Seit der Veröffentlichung des Vorschlags der Kommission im Juli 2003 für eine Verordnung über das auf ausservertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht[1] ist die wissenschaftliche Diskussion über diesen wichtigen Teil des IPR wieder in den Vordergrund getreten. Nicht nur die Wissenschaft, sondern auch die Praxis zeigt Interesse. Es ist nicht zu bewundern, denn es geht um die Gestaltung eines einheitlichen europäischen Kollisionsrechts der ausservertraglichen Schuldverhältnisse. Einen wichtigen Teilbereich der Regelung stellt das internationale Deliktsrecht dar, und dazu gehören die Fragen des auf internationale Staßenverkehrsunfälle anzuwendenden Rechts.
Der Meinungsaustausch ist noch intensiver geworden, als der Bericht des Parlaments im Sommer 2005 ans Tageslicht kam.[2] Seitens der Experten des Themas war sowohl Lob, als auch Kritik zu hören.[3] Was die ausdrücklich nur im Bericht des Parlaments erwähnten Kollisionsnormen für internationale Verkehrsunfälle anbelangt, sind die Vorschläge des Parlaments überwiegend auf Kritik gestoßen. Im allgemeinen hat man den Vorschlag der Kommission für ausgewogener gehalten, aber es gab auch Stimmen, die im Bereich der Straßenverkehrsunfälle für eine über die Vorschläge des Parlaments hinausge-
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hende, noch radikaler von den herkömmlichen kollisionsrechtlichen Lösungen abweichende Methode plädierten.[4]
Es schien alles ein bisschen unsicher zu sein. Zurecht hat Professor Staudinger in seinem, anlässlich der VI. europäischen Verkehrsrechtstage in Trier gehaltenen Vortrag über die geplante Rom II. Verordnung im Herbst 2005 bemerkt, dass es abzuwarten bleibt, ob sich politisch ein Kompromiss zwischen den zum Teil stark von einander abweichenden Anknüpfungsmodellen erzielen lässt.[5]
Über ein Kompromiss kann zwar noch nicht die Rede sein, es ist aber ein wichtiger Schritt in jene Richtung seitens der Kommission mit der Veröffentlichung eines geänderten Vorschlags am 21. Februar 2006. getan worden, indem viele Abänderungen des Parlaments übernommen worden sind.[6]
Sowohl der ursprüngliche, als auch der geänderte Vorschlag der Kommission hat das Ziel gesetzt, die geplante Regelung in das schon existierende kollisionsrechtliche System des Gemeinschaftsrechts einzugliedern. Deswegen wird der Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Verordnung auf Zivil- und Handelssachen im Sinne des europäischen Rechts beschränkt, was dazu führt, dass wichtige ausservertragliche Schuldverhältnisse privatrechtlicher Natur von der Verordnung nicht umfasst werden und so das eigentliche Ziel der Rechtsvereinheitlichung nicht vollkommen erreicht werden kann.
Die einheitlichen Kollisionsnormen für ausservertragliche Schuldverhältnisse, die sich im Kapitel II. des ursprünglichen und auch des geänderten Verordnungsvorschlags der Kommission befinden, sind in drei Abschnitte aufgegliedert worden. Es gibt jedoch eine wesentliche, und meines Erachtens erfreuliche Veränderung in der Rheienfolge, indem die Rechtswahl - den Änderungsantrag des Parlaments in dieser Hinsicht folgend - an die Spitze der Kollisionsnormen (Abschnitt 1) gesetzt wurde. Die aus der Sicht unseres Themas wichtigen Kollisionsbestimmungen der unerlaubten Handlungen, die mangels einer Rechtswahl das anzuwendende Recht bestimmen, befinden sich im Abschnitt 2. Durch die redaktionelle Änderungen haben die Bestimmungen im Abschnitt 3. für Straßenverkehrsunfälle keine Bedeutung mehr. Wichtig sind dagegen einige Vorschriften im Abschnitt 5, und im Kapitel III.
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In den kollisionsrechtlichen Bestimmungen sowohl des ursprünglichen, als auch des geänderten Kommissionsentwurfs sind keine Sonderkollisionsnormen für Straßenverkehrsunfälle vorgesehen. Der vom 27. 6. 2005. datierte Vorschlag des Europäischen Parlaments dagegen schlägt für Straßenverkehrsunfälle einige umstrittene Sonderkollisionsnormen vor, die auf heftige Kritik gestoßen sind.[7]
Im Zusammenhang mit den von der Kommission vorgeschlagenen Kollisionsnormen stellt sich die Frage, ob die geplante Verordnung eine optimale Lösung für das vereinheitlichte europäische internationale Deliktsrecht darstellt? Angesichts der seitens des Europäischen Parlaments vorgeschlagenen Änderungen soll auch untersucht werden, ob die im Bereich der Straßenverkehrsunfälle vorgeschlagenen Sonderkollisionsnormen sinnvoll in das System eingegliedert werden können.
Der Vorschlag der Kommission hat eigentlich viele Grundfragen schon entschieden und beantwortet. Trotzdem sei es mir erlaubt theoretisch einige Fragen zu stellen: Welches Modell soll für ein Deliktsstatut am Anfang des 21. Jahrhunderts für Europa gewählt werden? Ist von einer Generalklausel der engsten Beziehung auszugehen? Wie soll die Rechtswahl der Parteien geregelt werden und wie ist sie in die Systematik der Regelung einzugliedern? Ist eine Abkehr von der - in vielen Mitgliedstaaten geltenden, aber unterschiedlich aufgefassten und angewandten - lex loci delicti Regel begründet? Soll die lex loci delicti Regel die Hauptregel darstellen? Wie ist die lex loci delicti Regel zu verstehen? Wie soll das alte Dilemma von Handlungsort oder Erfolgsort entschieden werden? Soll ein Günstigkeitsprinzip bei der Wahl zwischen Handlungsort und Erfolgsort aushelfen oder sollte man lieber von dem Günstigkeitsprinzip für immer Abschied nehmen? Inwieweit soll die lex loci delicti Regel aufgelockert werden, und mit welchen Methoden soll man vorgehen? Genügt ein allgemeines Deliktsstatut, oder braucht man ein Sonderkollisionsrecht im internationalen Deliktsrecht für Straßenverkehrsunfälle? Gibt es irgendwelche rechtspolitische Erwägungen, die die Schaffung eines Sonderkollisionsrechts begründen? Auf die oben gestellten Fragen geben die Kommission und das Europäische Parlament zum Teil unterschiedliche Antworte.
Die Differenzierung der Kollisionsnormen ist ein typischer Charakterzug der Entwicklung des Kollisionsrechts. Als Beispiel könnte man die Entwicklung des internationalen Vertragsrechts erwähnen. Die Differenzierung ist eine natürliche Reaktion des Kollisionsrechts auf die Entwicklung und Differenzierung des materiellen Rechts. Nichts anderes gilt für das internationale Delikts-
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recht. In diesem Bereich, wo in der Praxis Jahrhunderte lang - abgesehen von dem englischen Recht - die lex loci delicti als eine Selbstverständlichkeit galt, hat auch Savigny ohne Erfolg für die Anwendung der lex fori plädiert.[8]
Solange das Begehen von Delikten fast immer mit einer moralischen Verurteilung verbunden war, also das Verschulden eine Bedingung der Haftung bildete, hätte man noch für die Anwendung sowohl der lex fori, als auch der lex loci delicti plädieren können. Es schien berechtigt, eine vorsätzlich, oder grob fahrlässig begangene unerlaubte Handlung aufgrund des Rechts zu beurteilen, in dessen Geltungsbereich das Delikt begangen wurde. Die Anwendung des Tatortrechts auf Handlungen aber, die dem Geschädigten zwar erhebliche Schaden verursachen, aber bei denen weder Vorsatz, noch Fahrlässigkeit eine Rolle spielt, in den Fällen also, wo die Haftung nicht auf Verschulden beruht -und das ist in vielen Rechtsordnungen der Typusfall bei Straßenverkehrsunfällen -, sind auch die Nachteile des oft als zufällig empfundenen Tatortrechts sichtbarer geworden.[9] Ob, und wenn überhaupt, dann mit welchen Mitteln die Zufälligkeit des locus delicti, und damit die Zufälligkeit des anwendbaren Rechts auf das Minimum beschränkt werden kann, darüber waren die Meinungen verschieden. In den Vereinigten Staaten hat man die herkömmlichen Kollisionsnormen gänzlich verworfen, und mit verschiedenen approaches, mit Generalklauseln nach dem optimalen anwendbaren Recht gesucht. Die Ergebnisse, besonders im Bereich der Straßenverkehrsunfälle, wie die auf den Fall Babkock folgende Gerichtspraxis in den sechziger Jahren des 20-sten Jahrhunderts gezeigt hat, waren unbefriedigend und ernüchternd. Europa hat von Amerika gelernt. Auf Generalklauseln allein darf das Kollisionsrecht und so auch das Deliktsstatut nicht gestützt werden.
In Ungarn hat sich im Zusammenhang mit den Kodifikationsarbeiten des IPR am Ende der sechziger und am Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts auch ein Meinungsaustausch über die erwünschte Regelung des internationalen Deliktsrechts entfaltet. Ausgangspunkt dessen war die Diskussion darüber, was für rechtspolitische Ziele durch das Kollisionsrecht erreicht werden sollen. Man ist davon ausgegangen, dass es nicht genügt, einfach die Anknüpfung zu jenem Recht herzustellen, welches den engsten Zusammenhang
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mit dem Delikt aufweist. Man muss mit der Hilfe der Kollisionsnormen dasjenige Recht zur Anwendung kommen lassen, das den optimalen Schadenersatz für den Geschädigten gewährleistet. Ferenc Mádl - damals Mitarbeiter des Instituts für Staats- und Rechtswissenschaften der ungarischen Akademie der Wissenschaften - war der Meinung, dass die lex loci delicti dazu ungeeignet ist, weil dadurch das anzuwendende Recht, und so auch der Schadenersatz vor allem von dem Zufall abhängt. Deswegen hat er zuerst eine Generalklausel, das bessere Recht nach amerikanischem Muster vorgeschlagen.[10]
Sein Kollege, Imre Vörös hat die Gedanken von Mádl aufgegriffen[11], aber er hat eine Generalklausel für zu offen gehalten, und hat versucht jene Rechte zu identifizieren, die den optimalen Schadenersatz garantieren können. Er kam auf die Schlussfolgerung, dass aus der Sicht des Geschädigten das anzuwendende Recht das Recht seines Wohnortes oder des gewöhnlichen Aufenthaltes sein soll, da der Geschädigte dort - mit den Worten von Binder - sozial eingebettet ist.[12] Dadurch ist das nötige Minimum des Schadenersatzes garantiert. Vörös hat erwogen, dass auch die Gesichtspunkte des Schädigers in Betracht gezogen werden sollten. Man kann den Schädiger nicht ohne Grund zur Zahlung von mehr Schadenersatz verpflichten, als nach seinem Wohnsitzrecht vorgeschrieben wird, falls das zum optimalen Schadenersatz des Geschädigten genügt. Das bedeutet also, dass die Zahl der anwendbar erklärbaren Rechte auf zwei geschrumpft worden ist, nämlich das Recht des Wohnsitzes bzw. gewöhnlichen Aufenthalts des Geschädigten und das des Schädigers. Von den beiden hätte -nach dem Vorschlag von Vörös - der Richter dasjenige Recht anwenden sollen, dass dem Geschädigten den günstigeren Schadenersatz garantiert. Einige Jahre später hat András Hanák den Vorschlag von Vörös in dem Sinne weiterentwickelt, dass er allein das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltortes des Geschädigten für anwendbar gehalten hat, und die Anwendung des Rechts des Schädigers ausschloss, weil seiner Meinung nach der optimale Schadenersatz durch die Anwendung jenes Rechts immer gewährleistet werden konnte.[13]
Die Kodifikatoren haben in Ungarn Ende der siebziger Jahre trotz aller abweichenden Vorschläge im Deliktskollisionsrecht gänzlich auf Generalklauseln und auf die anderen Lösungsvorschläge verzichtet, und die lex loci delicti Regel kodifiziert, und zwar in dem Sinne, dass das Recht des Handlungsortes maßgäblich ist, es sei denn, der Schaden ist in einem anderen Land eingetreten,
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dann ist nämlich, wenn es dem Geschädigten günstiger ist, das Recht des Erfolgsortes anzuwenden.
Es ist nur zu einer einzigen Auflockerung des Deliktsstatuts gekommen, man hat für den Fall wenn Schädiger und Geschädigte im selben Staat Wohnsitz haben, die Anwendung des gemeinsamen Wohnsitzsrechts vorgesehen.
Die Generalklauseln spielen sowohl im Privatrecht, als auch im Kollisionsrecht eine wichtige Rolle. Deswegen kann die Frage, ob wir von Generalklauseln gänzlich Abschied nehmen sollten, nicht ernst gestellt werden. Diese Frage kann und darf nur mit einem klaren nein beantwortet werden. Die Frage ist nicht die Anwendung oder Nichtanwendung der Generalklauseln, sondern die Art und Weise, wie sie in das kollisionsrechtliche System eingebaut werden. Eine Möglichkeit stellt das Römische Übereinkommen dar, als es im Art. 4. deklariert, dass mangels einer Rechtswahl dasjenige Recht für den Vertrag anzuwenden ist, dass mit dem Vertrag in der engsten Verbindung steht. Eine andere Art der Anwendung von Generalklauseln hat der ungarische Gesetzgeber gewählt, als er im IPRG die Generalklausel der engsten Verbindung im Vertragsrecht als ultima ratio an das Ende der Rheie der Vertragskollisionsnormen stellte. Eine dritte Lösung ist die österreichische, wo der Gesetzgeber im § 1. IPRG zum Ausdruck gebracht hat, dass die im Gesetz enthaltenen besonderen Regelungen über die anzuwendende Rechtsordnung als Ausdruck des Grundsatzes der stärksten Beziehung anzusehen sind.
Ich bin der Meinung, dass die geplante Verordnung diesen Gedanken auch zum Ausdruck bringen sollte. Zwar wäre es nur eine Deklaration, ähnlich wie im Römischen Übereinkommen sollte man deklarieren, dass der Rechtsanwender dasjenige Recht für ein ausservertragliches Schuldverhältnis anwendet, dass mit dem Sachverhalt am engsten verbunden ist. Wird einmal eine einheitliche Verordnung für vertragsrechtliche und ausservertragsrechtliche Schuldverhältnisse geschaffen, könnte man den Grundsatz der engsten Verbindung an die Spitze der gemeinsamen Bestimmungen setzen.
Nebenbei sei bemerkt, dass der geänderte Vorschlag die engste (engere) Verbindung in Art. 5. Absatz 3 als eine Ausweichsklausel kennt, die Formulierung weist eigentlich auch darauf hin, dass der Rechtsanwender nach den Vorstellungen des Gesetzgebers - abgesehen von der Rechtswahl der Beteiligten - im Prinzip immer dasjenige Recht anwenden soll, das mit dem Tatbestand am engsten verbunden ist.
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Wie eben schon erwähnt, spielt die Rechtswahl im Kollisionsrecht der ausservertraglichen Schuldverhältnisse, und so auch im internationalen Deliktsrecht eine theoretisch wichtige Rolle. Sowohl die Kommissionsvorschläge, als auch der Vorschlag des Parlaments räumen Schädiger und Geschädigten die Möglichkeit einer Rechtswahl ein. Die Anerkennung einer Rechtswahl in ausservertraglichen Schuldverhältnissen ist zu einer Selbsverständlichkeit geworden. Die Begründung des Kommissionsvorschlags weist auch darauf hin, dass die jüngsten Entwicklungen des nationalen IPR zu einer größeren Parteiautonomie tendieren. Ich möchte dazu eine Bestimmung aus der letzten Version des polnischen Gesetzentwurfes (stand 31. Januar 2006) Art. 26. § 5 zitieren: "Po powstaniu zobowiazania strony moga wybrac prawo dla niego wlasciwe", dass heisst, dass die Parteien nach der Entstehung des Rechtsverhältnisses das darauf anzuwendende Recht wählen können.[14]
Fast alle Rechtsordnungen, die eine Rechtswahl für ausservertragliche Schuldverhältnisse zulassen, erkennen nur eine nachträgliche Rechtswahl an. So lautete auch der ursprüngliche Vorschlag der Kommission. Das Parlament hat dagegen vorgeschlagen unter besonderen Umständen für Gewerbetreibenden in Wirtschaftsbeziehungen eine vorherige Rechtswahl zuzulassen. Diesen Änderungsvorschlag hat die Kommission in einer einfacheren Formulierung angenommen. Im Falle der Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit können die Parteien eine vorherige Rechtswahl treffen, und zwar sowohl ausdrücklich, als auch stillschweigend. Interessant ist das Verhältnis zwischen dieser Vorschrift und Art. 5. Absatz 3, wonach auch zum Recht jenes Staates akzessorisch angeknüpft werden kann, zu dem eine engere Verbindung durch einen Vertrag zwischen den Parteien besteht. Der veränderte Vorschlag der Kommission betont auch, dass der Erwartungen der Parteien hinsichtlich des anwendbaren Rechts Rechnung getragen werden kann. Wenn die Parteien in einem Vertrag ausdrücklich oder stillschweigend ein Recht für ihr künftiges eventuelles ausservertragliches Rechtsverhältnis wählen, kann die Ausweichsklausel nicht eingreifen. So kann durch eine akzessorische Anknüpfung nur dann zur Anwendung der Ausweichsklausel kommen, wenn auch eine stillschweigende Rechtswahl fehlt, also die Vertragsparteien überhaupt kein künftiges ausservertragliches Rechtsverhältnis im Sinn hatten. Meines Erachtens sind die Trennlinien zwischen einer akzessorischen Anknüpfung und einer stillschweigenden Rechtswahl nicht klar genug.
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Ich bin der Meinung, dass beide Phänomene eindeutiger voneinander getrennt werden sollten. Da durch die Ausweichsklausel das Vertragsstatut anstelle des Deliktsstatuts treten kann, sollte man meines Erachtens eine vorherige Rechtswahl nicht zulassen. Wenn die Parteien in einem vorherigen Vertragsverhältnis stehen, ist es meines Erachtens eher unwarscheinlich, dass sie einmal ein Recht für ihr Vertrag, und ausserdem ein Recht für ihr künftiges ausservertragliches Rechtsverhältnis wählen. Im Falle einer nachträglichen Rechtswahl entfällt auch die Notwendigkeit der Gewährleistung des Schutzes der schwächeren Partei.
Es ist logisch, dass mit Blick auf die gewünschte Einheit der kollisionsrechtlichen Bestimmungen von Verträgen (zZ. Römisches Übereinkommen) und ausservertraglichen Schuldverhältnissen, der Gesetzgeber die Möglichkeit einer stillschweigenden Rechtswahl der Parteien in ausservertraglichen Schuldverhältnissen auch nicht nehmen wollte. Man könnte auch argumentieren, dass bei Straßenverkehrsunfällen eine Rechtswahl sowieso keine praktische Rolle spielen wird, trotzdem halte ich es für bedenklich, dass die Entwürfe der Kommission und auch des Parlaments in ausservertraglichen bzw. deliktischen Verhältnissen eine stillschweigende Rechtswahl zulassen. Das kann zu einer unerwünschten Rechtsunsicherheit führen. Mein Vorschlag wäre eine nachträgliche, ausdrückliche Rechtswahl, die die Rechte von Drittpersonen natürlich unberührt lässt.
Vor der Veröffentlichung des geänderten Vorschlags war die Frage der Eingliederung der Rechtswahl in das System des geplanten Regelwerkes noch offen. Schon damals schien es mir logischer, da im Falle einer Rechtswahl die Notwendigkeit der Suche nach dem anzuwendenden Recht mit der Hilfe von objektiven Kollisionsnormen entfällt, die Bestimmungen über die Rechtswahl an die Spitze der kollisionsrechtlichen Regelungen zu stellen, so wie es der parlamentarische Entwurf getan hat. Das war übrigens die Auffassung von Kropholler, als er sein Anknüpfungssystem für das Deliktsstatut am Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ausgearbeitet und veröffentlicht hat.[15] In dieser Hinsicht gibt es zwischen den Standpunkten allerdings keine Differenzen mehr.
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Sowohl der Kommissionsentwurf, als auch der Vorschlag des Parlaments schlägt als eine allgemeine Kollisionsnorm für unerlaubte Handlungen die lex loci delicti vor. Darunter wird das Recht desjenigen Staates verstanden, in dem der Schaden eintritt, oder einzutreten droht. Wie oben schon erwähnt, ist meines Erachtens für Delikte, bei denen in den meisten Rechtsordnungen Verschulden keine Voraussetzung der Haftung ist, der Abschied von Handlungsort zu begrüßen, obwohl bei Straßenverkehrsunfällen, die typischerweise Platzdelikte sind, Handlungs- und Erfolgsort meistens zusammenfallen. Dadurch das -abgesehen von Personenschäden im parlamentarischen Entwurf, worauf noch zurückzukehren ist - keine Sonderregeln für Straßenverkehrsunfälle vorgesehen werden, soll die Frage von Handlungs- oder Erfolgsort nicht nur aus der Sicht der Straßenverkehrsunfälle, sondern allgemein erwogen werden. Meines Erachtens ist die oben genannte Lösung zu begrüßen. Im Privatrecht, wo bei unerlaubten Handlungen die Reparation, die restitutio in integrum eine weitaus größere Rolle als die Prevention spielt, scheint die Anwendung des Rechts des Erfolgsortes berechtigt.[16] Da in beiden Entwürfen klar für den Erfolgsort entschieden wurde, entfällt auch das Dilemma der Wahl zwischen zwei Rechten. Das Günstigkeitsprinzip - das bestimmt für viele eine sympatische Lösung ist, weil sie die Opfer der unerlaubten Handlungen begünstigt, und die Sympathie mit dem Opfer ein natürliches Gefühl ist - hat, wie die Geschichte des internationalen Deliktsrechts zeigt, eher Unsicherheit gestiftet, und dadurch das eigentliche Ziel oft verfehlt. Soweit es mir bekannt ist, hat deshalb der österreichische Gesetzgeber im 1978 verabschiedeten IPRG bewusst auf das Günstigkeitsprinzip verzichtet. Einen anderen Weg hat der deutsche Gesetzgeber gewählt, der eine Wahl des Verletzten zugunsten des Rechts des Erfolgsortes zugesprochen hat. Das Ubiquitätsprinzip wird zZ. auch im ungarischen IPR anerkannt, die Anwendung des günstigeren Rechts erfolgt aber nicht auf die Iniziative des Verletzten, sondern von Amtes wegen. Das Gericht steht bei jener Entscheidung oft vor einer schwierigen Aufgabe.[17] Die Erwägung, welches Recht dem Verletzten günstiger ist, kann die Rechtsanwendung unnötig kompliziert machen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die Anwendung des günstigeren Rechts in manchen Fällen zum Heimwärtsstreben führen kann, deswegen ist meines Erachtens ein Abschied von der Ubiquität im europäischen Recht zu begrüßen.
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Klarheit schafft der Vorschlag hinsichtlich der Auslegung des Erfolgsortes, indem der Ort, wo die indirekten Schaden eintreten, nicht als Erfolgsort in Betracht kommt. Damit wird eine andere immer wiederkehrende Frage geklärt. Die Erfahrungen mit der ungarischen Gerichtspraxis zeigen, dass die Trennlinie zwischen direkten und indirekten Schäden nicht immer leicht zu finden ist. Eine zu weite Auffassung von Erfolgsort, die Einbeziehung von Folgeschäden, die typischerweise am Aufenthaltsort bzw. Wohnsitz des Geschädigten auftreten, kann dazu führen, dass die Anknüpfung vom Erfolgsort ausgehölt, praktisch aufgegeben wird, und eine andere, vom Gesetzgeber bisher aber nicht gebilligte und vorgesehene Anknüpfung zum Aufenthaltsort des Geschädigten praktiziert wird.[18]
Die Bemühungen der Entwürfe in diesen Fragen Klarheit zu schaffen sind also meines Erachtens zu begrüßen. Nicht zu begrüßen ist jedoch der Vorschlag des Parlaments für Personenschäden aus Verkehrsunfällen, auf Fragen von Art und Höhe der Ansprüche das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Geschädigten anzuwenden. Es ist nicht einzusehen, warum ein Unterschied zwischen Sach- und Personenschäden hinsichtlich des anzuwendenden Rechts geschaffen werden sollte. Damit wäre ein einheitlicher Tatbestand unnötig zerrissen, eine unbegründete depecage des einheitlichen Rechtsverhältnisses erfolgen. Man sollte vermeiden den Rechtsanwender unnötige Qualifikationsprobleme zu schaffen. Die Anwendung der vom Parlament vorgeschlagenen Sonderregel setzt eine Abgrenzung von Personenschäden voraus.
Nicht weniger bedenklich ist die vorgeschlagene Billigkeitsregelung, laut der von der Anwendung des Rechts des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Opfers aus Billigkeitsgründen abgesehen werden kann. Wie von mehreren Kommentatoren zurecht bemerkt wurde, es ist nicht einzusehen, warum man die Opfer anderer Delikte gegenüber Opfer von Verkehrsunfällen diskriminieren sollte.[19] Warum sollten die Opfer von Verkehrsunfällen hinsichtlich der Art und Höhe des Schadenersatzes für Personenschäden dadurch ein Vorteil genießen, das denen ein größerer Schadenersatz zugesprochen wird, wenn das Recht ihren gewöhnlichen Aufenthaltsortes dies ermöglicht. Das erinnert ein wenig an die frühmittelalterliche Auffassung der Geltung des persönlichen Rechts.
Mir scheint, dass der Vorschlag mit dieser Ausnahme einen unvollkommenen Schritt in die Richtung der Anknüpfung zum gewöhnlichen Aufenthaltsort des Geschädigten gemacht hat. Wenn aber eine Anknüpfung zum Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Geschädigten hinsichtlich Art und Höhe des Schadenersatzes, nicht aber der Haftung, rechtspolitisch begründet ist, warum dann nicht sowohl für Sach- als auch für Personenschäden?
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Der Vorschlag des Europäischen Parlaments - wie gesagt - macht einen Schritt in die Richtung einer Sonderbehandlung von Verkehrsunfällen. Eine Sonderkollisionsnorm für Verkehrsunfälle setzt aber eine Definition von Verkehrsunfällen vor. Der Vorschlag des Parlaments führt in Änderung 32 einen neuen Artikel 6b über die Verkehrsunfälle ein, der die Möglichkeit der alternativen vorübergehenden Anwendung des Haager Übereinkommens auf das Verkehrsunfälle anzuwendende Recht vorsieht, allerdings für den Zeitraum bis die Gemeinschaft eine detaillierte Regelung über das auf Verkehrsunfälle anzuwendende Recht schafft. Ich muss zugeben, dass ich an dieser Stelle die Logik des Vorschlags nicht nachvollziehen kann. Es ist nicht geschickt Kollisionsnormen alternativ zu konzipieren. Entweder die allgemeine Regel der Verordnung oder das Haager Übereinkommen anzuwenden würde Unsicherheit in die Rechtsanwendung bringen, und keine Einheit schaffen.
Da vom parlamentarischen Entwurf an jener Stelle das Haager Übereinkommen von 1971 erwähnt wird, soll hier darauf hingewiesen werden, dass das Haager Übereinkommen bislang das einzige zusammenhängende Sonderkollisionsrecht für Verkehrsunfälle darstellt. Zur Zeit sind 13 Mitgliedstaaten der EU dem Haager Übereinkommen beigetreten. Die von der Kommission in der ursprünglichen Fassung des Vorschlags im Art. 25 vertretene Lösung über das Verhältnis der geplanten Verordnung zum bestehenden internationalen Übereinkommen hätte zur Einheit des europäischen Kollisionsrechts der Verkehrsunfälle nicht beigetragen. Art. 24. des geänderten Vorschlags kann dagegen bei Verkehrsunfällen die Einheit garantieren. Obwohl bei Verkehrsunfällen, bei denen sich alle relevanten Sachverhaltselemente zum Zeitpunkt des Schadenseintritts in einem oder mehreren Mitgliedstaaten befinden, das Haager Übereinkommen gemäss Art. 24 nicht zur Anwendung kommt, möchte ich ein Positivum des Haager Übereinkommens betonen, nämlich, dass es natürlicherweise eine Definition des Verkehrsunfalles gibt, was der Parlamentsvorschlag nicht enthält. Im letzteren wird zwar auf die Kraftfahrzeughaftplichtrichtlinie hingewiesen, aber dieser Hinweis scheint den Anwendungsbereich der Sonderregel unnötig einzuschränken. Zwar sieht wie gesagt der geänderte Vorschlag der Kommission keine Sonderregel für Verkehrsunfälle vor, ist es trotzdem nicht sicher, dass es auch in der Verordnung keine geben wird. Ich bin der Ansicht, dass die künftige Verordnung in dieser Hinsicht Klarheit schaffen sollte. Wenn in der entgültigen Fassung für Verkehrsunfälle auch nur hinsichtlich von Personenschäden Sonderregel geschaffen werden, sollte diese Verordnung auch eine klare Definition der Verkehrsunfälle geben, auf die sich die Sonderkollisionsregel erstrecken. Die Erwähnung der Möglichkeit einer - wenn auch alternativen und vorübergehenden - Anwendung des Haager Übereinkommens ist auch ein Indiz dafür eine selbständige Definition zu geben, da das Haager
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Übereinkommen auch auf Unfälle anzuwenden ist, wo nicht motorisierte Fahrzeuge beteiligt sind. Eine ohnehin bedenkliche Sonderregel würde - infolge eines engen Verkehrsunfallbegriffes - bestimmte potenzielle Opfergruppen, wie Radfahrer oder Fußgänger aus der Sonderbehandlung ausschließen, was umsomehr unberechtigt ist, als gerade jene Gruppen, die nicht motorisiert sind viel mehr körperlich gefährdet sind, als diejenigen, die mit motorisierten Fahrzeugen am Verkehr teilnehmen.
Wie schon Erwähnt, bin ich der Meinung, dass die Kollisionsregeln im Prinzip zur Anwendung jenes Rechts führen sollen, das mit dem gegebenen internationalen Rechtsverhältnis im engsten Zusammenhang steht. Die Entwürfe sehen eine solche allgemeine Regel zwar nicht vor, diese Auffassung wird trotzdem aus der Formulierung der Ausweichsklausel aus Art.5. Absatz 3. entnommen werden können. Insofern habe ich keine Bedenken gegen die Anwendung des Rechts eines Staates, die eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat aufweist, als mit dem, wo der Schaden eingetreten ist, oder mit dem, wo Schädiger und Geschädigte den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Als Indiz für eine offensichtlich engere Verbindung wird ein Faktor genannt, nämlich der eines schon bestehenden Rechtsverhältnisses. Der Entwurf erwähnt den Vertrag, der bestimmt eine wichtige Rolle spielen kann. Zu diesen Verträgen zählen typischerweise Beförderungs- und Reiseverträge. Obwohl der Vertrag nur beispielhaft erwähnt wird, wäre es vielleicht nicht verfehlt auch andere nichtvertragliche Rechtsverhältnisse, wie etwa familienrechtliche Rechtsverhältnisse zu erwähnen. Bei Unfällen, in denen Familienangehörige beteiligt sind kann eine Anknüpfung der ausservertraglichen, das heisst auch deliktischen Ansprüchen zu dem auf das familienrechtliche Verhältnis anwendbare Recht nicht unbedingt ausgeschlossen sein.
Es wurde in der Literatur mit Recht darauf hingewiesen, dass eine Sonderbehandlung nicht nur ein rechtliches Verhältnis, wie ein Vertrag, oder eine familienrechtliche Beziehung, sondern auch eine tatsächliche Beziehung begründen kann.[20] Typischer Beispiel ist der Anhalter oder der Gefälligkeitsmitfahrer. Der klassische Fall von Babkock v. Jackson soll hier in Erinnerung gerufen werden. Gefälligkeitsfahrten kommen aber auch in Europa vor. Jedes Jahr fahren z.B. tausende von Ungarn in die Alpen zum Schifahren in der Weise, dass Freunde gemeinsam in einem Wagen sich auf den Weg machen. Zwar fällt in diesen Situationen der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Beteiligten meistens überein, d.h. dass man zu einer Anknüpfung zum Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalsortes kommen würde, aber es gibt immer Fälle, wo der
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gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Zusammenfahrenden nicht übereinstimmt. Es scheint also berechtigt die Bestimmung des Art. 5 Abs. 3. mit einem Hinweis auf die faktische Beziehung zu ergänzen.
Sowohl der Kommissionsentwurf als auch der Vorschlag des Parlaments sieht vor, dass bei der Feststellung der Haftung die Sicherheits- und Verhaltensregeln am Ort und Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses zu berücksichtigen sind, unabhängig davon welches Recht anzuwenden ist. So sollen zum Beispiel die Verkehrsvorschriften des locus delicti auch dann beachtet werden, wenn die Ausnahme des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsortes anzuwenden ist. Diese Vorschrift zählt zu den wenigen, die sich auch im geltenden ungarischen IPR zu finden sind. Die Regel versteht sich als eine Selbstverständlichkeit, und die ungarischen Gerichte haben mit der Anwendung dieser Vorschrift eigentlich keine Probleme gehabt. Da diese Sonderbehandlung der Sicherheits- und Verhaltensregeln in die Theorie in der Form von "local data" Eingang gefunden hat, werden die genannten Regeln nicht als Recht, sondern als Fakten behandelt. Im geänderten Vorschlag kommt das in Art.14. klar zum Ausdruck. Trotz der faktischen Einstufung sollten jene Regeln meiner Meinung nach immer von Amts wegen ermittelt und angewandt werden.
Der Ausschluss des Renvoi gemäss Art. 20. des Kommissionsentwurfes ist logisch. Möchte man ein einheitliches Kollisionsrecht schaffen, kann dem Renvoi kein Raum gelassen werden. Die Kommission beruft sich auch auf Art. 15. des Römischen Übereinkommens. Dabei sollte man bemerken, dass bei der Rechtswahl die Freiheit der Parteien im Prinzip auch die Anerkennung der Rück- und Weiterweisung hätte ermöglichen können, es wurde aber anders entschieden. Da im geänderten Vorschlag bei Binnensachverhalten die Anwendung des Haager Übereinkommens ausgeschlossen ist, entfällt der einzige mögliche Grund der Zulassung vom Renvoi, das im Falle einer fehlenden Einheit der Kollisionsnormen zur Entscheidungsharmonie beitragen kann.
Die Bestimmungen in Art. 22. des ursprünglichen Kommissionsvorschlags über den Ordre public Vorbehalt könnte man auch als eine Selbstverständlichkeit betrachten. Traditionell dient die Vorbehaltsklausel zur Abwehr der Verletzung der öffentlichen Ordnung des Forumstaates durch die Anwendung
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ausländischen Rechts. Interessant war jene Bestimmung im Zusammenhang mit Art. 24. des ursprünglichen Entwurfs, wo der nicht auf Ausgleich gerichtete Schadenersatz mit der öffentlichen Ordnung der Gemeinschaft unvereinbar erklärt wurde. Die letztere Vorschrift wurde im parlamentarischen Entwurf gestrichen und das Parlament hat vorgeschlagen sie in Art. 22. zu integrieren. Die Kommission hat diesen Änderungsantrag des Parlaments angenommen und dadurch die Entscheidung über die Anwendung einer Sanktion ins Ermessensspielraum des Forums verwiesen. Das bedeutet, dass immer der ordre public des Forums darüber entscheidet, ob nicht auf Ausgleich gerichteter Schadenersatz zugesprochen werden kann oder nicht.
Aus Gründen, die aus der sogenannten "sozialistischen" Geschichte des ungarischen IPR stammen, konkreter, wegen dem Einfluss sowjetischer Rechtsauffassung, der sich auch in der Form von besonderen ordre public Regeln gezeigt hat[21], bin ich im Prinzip gegen besonderen ordre public Regeln. Trotzdem bin ich der Meinung, dass in diesem Fall Folgendes festgestellt werden sollte: die Nichtanwendung von punitive damages, oder andere nicht auf Schadenersatz gerichteten Sanktionen stellt ein Prinzip dar, das als Teil der öffentlichen Ordnung der Gemeinschaft betrachtet werden kann, und die Anwendung oder Nichtanwendung jener Sanktionen durch nationale Gerichte der Mitgliedstaaten nicht von nationalen ordre public Affassungen abhängig sein darf. Deswegen kann ich die Eingliederung der Sondervorschrift in die allgemeine ordre public Regel im Kommissionsvorschlag nicht begrüßen.
Mit der Veröffentlichung des geänderten Vorschlags der Kommission geht die Diskussion über die gewünschte einheitliche Regelung des europäischen Kollisionsrechts für ausservertragliche Schuldverhältnisse weiter. Ich bin gespannt, ob mit diesem Vorschlag die Partner einander näher gekommen sind. Was das Kollisionsrecht für Verkehrsunfälle anbelangt, kann ich den neuen Vorschlag der Kommission mit einigen oben erwähnten Vorbehalten begrüßen. Ich teile die Meinung des schon zitierten Prof. Staudingers, die er in Kenntniss des ursprünglichen Vorschlags und des parlamentarischen Berichts geteilt hat: "Für den Bereich internationaler Verkehrsunfälle scheint der Vorschlag der Kommission als ausgewogener".[22] Das gilt auch für die jetzige Situation. Man kann nur hoffen, dass aus dem Dialog ein gesunder Kompromiss entstehen wird.
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Der Artikel befasst sich mit den Kollisionsnormen des von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Verordnung über das auf ausservertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (kurz Rom II. genannt). Auf den Vorschlag der Kommission folgte ein Bericht des Europäischen Parlaments, der auf mehreren Stellen Änderungen vorgeschlagen hat. Von diesen Änderungen hat die Kommission in seinem geänderten Vorschlag vom 21.2. 2006. einige vollständig, andere teilweise übernommen, und ein Teil der Änderungen nicht akzeptiert.
Der Autor nimmt zu diesem geänderten Vorschlag Stellung. Im Mittelpunkt der Studie stehen die Kollisionsnormen, die das anwendbare Recht auf Straßenverkehrsunfälle bestimmen. Im veränderten Kommissionsentwurf gibt es zwar keine Sonderkollisionsnormen für Straßenverkehrsunfälle, die allgemeine Kollisionsnormen, die Ausnahme des Rechts des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsortes von Schädiger und Geschädigten, die Ausweichsklausel, und die Rechtswahl sind aber auch auf durch Straßenverkehrsunfälle verursachten Schädigungen anwendbar. Der Autor ist der Meinung, dass an einigen Stellen weitere Präzisierungen und Ergänzungen vorgenommen werden sollten. Besonders fraglich findet er das geplante Verhältnis der vereinheitlichten Kollisionsnormen zum Haager Übereinkommen von 1971 und die Einschmälzung der früher geplanten besonderen ordre public Regeln in die allgemeine Vorbehaltsklausel.
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The article deals with the choice of law rules of the draft regulation proposed by the European Commission on the law applicable to non-contractual obligations (referred to as Rome II.) On the proposal of the Commission followed a report of the European Parliament. This report proposed various amendments. Some of these proposed amendments were totally, some partly accepted, and some refused by the Commission by its amended proposal dated 21. February 2006.
The autor analyses the choice of law rules of the amended proposal. He focuses on the law applicable to traffic accidents. Though there are no special choice of law rules for traffic accidents in the said proposal, but the general rule and the exeption of the common residence of the tortfeasor and the victim as well as the closest connection found by the judge to another law and the possibility of the choice of law by the parties are applicable to traffic accidents, too. The author expresses his view that some of the rules should be more detailed, others should be more precise. The planned relation of the regulation to the Hague Convention of 1971 on the law applicable to road traffic accidents does not serve the unity of choice of law rules in the EU. The author does not agree with the integration of the previously planned special ordre public rules into the general ordre public clause. ■
ANMERKUNGEN
[1] Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf ausservertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom II."), von der Komission vorgelegt. Brüssel den 22.7. 2003. COM (2003) 427 endgültig, 2003/0168 (COD).
[2] Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf ausservertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom II.") 27.6.2005 A6-0211/2005 endgültig.
[3] Unter anderem Prof. Dr. Ansgar Staudinger: Internationale Verkehrsunfälle und die geplante "Rom II." Verordnung. Vortrag anlässlich der Europäischen Verkehrsrechtstage (Trier VI.) im Oktober 2005. Manuskript.
[4] Verena Hirtler: ÖAMTC Argumentarium für die Anwendung des Heimatrechts (sog. "lex patriae") des Geschädigten nach Verkehrsunfällen Rom II. Verordnungsentwurf. Manuskript. November 2005.
[5] Siehe oben Fn. 2.
[6] Geänderter Vorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf ausservertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom II."). Brüssel, den 21.02. 2006. KOM (2006) 83 endgültig 2003/0168 (COD)
[7] z.B.: Comité Européen des Assurances, Explanatory Memorandum, Brussels, 2 May 2006.
[8] Ausführlich bei Gerhard Hohloch: Das Deliktsstatut. Alfred Metzner Verlag Frankfurt am Main 1984, S. 42. ff.
[9] In der deutschen Literatur zusammenfassend bei Hohloch, Fn. 8, S. 121. ff.
[10] Ferenc Mádl: Új szakasz a magyar nemzetközi magánjogban? Állam- és Jogtudomány 1968, S. 314. ff.
[11] Imre Vörös: A kétoldalú jogegységesítés jelene és perspektívái. Állam- és Jogtudomány 1970, S. 536. ff.
[12] Heinz Binder: Zur Auflockerung des Deliktsstatuts. RabelsZ. 1955, S. 401-499.
[13] András Hanák: A szerződésen kívül okozott károkért való felelősség a nemzetközi magánjogban. Jogtudományi Közlöny 1978, S. 194-201.
[14] Zum Stand des polnischen Rechts siehe Witold M. Górlaski: Internationales Privatrecht und Prozessrecht aus polnischer Perspektive in Hinblick auf Verkehrsunfälle. Vortrag am 28.04.2006. Tagung "Verkehrsunfälle in Europa" Organisiert von der Europäischen Rechtsakademie, Trier, Manuskript.
[15] Jan Kropholler: Ein Anknüpfungssystem für das Deliktsrecht. RabelsZ. 1969, S. 601-693.
[16] Für die Anwendung des Rechts des Erfolgsortes in der deutschen Literatur schon früh Rudolf Schmidt: Der Ort der unerlaubten Handlung im internationalen Privatrecht. In Festschrift Lehmann, Berlin 1937.
[17] Dazu kritisch László Burián: A deliktuális felelősség a magyar nemzetközi magánjogban. Jogtudományi Közlöny 1990, S. 150-161.
[18] So auch Vékás, in Ferenc Mádl-Lajos Vékás: Nemzetközi Magánjog és Nemzetközi Gazdasági Kapcsolatok Joga. Budapest 2004, S. 369.
[19] So z.B. auch Staudinger, Op. zit, Fn. 3, S. 11.
[20] Staudinger, Op. zit, Fn.3, S. 5.
[21] So z.B. § 34. der ungarischen IPR Gesetzesverordnung 13. 1979. Zur Kritik siehe auch Burián, Op. zit, Fn. 17, S. 158-159.
[22] Staudinger, Op. zit, Fn. 3, S.20.
Lábjegyzetek:
[1] Lehrstuhl für Internationales Privatrecht und Europäisches Wirtschaftsrecht, Telefonnummer: (36-1) 411-6527, e-mail: dedina@ajk.elte.hu
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