsituationen wie dem in der deutschen Debatte viel zitierten Fall des verbrennenden Autofahrers[46] muss dies ausscheiden. Sofern hier der Moribunde seine Tötung ausdrücklich verlangt oder zumindest in diese einwilligt, erscheint eine Rechtfertigung gem. § 23 Abs. 1 uStGB denkbar. Strafrechtsdogmatische Einwände gegen seine Anwendung bestehen, wie oben dargelegt, nicht. Fraglich ist allenfalls, ob im Rahmen der Abwägung das Gewicht des gesellschaftlichen Normstabilisierungsinteresses durch "Dammbruch-" bzw. "slippery slope-"Erwägungen derart verstärkt wird, dass es das Schmerzlinderungsinteresse des Sterbenden überwiegt. Dies wird man richtigerweise zu verneinen haben, da entsprechende Argumente schon empirisch wenig fundiert und vor allem immer dann fehl am Platz sind, wenn sie ins Inhumane umschlagen.[47]
Der als passive Sterbehilfe bezeichnete Verzicht auf die Aufnahme oder Fortführung lebenserhaltender bzw. lebensrettender Maßnahmen wird in der ungarischen Lehre unter Verweis auf die ausführliche Regelung in den §§ 20-23 GesG für unproblematisch gehalten. Dies ist insofern nicht zu beanstanden, als bereits auf den abschließenden Charakter dieses Gesetzes hingewiesen wurde. Klarstellend gilt es indes festzuhalten, dass der auf ein Tun bezogene Rechtfertigungsgrund "gesetzliche Ermächtigung" hier nicht zum Tragen kommen kann, ein unter den Voraussetzungen der §§ 20-23 GesG ausgesprochenes Behandlungsveto vielmehr die Garantenstellung des behandelnden Arztes in Wegfall bringt. Die Garantenstellung wird daneben auch durch die medizinische Indikation begrenzt (vgl. §§ 7 Abs. 1, 131 Abs. 3 lit. b GesG), wobei der Inhalt und die Reichweite dieses Begriffs in Ungarn noch weitestgehend ungeklärt sind. Hinsichtlich der Zulässigkeitsvoraussetzungen passiver Sterbehilfe empfiehlt es sich wie in der deutschen Diskussion zwischen geschäftsfähigen Patienten auf der einen und beschränkt geschäftsfähigen/geschäftsunfähigen Patienten auf der anderen Seite zu differenzieren. Ausganspunkt ist aber stets § 20 Abs. 1 GesG, wonach der geschäftsfähige Patient vorbehaltlich der gesetzlichen Ausnahmen ein Recht auf Behandlungsverzicht hat, wenn Leben und körperliche Unversehrtheit anderer nicht gefährdet werden.
Gilt diese These in Deutschland absolut, d.h. darf sich der geschäftsfähige (bzw. in Deutschland: einwilligungsfähige) Patient jegliche Form medizinischer Behandlung ungeachtet seines Krankheitszustands verbitten,[48] wird der Grundsatz in § 20 Abs. 3 GesG, der den Verzicht auf eine lebensrettende/lebenserhaltende Behandlung im ungarischen Recht regelt, in tatsächlicher, formaler und prozeduraler Hinsicht eingeschränkt bzw. präzisiert. Der Wortlaut dieser Vorschriften darf als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, sodass nachfolgend nur auf die zwei drängendsten Probleme des Regelungsregimes einzugehen ist:
Dósa hat mit Recht darauf hingewiesen, dass die Bindung der Zulässigkeit passiver Sterbehilfe an eine innerhalb kurzer Zeit auch bei entsprechender medizinischer Versorgung zum Tode führende Erkrankung eine krasse Missachtung der Patientenautonomie darstellt, weil daraus e contrario folgt, dass ein Patient, der diese Voraussetzung nicht erfüllt, trotz seines Behandlungsvetos (zwangs-)zu behandeln ist.[49] Dósa weist auch zutreffend darauf hin, als diese
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Rechtslage kaum mit der Rechtsprechung des EGMR in Einklang zu bringen sein dürfte.[50]
Ein weiteres Problem ist die Definition des lebensrettenden Eingriffs in § 3 lit. n GesG als "im Fall dringender Notwendigkeit auf die Rettung des Lebens des Patienten gerichtete Gesundheitstätigkeit". Unter Berücksichtigung der Definition des Merkmals "dringende Notwendigkeit" in § 3 lit. i GesG als "eine Änderung des Gesundheitszustands des Patienten, die im Fall des Fehlens sofortiger medizinischer Versorgung eine Lebensgefahr bzw. schwere oder dauernde Gesundheitsschäden für den Patienten zur Folge hätte" verbleibt hier eine Regelungslücke bei medizinischen Eingriffen, die zwar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit lebensrettend sind, deren Unterbleiben aber keine unmittelbare Lebensgefahr zur Folge hätte. Man denke etwa an einen Patienten mit einem malignen Melanom, das sich allerdings noch im Frühstadium befindet und deshalb gute Heilungschancen bei seiner Entfernung bietet, die sich der Patient allerdings, auch welchen Gründen auch immer, verbittet. Da er auch bei Nichtdurchführung des Eingriffs noch 1-2 Jahre zu leben hätte, kommt hier in Ermangelung dringender Notwendigkeit kein lebensrettender Eingriff in Betracht; ausscheiden müssen aber auch eine lebenserhaltende Maßnahme sowie ein Behandlungsverzicht i.S.v. § 20 Abs. 2 GesG. Unter Zugrundelegung des Gesetzeswortlauts könnte der Patient in solchen Fällen also sehenden Auges einen unheilbaren Zustand herbeiführen und müsste/könnte erst dann (zwangs-)behandelt werden, wenn er (ohne bereits in der Terminalphase zu sein) in unmittelbare Lebensgefahr gerät. Da dies nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen sein kann, wird der Umkehrschluss aus § 20 Abs. 3 GesG -Behandlungspflicht und -recht des Arztes im Vorfeld der Terminalphase - auf Fälle wie den vorgenannten a fortiori auszudehnen sein.
Anders als in Deutschland, wo im Falle einwilligungsunfähiger Patienten nach der seit 2009 bestehenden gesetzlichen Regelung zunächst der Betreuer des Patienten zu prüfen hat, ob eine die konkrete Behandlungssituation erfassende Patientenverfügung vorliegt, und, falls dies nicht der Fall ist, der mutmaßliche Willen des Patienten festgestellt und anschließend durchgesetzt werden muss (§ 1901a Abs. 1, 2 BGB), kommt in Ungarn bei beschränkt geschäftsfähigen/geschäftsunfähigen Patienten das oben bei der indirekten Sterbehilfe angesprochene Vertretungssystem zum Zuge. Bei geschäftsunfähigen Patienten kann der Behandlungsverzicht entweder von ihrem gewillkürten oder subsidiär von ihrem gesetzlichen Patientenvertreter erklärt werden, bei beschränkt geschäftsfähigen Patienten von dem gewillkürten Patientenvertreter oder dem Patienten selbst, der für die Wirksamkeit seiner Erklärung aber der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters bedarf (§ 16 Abs. 7 i.V.m. Abs. 4 Satz 2 GesG).
Während in tatsächlicher und formaler Hinsicht keine Unterschiede zum Behandlungsverzicht bei geschäftsfähigen Patienten bestehen, ist ein Verfahren wie in § 20 Abs. 3 GesG nicht vorgesehen. Dieser offenkundige Widerspruch wird indes durch den Umstand relativiert, dass der Gesundheitsdienstleister im Falle der Ablehnung lebenserhaltender/lebensrettender Maßnahmen bei beschränkt geschäftsfähigen/geschäftsunfähigen Patienten nach § 21 Abs. 2 Satz 1 GesG die gerichtliche Ersetzung der Einwilligung zu beantragen hat. Nach welchen Kriterien das Gericht über die Ersetzung der Einwilligung entscheidet, ist freilich noch weitgehend ungeklärt.[51]
Besondere Erwähnung verdient die geschäftsunfähigen Patienten durch das GesG eingeräumte Möglichkeit der Erklärung eines Behandlungsverzichts in einer Patientenverfügung oder mithilfe eines besonderen gesetzlichen Patientenvertreters. Auch diesbezüglich dürfen die gesetzlichen Regeln als bekannt vorausgesetzt werden, so dass im Folgenden nur noch auf die Probleme beider Rechtsinstitute einzugehen ist.
In hohem Maße bedenklich erscheint zunächst die in § 22 Abs. 1 lit. c GesG eingeräumte Möglichkeit eines Behandlungsverzichts bei krankheitsbedingter Unfähigkeit zur Selbstversorgung oder unkontrollierbaren Schmerzen, d.h. im Vorfeld der Terminalphase. DÓSA macht in diesem Zusammenhang zutreffend darauf aufmerksam, dass das GesG damit Patientenverfügungen eine größere Reichweite zugesteht als aktuellen Behandlungswünschen des geschäftsfähigen Patienten.[52] Wenn überhaupt, dann könnte allenfalls der Versucht unternommen werden, das genaue Gegenteil - die Beschränkung der Reichweite einer Patientenverfügung auf das Terminalstadium - argumentativ zu untermauern, wie dies in der deutschen Diskussion vor der gesetzlichen Verankerung dieses Rechtsinstituts versucht worden ist.[53]
Ein weiteres Problem bereitet auch die in § 22 Abs. 3 Satz 2 GesG zugestandene Möglichkeit des Widerrufs der Patientenverfügung ohne Rücksicht auf die Geschäftsfähigkeit ihres Verfassers. Hiermit setzt sich das GesG in Widerspruch zu sich selbst, da die Wirksamkeit einer (Willens-)Erklärung sonst durchgängig von der zumindest beschränkten Geschäftsfähigkeit des Erklärenden abhängig
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gemacht wird. Im Zusammenspiel mit dem Grundsatz der Formfreiheit des Widerrufs ist unklar, welche Verhaltensweisen zu einem Wegfall der Bindungswirkung der Patientenverfügung führen. Als Beispiel kann der Fall dienen, in dem in einer wirksam erstellten Patientenverfügung ein Behandlungsverzicht für den Fall einer voll ausgeprägten Demenz und der Notwendigkeit künstlicher Ernährung angeordnet wurde: Ist es als (konkludenter) Widerruf zu werten, wenn der Patient trotz seines Zustands gewisse Anzeichen von Lebensfreude zeigt und bei Nennung seines Namens lächelt?[54]
Beide Monita treffen auch den besonderen gewillkürten Patientenvertreter,[55] bei dem man sich jenseits der Fälle des § 22 Abs. 1 lit. c GesG auch fragen muss, worin der Sinn dieses Vorsorgeinstruments überhaupt besteht. Ein Behandlungsverzicht i.S.v. § 20 Abs. 1 GesG kann nämlich ebenso wie ein solcher nach § 20 Abs. 3 GesG auch vom gewillkürten Patientenvertreter erklärt werden, der sich dafür aber keiner medizinischen Untersuchung unterziehen muss. Keine Untersuchung unterziehen muss sich auch der Patient bei der Bestellung eines gewillkürten Patientenvertreters, die überdies auch in einer Privaturkunde mit voller Beweiskraft, ggf. auch mündlich erfolgen kann. Schließlich kann letzterem auch das mit den Verzichtsrechten nach § 22 Abs. 1 lit. a, b GesG korrespondierende Einwilligungsrecht übertragen werden, was für eine effektivere Umsetzung der Patientenauto-nomie sorgt.
Im Bereich der passiven Sterbehilfe werden in Deutschland mit dem technischen Behandlungsabbruch und der Einstellung künstlicher Ernährung noch zwei Fallgestaltungen diskutiert, deren Bewertung im ungarischen Recht keine allzu großen Probleme bereitet.
Die Frage nach der rechtlichen Einordnung des Abstellens lebenserhaltender Apparaturen ist in Ungarn mit Veröffentlichungen von Tóth und Filó erst unlängst zum Gegenstand wissenschaftlichen Diskurses geworden. Während letzterer analog zu den entsprechenden Vorschlägen in der deutschen Debatte in derartigen Verhaltensweisen nach ihrem "sozialen Sinngehalt" oder dem "Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit" ein Unterlassen des Arztes erblickt, um es dann den §§ 20-23 GesG zu unterstellen,[56] geht ersterer aus einem streng phänotypischen Blickwinkel von einem Tun aus, das er aber - ebenfalls mithilfe der §§ 20-23 GesG - für gerechtfertigt erklärt.[57] Beide Ansichten lassen sich im Ergebnis gut hören, wobei zu bedenken ist, dass die Konstruktion Filós letztlich doch eine Notlösung ist, der es dann nicht bedarf, wenn das GesG auch das Abstellen z.B. eines Respirators erfasst. Nach der hier vertretenen Auffassung tut es dies: Besagte Vorschriften rücken das Recht des Patienten auf Behandlungsverzicht in den Mittelpunkt und machen die Zulässigkeit des dieses Recht respektierenden ärztlichen Verhaltens nicht davon abhängig, ob sich dieses nach außen als Tun oder Unterlassen darstellt.
Der Frage, ob es erlaubt sein kann, einen Patienten durch Beendigung der künstlichen Nahrungszufuhr verhungern zu lassen, kommt in Ungarn keine große Bedeutung zu. Dies deshalb, weil sie sich in erster Linie bei irreversibel bewusstlosen Patienten, etwa solchen im apallischen Syndrom stellt, dieses Krankheitsbild aber nicht den tatsächlichen Anforderungen des § 20 Abs. 3 GesG genügt, weil der Tod bei entsprechender medizinischer Versorgung unter Umständen noch Jahre auf sich warten lässt. Für solche Zustände kann lediglich mittels einer Patientenverfügung oder der Bestellung eines besonderen gewillkürten Patientenvertreters Vorsorge getroffen werden, wobei in beiden Fällen entweder die abgelehnten bzw. abzulehnenden Maßnahmen genau zu bezeichnen sind oder aber ein "Totalverzicht" zu erklären ist, der dann eben auch Maßnahmen der künstlichen Ernährung umfasst.
Der ungarische Gesetzgeber hat sich vor allem bei der rechtlichen Ausgestaltung passiver Sterbehilfe einer Regelungstechnik bedient, die in Deutschland als "Prozeduralisierung" bezeichnet und zunehmend in den Fokus der Sterbehilfe-Debatte gerückt wird. Der Begriff beschreibt die Koppelung der Zulässigkeit bestimmter rechtsgutsverletzender Verhaltensweisen an die Einhaltung spezifischer Verfahrensschritte.[58] In der Bundesrepublik finden sich entsprechende Vorschriften nicht nur, aber häufig im medizinischen Bereich, wie etwa beim Schwangerschaftsabbruch, der nach § 218a Abs. 1 Nr. 1 StGB tatbestandslos ist, wenn sich die Schwangere vor dem Eingriff hat beraten lassen.[59]
Die Prozeduralisierungsidee haben sich neben Ungarn und Deutschland freilich noch weitere Länder zu eigen gemacht. So weist etwa auch die wohlbekannte und in der Einleitung zu diesem Beitrag bereits erwähnte niederländische Regelung zur Straffreistellung aktiv-gezielter Tötungen sowie des assistierten Suizids prozedurale Elemente auf: Neben der Vergewisserung, dass die Bitte nach
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Sterbehilfe freiwillig und nach reiflicher Überlegung geäußert wurde, keine Aussicht auf Besserung besteht und der Patient unerträglich leidet, der Aufklärung des Patienten über seine Situation und medizinische Prognose sowie der Überzeugung, dass für die Situation des Patienten keine annehmbare Lösung besteht, muss der Arzt einen unabhängigen Kollegen konsultieren, der den Patienten untersucht und zu diesen Kriterien Stellung nimmt. Sodann muss die Tötung oder die Hilfe zur Selbsttötung sorgfältig durchgeführt werden und von Arzt und Leichenbeschauer einer regionalen Kontrollkommission gemeldet werden, der auch die Erklärung des Konsiliararztes zugeht. Diese überprüft sodann den Sachverhalt eingehend; wenn sie feststellt, dass genannte Sorgfaltskriterien eingehalten wurden, greift ein Strafausschließungsgrund im niederländischen StGB.[60] Ähnliche Regelungen bestehen seit 2002 in Belgien[61] und seit 2009 in Luxemburg.[62]
Alle prozeduralen Modelle vereint bei allen Unterschieden im Einzelnen, dass bereits im Vorfeld des rechtsgutsbeeinträchtigenden Verhaltens geprüft wird, ob die materiellen Straflosigkeitsvoraussetzungen vorliegen. Dies stellt einen Paradigmenwechsel weg vom strafrechtlichen ex-post-Zugriff dar.[63] Die Vorteile liegen darin, dass auf diese Weise ein weitaus effektiverer Rechtsgüterschutz hinsichtlich der tangierten Grundrechte (auf "Leben" und "Selbstbestimmung") möglich ist, die gerade im Bereich der Entscheidungen am Lebensende von solch einem Gewicht sind, dass der Staat gehalten ist, ihre Ausübung und Sicherung im weitest möglichen Umfang zu gewährleisten.[64] Wichtig ist zudem, dass sich Prozeduralisierung sowohl im Bereich der Rechtsanwendung als auch im Bereich der Rechtsetzung positiv auswirkt: Die Rechtsanwendung betreffend gibt sie durch Formalisierung und ex-ante Prüfung Handlungssicherheit, die mit Blick auf die Schwere und Irreversibilität vieler medizinischer Maßnahmen unbedingt geboten ist; auf Rechtsetzungsebene kann sie eine Ausgleichsfunktion für Normierungsunsicherheiten erfüllen.[65] Auch wenn der durch Verfahren bewirkte Grundrechtsschutz primär eine Sache des Zivil- und des öffentlichen Rechts ist, ist das Strafrecht nicht nur jenseits, sondern auch innerhalb des prozeduralisierten Bereichs nach wie vor bedeutsam, und zwar immer dann, wenn die Nichtbeachtung der verfahrensmäßigen Kautelen zu einer materiellen Rechts(guts)verletzung führt.[66]
Ungarn war 1998 das erste europäische Land, das eine prozedurale Lösung im Sterbehilfe-Kontext implementiert hat. Hierfür gebührt dem ungarischen Gesetzgeber zweifelsohne Respekt. Gleichwohl weist die "ungarische Lösung" noch einige Probleme auf, die im nächsten Abschnitt kurz skizziert werden.
Zuerst sei aber noch ein Vorteil der ungarischen Rechtslage erwähnt, der vor allem im Vergleich mit dem deutschen Sterbehilferecht deutlich zutage tritt: Indem das GesG die im Verhältnis zwischen Arzt und Patient zulässigen Verhaltensweisen abschließend regelt und diese damit entweder qua "gesetzlicher Ermächtigung" gerechtfertigt (bei Handlungen) oder mangels Fehlen einer Garantenstellung tatbestandslos (bei
Unterlassungen) sind, sorgt es, indem es zugleich eine "Sperrwirkung" entfaltet, für einen hohen Grad an Rechtssicherheit. Bei so einem sensiblen Thema wie der Entscheidung über Leben und Tod ist dies ein hohes Gut. In Deutschland war dieser Bereich hingegen traditionell der Rechtsprechung und Lehre überlassen, die es zwar immerhin geschafft haben, über die Beurteilung der meisten Fallgruppen im Ergebnis Einigkeit zu erzielen, für die Strafbar- bzw. Straflosigkeitsfrage aber häufig unterschiedliche Begründungen offerieren und auch deren Umfang uneinheitlich bestimmen. Dies sorgt nach wie vor für erhebliche Rechtsunsicherheit bei Ärzten, Patienten und ihren Angehörigen.
Neben dem Vorteil der Rechtssicherheit ist die "ungarische Lösung" aber in dreifacher Hinsicht bedenklich:
Zum einen ebnet die abschließende Regelung des Arzt-Patient-Verhältnisses im GesG im Zusammenspiel mit der streng zivilrechts-bzw. verwaltungsakzessorischen Sichtweise der ungarischen Lehre, die jeden Verstoß auch gegen formale und verfahrensmäßige Vorgaben als Körperverletzungs- bzw. Tötungsdelikt bestraft wissen will, nicht nur den Unterschied zwischen formaler und materieller Rechtfertigung ein,[67] sondern führt auch zu unerträglichen Bestrafungszwängen. Es sei noch einmal an den oben im Kontext der indirekten Sterbehilfe geschilderten "Morphininjektions-Fall" erinnert.
Zum anderen ist das ungarische Regelungsregime zu autonomiefeindlich. Bereits bei der passiven Sterbehilfe wurde darauf hingewiesen, dass die materiellen Voraussetzungen eines Behandlungsverzichts am Lebensende mit der Beschränkung des Zustands des Patienten auf die Terminalphase eine gravierende Missachtung seiner Autonomie darstellen, sofern daraus e contrario eine Pflicht und ein Recht zur Zwangsbehandlung folgt. Bedenklich ist darüber hinaus die konkrete Ausgestaltung des Verfahrens,
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das vom sterbewilligen Patienten die mehrfache Bekräftigung seines Behandlungsvetos verlangt und den Ärzten die Pflicht auferlegt, ihn von dessen Rücknahme zu überzeugen. Dass damit die Hürden für einen Behandlungsverzicht zu hoch gehängt werden, wird durch den Umstand illustriert, dass die Vorschriften des GesG im medizinischen Alltag keine Rolle zu spielen scheinen.[68] Der beschränkt geschäftsfähige Patient wird gar noch weiter gehenden Restriktionen unterworfen, da er zwar formell in jeden Eingriff einwilligen muss, ein Behandlungsveto aber nur bezüglich lebensrettenden/ lebenserhaltenden Eingriffen aussprechen kann und er im Übrigen für das Wirksamwerden seiner Erklärung die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters braucht, der diese aber nur dann erteilen darf, wenn dies den Gesundheitszustand des Patienten nicht nachteilig beeinflusst. Diese Kanalisierung in Richtung des medizinisch Vernünftigen gilt auch für den gesetzlichen Patientenvertreter des geschäftsunfähigen Patienten, der neben der Möglichkeit, im noch geschäftsfähigen Zustand einen gewillkürten Patientenvertreter mit weiter gehenden Befugnissen zu benennen, aber immerhin mittels einer Patientenverfügung oder eines besonderen gewillkürten Patientenvertreters Vorsorge treffen kann. Beide Rechtsinstitute ermöglichen denn auch einen Behandlungsverzicht im Vorfeld der Terminalphase, was freilich - wie bereits erwähnt - insofern einen Widerspruch darstellt, als dem geschäftsfähigen Patienten ein Behandlungsveto in diesem Stadium nicht möglich ist. Da für diese Ungleichbehandlung kein rational greifbarer Grund ersichtlich ist, kann es sich hierbei nur um ein gesetzgeberisches Versehen handeln.
Dies leitet über zum dritten und letzten Kritikpunkt: die vielen handwerklichen Mängel und Ungereimtheiten des GesG. Neben besagtem Reichweitenunterschied zwischen aktuellsituativen und antizipativen Willenserklärungen des geschäftsfähigen Patienten sei hier z.B. noch der Umstand erwähnt, dass die Bestellung eines besonderen gewillkürten Patientenvertreters sowie das von ihm erklärte Behandlungsveto prozeduralisiert sind, wohingegen Entsprechendes beim gewillkürten Patientenvertreter keines besonderen Verfahrens bedarf. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Unter Berücksichtigung der in diesem Beitrag durchgeführten Bestandsaufnahme seien abschließend stichwortartig - und ohne einen ausformulierten Gesetzgebungsvorschlag zu unterbreiten - noch einige Ideen in den Raum geworfen, mit deren Umsetzung sich die vordringlichsten Probleme des ungarischen Sterbehilferechts lösen ließen:
- Erwägenswert wäre, die Einwilligungsfähigkeit des Patienten im medizinischen Bereich von der Geschäftsfähigkeit zu entkoppeln und künftig nach eigenen Kriterien zu bestimmen. Als Vorbild könnte hier das deutsche Recht dienen, in dem "einwilligungsfähig ist, wer Art, Bedeutung und Tragweite (Risiken) der ärztlichen Maßnahme erfassen kann".[69] Mit anderen Worten geht es um die Erfassung der Komplexität des Eingriffs; diese Fähigkeit ist nicht an ein Mindestalter gebunden und kann auch bei einem Geschäftsunfähigen vorliegen oder einem Geschäftsfähigen fehlen.
- Beim einwilligungsfähigen Patienten sollte ein Behandlungsveto unabhängig von Art und Stadium seiner Erkrankung möglich sein. Die Beschränkung eines Behandlungsverzichts am Lebensende auf die Terminalphase ist nicht legitimierbar. In prozeduraler Hinsicht sollte die konkrete Ausgestaltung des Verfahrens dahingehend abgeändert werden, dass die einmalige Verzichtserklärung des Patienten für ausreichend erachtet wird und ärztlicherseits keine Versuche zu unternehmen sind, ihn von der Rücknahme seines Vetos zu überzeugen. Auch wäre daran zu denken, schlichte Form- und Verfahrensverstöße gesondert zu sanktionieren. Auf diese Weise würde klargestellt, dass etwa im "Morphininjektions-Fall" eine Strafbarkeit wegen eines Tötungsdelikts nicht in Betracht käme, sofern der ordnungsgemäß aufgeklärte Patient in die Medikamentengabe eingewilligt hat.
- Bei einwilligungsunfähigen Patienten sollte das schwerfälligen und unübersichtliche Vertretungssystem nach dem GesG bestehend aus dem gewillkürten Patientenvertreter beim beschränkt geschäftsfähigen und dem gewillkürten, besonderen gewillkürten und dem gesetzlichen Patientenvertreter bei geschäftsunfähigen Patienten vereinfacht werden. Ohne ins Detail zu gehen, ließe sich daran denken, die beiden Rechtsinstitute "Bevollmächtigung [in Gesundheitsangelegenheiten]" und "Betreuung" aus dem deutschen Recht zu übernehmen. Noch wichtiger aber wäre es, den Willen der vertretungsberechtigten Personen nicht in Richtung des medizinisch Vernünftigen zu kanalisieren, sondern wie beim einwilligungsfähigen auch den Willen des einwilligungsunfähigen Patienten zum absoluten Dreh- und Angelpunkt der
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Therapieentscheidung zu machen. Dabei könnte man ein zweistufiges System nach dem Vorbild der §§ 1901a ff. BGB implementieren: Zunächst wäre zu fragen, ob eine eine auf die konkrete Situation bezogene wirksame Patientenverfügung vorliegt - mit der abweichend von der gegenwärtigen Rechtslage in Ungarn nicht nur Maßnahmen abgelehnt, sondern auch eingefordert werden können -; nur wenn dies nicht der Fall sein sollte, wäre auf den nach konkreten Anhaltspunkten zu bestimmenden mutmaßlichen Willen des Patienten abzustellen. Die Bestimmung des Inhalts von Patientenverfügung und mutmaßlichem Willen sollte dem Betreuer oder Bevollmächtigen obliegen, der hierfür das Gespräch mit den Angehörigen des Patienten suchen kann und dann mit dem Arzt die von diesem für medizinisch indiziert gehaltenen Maßnahmen erörtert. Einer gerichtlichen Kontrolle bedarf es nur bei einem Dissens zwischen Arzt und Bevollmächtigtem/Betreuer über den Patientenwillen.
- Im Bereich der indirekten Sterbehilfe sollte § 129 GesG dahingehend überarbeitet werden, dass eine Schmerztherapie auch bei feststehender Lebensverkürzung möglich ist. Gerade bei gravierenden Schmerzzuständen sind für eine effektive Analgesie oftmals Medikamentendosen erforderlich, bei denen eine Todesbeschleunigung sicher ist.
- Schließlich könnte man auch erwägen, den Ärzten im GesG eine Suizidassistenz in solchen außergewöhnlichen (Extrem-)Fällen zu gestatten, in denen die Schmerz- und Leidenszustände des Patienten selbst unter Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten nicht mehr adäquat kontrolliert werden können. ■
NOTEN
* Der Autor bedankt sich ganz herzlich bei Dr. Mihály Filó, Ph.D., LL.M. von der Eötvös Loránd Universität in Budapest für die großzügige Unterstützung.
[1] Vgl. Hartmut Schneider in Wolfgang Joecks - Klaus Miebach (szerk.) : Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch. Band 5: §§ 263-358 StGB (München: C.H. Beck [2]2011) Vor §§ 211 ff. Rn. 94 [408].
[2] Vgl. Paul Fritsche: "Ärztlich-ethische Aspekte zur Ambivalenz der Lebensverlängerung" in Deutsche Sektion der Internationalen Juristenkommission (szerk.) : Lebensverlängerung aus medizinischer, ethischer und rechtlicher Sicht (Heidelberg: C.F. Müller 1995) 3-34.
[3] Siehe dazu die ebenso ausführliche wie überzeugende Kritik bei Frank Saliger: "Sterbehilfe ohne Strafrecht? Eine Bestimmung des Anwendungsbereichs von Sterbehilfe als Grundstein für ein intradisziplinäres Sterbehilferecht" Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Wissenschaft 2001. 382-439.
[4] Vgl. z.B. die USA und die dortige Behandlung der Sterbehilfe als in erster Linie zivilrechtliches Problem; ausführlich dazu Erwin Bernat: "Das Recht an der Grenze zwischen Leben und Tod. Zum Stand der Diskussion in den Vereinigten Staaten von Amerika" in: Erwin Bernat (szerk.): Ethik und Recht an der Grenze zwischen Leben und Tod (Graz: Leykam 1993) 141195.
[5] Mit "StGB" ist im Folgenden das deutsche Strafgesetzbuch gemeint, für das ungarische Strafgesetzbuch wird die Abkürzung "uStGB" verwendet.
[6] Claus Roxin: "Zur strafrechtlichen Beurteilung der Sterbehilfe" in Claus Roxin - Ulrich Schroth (szerk.): Handbuch des Medizinstrafrechts (Stuttgart - München -Hannover - Berlin - Weimar - Dresden: Boorberg 2010) 8384.
[7] Thomas Fischer: Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen (München: C.H. Beck [62]2015) Vor § 211-216 Rn. 36.
[8] "Wet toetsing levensbeëindiging op verzoek en hulp bij zelfdoding" (dt.: Gesetz zur Kontrolle der Lebensbeendigung auf Verlangen und Hilfe bei der Selbsttötung). Zum Gesetz v. 10.4.2001 und der Rechtsentwicklung in den Niederlanden siehe etwa Antonia Grundmann: Das niederländische Gesetz über die Prüfung von Lebensbeendigung auf Verlangen und Beihilfe zur Selbsttötung (Aachen: Shaker 2004).
[9] Dt.: "Das Wohl des Kranken sei höchstes Gesetz." Dieses als Frage formulierte und in der Literatur gemeinhin als Gegensatz zitierte römische Sprichwort - "Soll das Wohl oder der Wille des Kranken oberstes Gesetz sein?", ist einem Ausspruch von Cicero ("salus populi suprema lex") entlehnt; siehe dazu und allgemein zum Widerstreit paternalistischer und autonomieorientierter Konzepte bei der ärztlichen Heilbehandlung Hans-Ludwig Schreiber: "Salus aut voluntas aegroti suprema lex?" in Rainer Grote [et al.] (szerk.): Die Ordnung der Freiheit. Festschrift für Christian Starck zum siebzigsten Geburtstag (Tübingen: Mohr Siebeck 2007) 111.
[10] BT-Drs. 18/5373. Der neue § 217 StGB ["Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung"] hat folgenden Wortlaut:
"(1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht."
[11] Vgl. Ulfrid Neumann in Urs Kindhäuser - Ulfrid Neumann -Hans-Ullrich Paeffgen (szerk.): Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch. Band 3: Besonderer Teil. §§ 80-241a (Baden-Baden: Nomos [4]2013) Vor § 211 Rn. 94 [1552-1553]. Im Folgenden wird aus Gründen der Einfachheit und Klarheit von "eutanázia" die Rede sein.
[12] [...]
[13] Vgl. LB im "Fall Binder" BH 1996. 349. Diese müssen zudem auch das Leben des Patienten verkürzen, um als "Sterbehilfe" bezeichnet zu werden. Die in der deutschen Debatte als "reine Sterbehilfe" bezeichnete Schmerzlinderung ohne Lebensverkürzungsrisiko wird nicht zum Problemfeld gezählt.
[14] Ethik-Kodex der Ungarischen Ärztekammer. 9 (unter 2.2., Abs. 17).
[15] Vgl. Filó Mihály: Az eutanázia a büntetőjogi gondolkodásban (Budapest: Medicina 2009) 40-42.
[16] Siehe dazu den Überblick bei Michael Seibert: Rechtliche Würdigung der aktiven indirekten Sterbehilfe (Konstanz: Hartung Gorre 2003) 93-126.
[17] Auf die in Ungarn kontrovers diskutierte Frage nach der Bedeutung des Merkmals der "Gesellschaftsgefährlichkeit" wird im Folgenden nicht näher eingegangen und diese im Anschluss an [.] mit "Rechtswidrigkeit" gleichgesetzt.
[18] Schneider (2. lj.) Vor §§ 211 ff. Rn. 107 [418].
[19] Horváth Tibor: "Eutanázia és a büntetőjog", Állam és Jogtudomány 1972. 54-55.
[20] Jürgen Möllering: Schutz des Lebens - Recht auf Sterben
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(Stuttgart: Enke 1977) 22; vgl. allgemein Busch Béla: "Az orvosi tevékenység büntetőjogi szabályozása" in Sótónyi Péter (szerk.): Orvosi felelősség (Budapest: Semmelweis 2006) 154.
[21] Jörg Eisele: Strafrecht - Besonderer Teil I. Straftaten gegen die Person und die Allgemeinheit (Stuttgart: Kohlhammer [3]2014) Rn. 158 [61]; Albin Eser - Detlev Sternberg-Lieben in Adolf Schönke - Horst Schröder: Strafgesetzbuch. Kommentar (München: C.H. Beck [29]2014) Vor §§ 211 ff. Rn. 26 [2009-2010].
[22] Lásd Filó (16. lj.) 226.; Filó Mihály: "Fájdalomcsillapítás és büntetőjog", Lege Artis Medicinae 2010. 316-320.
[23] Vgl. Indokolás a Büntető Törvénykönyvről szóló 2012. évi C. törvényhez 32: "A végszükség [...] két jogilag védett érdeknek az összeütközése, ahol az egyiknek a védelme csak a másiknak a megsértésével lehetséges."
[24] Entsprechende Einwände finden sich in der deutschen Diskussion z.B. bei Ralph Ingelfinger: Grundlagen und Grenzbereiche des Tötungsverbots (Köln - Berlin - München: Carl Heymanns 2004) 267 und Torsten Verrel: "Selbstbestimmung contra Lebensschutz. Bringt der BGH Bewegung in die Sterbehilfediskussion?" Juristenzeitung 1996. 226.
[25] Vgl. Filó Mihály: "Nein zur aktiven Sterbehilfe" Zeitschtift für Lebensrecht 2005. 59-62.
[26] Vgl. aus der deutschen Debatte Reinhard Merkel: "Aktive Sterbehilfe. Anmerkungen zum Stand der Diskussion und zum Gesetzgebungsvorschlag des ,Alternativ-Entwurfs Sterbebegleitung'" in Andreas Hoyer [et al.] Festschrift für Friedrich-Christian Schroeder zum 70. Geburtstag (Heidelberg: C.F. Müller 2006) 310-311.
[27] Siehe mit Blick auf § 34 StGB z.B. Kristian Kühl: Strafrecht Allgemeiner Teil (München: Vahlen [7]2012) § 8 Rn. 6-10 [238-239] m.w.N.
[28] So aber im deutschen Diskurs etwa Volker Erb in Wolfgang Joecks - Klaus Miebach (szerk.): Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch. Band 1: §§ 1-37 StGB (München: C.H. Beck [2]2011) § 34 Rn. 30 [1571].
[29] So mit überzeugenden Argumenten Filó (16. lj.) 164-165.
[30] So - freilich mit Blick auf § 34 StGB, der ein Überwiegen des rechtlich geschützten Interesses fordert - Ulfrid Neumann: "Sterbehilfe im rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB)" in Bernhard Hardtung [et al.]: Strafrecht zwischen System und Telos. Festschrift für Rolf Dietrich Herzberg zum siebzigsten Geburtstag am 14. Februar 2008 (Tübingen: Mohr Siebeck 2008) 582-583.
[31] Lásd Neumann (30. lj.) 589.
[32] Statt aller Eisele (22. lj.) Rn. 158 [61] m.w.N.
[33] Lásd im Kontext der aktiven Sterbehilfe Ingelfinger (25. lj.) 246. Dieser Einwand müsste richtigerweise auch die indirekte Sterbehilfe treffen.
[34] Lásd Merkel (26. lj.) 309-310.
[35] So zum deutschen Recht Rolf Dietrich Herzberg: "Sterbehilfe als gerechtfertigte Tötung im Notstand?" Neue Juristische Wochenschrift 1996. 3045-3048.
[36] Lásd Möllering (21. lj.) 40, der dieses Monitum aber nur die aktive Sterbehilfe bezieht. Es müsste, falls begründet, aber auch bei der indirekten Sterbehilfe greifen.
[37] Ähnlich Neumann (30. lj.) 588.
[38] Lásd Merkel (26. lj.) 311-312.
[39] Siehe z.B. Jobbágyi Gábor: Orvosi jog. Hippokrátesztől a klónozásig (Budapest: Szent István Társulat 2007) 144, der deshalb lebensverkürzende Schmerzlinderungen auch nicht als Sterbehilfe bezeichnet wissen will.
[40] Siehe Winrich Langer: "Rechtliche Aspekte der Sterbehilfe" in Torsten Kruse - Harald Wagner (szerk.): Sterbende brauchen Solidarität: Überlegungen aus medizinischer, ethischer und juristischer Sicht (München: C.H. Beck 1986) 136-137.
[41] Bzw. im Falle von Schreibunfähigkeit mündlich oder auf sonstige Weise vor zwei Zeugen.
[42] Ergänzend sei angefügt, dass diese Bewertung auch Folgen für den (voll) geschäftsfähigen Patienten hat, der ein eventuelles Behandlungsveto in einer öffentlichen Urkunde oder in einer Privaturkunde mit voller Beweiskraft erklären muss.
[43] Siehe dazu den Überblick m.w.N. bei Schneider (2. lj.) Vor §§ 211 ff. Rn. 176-179 [456-457]. A. A. aber wohl der BGH im "Kölner Fall" BGH NStZ 2011, 274 (276).
[44] Vgl. Belovics et al., ÁR, 148 sowie Görgényi et al., ÁR, 196 f., die im Falle eines invasiven Eingriffs bei gleichzeitigem Verstoß gegen das Schriftformerfordernis aus dem GesG eine Körperverletzungsstrafbarkeit bejahen.
[45] Siehe dazu den Überblick bei Roxin (7. lj.) 89-92.
[46] Vgl. etwa Ingelfinger (25. lj.) 246; Kristian Kühl: "Rechtfertigung vorsätzlicher Tötungen im Allgemeinen und speziell bei Sterbehilfe" Jura 2009. 884; Roxin (7. lj.) 118.
[47] Lásd Merkel (26. lj.) 321. Neueste Untersuchungen aus den Niederlanden belegen, dass die Zahl der aktive Sterbehilfe bzw. Suizidassistenz in Anspruch nehmenden Personen sich seit der Legalisierung solcher Handlungen im Jahr 2002 nicht wesentlich verändert hat.
[48] Was in der Folge zu einem Wegfall der Garantenstellung des Arztes und der Tatbestandslosigkeit seines Unterlassens führt; siehe ausführlich Ingelfinger (25. lj.) 308, dort auch m.w.N. zur Gegenauffassung, die einen Wegfall der zur Rechtswidrigkeit gehörenden Garantenpflicht annimmt.
[49] Dósa Agnes: "Az életvégi döntések jogi szabályozásának dilemmái" in: Filó Mihály (szerk.): Párbeszéd a halálról. Eutanázia a jogrend peremén (Budapest: Literatura Medica 2011) 99-100.
[50] Lásd Dósa (52. lj.) 100. Vgl. den EGMR, der in Pretty v. The United Kingdom, no. 2346/02, § 63, ECHR 2002-III, festgehalten hat: "In the sphere of medical treatment, the refusal to accept a particular treatment might, inevitably, lead to a fatal outcome, yet the imposition of medical treatment, without the consent of a mentally competent adult patient, would interfere with a person's physical integrity in a manner capable of engaging the rights protected under Article 8 § 1 of the Convention."
[51] Für den Versuch einer Bestimmung siehe Richard Ehmann: Die strafrechtliche Bewertung der Sterbehilfe im deutsch-ungarischen Vergleich (Berlin: Duncker & Humblot 2015), 253-255.
[52] Lásd Dósa (53. lj.) 100-101.
[53] Vgl. den Zwischenbericht der Enquête-Kommission des Bundestages "Ethik und Recht der modernen Medizin" zum Thema "Patientenverfügungen" v. 13.9.2004 (BT-Drs. 15/3700) 38-40.
[54] Beispiel nach Schneider (2. lj.) Vor §§ 211 ff. Rn. 147 [443], der dort zum ähnlich gelagerten Problem bei der "deutschen Patientenverfügung" Stellung nimmt
[55] Siehe mit Blick auf den erstgenannten Einwand Dósa (53. lj.) 101.
[56] Filó (16. lj.) 67-68.
[57] Tóth Mihály: "Büntetőjog az élet és a halál mezsgyéjén" Magyar Jog 2010. 505.; Filó Mihály: "Ölni vagy halni hagyni? A dogmatika, a valóság és a józan ész" in: Filó Mihály (szerk.): Párbeszéd a halálról. Eutanázia a jogrend peremén (Budapest: Literatura Medica 2011) 141-153.
[58] Neumann (12. lj.) Vor § 211 Rn. 142 [1569].
[59] Vgl. Frank Saliger: "Sterbehilfe nach Verfahren. Betreuungsund strafrechtliche Überlegungen im Anschluss an BGHSt 40, 257" Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Wissenschaft 1998. 145.
[60] Dieter Dölling: "Zur Strafbarkeit der Tötung auf Verlangen" in Christian Katzenmeier [et al.] (szerk): Humaniora: Medizin - Recht - Geschichte. Festschrift für Adolf Laufs zum 70. Geburtstag (Berlin - Heidelberg: Springer 2006) 768-769.
[61] "Loi relative à l'euthanasie" (dt.: Gesetz zur Sterbehilfe). Dazu Katharina Khorrami: "Die "Euthanasie-Gesetze" im Vergleich. Eine Darstellung der aktuellen Rechtslage in den Niederlanden und in Belgien" Medizinrecht 2003. 22-25.
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[62] "Loi sur l'euthanasie et l'assistance au suicide" (dt.: Gesetz über Sterbehilfe und assistierten Suizid). Dazu Gisela Klinkhammer - Samir Rabbata: "Luxemburg: Straffreiheit für active Sterbehilfe" Deutsches Ärzteblatt 105 (2008), A-493.
[63] Neumann (12. lj.) Vor § 211 Rn. 143 [1570].
[64] Neumann (12. lj.) Vor § 211 Rn. 143 [1570-1571].
[65] Saliger (62. lj.) 146-147.
[66] Saliger (62. lj.) 146.
[67] Dazu, wieso diese Unterscheidung notwendig ist, siehe Frank Saliger: "Prozedurale Rechtfertigung im Strafrecht" in Felix Herzog - Ulfrid Neumann (szerk.): Festschrift für Winfried Hassemer (Heidelberg: C.F. Müller 2010) 603.
[68] Lásd Dósa (52. lj.) 100.
[69] BGH [...]. Zur Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen strafrechtlicher Einwilligungsfähigkeit und zivilrechtlicher Geschäftsfähigkeit Kühl (26. lj.) § 9 Rn. 33 [315-316]; Theodor Lenckner - Detlev Sternberg-Lieben in Adolf Schönke - Horst Schröder: Strafgesetzbuch. Kommentar (München: C.H. Beck [29]2014) Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 39 [593].
Lábjegyzetek:
[1] Der Autor ist Konstanz.
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