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Jaromír Tauchen[1]: Zum Verfahren vor deutschen Strafgerichten im Protektorat Böhmen und Mähren (JÁP, 2012/1., 125-135. o.)

Jaromír Tauchen a brünni Masaryk Egyetem Jog- és Államtörténeti tanszékének adjunktusa, tanulmányával a Csehszlovákia német megszállását követő időszak bírósági szervezet- és eljárásrendszerének változásaiba nyújt betekintést. 1939 áprilisában a Cseh-Morva Protektorátusban több rendelettel bevezetésre került a német bírói joghatóság, az intézkedés a birodalmi állampolgárrá vált német nemzetiségű lakosságot érintette. A tanulmány részletesen foglalkozik a német bíróságok illetékességével, hatásköreivel, továbbá területi elhelyezkedésével, székhelyeinek változásával. A szerző tanulmányában kiemelten a német büntető jogszolgáltatás területét vizsgálva mutatja be az érintett személyi kör eljárásjogi helyzetét, illetve az illetékességi szempontból releváns egyéb jogi kérdéseket.

I. Einführung

Am 17. April 1939 wurde die deutsche Gerichtsbarkeit im Protektorat Böhmen und Mähren[11] eingeführt und ging auf den Erlass des Führers und Reichskanzlers vom 16. März 1939 über das Protektorat Böhmen und Mähren (RGBl. I., S. 485) zurück. Nach diesem Erlass wurden die volksdeutschen Bewohner des Protektorats deutsche Staatsangehörige und Reichsbürger und unterstanden der deutschen Gerichtsbarkeit. Als die deutschen Staatsangehörigen auf dem Gebiet des Protektorats waren anzusehen: alle Reichsdeutschen, einschließlich der Sudetendeutschen, Ostmärker und Memelländer, sowie alle Volksdeutschen, die am 10. Oktober 1938 das Heimatrecht in einer Gemeinde der ehemaligen tschechoslowakischen Länder Böhmen, Mähren und Schlesien besessen und am 16. März 1939 nicht in den ehemaligen tschechoslowakischen Ländern Slowakei und Karpathoukraine ihren Wohnsitz hatten. Zu den deutschen Staatsangehörigen gehörten jedoch nicht volksdeutsche Frauen von Protektoratsangehörigen.[2] Die deutsche Gerichtsbarkeit wurde durch drei Verordnungen vom 14. April

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1939 geregelt,[3] von denen die erste die Organisation der deutschen Gerichte, die zweite die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit und die dritte die Ausübung der Zivilgerichtsbarkeit im Protektorat betraf.[4]

II. Organisation der deutschen Strafgerichte im protektorat

In der Zeitperiode des Protektorats Böhmen und Mähren ist die sog. autonome von der Gerichtsorganisation in der Zwischenkriegszeit übernommene Strafgerichtsbarkeit und die deutsche Strafgerichtsbarkeit zu unterscheiden, die aus dem Großdeutschen Reich übertragen wurde.

Die Grundnorm, die den Aufbau und Zuständigkeit der deutschen Strafgerichte im Protektorat regelte, stellte die schon oben erwähnte Verordnung über die deutsche Gerichtsbarkeit im Protektorat Böhmen und Mähren vom April 1939 (Verordnung I.) dar. Diese Verordnung ging vom Grundprinzip aus, dass die deutschen Staatsangehörigen der deutschen Gerichtsbarkeit im Protektorat Böhmen und Mähren unterstanden. Die Personen, die nicht deutsche Staatsangehörige waren, unterstanden der deutsche Gerichtsbarkeit wegen der Straftaten:

a) auf die das deutsche Strafrecht[5] Anwendung fand,

b) die im Wege der Privatklage verfolgt wurden, wenn ein deutscher Staatsangehöriger die Privatklage erhob.

Die Personen, die keine Staatsangehörigen waren, unterstanden der Gerichtsbarkeit des Protektorats, soweit nicht die deutsche Gerichtsbarkeit durch gesetzliche Vorschriften begründet wurde. Die deutsche Gerichtsbarkeit im Protektorat Böhmen und Mähren war gegenüber den Gerichten des Protektorats eine ausschließliche bis auf eine Ausnahme, die die nach dem Strafrecht des Protektorats verfolgte Straftat darstellte, welche in einem Gebäude, einem Raum oder einer Anlage der deutschen Besatzungsmacht begangen wurde. Diese Räumlichkeiten mussten den Zwecken der deutschen Wehrmacht oder einer Dienststelle des Reichs, der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen oder den Zwecken der NSFK dienen. In diesem Falle waren die deutschen Strafverfolgungsbehörden zuständig, sofern sie nicht die Sache an die Strafverfolgungsbehörden des Protektorats abgaben.[6]

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Genauso wie im Deutschen Reich, wurden zur Ausübung der deutschen Gerichtsbarkeit im Protektorat errichtet:

a) die deutschen Amtsgerichte, welche die unterste Stufe der deutschen Gerichtssystems bildete. Sie wurden errichtet in Böhmisch-Budweis (Ceske Budejovice), Brünn (Brno), Deutsch-Brod (Nemecky Brod), Gitschin (Jicin), Göding (Hodonin), Iglau (Jihlava), Mährisch-Ostrau (Moravska Ostrava), Olmütz (Olomouc), Pardubitz (Pardubice), Pilsen (Plzen), Prag (Praha) und Strakonitz (Strakonice). Diesen Amtsgerichten wurden die Sprengel der einzelnen ehemaligen Kreisgerichte zugelegt, mit denen sie sich im Prinzip deckten;

b) die deutschen Landgerichte Prag und Brünn, welche die zweite Instanz darstellten. Zum Bezirk des deutschen Landgerichts Prag gehörten die in Böhmen, zum Bezirk des deutschen Landgerichts Brünn die in Mähren gelegenen deutschen Amtsgerichte;

c) das deutsche Oberlandesgericht Prag;

Die deutsche Gerichtsbarkeit im Protektorat übten ferner das Reichsgericht in Leipzig und der Volksgerichtshof in Berlin aus. Der Reichsminister der Justiz war berechtigt, die Zweigstellen der deutschen Gerichte zu errichten und anzuordnen, dass Gerichtstage und Tagsatzungen außerhalb des Gerichtssitzes abgehalten werden.

Im April 1941 wurde eine Reorganisation der deutschen Gerichte im Protektorat durchgeführt; in Königgrätz (Hradec Kralove) und in Tabor (Tabor) wurden deutsche Amtsgerichte errichtet. Verlegt wurden der Sitz des Amtsgerichts Deutsch-Brod nach Kolin (Kolin), der Sitz des Amtsgerichts Göding nach Ungarisch Hradisch (Uherske Hradiste) und der Sitz des Amtsgerichts Strakonitz nach Klattau (Klatovy). Der Bezirk jedes deutschen Amtsgerichtes im Protektorat erstreckte sich auf den Oberlandratsbezirk, in dem das Amtsgericht seinen Sitz hatte.[7]

Der Unterschied in der Zusammensetzung der Amtsgerichte im Protektorat und im Reich bestand darin, dass keine Schöffengerichte im Protektorat tätig waren. Das Laienelement wurde also aus der Entscheidungstätigkeit ausgeschlossen. Die Verordnung I. errichtete im Protektorat keine Sondergerichte; ihre Zuständigkeit ging auf eine Strafkammer des Landgerichts (Prag, Brünn) über, die mit drei Berufsrichtern besetz war. Auf das Verfahren fanden die im Altreich für das Sondergericht geltenden Vorschriften Anwendung. Zur Änderung kam es im Februar 1940, als die Sondergerichte auch im Protektorat errichtet wurden.[8]

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III. Verfahrensbesonderheiten vor den deutschen Strafgerichten des protektorats

Was das formelle deutsche Strafrecht im Protektorat anbelangt, die Verordnung über die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit im Protektorat Böhmen und Mähren vom 14. April 1939 (RGBl. I., S. 754) (Verordnung II.) stellte eine Grundnorm dar, nach der die formellen und materiellen Vorschriften des Reichsstrafrechts im Protektorat eingeführt wurden. Nach ihrem § 2 fanden folgende Vorschriften auf den Strafprozess vor ordentlichen deutschen Gerichten im Protektorat Anwendung:

- die Strafprozessordnung für das Deutsche Reich vom 1. Februar 1877 (RGBl. I., S. 253);

- das Gesetz, betreffend die Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen, vom 20. Mai 1898 (RGBl. I., S. 345);

- das Gesetz, betreffend die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft, vom 14. Juli 1904 (RGBl. I., S. 321);

- das Gesetz über beschränkte Auskunft aus dem Strafregister und die Tilgung von Strafvermerken vom 9. April 1920 (RGBl. I., S. 507);

- das Jugendgerichtsgesetz vom 16. Februar 1923 (RGBl. I., S. 135);

- die Strafregisterverordnung in der Fassung vom 17. Februar 1934 (RGBl. I., S. 140);

- das Gesetz über die Vernehmung von Angehörigen der NSDAP und ihrer Gliederungen vom 1. Dezember 1936 (RGBl. I., S. 994);

- die Verordnung über die Entschädigung der Schöffen, Geschworenen und Vertrauenspersonen vom 18. März 1924 (RGBl. I., S. 282);

- die Gebührenordnung für Rechtsanwälte vom 5. Juli 1927 (RGBl. I., S. 162).[9]

Mit den erwähnten eingeführten Gesetzen galten auch die zu ihrer Änderung, Ergänzung, Einführung oder Ausführung im Reich erlassenen gesetzlichen oder sonstigen Bestimmungen. Der Vollzug der von den deutschen Gerichten im Protektorat verhängten Freiheitsstrafen und mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregeln der Sicherung und Besserung richtete sich nach den reichsrechtlichen Vollzugsgrundsätzen (Art. I der Verordnung über den Vollzug von Freiheitsstrafen und von Maßregeln der Sicherung und Besserung, die mit Freiheitsentziehung verbunden sind, vom 14. Mai 1934, RGBl. I., S. 383).

Auf Verlangen des deutschen Staatsanwalts hatten die Staatsanwaltschaften und die Gerichte des Protektorats Verfahren, die bei ihnen anhängig waren, abzugeben, wenn nach der Auffassung des deutschen Staatsanwalts die deut-

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sehe Gerichtsbarkeit gegeben war. Hielt die Behörde des Protektorats die deutsche Gerichtsbarkeit nicht für gegeben, so konnte sie die Entscheidung des Staatsanwalts beim deutschen Oberlandesgericht anrufen.

Nach Artikel 5 Abs. 5 des Erlasses des Führers und Reichskanzlers über das Protektorat Böhmen und Mähren vom 16. März 1939 (RGBl. I., S. 485) war der Reichsprotektor berechtigt, gegen ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichts des Protektorats Einspruch einzulegen; in diesem Falle konnte der deutsche Staatsanwalt Anklage vor einem deutschen Gericht erheben. Erkannte das deutsche Gericht rechtskräftig in der Sache selbst, so trat die Entscheidung des Gerichts des Protektorats außer Kraft.[10]

In den vor die deutschen Gerichte gehörigen Strafsachen waren die Sicherheitsbehörden, Staatsanwälte und Strafgerichte des Protektorats verpflichtet, bei Gefahr im Verzug nach den für sie geltenden Verfahrensgesetzen alle Handlungen vorzunehmen, die zur Aufklärung des Sachverhalts, zur Festhaltung des Beschuldigten oder zur Sicherung von Gegenständen dienen konnten, die zur Begehung strafbarer Handlungen gebraucht oder bestimmt waren. Die Sicherheitsbehörden des Protektorats hatten von dem Veranlassten die deutsche Polizeibehörde und den zuständigen deutschen Staatsanwalt in Kenntnis zu setzen. War es zweifelhaft, ob eine Strafsache vor die deutschen Gerichte oder vor die Gerichte des Protektorats gehörte, so lag die Aufklärung des Sachverhaltes den Strafverfolgungsbehörden des Protektorats ob. Ergab sich im Laufe der Ermittlungen, dass die Strafsache vor die deutschen Gerichte gehört, so waren die Strafverfolgungsbehörden des Protektorats verpflichtet, das Verfahren unverzüglich an die zuständige deutsche Strafverfolgungsbehörde abzugeben.

Die deutschen Gerichte und Staatsanwaltschaften im Protektorat sowie die Gerichte und Staatsanwaltschaften des Protektorats konnten in den bei ihnen anhängigen Verfahren auch Personen, die nicht ihrer Gerichtsbarkeit unterstanden, als Zeugen oder Sachverständige vernehmen und gegen sie die nach ihrem Verfahrensrecht zulässigen Zwangsmittel anwenden. Zugleich konnten sie in den bei ihnen anhängigen Verfahren auch sonstige gesetzlich zulässige Maßnahmen, durch die Dritte betroffen werden, ohne Rücksicht darauf anordnen und durchführen, ob die von den Maßnahmen betroffenen Personen ihrer Gerichtsbarkeit unterstanden.

Die deutschen Gerichte im Protektorat und die Gerichte des Protektorats hatten einander unmittelbar Rechts- und Amtshilfe zu leisten. Das deutsche

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Gericht konnte die Übersendung von Akten an ein Gericht des Protektorats ablehnen, wenn der Übersendung Interessen des Reichs entgegenstanden; in Zweifelsfällen entschied der Reichsprotektor. Die Verordnung über die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit im Protektorat Böhmen und Mähren beinhaltete in ihrer ursprünglicher Fassung, dass das Ersuchen und die der Erledigung dienenden Schriftstücke in der Sprache des ersuchenden Gerichtes oder in der Sprache des ersuchten Gerichts abgefasst werden konnten, was von der Gleichstellung beider Sprachen ausging. Diese Gleichstellung der Sprachen wurde im September 1939 abgeschafft und die Ersuchen mussten nur in deutscher Sprache abgefasst werden.[11] Außer dieser Verordnung wurde die Rechtshilfe in Strafsachen auch in der allgemeinen Verfügung des Reichsministers der Justiz geregelt.[12] Nach dieser wurde der Rechtsverkehr in Strafsachen zwischen deutschen Behörden außerhalb des Protektorats und den deutschen Behörden im Protektorat nach den Grundsätzen der innerstaatlichen Rechtshilfe durchgeführt. Der Geschäftsverkehr in diesen Angelegenheiten fand unmittelbar zwischen den beteiligten Behörden statt. Diese Verfügung hob den Vertrag über die Auslieferung und die sonstige Rechtshilfe in Strafsachen zwischen dem Deutschen Reich und Tschechoslowakischen Republik vom 8. Mai 1922 (RGBl. II., S. 48, 396) auf.

Wichtig war die Rechtsregelung, welche die allgemeine Verfügung über das Strafregister vom Dezember 1940 brachte.[13] Sie legte die Regeln fest, nach denen die gegenseitigen Mitteilungen zum Strafregister des Reichs und des Protektorats durchgeführt wurden. Bei den Staatsanwaltschaften der deutschen Landgerichte in Prag in Brünn wurden Strafregister eingerichtet, die nach den Vorschriften des Straftilgungsgesetzes vom 9. April 1920 (RGBl. I., S. 507) und der Strafregisterverordnung vom 17. Februar 1934 (RGBl. I., S. 140) geführt wurden. Der Reichsprotektor in Böhmen und Mähren gehörte zu den Stellen, die unbeschränkt Auskünfte aus dem Strafregister erhielten.[14]

Die Verordnung über die Zuständigkeit der Strafgerichte vom Februar 1940[15] führte die Möglichkeit des beschleunigten Verfahrens ins deutsche

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Recht ein. Im Verfahren vor dem Amtsrichter konnte der Staatsanwalt schriftlich oder mündlich den Antrag auf Aburteilung im beschleunigten Verfahren stellen, wenn der Sachverhalt einfach und die sofortige Aburteilung möglich war. Wenn der Staatsanwalt den Antrag stellte, so wurde ohne eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens die Hauptverhandlung sofort durchgeführt oder mit kürzester Frist anberaumt. Diese Verordnung, die zur Beschleunigung und Vereinfachung des Gerichtsverfahrens dienen sollte, hat die sog. notwendige Verteidigung ex offo in allen Fällen abgeschafft und setzte taxativ die Fälle fest, in denen der Vorsitzende dem Beschuldigten einen Verteidiger bestellen musste:

- wenn die Hauptverhandlung vor dem besonderen Strafsenat des Reichsgerichts, dem Volksgerichtshof oder dem Oberlandesgericht stattfand,

- wenn eine Tat in Frage kam, die mit dem Tode oder mir lebenslangem Zuchthaus bedroht war,

- wenn eine Tat in Frage kam, die mit Zuchthaus bedroht war, und der Staatsanwalt die Bestellung eines Verteidigers beantragte,

- wenn ein Totschlag, und zwar auch in den Fällen des § 213 des Reichsstrafgesetzbuches oder ein Meineid,

- wenn die Sicherungsverwahrung, die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt oder die Entmannung in Frage kam,

- wenn der Beschuldigte taub oder stumm war.

Wenn sich der Beschuldigte seiner Persönlichkeit nach nicht selbst verteidigen konnte, hatte ihm der Vorsitzende einen Verteidiger zu bestellen.[16]

Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges ist auch die Einführung der außerordentlichen Rechtsmittel in den Strafprozess verbunden. Der außerordentliche Einspruch[17] und die Nichtigkeitsbeschwerde[18] wurden jedoch nicht zum Schutze des Verurteilten eingeführt, sondern sie konnten nur vom Staatsanwalt benutzt werden.[19]

Im Laufe des Zweiten Weltkrieges wurde im Strafprozess eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt, welche das Verfahren vereinfachen sollte; zu ihren Zielen gehörte auch das Ersparnis der Arbeitskräfte. Wesentliche Änderungen brachte die Verordnung zur weiteren Vereinfachung der Strafrechtspflege vom

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13. August 1942 (RGBl. I., S. 508). Vor dieser Novelle gehörte der Eröffnungsbeschluss zu den Bedingungen für die Eröffnung des Verfahrens, falls der Beschuldigte aufgrund der Ergebnisse des Vorverfahrens hinreichend verdächtig war. Von nun an fand eine besondere Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens nicht mehr statt. An die Stelle des Eröffnungsbeschlusses trat die Anordnung der Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden. Zugleich kam es zur Erweiterung der Strafgewalt des Amtsrichters und der Zulässigkeit des Strafbefehls. Aus dem Grunde der Kräfteersparnis konnten die Entscheidungen der Strafkammer, des Sondergerichts und des Strafsenats beim Oberlandesgericht vom Vorsitzenden allein getroffen werden, wenn er wegen der einfachen Sach- und Rechtslage die Mitwirkung der Beisitzer für entbehrlich hielt und der Staatsanwalt zustimmte. Die Hauptverhandlung vor dem Amtsrichter konnte auch ohne Beteiligung des Staatsanwalts oder des Schriftführers stattfinden. Es kam auch zur Umgestaltung der Rechtsbehelfe (zur Einschränkung der Rechtsmittel). Die Berufung und Beschwerde des Angeklagten gegen eine Entscheidung bedurften einer besonderen Zulassung.[20]

Am Ende des Jahres 1944 kam es zur weiteren Vereinfachung des Strafprozesses, was sich in der verminderten Besetzung des Volksgerichtshofes, des Reichsgerichts, in der Einschränkung der Zuständigkeit des Oberlandesgerichts, in der weiteren Einschränkung der Rechtsmittel, in der Vereinfachung der Anklageschrift beim Sondergericht und der Anklageerhebung, in der sofortigen Vollstreckung von Zuchtmitteln, Erziehungsmaßregeln und Strafvollstreckungsverfahren widerspiegelte. Die Rolle des Staatsanwalts wurde verstärkt, der genauso wie ein Richter einen Haftbefehl erlassen konnte.[21]

Im Jahre 1944 wurde die Ausübung des Gnadenrechts auf den Reichsprotektor in allen Strafsachen übertragen, für die im ersten Rechtszug ein deutsches Gericht mit Sitz im Protektorat zuständig war. In Strafsachen, für die in Ausübung der deutschen Gerichtsbarkeit im Protektorat im ersten Rechtszug, der Volksgerichtshof oder an dessen Stelle ein Oberlandesgericht zuständig war, wurde das Gnadenrecht vom Reichsprotektor im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Justiz ausgeübt.[22]

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IV. Fazit

Nach der Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren wurde deutsches Recht für die Volksdeutschen Bewohner des Protektorats eingeführt und die deutsche Gerichtsbarkeit (Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandesgericht) errichtet. Einige strafrechtliche Normen des Reichsrechts galten auch für die nichtdeutschen Staatsangehörigen des Protektorats. Die Grundregel für die Anwendung des deutschen Strafrechts und für die Organisation der deutschen Justiz im Protektorat, sowie die Verfahrensrechtlichen Besonderheiten beinhalteten drei im April 1939 erlassene Verordnungen. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges kam es zur Vereinfachung und Beschleunigung des Strafprozess und zur Verschärfung des Strafrechts, dessen Aufgabe war, alle Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus und gegen die deutsche Besatzungsmacht hart zu unterdrücken.

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ANMERKUNGEN

[1] Zum Charakter des Protektorats vgl. Schelle - Tauchen, 2009; Schelle - Tauchen, 2010, S. 63 ff.; Rill, 2006, S. 904 ff; Klein, 1940, S. 255; Pfeiffer, 1941, S. 580; Rozycki, 1939, S. 388; Weizsäcker, 1943, 1.

[2] Zur Problematik des Staatsangehörigkeitsrechts im Protektorat vgl. z.B. Arnold, 1939; Stuckart, 1941, S. 233; Troitzsch, 1941, S. 369; Opderbeck, 1942, S. 2085; Prechtel, 1940, S. 68.

[3] Verordnung über die deutsche Gerichtsbarkeit im Protektorat Böhmen und Mähren vom 14. April 1939 (RGBl. I., S. 752), Verordnung über die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit im Protektorat Böhmen und Mähren vom 14. April 1939 (RGBl. I., S. 754), Verordnung über die Ausübung der bürgerlichen Rechtspflege im Protektorat Böhmen und Mähren vom 14. April 1939 (RGBl. I., S. 759).

[4] Schmidt, 1939, S. 70 ff.

[5] Zum materiellen Strafrecht im Protektorat vgl. z.B. Lorenz, 1940; Nüsslein, 1942, S. 368; Schmied, 1940, S. 69.

[6] Zum deutschen Strafprozessrecht im Protektorat vgl. Veselä - Lepsik, 1939; Bälz, 1940, S. 1401; Bürkle, 1942, S. 359; Hochberger, 1940, S. 121 ff.; Lorenz, 1939, S. 177 ff.; Schmidt, 1939, S. 1099 ff.; Krieser, 1940, S. 1745 ff.; Nüsslein, 1940, S. 2085; Gabriel, 1942, S. 367 ff.

[7] Erlass zur Änderung der Gerichtsgliederung im Protektorat Böhmen und Mähren vom 13. März 1941 (RGBl. I., S. 130).

[8] Verordnung über die Zuständigkeit der Strafgerichte, der Sondergerichte und sonstige Strafverfahrensrechtliche Vorschriften vom 21. Februar 1940 (RGBl. I., S. 405).

[9] Zum deutschen Strafprozess vgl. z.B. Henkel, 1943; Hippel, 1941; Schwarz, 1942; Wagner, 1968.

[10] Die Verordnung zur Ergänzung der Verordnung über die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit im Protektorat Böhmen und Mähren vom 18. September 1939 (RGBl. I., S. 1945) führte eine Erweiterung der Exemtion aus der Gerichtsbarkeit des Protektorats ein, denn von nun an konnte der Reichsprotektor Einspruch gegen ein rechtskräftiges im Protektorat Böhmen und Mähren vollstreckbares Urteil eines nichtdeutschen Gerichtes einlegen. Es handelte sich vor allem um bis zum 15. März 1939 vollstreckbare Urteile slowakischer Gerichte.

[11] Die Verordnung zur Ergänzung der Verordnung über die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit im Protektorat Böhmen und Mähren vom 18. September 1939 (RGBl. I., S. 1945).

[12] Allgemeine Verfügung des Reichsministers der Justiz über den Rechtshilfeverkehr in Strafsachen zwischen den deutschen Behörden außerhalb des Protektorats Böhmen und Mähren und den deutschen Behörden im Protektorat und den Behörden des Protektorats vom 11. November 1939 (1080/1-IIIa[14] 664), kundgemacht in der Zeitschrift Deutsche Justiz, S. 1745.

[13] Allgemeine Verfügung des Reichsministers der Justiz zur Durchführung des Straftilgungsgesetzes und der Strafregisterverordnung für den Bereich der deutschen Gerichtsbarkeit im Protektorat Böhmen und Mähren vom 6. Dezember 1940 (4240 Sud-IIa[14]-534), kundgemacht in der Zeitschrift Deutsche Justiz, S. 1389.

[14] Verordnung zur Änderung des Gesetzes über beschränkte Auskunft aus dem Strafregister und die Tilgung von Strafvermerken vom 17. November 1939 (RGBl. I., S. 2254).

[15] Die Verordnung über die Zuständigkeit der Strafgerichte, die Sondergerichte und sonstige strafverfahrensrechtliche Vorschriften vom 21. Februar 1940 (RGBl. I., S. 405).

[16] Zu Vereinfachungsmaßnahmen im Strafprozess vgl. Schafhentle, 1939, Nr. 37, S. 1510.

[17] Gesetz zur Änderung von Vorschriften des allgemeinen Strafverfahrens, des Wehrmachtsstrafverfahrens und des Strafgesetzbuchs vom 16. September 1939 (RGBl. I., S. 1841).

[18] Verordnung über die Zuständigkeit der Strafgerichte, die Sondergerichte und sonstige strafverfahrensrechtliche Vorschriften vom 21. Februar 1940 (RGBl. I., S. 405).

[19] Zur NS-Justiz allgemein vgl. z.B. Broszat, 1958, S. 390 ff.; Dreier - Sellert, 1989; Fieberg, 1984; Gruchmann, 2001; Niermann, 1995; Ostendorf - Danker, 2003; Schorn, 1959; Staff, 1964; Weinkauff, 1968.

[20] Hoffmann, 1942, S. 947

[21] Verordnung zur weiteren Anpassung der Strafrechtspflege an die Erfordernisse des totalen Krieges (vierte Verordnung zur Vereinfachung der Strafrechtspflege) vom 13. Dezember 1944 (RGBl. I., S. 339).

[22] Erlass des Führers über die Ausübung des Gnadenrechts durch den Reichsprotektors in Böhmen und Mähren vom 25. Januar 1944 (RGBl. I., S. 59).

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[1] A szerző egyetemi adjunktus, Masaryk Egyetem Jogtudományi Kar.

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