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Imre Garaczi[1]: Geschichte und Kultur (JURA, 2007/2., 181-183. o.)

Der Untergang der metaphysischen Daseinsweise

In der Geschichte des modernen Philosophie im 18. Jahrhundert war es Kant, der die schwierigste Aufgabe auf sich nahm: Zum einen vertrat er den Glauben der Wissenschaft, nach dem der Verstand in Besitz von echten und prüfbar relevanten Kenntnissen gelangen kann, zum anderen behauptete er als ein kritischer Philosoph, dass die menschliche Erfahrung dem Anspruch, die wichtigsten Segmente der Welt auf der Karte des kausalen Wissens aufzuzeichnen, nicht genügen kann.[1]

All das wurde noch komplizierter dadurch, dass Kant die sittliche Freiheit des Christenmenschen mit jenem Grundsatz der Wissenschaft in Einklang zu bringen suchte, nach dem unser Universum vollends durch notwendige Gesetzmäßigkeiten reguliert wird.

Für Kant war der Glanz der Newton'schen Wissenschaftstheorie ein entscheidendes und bestimmendes Erlebnis, das ihn zur Idee leitete, dass der Mensch fähig sei, sich ein sicheres Wissen anzueignen.

Das ist kein Zufall, denn die ganze Jugend Kants war durchdrungen vom deutschen absoluten Rationalismus Lebniz-Wolff'schen Ursprungs; aus diesem "dogmatischen Schlummer" wurde er erst durch das Lesen Humes erweckt.[2]

Der innere Kampf des "alten Königsbergers" mit den Implikationen der Absolutheitsansprüche rationalistischer Tradition wurde immer intensiver. Dieser Kampf führte zur Einsicht, dass der Mensch lediglich die sich als Phänomen zeigende Erscheinungswelt zu erkennen im Stande ist, und es eigentlich nicht möglich ist, die innere metaphysische Natur des Weltalls über die Mauern der Erfahrung hinaus zu erblicken.

Es hat sich bewiesen, dass solche ausdruckslogischen Argumente des Verstandes antinomisch sowohl behauptet, als auch widerlegt werden können. Jeder Versuch des grenzenlosen Verstandes, der das Horizont der Wahrnehmung überschreitet (im Sinne der transzendentalen Ästhetik), um etwa das Dasein Gottes, die Unendlichkeit des Universums zu beweisen oder die Unsterblichkeit der Weltseele zu begründen, unvermeidlich in die widerspruchsvolle Welt der illusorischen Mythen zu sinken droht.

Der Verstand "fordert" empirische Belege, falls er sich ein genuines Wissen aneignen will. Daraus folg Kants Grundfrage: Wie ist sicheres Wissen möglich in einem aus lauter Phänomenen bestehenden Universum? Seine Antwort ist "modern": Sie löst den Grundkonflikt der Epistemologie auf, und bringt die zwei Welten des Rationalismus und Empirismus in Einklang.[3] Er geht vom System der mathematischen Wahrheiten aus. Nach Descartes, Spinoza und Leibniz sieht er als belegt an, dass die sicherste Grundlage für einen Rationalisten ist, wenn er die Metaphysik auf die als solide erscheinenden und prüfbaren mathematischen Gesetze projiziert und dabei auch die anderen Naturwissenschaften in ihrer Beschreibbarkeit, Erscheinung und ihrem Idealbild "mathematisiert".

Doch der Haken an der Sache ist, dass die untersuchten Ziele und Gebiete der Naturwissenschaften nur durch als Außenwelt erscheinende Universalität, als Sensibilität aufzufassen sind. In diesem Augenblick kann das "sichere" Wissen lediglich einen bedingten Charakter haben, während die in ihm manifeste kausale Notwendigkeit allein auf dem System rein psychologischer Komponenten basieren kann. All das erinnert an jene Behauptung Humes, nach der die Gesetze der euklidischen Mathematik keinen empirischen Grund haben können.[4]

Die Welt Newtons basiert aber auf dem euklidischen System. Es stellt sich also die Frage, ob die Gesetze der menschlichen Vernunft dem existierenden Universum anzupassen sind, oder aber die Phänomene des existierenden Universums sich in der menschlichen Vernunft reell widerspiegeln.

Früher hatte Descartes eine eindeutige Entsprechung zwischen der Erscheinungswelt und dem denkenden Verstand vorausgesetzt. Diese Theorie wurde von Hume immer wieder verneint, doch sah Kant das Euklid-Newton-Leibniz'sche einheitslogische System als bestätigt; er hat es angenommen, obwohl auf eine eigentümliche Manier: Er setzte die existierende Welt nicht in ihrer Selbsterscheinung voraus, sondern spann aus den Kategorien der Vernunft ein Netz, dessen Ziel war, dass der kritische Vorrat der Vernunft die reell existierende Welt ordnet. D.h., dass sich nicht die Vernunft den Tatsachen der reellen Welt anpasst, sondern sich die Gegenstände des Universums nach der Vernunft richten. Dieser Prozess spielt sich im Raum- und Zeitrahmen der Welt ab, die von Kant als für die menschliche Wahrnehmung apriorische Formen vorausgesetzt werden. Außerhalb der Formen Raum und Zeit gibt es kein anderes Erscheinungssystem und keinen anderen Bezugspunkt.

Kant gelangt zur begrifflichen Genese von Zeit und Raum, indem er voraussetzt, dass die Begriffsrahmen von Raum und Zeit auch dann verbleiben,

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wenn man den mathematischen Urteilen jeden Erfahrungsinhalt entzieht; man kann also über das Kontinuum Raum-Zeit nicht hinausdenken. In der kritischen Philosophie Kants hat die Mathematik eine primäre Bedeutung, da er davon ausgeht, dass die mathematisch-geometrischen Gesetze das generelle Bezugsparadigma von Raum und Zeit gleichsam in primärer Form veranschaulichen.[5]

Wir können somit auf eine reziproke Weise feststellen, dass die Begriffe Raum und Zeit durch die Entziehung der erfahrenden Tatsachen nicht dargestellt werden können - das ist für Kant lediglich eine frappante Darstellungsweise -, sondern die Erfahrung als Bezugsmöglichkeit gleichsam voraussetzen. Auf diesem Grund können Raum und Zeit nicht als bloße Darstellungen der Welt verwendet werden, sie können nicht als Charakteristiken der Welt aufgefasst werden, denn jede Information relativiert sich als eine vom Menschen beobachtete Erscheinung, und das ermöglicht in großem Maße die Eventualität und die Ungewissheit. Aus dieser Denkgrundlage ergibt sich auch die Frage nach der Natur der Kausalität. Bestehen die Kausalitätsgesetze zwischen den Gegenständen, Sachen und Phänomenen der Lebenswelt unabhängig von unserem Verstand?[6] Oder wir können mit einem genügenden Grund - als eine präexistenzielle Bedingung - mit Gewissheit annehmen, dass zwischen den existierenden Phänomenen der Erscheinungswelt ein Kausalitätssystem besteht, und die wissenschaftliche Erkenntnis diese Bedingung als vollkommen sicher voraussetzen kann? Ich denke, dass beide Seiten dieser Frage ihre Berechtigung haben, und erst die gegenseitige Koexistenz, das Zusammen-Erscheinen der gegensätzlichen Bedingungen die phänomenale Welt für die erkennende Vernunft erschließen. Dasselbe lässt sich auch über weitere drei Kategorien der Erkenntnis - Bezug, Materie, Quantität - behaupten, denn diese vier Operationsphänomene - die zur Beschreibung des Universums dienen - garantieren jene Querschnitt- und Bezugssysteme, die die Grundlage dafür liefern, dass wir nicht in einer chaotischen, unergreiflichen Welt taumeln. Die Ordnung existiert somit sowohl in der Welt als auch in der Vernunft, und kann die Grundlage für unsere reellen Erkenntnisse über die Welt bieten. Die Welt ist erkennbar, aber nicht in ihrer Totalität, nicht in ihrer Ganzheit: Wir können uns nur in der aktuellen Raum-Zeit unserer Wahrnehmung und unseres Denkens richten, während sich unsere Existenz lediglich im Rahmen unserer reellen Gegenwart erschließen lässt. Wir können auf das Universum, das Weltganze nur durch das Filter des unmittelbaren Existenz-Erlebnisses Erkenntnisbilder projizieren, die oft symbolischer oder metaphorischer Natur sind.[7]

In dieser Weise lassen sich die Dinge der Welt, die sich der Genese der Vernunft anpassen, auf Grund von Kants "kopernikanischer Wende" beschreiben. Dieser Standpunkt resultiert daraus, dass Kant den Skeptizismus Hume'scher Provenienz und das Newton'sche Wissenschaftsmodell - die früher als unversöhnliche Gegensätze betrachtet wurden -verkoppelt. So ergab sich in den 1780er Jahren eine neue Aufgabe für einen Philosophen der Moderne wie Kant einer war: Das Ziel ist nunmehr nicht, neue metaphysische Weltbilder zu konstruieren, sondern die Grenzen einer "handgreiflichen" menschlichen Ratio und Mentalität unter den gegebenen geschichtlichen Bedingungen zu setzen, gerade indem sich diese Grenzen innerhalb eines neuen, dynamischen Weltsystems ständig ändern.[8]

Für das geschichtsphilosophische Verständnis der Kulturen des 19. und 20. Jahrhunderts bot der Kritizismus Kants eine verlässliche Grundlage: Er machte es deutlich, dass die menschliche Vernunft nicht in der Lage ist, sich ein absolutes Wissen über die Dinge an sich zu verschaffen, und es ebenfalls unmöglich ist, das Wirken des Universums grundsätzlich zu erkennen.

Das westliche Denken der letzten zwei Jahrhunderte baute auf dieser Feststellung, dabei den Weg für den immer tiefer werdenden und sich radikalisierenden Relativismus bahnend (z.B. Schopen-

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hauer, Marx, Nietzsche, Dilthey, Freud, Heidegger, Wittgenstein, Gödel, Bohr, Heisenberg und andere).

Parallel damit wird um die Wende vom 18. zum 129. Jahrhundert mit dem Gewissheitsbewusstsein des Subjekts abgerechnet. Insbesondere nach der Auflösung der Philosophie Hegels verbreitet sich die Ansicht, dass der menschliche Verstand und das menschliche Wissen auf den Prinzipien des Unbewussten beruhen (siehe die Theorien Freuds), die paradigmatisch nicht beschrieben werden können, da sie an Gegebenheit, Kultur, geschichtliches Moment, Individuum, Sprache usw. gebunden sind.

Um dennoch relevante Kenntnisse über das Wissen des Subjekts zu gewinnen, muss man die unterschiedlichen Kulturbegriffe und Kulturinterpretationen mit den Mitteln der Geschichtsphilosophie untersuchen, denn erst diese Sichtweise war im Stande solche Antworten und Alternativen zu bieten, deren Gültigkeit auch jenseits der Eskalation des geschichtlichen Zeitbewusstseins nach wie vor in Betracht genommen werden können. Von diesem Punkt an verbreiteten sich die philosophischen Untersuchungen vor allem auf den Gebieten der Epistemologie, Sprach- und Existenzphilosophie.

Im 20. Jahrhundert wurden die diversen Richtungen in einem wesentlichen Punkt einig: Der menschliche Verstand ist im Grunde unfähig, die objektivierte, universalistische Ordnung zu erfassen. (z.B. B. Russel, G. Marcel, H. Bergson, M. Heidegger, L. Wittgenstein, usw.)

Der Mensch muss in einer endlichen und unüberbrückbar komplizierten Welt, mitten in der ungeheuren Menge von Informationen seinen Weg und seine Orientierung zu finden versuchen, indem er nach maximaler Individualität und Authentizität strebt. Dieser Mensch kann lediglich die Erkenntnis seiner eigener Erfahrung das Eigene nennen, ohne unbedingt ein von der individuell-subjektiven Erkenntnis unabhängiges, objektives Weltbild als einen Spiegel vor das erkennende Subjekt halten zu können. (Versuche solcher Art waren im 20. Jahrhundert der Existenzialismus und die Phänomenologie.)

Wenn wir jenen bekannten Grundsatz akzeptieren, nach dem die Grenzen unserer Sprache die Grenzen unserer Welt sind (L. Wittgenstein), dann machen wir mit dem spezifischen Terminus der Sprachphilosophie den Versuch, die innere, von unserem Bewusstsein unabhängige Struktur der Welt auf das konkrete Ausdruckssystem der Sprache zu übertragen.

Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts, dem allmählichen Untergang der metaphysischen Formulierungsversuche untersucht die Philosophie vor allem die methodologischen Probleme, wobei die Bewandertheit in den technisch-philosophischen Details als die Realität der echten philosophischen

Erkenntnis erscheint. Dieser Prozess machte die Philosophie geeignet für Akademisierung; an Stelle der lebendigen, kritischen Diskurse fand sie ihr Heim in der philiströsen Stimmung der alten Bibliotheken, in denen keine Möglichkeit für eine eruptive Annäherungsweise übrig blieb.[9] Deswegen verlor de Philosophie an ihrer früheren Bedeutung, an ihrer Funktion als theoretischer Zusammenhalt der kulturellen Segmente einzelner Regionen. Die Philosophie erscheint und provoziert nunmehr in anderen, zum Teil neuen Disziplinen, wie etwa Literatur, Psychologie und Soziologie. ■

NOTEN

[1] In der Struktur seines kritischen Systems versucht Kant die Metaphysik innerhalb der Grenzen menschlichen Wissens zu platzieren, indem sich seine Argumentation in der Kritik der Reinen Vernunft von der Struktur des Wissens her in die Richtung des ethischen Glaubens bewegt. "Ich mußte also das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen [...]." Immanuel Kant: Werke in zwölf Bänden. Herausgegeben von Wilhelm Weischedel. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1977. Bd. 3, S. 33.

[2] Auf Grund solcher Lektüren entfaltet Kant jenes Motivsystem, in dem die sich aus reiner Kausalität ergebende Ordnung und Form keine Aprioris der Welt sind, sondern vielmehr das menschliche Bewusstsein eine funktionierende Weltordnung schafft.

[3] Die grundsätzlichen Ordnungsprinzipien werden durch die Gesetzmäßigkeiten des Vernunftgebrauchs bestimmt, indem die Vernunft die Naturgesetze aufbaut. Aus dieser Überlegung folgt das Prinzip der autonomen Struktur der Vernunft.

[4] "Wenn es auch niemals einen Kreis oder Dreieck in der Natur gegeben hätte, so würden doch die von Euklid dargelegten Wahrheiten für immer ihre Gewissheit und Beweiskraft behalten." David Hume: Untersuchung in Betreff des menschlichen Verstandes. Berlin: L. Heimann 1869, S. 25.

[5] Einer der Grundpfeiler der Kritik der reinen Vernunft ist die Herstellung einer Analogie zwischen den mathematischen und ontologischen Grundsätzen. Wir verfügen über keinen überzeugenden Beweis, dass die Abbildung der Struktur einer selbstständigen Welt sich in mathematischen oder ontologi-schen Grundsätzen widerspiegeln würde. Unsere Kenntnisse werden durch die Möglichkeiten eines Erfahrungsnetzes koordiniert. Kant hat den Abbau der traditionellen Metaphysik mit der Erstellung dieser Struktur begonnen.

[6] Das Kausalitätsprinzip ist eigentlich ein auf die Erscheinungen des Unversrums ausgebreitete Netz, das ein Linienführer der Vernunft ist.

[7] In diesem Prozess ließe sich auch der Grund der Beziehungen zwischen Vorstellung und Objekt untersuchen.

[8] Mit dieser Zweiheit hängen auch die mehr als zweihundert alten Debatten über die Metaphysik, "wo jeder Teil die Oberhand behält, der die Erlaubnis hat, den Angriff zu tun, und derjenige gewiß unterliegt, der bloß verteidigungsweise zu verfahren genötigt ist. Daher auch rüstige Ritter, sie mögen sich für die gute oder schlimme Sache verbürgen, sicher sind, den Siegeskranz davon zu tragen, wenn sie nur dafür sorgen, daß sie den letzten Angriff zu tun das Vorrecht haben, und nicht verbunden sind, einen neuen Anfall des Gegners auszuhalten." Kant, Bd. 4, S. 411.

[9] Die Ausnahme bildet allerdings Nietzsche, der mit einer ungeheuren individuellen Kraft die philosophische Tradition des 18.-19. Jahrhunderts "umstürzte".

Lábjegyzetek:

[1] A szerző egyetemi docens, Pannon Egyetem, BTK, Veszprém.

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