Megrendelés

Péter Szigeti[1]: Zwei Terrains des Dezisionismus bei Carl Schmitt: auf der Makroebene der Souveränität und auf der Mikroebene des rich-terlichen Urteils (Annales, 2005., 313-336. o.)

Unser Verfasser Carl Schmitt ist einer der herausragenden Denker der Gesellschaftswissenschaft des vergangenen Jahrhunderts, insbesondere hinsichtlich der auch in Ungarn besonders geschätzten Rechtstheorie, der Staats- und Politiktheorie, sowie des Verfassungsrechts. Die Lektüre seiner Werke ist ein intellektuelles Erlebnis, seine Sachkenntnis und Fähigkeit zur Synthese sind überwältigend. Zugleich ist seine Begrifflichkeit und sein Scharfsinn nicht ganz frei von einem gewissen Situationalismus, also von der theoretischen Durchleuchtung der aktuellen Situationen und von der sich auf sie beziehenden programmatischen Arbeit. Abgesehen von einer staats- und rechtsphilosophischen Arbeit aus dem Jahre 1914 hat Schmitt keine Staatstheorie im traditionellen Sinne mehr verfasst, er hat jedoch - als durch und durch situativ denkender Mensch - nicht nur über die Entwicklung der verfassungsmäßigen Situation der Weimarer Republik reflektiert, sondern die daraus gewonnenen Erkenntnisse zumeist auch nach theoretischen und theoriegeschichtlichen Gesichtspunkten systematisiert. In seinem Sprachgebrauch bedeutet Staatstheorie niemals irgendeine abstrakte Theorie, sondern eine theoretische Reflexion über eine gegebene Situation in einer konkreten staatlichen Ordnung. Eine gewisse Ausnahme davon bildet lediglich sein Werk "Der Begriff des Politischen". Dieses ist nämlich durch den überzeugten ideellen Kampf gegen den Liberalismus, den Pluralismus sowie gegen das frühsozialistische, marxistische Denken gekennzeichnet. Es ist allgemein bekannt, dass Schmitt in seinem intellektuellen Kampf - in der weisen Einsicht, dass es sich lohnt, von seinen ernsthaften Gegnern zu lernen - immer als katholischer, nationaler und konservativer Denker hervortrat, in gewissen Zeitphasen auch als Sympathisant des deutschen Nationalsozialismus oder als Person, die sich mit diesem geradewegs identifizierte. Gemäß seinem Identitätsbewußtsein, das er im Winter 1945/1946 zum Ausdruck brachte, offenbarte er sich als erbärmlicher, unwürdiger, aber doch

- 313/314 -

authentischer christlicher Epimetheus, der - worauf Lajos Cs. Kiss hingewiesen hat - "in der politisch-technischen Modernität die europäische Menschheit gerne mit einer einzig möglichen und gültigen Weisheit beglückt hätte, um das Christentum und den Geist des westlichen Rationalismus für sie zu retten" (Kiss, 2002, S. 282.). Die Beglückung blieb aus, die Welt kam aber dennoch -unter nicht geringem Leid und Opfer - davon. Die Schmitt'sche Gegenreaktion gegenüber der sozialistische Reaktion auf die Krise des Liberalismus und den philosophischen Agnostizismus in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen bewegte sich auf spezifisch deutschem Terrain und blickte stillschweigend zurück, in Richtung auf die Bewahrung der absoluten Souveränität des monarchischen Staatsideals. Die dramatischen Entwicklungen im Deutschland der Zwischenkriegszeit, wo der Wandel der Staatsform vom Kaisertum zur Republik inmitten von heftigen inneren und äußeren politischen Auseinandersetzungen und Klassenkämpfen, sowie von revolutionären Wellen erfolgte und wo sich die Stabilisierung der neuen bürgerlich-demokratischen Ordnung - bis zum Ausbruch der Krise von 1929/1933 - als sehr kurzlebig erwies[1], warfen mit paradigmatischer Kraft eine Vielzahl von Fragen der Staats- und Politiktheorie, des internationalen Rechts und der Rechtstheorie auf. Hinter den Leistungen, die Schmitt auf diesem Wissenschaftsgebiet erbrachte, stehen also die Herausforderungen der intellektuellen Aufarbeitung einer beispiellos ereignisreichen historischen Phase.

Gehen wir von der auf die Makroebene ausgerichteten Problemstellung Schmitts aus, die wir als das eine Terrain seines Dezisionismus betrachten können. In seinem Werk "Politische Theologie" von 1922 gründete er seine Kritik an der Rechtsstaatlichkeit auf dem Ausnahmezustand, der außerordentliche Maßnahmen erfordert und - im Gegensatz zum Notstand - verfassungsmäßig geregelt ist. "Er [der Souverän] steht außerhalb der normal geltenden Rechtsordnung und gehört doch zu ihr, denn er ist zuständig für die Entscheidung, ob die Verfassung in toto suspendiert werden kann. " (Schmitt, 1934, S. 13) Weder die Existenz des Ausnahmezustands noch die Entscheidung über die Notwendigkeit seiner Einführung ist allerdings ein rechtliches, sondern vielmehr ein politisches Problem. "Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet" - lautet die aus der Souveränitätslehre hervorgehende, belehrende Definition im ersten Satz von Schmitts Studie (Schmitt, 1934, S. 11). Schmitt verweist bezüglich der Entscheidung über den Ausnahmezustand zurecht darauf hin, dass der Beschluss nicht aus dem Inhalt der Norm hervorgeht, da die Norm (also die Verfassung) den Souverän nur zum Vollzug dieser rein machtpolitischen Entscheidung ermächtigt. Auf diese Weise wird bei der inhaltlichen

- 314/315 -

Frage, also bei der Frage der tatsächlichen Einführung des Ausnahmezustands, die Entscheidung klar von der Rechtsnorm getrennt. Und in verallgemeinerter Form radikalisierte er die Bedeutung der Entscheidung weiter, indem er sie vom Prinzip des Exzeptionellen loslöste. "Denn jede Ordnung beruht auf einer Entscheidung und auch der Begriff der Rechtsordnung, der gedankenlos als etwas Selbstverständliches angewandt wird, enthält den Gegensatz der zwei verschiedenen Elemente des Juristischen in sich. Auch die Rechtsordnung, wie jede Ordnung, beruht auf einer Entscheidung, und nicht auf einer Norm. " (Schmitt, 1934, S. 16)

Wir können Schmitts Argumentation insofern zustimmen, als bei diesem Problem der Grenzwert klar ausgemacht werden kann, wo das Recht sozusagen aus sich selbst herausschlüpft und als seine eigene Voraussetzung jene politische Macht aufzeigt, deren rechtsschöpfende und rechtspflegerische Ordnung es ist. Es kann nicht auf eine hypothetische "Grundnorm" zurückgeführt werden, wie bei Kelsen, sondern nur auf ein handelndes Subjekt, das entscheidet, d.h. das die Rechtsordnung einführt. Eigentlich müssten wir Schmitts Argumentation nur um den Aspekt der revolutionären Situationen, der Bürgerkriege und der gesellschaftlich-politischen Kämpfe zur Ergreifung der legislativen Macht erweitern, um den Moment der Entscheidung, die die Rechtsordnung konstituiert, rechtstheoretisch zu konkretisieren, denn diese Situationen sind in der Geschichte kaum als Ausnahmen oder atypische Phänomene zu betrachten (was Schmitt auch nicht behauptet)[2]. Vom rechtlichen Gesichtspunkt hingegen kann Schmitts Argumentation weiter untersucht werden, wenn wir den Ausnahmezustand mit der Situation der sozialen Revolution bzw. Konterrevolution

- 315/316 -

vergleichen. Soziale Revolutionen sind gesellschaftliche Fakten, Menschen, politische Strömungen und Institutionen mit elementarer Kraft mit sich reißende und neue schaffende Stürme, die hinsichtlich ihrer rechtlichen Wirkungen als rechtliche Fakten mit dem Charakter einer höheren Gewalt (vis maior) zu bewerten sind. Anders verhält es sich bei Ausnahmezuständen, denn bei diesen hat das formale rechtliche Element formale, aber berechenbare Auswirkungen auf die Lebensführung des Individuums. Diese Tatsache hat Schmitt nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt, als er die Berechenbarkeit, die unter den - auf den Spuren Webers - analysierten drei verschiedenen Bedeutungszusammenhänge der rechtlichen Form erwähnt wird, nicht mit dem I. Kapitel, d.h. mit dem Thema der Definition der Souveränität, verband (Schmitt, 1934, S. 14). Wenn der Ausnahmezustand verhängt wird und die damit verbundenen Maßnahmen bekannt gemacht werden, dann kann der Staatsbürger damit rechnen, dass er im Falle der Nichtbeachtung der Ausgangssperre vor ein Standgericht gestellt wird und für die Verletzung des Versammlungsverbotes erschossen wird. Der Ausnahmezustand kann dem formellen Rationalismus des Rechtsstaates entsprechen, und im konkreten Fall ist es keineswegs egal, wenn - zum Beispiel - ein Mensch dadurch sein Leben retten kann. (Die Standhaftigkeit eines Revolutionärs wird dieser Umstand natürlich kaum erschüttern.) Die Maßnahmen verletzen natürlich in zahlreichen Fällen die Freiheitsrechte der materiellen Rechtsstaatlichkeit und die grundlegenden staatsbürgerlichen Rechte, sie haben aber dennoch keine vis maior Rechtswirkung wie die sozialen Revolutionen. Die Verdeutlichung dieses Unterschiedes diente uns nur dazu, den Gesichtspunkt der formalen Legalität vorzustellen, und zu nichts anderem. Die formale Legalität hat, unabhängig von jeglichem Inhalt, eine über das Recht hinausweisende gesellschaftliche Wirkung, die lediglich vom Standpunkt des Rechtsnihilismus irrelevant ist. Diese Wirkung hätte die dezisionisti-sche Argumentation aber nicht außer Acht lassen dürfen.

Wir können also feststellen, dass die Phänomene des Ausnahmezustandes und der revolutionären Situation - unter Berücksichtigung der obigen, sich auf den formalen Rationalismus des Ausnahmezustands beziehenden Einschränkung -aus dem Wirkungsbereich des Vorranges des Rechts herausfallen und das Primat der - über das Recht hinausgehenden - sozialen und politischen Faktoren gegenüber dem Recht beweisen. Wenn wir diejenigen Bereiche und Situationen darlegen, in denen die Kriterien der Rechtsstaatlichkeit nicht zur Geltung kommen, dann grenzen wir auch ein, wo diese Kriterien tatsächlich Gültigkeit haben können. Die Ausnahme bestätigt die Regel, weil sie den Gültigkeitsbereich der Regel zeigt. Insbesondere weißt sie darauf hin, dass Rechtsstaatlichkeit in stationären gesellschaftlich-politischen Zuständen existieren kann, während sie in revolutionären Situationen und bei Ausnahmezuständen ausgeschlossen ist. Die radikal rechtsstaatskritische Position von Schmitt ist zur Ein-

- 316/317 -

grenzung des Problembereichs des Rechts mit rechtsstaatlicher Qualität unverzichtbar. Schmitts glänzende theoretische Argumentation entwickelt sich methodisch dort zu einer falschen, übermäßigen Verallgemeinerung, wo er die sich auf die Ausnahme beziehende Argumentation zur allgemeinen Aufhebung der Rechtsstaatlichkeit als Normalform verwendet, insbesondere in seinen späteren Arbeiten (siehe Schmitt 1928; 1932). Aus der Tatsache nämlich, dass die Ausnahme wichtiger sein kann, als die Regel, und die Eingrenzung des Gültigkeitsbereiches der Regel die Kenntnis der Ausnahmen voraussetzt - so wie auch die Ausnahme nur in Bezug auf die Regel über Bedeutung und Bedeutsamkeit verfügt -, kann noch nicht gefolgert werden, dass die Normalform fällt[3]. In Anknüpfung an Franz Naumann haben wir gezeigt, dass die Gültigkeit der Rechtsstaatlichkeit theoretisch aufrecht erhalten werden kann, wenn wir mit einem Rechtsbegriff arbeiten, der auf einer begrenzten Souveränität beruht. Hier ist das Recht nicht bloße voluntas, in normative Form gebrachter Wille des Staates, sondern entspricht dem Erfordernis irgendeiner ratio, die auch für den Souverän bindend ist (Szigeti/Takács 1998, S. 188 f.). Mit der Theorie von Schmitt und mit der absoluten Souveränität ist dies zugleich unvereinbar, denn bei Schmitt bindet das Recht den Souverän nicht. Bei der Entwicklung seines Standpunktes spielten nicht etwa irgendwelche Defizite in seinen theoretischen Fähigkeiten die Hauptrolle, sondern seine konservativ-etatistischen Motivationen. Verglichen mit dem Normalzustand verbirgt sich das Spezifikum des Ausnahmezustands gerade darin, dass letzterer die Rechtsordnung des Normalzustandes suspendiert. Zugleich ist der Ausnahmezustand aber kein Zustand der Anarchie, sondern eine reale Ordnung ohne Rechtsordnung, deren Ziel es ist, den ursprünglichen verfassungsmäßigen Zustand wiederherzustellen. Das ist das theoretische Konstrukt der Politischen Theologie, das auch Sándor Pethő in seiner Monographie über Carl Schmitt ähnlich beurteilt (Pethő, 1993, S. 137-143). In seinen späteren Werken kritisiert Schmitt auch deshalb den parlamentarischen Rechtsstaat und in concreto die Weimarer Demokratie, weil dieser bzw. diese infolge des Auseinanderdriftens der pluralistischen Kräfte nicht in der Lage war, die politische Einheit herzustellen, die die Grundlage des staatlichen Lebens bildet. Damals, in den zwanziger Jahren, richteten sich die theoretischen Bemühungen Schmitts noch auf den Schutz der Verfassung und der Ausnahmefall der Diktatur erhält bei Schmitt dadurch eine etatistische

- 317/318 -

Bestätigung, dass er die Diktatur als Mittel zur Wiedererrichtung des Staates und der Verfassungsmäßigkeit interpretiert. Betrachten wir nun näher, mit Blick auf seine kategoriale Struktur, wie er dies tut. "Die Existenz des Staates bewährt hier [d.h. im Falle des Ausnahmezustands, P. Sz.] eine zweifellose Überlegenheit über die Geltung der Rechtsnorm. Die Entscheidung macht sich frei von jeder normativen Gebundenheit und wird im eigentlichen Sinne absolut. Im Ausnahmefall suspendiert der Staat das Recht, kraft eines Selbsterhaltungsrechtes, wie man sagt. Die zwei Elemente des Begriffs der »Rechts-Ordnung« treten hier einander gegenüber und beweisen ihre begriffliche Selbständigkeit. So wie im Normalfall das selbständige Moment der Entscheidung auf ein Minimum zurückgedrängt werden kann, wird im Ausnahmefall die Norm vernichtet. Trotzdem bleibt auch der Ausnahmefall der juristischen Erkenntnis zugänglich, weil beide Elemente, die Norm wie die Entscheidung, im Rahmen des Juristischen verbleiben. Es wäre eine rohe Übertragung der schematischen Disjunktion von Soziologie und Rechtslehre, wenn man sagen wollte, die Ausnahme habe keine juristische Bedeutung und sei infolgedessen »Soziologie«. Die Ausnahme ist das nicht Subsumierbare; sie entzieht sich der generellen Fassung, aber gleichzeitig offenbart sie ein spezifisch-juristisches Formelement, die Dezision, in absoluter Reinheit. In seiner absoluten Gestalt ist der Ausnahmefall dann eingetreten, wenn erst die Situation geschaffen werden muß, in der Rechtssätze gelten können. Jede generelle Norm verlangt eine normale Gestaltung der Lebensverhältnisse, auch welche sie tatbestandsmäßig Anwendung finden soll und die sie ihrer normativen Regelung unterwirft. Die Norm braucht ein homogenes Medium. " (Schmitt, 1934, S. 19.)

Wir können uns die normative Ordnung des Normalzustandes und die nichtnormative Ordnung des Ausnahmezustandes anhand der folgenden Abbildung vergegenwärtigen:

(Entscheidungsautonomie auf dem Minimum) (Entscheidung des Souveräns, die nicht auf der Norm, sondern auf der Autorität beruht)

Der Normalzustand (1) und der Ausnahmezustand (3) sind zwei qualitativ unterschiedliche Situationen, die einander scharf gegenüberstehen. Im Normalzustand gibt es eine Rechtsordnung (2), die mittels Entscheidungen, die auf der

- 318/319 -

Norm basieren, als Rechtsordnung konkretisiert wird. Der zerrüttete Normalzustand und die Leugnung seiner Rechtsordnung führen zum Ausnahmezustand (3), in dem es keine konkreten Rechtsverhältnisse und keine konkrete Rechtsordnung mehr gibt, die aus der Verfassung abgeleitet werden können. Nur der Souverän hat eine auf seiner Autorität gründende Bevollmächtigung, über diesen Zustand zu entscheiden. Die Entscheidung über den Ausnahmezustand und über seine Einführung, sowie die normativen und individuellen Verfügungen und realen Handlungen im Ausnahmezustand sind gleichermaßen konstitutive Akte des Souveräns, die prinzipiell das Ziel verfolgen, die Rückkehr zu Ordnung (4) zu gewährleisten. Der Ausnahmezustand ist zum einen keine anarchische Situation, keine Herrschaftslosigkeit, sondern eine exzeptionelle Situation, die durch die potestas der Autorität beherrscht wird, zum anderen stellt er aber auch kein Chaos dar, in dem man durch die Kräfte der Auflösung in Richtung einer neuen Ordnung gelangen könnte - in diesem Falle müsste man einen Antagonismus und kein gegensätzliches Verhältnis voraussetzen -, sondern die Rückkehr zur Rechtsordnung des Normalzustands (1). Schmitts Lösung in seiner Politischen Theologie ist deshalb eine konservative, etatistische politische Philosophie, weil es gerade das Ziel und der immanente Sinn des Exzeptionellen ist, dass aus den Kräften des Zerfalls keine neue Ordnung entsteht, sondern dass es - durch die Verhinderung einer neuen Ordnung - zur Rückkehr zur alten Ordnung kommt. In concreto: anstelle der sozialistischen Revolution sollte es - am damaligen Ort und zur damaligen Zeit, d.h. vor 1923 - zur Rückkehr zum bürgerlichen Weimarer Staat kommen. Das äußere, indifferente Verhältnis des Unterschieds wird durch das gegensätzliche Verhältnis abgelöst, wobei beim gegensätzlichen Verhältnis noch - auf Umwegen, mittels der Einführung des Ausnahmezustandes und seiner Ordnung (4) - vermittelt werden kann.

Schmitt sagt nicht (aber wir können in Kenntnis der Hegel'schen und Marx'schen Dialektik und unter ihrer Anwendung darauf hinweisen), dass -abweichend von den revolutionären bzw. gegenrevolutionären Situationen, in denen der Gegensatz nicht (mehr) mittels Vermittlung überwunden werden kann, weil in der prozeßgemäßen Auflösung der Ereignisse die kategorielle Struktur in den Widerspruch, noch dazu in einen antagonistischen Widerspruch, übergeht - im Ausnahmezustand die Vermittlung der formalen Rechtmäßigkeit noch Bedeutung hat und es zählt, dass die Unterscheidung von Freund und Feind hier - bezüglich des Intensitätsgrades - nicht bis zur totalen Vernichtung des totalen Feindes geht. Es reicht aus, den Gegner bzw. Feind in den "politischen Hundestall" des Ausnahmezustands zu sperren und die politischen Kräfteverhältnisse mittels eines Systems des Ausnahmerechts umzuformen. Wenn sich die Widersprüche verschärfen, dann sieht die Situation anders aus: sie entwickelt sich zum Antagonismus, der ein ausgesprochen unversöhn-

- 319/320 -

liches und unauflösbares gegensätzliches Verhältnis, bei dem keine Vermittlung mehr stattfinden kann, darstellt. Hier kommt die Möglichkeit zur Vermittlung zu Fall. Kategorisch, als Existenzbestimmungen gesehen, bedeutet das, dass aufgrund des Fehlens der Vermittlung die Weiterexistenz des einen politischen Pols nicht ohne die Vernichtung des anderen Pols möglich ist - und umgekehrt. Nun verändern entweder die revolutionären oder die konterrevolutionären Kräfte die Totalität des gesellschaftlichen Lebens. Und diese verschärfte Form des Politischen kann mit dem Beschluss zur Einführung des Ausnahmezustands (und mit den daraufhin in Kraft tretenden konkreten Verfügungen) keine Form der Bewegung mehr finden. Wenn es mittels der neutralisierenden, entwaffnenden Anwendung des Rechts noch zu einer Vermittlung zwischen den Gegensätzen kommen kann, so ist dies das Exzeptionelle. Wenn der Unterschied zwischen den verschiedenen politischen Qualitäten - obwohl sie einander gegenüber nicht indifferent sind, weil sie miteinander konkurrieren - nicht einen "solchen Intensitätsgrad des Gegensatzes" erreicht, der die Entscheidung des Souveräns erfordern würde, dann ist eigentlich - als schwache Grenzsituation - auch aufgrund der Schmitt'schen Theorie die Situation des "geregelten Wettbewerbs" der pluralistischen Demokratie zu erkennen. Der Ausnahmezustand ist so - verglichen mit der revolutionären bzw. konterrevolutionären (Bürgerkriegs-) Situation - die dritte Modalität. Diese lässt sich allerdings eher erst nachträglich, infolge der politikgeschichtlichen Erfahrungen nach dem Zweiten Weltkrieg, in die Theorie Schmitts hineininterpretieren, und es ist kaum ein Zufall, dass Schmitt dies damals nicht tat. Diese Lösung aber paßt auch in die Konstruktion des Begriffs des Politischen von 1932 hinein, neben einer erzwungenen und ausgeweiteten Interpretation - dabei wird außer Acht gelassen, dass gerade die enge und nicht die erweiterte Interpretation die sozialen Kämpfe und politischen Prozesse im Deutschland der Zwischenkriegszeit theoretisch angemessen zum Ausdruck bringt.

Wenn wir jetzt unsere bisherigen Analysen gedanklich mit dem Begriff des Politischen verbinden, dann stehen wir drei Situationen mit unterschiedlichen Konsequenzen gegenüber, je nachdem, wie wir den Intensitätsgrad der Unterscheidung von Freund und Feind interpretieren. Demgemäß ergeben sich analytisch die folgenden Möglichkeiten:

1) Das gegensätzliche Verhältnis mit einer Unterscheidung von Freund und Feind; hier kann es nur mittels der außerordentlichen Rechtsordnung des Ausnahmezustands zu einer Vermittlung kommen; in dieser Situation kann noch eine Lösung gefunden werden.

2) Die unvermittelbare Situation des Gegensatzes als Antagonismus; hier kann der eine Pol nur durch die Vernichtung des anderen überleben. Infolge einer solchen Situation kommt es oftmals zum Phänomen der illegitimen Rechtsschöpfung.

- 320/321 -

3) Die Existenz eines gegensätzlichen Verhältnisses, bei dem die Unterschiede gegenseitig nicht indifferent bleiben bzw. die Seiten und Pole miteinander rivalisieren und es auch ohne die Entscheidung des Souveräns zu einer Vermittlung kommen kann, weil aufgrund der geregelten Wettbewerbssituation eine politische Bewegungsform existiert. In einer solchen politischen Situation hat die Rechtsordnung der Normalform Gültigkeit.

Halten wir also fest: den Unterschied der kategorialen Struktur von 1) und 2) hat Schmitt nicht wirklich erkannt, denn er hat die Möglichkeit 2) nicht ausgearbeitet. In dem von ihm verwendeten Terminus "Intensitätsgrad" verschwindet nämlich der Unterschied der kategoriellen Konstruktion von Gleichheit, Unterschied, Gegensatz, Widerspruch und antagonistischem Widerspruch.

Zwar spürte Schmitt den Unterschied von 1) und 3), aber bei ihm wird das Politische als Intensität der Unterscheidung vom Antagonismus her interpretiert, ohne dass er den Ausnahmezustand, seine formale und berechenbare Rechtmäßigkeit - sachlich - dem revolutionären bzw. Bürgerkriegszustand gegenübergestellt hätte (und die Unrichtigkeit der schematischen Trennung der rechtswissenschaftlichen und soziologischen Momente in Betracht gezogen hätte.)

Die Frage des Politischen als Kraft, die über eine gesamtgesellschaftliche Ebene verfügt, hat Schmitt nicht nur bei der Beurteilung der letztendlichen Frage des Ausnahmezustands beschäftigt, sondern auch als staatsrechtliche Lehre von der neutralen Macht. Die Problemstellung seiner Arbeit Der Hüter der Verfassung (1931) war, dass man die Meinungsverschiedenheiten zwischen den an den politischen Kämpfen beteiligten Seiten, wenn sie keine unmittelbare Verletzung der Verfassung herbeiführen, nicht auf dem Wege der Justiz bzw. ihres Formenzwanges entscheiden kann. Diese werden "entweder durch eine über den differierenden Meinungen stehende, stärkere politische Macht von oben, also durch einen höheren Dritten beseitigt - das wäre dann aber nicht der Hüter der Verfassung, sondern der souveräne Herr des Staates; oder sie werden vermittels einer nicht über-, sondern nebengeordneten Stelle beigelegt oder ausgetragen, also durch einen neutralen Dritten - das ist der Sinn einer neutralen Gewalt, eines pouvoir neutre et intermédiaire, der nicht über, sondern neben den andern verfassungsmäßigen Gewalten steht, aber mit eigenartigen Befugnissen und Einwirkungsmöglichkeiten ausgestattet ist. Soll nicht eine bloß akzessorische Nebenwirkung anderer staatlicher Tätigkeiten eintreten, sondern eine besondere Einrichtung und Instanz organisiert werden, deren Aufgabe es ist, das verfassungsmäßige Funktionieren der verschiedenen Gewalten zu sichern und die Verfassung zu waren, so ist es in einem Gewaltenunterscheidenden Rechtstaat folgerichtig, keine der vorhandenen [im Sinne von traditionellen, P. Sz.] Gewalten nebenbei damit zu betrauen, weil sie sonst nur ein Übergewicht gegenüber den andern erhielte und sich selbst der Kon-

- 321/322 -

trolle entziehen könnte. Sie würde dadurch zum Herrn der Verfassung. Es ist daher notwendig, eine besondere neutrale Gewalt neben die andern Gewalten zu stellen und durch spezifische Befugnisse mit ihnen zu verbinden und auszubalancieren. " (Schmitt, 1931, S. 132.).

Die - auf Benjamin Constant zurückgehende - pouvoir neutre et intermédiaire et régulateur des Staatsoberhauptes hätte Schmitt mit denjenigen verfassungsrechtlichen Katalogen ausgestattet, die es bei den Monarchen oder Staatspräsidenten im 19. Jahrhundert gab (Immunität, Sanktionierung und Verkündung der Gesetze, Begnadigungsrecht, Ernennung der Minister und höheren Beamten, Recht zur Auflösung der gewählten Kammer). Diese für die neutrale Macht vorbehaltenen Kompetenzen und Vorrechte zur Intervention müssen im Verfassungsstaat noch um etwas ergänzt werden, was im Nachleben des Werks des Vaters des französischen Liberalismus Constant - "der das französische Bürgertum zum Parlamentarismus erzogen hat" - unbeachtet blieb: um die Notwendigkeit der Schutz- und Bewahrungsmacht, der pouvoir préservateur des Staatsoberhauptes.

Wie begründet Schmitt diese Macht des Staatsoberhauptes und gegen wen und was schützt sie die Gesellschaft? Schmitt wendet hier - als seine eigene Erfindung - eine charakteristische Technik der Trennung an: er führt die Begriffe der auctoritas und der potestas ein. Durch die Unterscheidung dieser Begriffe wird die besondere Situation verständlich, in der das Staatsoberhaupt herrscht, aber nicht regiert. "Der praktische Wert der Lehre von der neutralen, vermittelnden, regulierenden und wahrenden Stellung des Staatshauptes liegt zunächst darin, daß nunmehr die Frage beantwortet werden kann, was denn in einem bürgerlichen Rechtstaat, sei er konstitutionelle Monarchie oder konstitutionelle Demokratie, das Staatshaupt noch bedeutet und was der Sinn seiner Befugnisse ist, wenn die Gesetzgebung ganz bei den Kammern liegt, die vom Staatshaupt ernannten Minister ganz vom Vertrauen der gesetzgebenden Körperschaften abhängig sind, das Staatshaupt selbst in allem an die Gegenzeichnung der Minister gebunden ist und man infolgedessen vom ihm sagen kann: il règne et ne gouverne pas." (Schmitt, 1931, S. 135.) Das ist die Situation, die die Deutschen deshalb nicht verstehen, weil ihrer Meinung nach der Herrscher immer auch tatsächlich herrschen und über eine wirkliche Regierung verfügen muß (Max von Seydel), denn wenn man ihm das Recht zum Regieren entzieht, dann bliebe überhaupt nichts von seiner Herrschaft. Nach Meinung Schmitts bleibt aber dennoch etwas, nämlich "...daß das Staatshaupt in einer solchen Verfassung über die ihm zugewiesenen Zuständigkeiten hinaus die Kontinuität und Permanenz der staatlichen Einheit und ihres einheitlichen Funktionierens darstellt, und daß es aus Gründen der Kontinuität, des moralischen Ansehens und allgemeinem Vertrauens eine besondere Art von Autorität haben muß, die ebensogut zum Leben jedes Staates gehört wie die täglich aktiv werdende

- 322/323 -

Macht und Befehlsgewalt. Für die Lehre von der neutralen Gewalt ist das von besonderem Interesse, weil die eigenartige Funktion des neutralen Dritten nicht in fortwährender, kommandierender und reglementierender Aktivität besteht, sondern zunächst nur vermittelnd, wahrend und regulierend, und nur im Notfall aktiv ist;..." (Schmitt, 1931, S. 136 f.; Hervorhebung durch P. Sz.)

Die formale Macht, die auctoritas ist nur im Notstand und nur im letzten, eschatologischen Sinne eine aktive Tätigkeit. Und im Normalfall nimmt das neutrale Staatsoberhaupt keine solche schützende Aktivität wahr. Insofern gründet Schmitt die Begründetheit der Existenz der pouvoir préservateur auf die Diskrepanz der Normalform und des Exzeptionellen. Das Staatsoberhaupt verfügt aber nicht nur in formellem, sondern auch im informellen Sinne über Autorität und kann potestas entfalten. Und seine besondere Situation kann auf die Einheit dieser zwei Momente gegründet werden. "Die meisten bedeutenden Staatshäupter des 19. und 20. Jahrhunderts haben es verstanden, hinter ihren Ministern zurückzutreten, ohne dadurch an Autorität zu verlieren. Ein Verfassungsgesetz kann freilich die persönlichen Eigenschaften, die erforderlich sind, um die Rolle des pouvoir neutre vollkommen zu erfüllen, nicht vorschreiben und erzwingen, ebensowenig wie es etwa vorschreiben kann, daß der Reichskanzler ein großer politischer Führer ist und selber die Richtlinien der Politik bestimmt. " (Schmitt, 1931, S. 137.) Es ist also erkennbar, dass das, was ein Verfassungsgesetz nicht vorschreiben kann, aber durch die informelle Macht der persönlichen Qualitäten entstehen kann, die Rolle der pouvoir neutre ausweiten wird. Es ist hier nicht notwendig, mit der Geschichte der Weimarer Verfassung fortzufahren - also mit der starken Legitimation des durch das Volk gewählten Präsidenten, mit der Positionierung des Verfassungsartikels 48 und der präsidiellen Macht, die die Rolle eines festen und ruhenden Pols der Verfassung einnimmt und die den pluralistischen Staat der Parteienkoalitionen als ein Ganzes im Auge hat[4]. Schmitt argumentiert ganz im Zeichen seiner dezisionistischen Methodik mit ungelösten und unlösbaren Angelegenheiten. So äußert er hinsichtlich des Konflikts zwischen dem Präsidenten des Reichsgerichts Simons und der Regierung vom Dezember 1928, dass der Präsident des Reichsgerichts formal - also seitens des positiven Rechts, sagen wir aus dem Blickwinkel eines Grundbuchrichters gesehen - kein Recht habe, sich an den Staatspräsidenten zu wenden, weil dies nicht der Verfassung entspreche. Diese räume nämlich dem Staatspräsidenten keine Kompetenzen zur Entscheidung dieses Konflikts ein. " Wenn der Reichspräsident statt dessen in seiner

- 323/324 -

Antwort, neben der Erklärung, daß er sich »zu einer formellen Entscheidung über die Beschwerde aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht für zuständig erachte«, doch auch in der Sache Stellung nimmt und der Reichsregierung recht gibt, zugleich aber dann dem Reichsgerichtspräsident in einer persönlich entgegenkommenden Weise antwortet, so entspricht das einer richtigen Auffassung von der neutralen, vermittelnden, regulierenden und wahrenden Stellung des Staatshauptes und ist aus dieser Lehre heraus zu verstehen und zu rechtfertigen. Damit entfällt auch die Kritik die daran geübt worden ist, daß der Reichspräsident gelegentlich durch persönliche Briefe, die nicht vom Reichskanzler gegengezeichnet sind, und andere Äußerungen auf den Gang von Verhandlungen Einfluß genommen hat. " (Schmitt, 1931, S. 139 f.)

Mit der Vorstellung der informellen Macht der pouvoir neutre sind wir - methodisch gesehen - an dem Punkt angelangt, wo sich Makro- und Mikroebene als gemeinsame gedankliche Grundlage des Dezisionismus berühren bzw. wo sie zusammentreffen: das Subjekt der Entscheidung erhält - mittels seiner persönlichen Qualitäten, seiner informellen potestas - eine selbständige Bedeutung gegenüber der formal-rechtlichen, normativen Entscheidungsmacht und -autorität. Beide Momente bilden eine Einheit, wie dies Schmitt in Kapitel 26 des Leviatan nachweist, aber es gibt keine Autorität ohne potestas (Schmitt, 1934, S. 44.). Der Terminus des "Dezisionismus" stammt von decisio, der lateinischen Transkription des Begriffes Krisensituation bzw. Grenzsituation, der wiederum aus dem griechischen Wort crisis hervorging. Der entscheidende Standpunkt ist derjenige, der die staats- und politiktheoretischen, verfassungsrechtlichen Themen - die nun nicht mehr auf dem Methodendualismus der soziologischen Sachlichkeit und der rechtswissenschaftlichen Normativität aufbauen, denn der Anspruch der Normativität wird den Entscheidungen, die in einer Grenzsituation gefasst werden, und des Exzeptionellen in ontischem Sinne nicht gerecht - methodisch mit den Problemen der Rechtstheorie, die sich auf die Rechtsanwendung beziehen, vereinigt. Es kommt vor, dass Schmitt bei seinen Ausführungen über die "Soziologie juristischer Begriffe" dementsprechend vorgeht (Schmitt, 1934, S. 50.), ein anderes mal aber schreibt er über die "juristische Wissenschaftlichkeit" (Schmitt, 1934, S. 44.) oder über die Typen der juristischen Wissenschaftlichkeit (Schmitt, 1934, ebenda.), wobei er nicht annähernd die Fragen der intentio reflecta, sondern die der intentio recta analysiert, also nicht rechtswissenschaftliche, sondern rechtliche Themen.

Das Recht ist - wie bei Austin - die Entscheidung des Souveräns. Und damit können die rechtlichen Entscheidungen auf der Makro- und Makroebene auf gemeinsamer Grundlage analysiert werden[5]. Vergleichen wir den Standpunkt

- 324/325 -

von Austin aus dem Jahre 1859, die Position von Schmitt aus der Zeit zwischen den Weltkriegen und diejenige von Hart aus 1961. Nach Austin hat das Recht deshalb Autorität, weil es ein imperatives Gebilde ist, weil es befohlen wird. Nach Hart stellt es nicht deswegen eine Verpflichtung dar, weil es befohlen wird, sondern weil die Regeln - mit oder ohne autoritativer Verpflichtung -den Umständen, den Erwartungen und dem Druck der Gesellschaft entsprechen. Nach Schmitt hat das Recht nicht nur und in erster Linie auch nicht deshalb Autorität, weil es ein imperatives Gebilde darstellt, sondern weil die geistige Kraft der Entscheidung Ansehen verleiht - jenseits und neben dem formellen Moment der Gerichtsbarkeit. Bei Austin stellt also der imperative Charakter der Autorität das übergreifende Moment dar, bei Hart die soziologische Fundierung der erzwingenden Kraft und bei Schmitt das Verständnis als Fähigkeit, als geistige Kraft. Auf alle Fälle und entgegen dem Verständnis der idealistischen, ethisierenden Vertreter des Naturrechts ist bei der Untersuchung der Legalität das Moment der Autorität kaum zu umgehen, weil ohne ihn auch die Gültigkeit des Rechts nicht begründet werden kann. Schmitts Dezisionismus weist in der Einheit der zwei Komponenten der Autorität - der Autorität und der potestas - die Gültigkeitsfaktoren auf, die in der Rechtsschöpfung, in der regulativen Funktion des Rechts, sowie in der Rechtsanwendung und in seiner konfliktlösenden Entscheidungsfunktion gleichermaßen zugegen sind. Es ist allerdings keine glückliche Lösung, dass er diese Frage nicht als objektive Eigenschaft einer funktionierenden Rechtsordnung behandelt, sondern in Verbindung mit rechtwissenschaftlichem, juristischem Denken - wo doch auch Rechtsauffassungen, die nicht dezisionistischen Typs sind, den autoritativen Charakter des Rechts anerkennen (Hegel, Marx, Kelsen, die Pragmatisten, die skandinavischen Realisten usw.).

In der Politischen Theologie Schmitt'scher Prägung existieren zwei Typen der juristischen Wissenschaftlichkeit, "die man danach bestimmen kann, wie weit ein wissenschaftliches Bewußtsein von der normativen Eigenheit der rechtlichen Entscheidung besteht oder nicht." (Schmitt, 1934, S. 44.) Als Schöpfer der Antithese von Macht und Gerechtigkeit ist Hobbes der klassische Vertreter des dezisionistischen Typus: Autoritas, non veritas facit legem. Laut Schmitt ist dies eine radikalere und genauere Definition als die Lösung von F. J. Stahl, der

- 325/326 -

Autorität und Majorität gegenüberstellt (Schmitt denkt dabei offenbar an "Autorität, nicht Majorität"). Schmitt begründet dies folgendermaßen: "Hobbes hat auch ein entscheidendes Argument vorgebracht, welches den Zusammenhang dieses Dezisionismus mit dem Personalismus enthält und alle Versuche, an die Stelle der konkreten Staatssouveränität eine abstrakt geltende Ordnung zu setzen, ablehnt. " (Schmitt, 1934, S. 44.)"

Unter Rückgriff auf Hobbes bestreitet Schmitt, dass es eine geistige Ordnung oder Kraft gibt, die objektiv, unabhängig von einer Person - als "Zurechnungspunkt" - in Betracht gezogen werden kann. Damit negiert er die auf Aristoteles zurückgehende Tradition bzw. den formalen Sinn der Gesetzmäßigkeit. Gemäß dieser Auffassung darf nicht eine Person, sondern muss das Gesetz als unpersönliche Ordnung Herrschaft ausüben ("Es herrsche das Gesetz und nicht der Mensch")[6]. Die potestas als Komponente der Macht ist personalistisch, weil es "eine juristische Wirklichkeit und Lebendigkeit gibt", die nicht in naturwissenschaftlichem Sinne objektiv ist (Schmitt, 1934, S. 45.). Auch das juristische Denken darf die spezifische Realität, die in der rechtlichen Form der Rechtsnorm begründet ist, nicht außer Acht lassen. "Die Form, die er sucht, liegt in der konkreten, von einer bestimmten Instanz ausgehenden Entscheidung. Bei der selbständigen Bedeutung der Entscheidung hat das Subjekt der Entscheidung eine selbständige Bedeutung neben ihrem Inhalt. Es kommt für die Wirklichkeit des Rechtslebens darauf an, wer entscheidet. Neben der Frage nach der inhaltlichen Richtigkeit steht die Frage nach der Zuständigkeit. In dem Gegensatz von Subjekt und Inhalt der Entscheidung und in der Eigenbedeutung des Subjekts liegt das Problem der juristischen Form. Sie hat nicht die apriorische Leerheit der transzendentalen Form; denn sie entsteht gerade aus dem juristisch Konkreten. Sie ist auch nicht die Form der technischen Präzision; denn diese hat ein wesentlich sachliches, unpersönliches Zweckinteresse. Sie ist endlich auch nicht die Form der ästhetischen Gestaltung, die eine Dezision nicht kennt. " (Schmitt, 1934, S. 46.)

Welche Argumente findet die Theorie von Carl Schmitt hinsichtlich seines als "Gordischer Knoten" angesehenen Axioms, das lautet folgendermaßen: "Bei der selbständigen Bedeutung der Entscheidung hat das Subjekt der Entscheidung eine selbständige Bedeutung neben ihrem Inhalt." (Schmitt, 1934, S. 46.). Wir können folgendes vorausschicken: wir finden bei Schmitt einen ganzen Komplex von richtigen und falschen Argumenten.

- 326/327 -

Die selbständige Bedeutung des Subjekts besteht darin, dass es Ausnahmezustände gibt, die nicht der Normativität zugeordnet werden können. Und als solche kann ihre Qualität nicht vom Inhalt der Normen abgeleitet werden. Dies formulierte Robert von Mohl folgendermaßen: "Wenn Mohl [...] sagt, die Prüfung, ob ein Notstand vorliegt, könne keine juristische sein, so geht er von der Voraussetzung aus, dass eine Entscheidung im Rechtssinne aus dem Inhalt einer Norm restlos abgeleitet werden muss. " (Mohl zitiert in Schmitt, 1934, S. 11.). Das ist aber nur die Illusion des rechtsstaatlichen Liberalismus und Positivismus, gemäß denen - so können wir hinzufügen - es nicht einmal Rechtslücken gibt und die die Bedeutung der Entscheidung falsch interpretieren. Schmitt hat in seiner Politischen Theologie im engeren, sachlichen Wortsinn die Rechtsanwendung nicht rechtstheoretisch und systematisch untersucht. Gleichwohl hat er über ihre Natur vereinzelt anderenorts - nicht immer widerspruchsfreie - Bemerkungen gemacht. Seine Ansichten über die selbständige Bedeutung der Entscheidung können aber eindeutig herausgearbeitet werden und auch sein Standpunkt hinsichtlich der Justiz kann rekonstruiert werden, und zwar folgendermaßen: Die Justiz, die an Normen gebunden ist, macht eine sachliche Einordnung, Subsumierung möglich. Diese Einordnungen sind nach ihrem Inhalt nicht zweifelhaft und unbestritten. "Alle Justiz ist an Normen gebunden und hört auf, wenn die Normen selbst in ihrem Inhalte zweifelhaft und umstritten werden" - lautet eine seiner plastischen Ausführungen in Hüter der Verfassung (Schmitt, 1931, S. 19.). Wenn die Sache tatsächlich so wäre, dann könnten wir eigentlich feststellen, dass für Schmitt die Justiz - in der Sprache der heutigen Rechtstheorie ausgedrückt[7] - immer aus einfachen Fällen besteht und wir bei den schwierigen Fällen vom Gebiet der Justiz auf das Terrain des Dezisionismus übertreten müßten. Bei einfacheren Fällen, bei denen es nicht um Rechtsfragen geht und die nicht das Problem der rechtlichen Beurteilung betreffen, bedeuten während des Prozesses höchstens die Feststellung des Tatbestandes, die Aufdeckung des Falles und der Nachweis des Falles eine Schwierigkeit. An anderer Stelle macht Schmitt aber auch hinsichtlich dieser einfachen Fälle grundsätzliche, allerdings widersprüchliche Äußerungen: "In jeder Entscheidung, selbst in der eines tatbestandsmäßig subsumierenden prozessentscheidenden Gerichtes liegt ein Element reiner Entscheidung, das nicht aus dem Inhalt der Norm abgeleitet werden kann."[8] (Schmitt, 1931, S. 45 f.)

- 327/328 -

Die Einführung des reinen Entscheidungselements, das sich nicht aus dem Inhalt der Norm ableitet, stellt also den "springenden Punkt" der Argumentation Schmitts dar. Aber was sollen wir darunter verstehen? Darunter verstanden werden soll die Existenz einer von der Norm unabhängigen Exzeptionalität und Individualität (ganz im Sinne des Sprichworts "am Baum wachsen keine zwei gleichen Blätter"), die das Problem in die Welt der Rechtslücken und schwierigen Fälle hinüberführen würde (auch wenn Schmitt selbst das nicht sagt), oder auch der Sachverhalt, dass auch in den sogenannten einfachen, nicht schwierigen Fällen reine Entscheidungselemente vorhanden sind, die eine Einordnung unter die Norm nicht automatisch erlauben, sondern von der rechtsanwendenden Person eine geistige Kraftanstrengung und intellektuelle Fähigkeiten erfordern. Aus den Texten Schmitts geht allerdings nicht wirklich hervor, ob - unter dem Gesichtspunkt unserer heutigen Fragestellung - von der Existenz des reinen Entscheidungselements, das die Urteilskraft des Richters im Hinblick auf die Subsumierung erfordert, auch der einfache Fall oder nur die Rechtslücke und der schwierige Fall betroffen ist[9].

Es ist hingegen gewiss, dass bei Schmitt das Exzeptionelle - ohne die von uns eingeführte theoretische Unterscheidung - auch auf der Mikroebene Bestand hat, wo es doch eigentlich nur den Sinn der Rechtslücke bekommen müsste. Rechtslücken sind tatsächlich nicht zu eliminieren, bestenfalls mittels vorausschauender Regelung auf ein gewisses Minimum zu reduzieren. Und da es bei der Rechtsanwendung einen Entscheidungszwang gibt - ein Richter kann nicht sagen, er bedauere es, dass er den Rechtsstreit nicht entscheiden könne, da es eine Rechtslücke gebe - verfügt das entscheidende Subjekt bei der Ausfüllung der Rechtslücke, bei der Suche nach einer Entscheidungsgrundlage und bei der Rechtsfindung über Selbständigkeit. Die Tatsache, dass die Ausnahme wichtiger sein kann, als die Regel, unterstreicht Schmitt - wie es einem bedeutenden Denker gebührt - auch philosophisch, indem er Kierkegaard zitiert: "Die Ausnahme erklärt das Allgemeine und sich selbst. Und wenn man das Allgemeine richtig studieren will, braucht man sich nur nach einer wirklichen Ausnahme umzusehen. Sie legt alles viel deutlicher an den Tag als das Allgemeine selbst. Auf die Länge wird man des ewigen Geredes vom Allgemeinen überdrüssig; es gibt Ausnahmen. Kann man sie nicht erklären, so kann man auch das Allgemeine nicht erklären. Gewöhnlich merkt man die Schwierigkeit nicht, weil man das Allgemeine nicht einmal mit Leidenschaft, sondern mit einer bequemen Oberflächlichkeit denkt. Die Ausnahme dagegen denkt das Allgemeine mit energischer Leidenschaft". (Kierkegaard zitiert in Schmitt, 1934, S. 22.)

- 328/329 -

Es ist also nicht möglich, der faktischen Situation aufgrund der Norm Sinn zu verleihen und ihre Bedeutung zu finden, weil in der - individuellen, einmaligen und nicht wiederholbaren - Ausnahme "die Kraft des wirklichen Lebens die Kruste einer in der Wiederholung erstarrten Mechanik" durchbricht (Schmitt, 1934, S. 22.). Das Exzeptionelle - gemäß seinem anzunehmenden idealtypischen Sinn - verkörpert das Existentielle und die Erneuerung gegenüber dem Regelmäßigen und dem Normalen. Folglich gelangt das reine Entscheidungselement in den Prozeß der Rechtsanwendung. Das den Sinn der Erneuerung in sich tragende Existentielle ist nach Schmitts Auffassung thematisch unreflektiert, ontisch - und nicht ontologisch, worauf wir verweisen müssen -, denn nicht das Sein, das aus dem Prozess des Werdens hervorgehende konkrete Existierende ist dasjenige, was reflektiert werden kann. Das reine Entscheidungselement, das das Exzeptionelle fundiert, basiert entweder auf dem existentiellen, individuellen, einmaligen und nicht wiederholbaren Charakter des Exzeptionellen oder aber es steht seine existentielle, begrifflich nicht artikulierte - vermeintliche oder tatsächliche - Natur dahinter. Daher stellt Schmitt fest: "Der Ausnahmezustand hat für die Jurisprudenz eine analoge Bedeutung wie das Wunder für die Theologie. " (Schmitt, 1934, S. 49.). Mit seinem Verständnis des "Existentiellen", der "geschichtlichen Konkretheit" und der "existentiellen Intellektualität" weicht Schmitt von der Hegel'schen Ontologie ab und bewegt sich in Richtung des Irrealismus der Existenzialphilosophie. Bei Hegel sind die Kategorien - infolge des objektiven Idealismus des Verfassers mit stillschweigendem Logizismus belastete - Existenzbestimmungen. Mit diesen und mit den Modalitätskategorien ist das "Neue" infolge von Variationen und Kombinationen des Alten und/oder durch die Veränderung des GrundFolge-Verhältnisses abzuleiten[10]. Die Individualität und Exzeptionalität in existenzphilosophischem Sinne - die Träger der Erneuerung sind - sind hingegen nicht ableitbar. Es gibt keinen Grund, als dessen Folge sie sich darstellen würden. Deshalb sind sie formell nicht erfassbar, nicht zu interpretieren - und erfordern die Dezision. Damit schafft Schmitt eigentlich eine Spannung zwischen Normenlogik und Ontizität. Hier können wir bereits feststellen, dass man aufgrund der Norm dem Existenziellen entweder deshalb keinen Sinn geben bzw. zuschreiben kann, weil es unstrukturiert und von unartikulierbarer Natur ist

- 329/330 -

oder wegen der Natur der konkreten Individualität, die in eine schlechte Unendlichkeit zerfällt. Die Aufgabe der Dezision ist es von der methodischen Seite her also, die Leere auszufüllen, die der hiatus irracionalis aufwirft. Der Dezisionismus geht aus der Nichtüberprüfbarkeit der existenzphilosophischen Auffassung des Seinsprozesses und des begriffs- und normenschaffenden Denkens hervor: es handelt sich also um Problemlösungen nach der Lokalisierung des normativen Nichts. Der abstrakte Rationalismus Schmitts schlägt deshalb und insofern bei der Aufzeigung des hiatus irracionalis in Irrationalismus um, weil er sich nicht folgende Frage stellt: wenn man den Raum mit Dezision ausfüllen muss, wie ist dann die Natur dieser Dezision? Schmitt fasst die reine Entscheidung also als eine letzte Gegebenheit auf, die weder begrifflich noch empirisch weiter analysiert werden kann. Wir hingegen möchten - neben der Einbringung der fachwissenschaftlichen Ebene der Rechtstheorie - auch darauf hinweisen, dass philosophisch-weltanschauliche Motive Schmitt daran gehindert haben, seinen abstrakten Realismus zu überwinden.

All dies bedeutet einen radikalen theoretischen Bruch mit der noch auf neokantianischen Prämissen basierenden, die Rechtspraxis analysierenden Arbeit Gesetz und Urteil von Schmitt aus dem Jahre 1912, weil er dort das Recht noch als Einheit von Norm und Entscheidung deutet. In der Politischen Theologie und in seinen nachfolgenden Arbeiten, in denen er das Verhältnis von Norm (Rechtsordnung) und Entscheidung (Ordnung) problematisierte, findet diese Einheit ein Ende. Und mit der Trennung der beiden Momente eröffnet sich für den Richter auch Raum, um - über die vorgestellten gesellschaftlichen Zusammenhänge auf der Makroebene hinaus (kategorisierte gesetzgeberische Macht, Bürgerkriegssituation, Ausnahmezustand) - normative, auf dem positiven rechtlichen Nichts basierende Entscheidungen und gerade damit eine politische Dezision zu treffen (wie wir sehen: umfassender, nicht nur im Sinne der Ausfüllung der Rechtslücke). Über das Exzeptionelle hinaus problematisiert Schmitt also auch den Fall der Normalform-Entscheidung - vom Normeninhalt unabhängig - mit dieser speziellen Methodik. Seine Position müssen wir einerseits auf der fachlich-kritischen Ebene, andererseits auf der weltanschaulichen Ebene bewerten. In der Tat kann nicht immer die Norm der Maßstab sein, weil nur in den für die Masse typischen Fällen - sagen wir bei der Normalform - die Einordnung und Subsumierung der lebendigen Sachverhalte unter die Norm eine Lösung sein kann. Auch dann, wenn die Rechtsnorm der Maßstab der Entscheidung ist, ist die Norm eine Abstraktion und Homogenisierung, die sich auf der Ebene von Besonderheit und Charakteristischem bewegen. Deshalb können auch diese Situationen mit einer Argumentation des methodischen Individualismus, die individuelles Konkretes einführt, problematisiert werden. Dessen ungeachtet - und im Gegensatz zu Schmitt - glauben nur wenige in der Rechtstheorie der Rechtsanwendung, dass aufgrund der in der Individualität

- 330/331 -

zentrifugalen Ebene der existentiellen Konkretheit nicht eine Entscheidung erfolgen könnte, die - infolge der Artikuliertheit des existierenden, des gesellschaftlichen Handelns - aus dem Inhalt der Norm, aus den positiven Rechtssätzen fundiert abgeleitet werden kann. Dies erfolgt nicht mechanisch und automatisch, sondern mit Hilfe der Operationen und Phasen der Rechtsanwendung, sowie mittels der rechtlichen Technik der in der Rechtsauslegung angewandten juristischen Argumentation, weswegen seit Jahrhunderten nur ein Fach, das einen speziellen Zweig in der Arbeitsteilung bildet, die rechtspflegerische Aufgabe ausübt und ausüben kann. Auf der logizistisch-philosophischen Ebene kann man aber immer eine Spannungsverhältnis von deontischer Normenlogik und thematisch nicht reflektiertem Ontizismus erzeugen. Das ist Schmitts Hauptwaffe, die auch wirksam ist. Auf dieser Ebene der Philosophie und in diesem Fall muss man aber von der problemlösenden Fähigkeit der Sachgemäßheit - der konzentrierten Erfahrung und der Gebildetheit - abstrahieren. Diese könnte bei Schmitt implizit, als vermutbarer Inhalt des Begriffs Dezision, sogar vorhanden sein. Darum bemüht er sich allerdings nicht. In der Dezision verschwindet sie gerade deshalb, weil die Normalform nicht die gleiche Natur hat wie die Ausnahmen: sie darf nicht mit der Rechtslücke, die objektiv und subjektiv gleichermaßen entsteht und fundierbar ist, und mit den sogenannten schweren Fällen vermischt werden. Schmitt brachte diese drei Probleme zu nahe zu einander, ja er behandelte sie sogar zusammen - und dies reicht nicht aus, obgleich die Argumente gegen den Methodendualismus und den Gesetzespositivismus, die das Recht dogmatisch, als logisches Bedeutungsgebilde verstehen, oft überzeugend sind. Sein späteres Aufwerfen der Frage entspricht der Tatsache, dass sich die Problemstellungen von Schmitt, der seine Laufbahn als Rechtsphilosoph begonnen hatte, veränderten und er immer mehr zu einem Verfassungsjuristen und Politologen wurde. Das Verfassungsrecht ist in eminenter Weise ein Gebiet, auf dem das Recht besonderen politischen Charakter trägt: neben seinen normativen und institutionenbildenden Funktionen bleibt seine legitimierende Funktion am allerwenigsten zurück bzw. kann am allerwenigsten zurückbleiben. Wir müssen demzufolge also auch weltanschauliche Postulate darin erblicken, wie die rechtsanwendende Entscheidung hinter ihren juristischen Motiven außerrechtliche Motive in den Vordergrund schiebt. Und sie führt auch dann den Aspekt der politischen (im Vergleich zum Recht existierenden) Autonomie ein, wenn diese irreführend ist und wenn sie sich - beispielsweise - auf das Rechtsgefühl des deutschen Volkes beruft. Aus seinen beiden Studien von 1934 geht klar hervor, warum und wie er dies macht.

In seiner Arbeit Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens will er mit drei, theoretisch gleichwertigen Formen des rechtswissenschaftlichen Denkens jene Probleme und paradoxen Situationen lösen, die wir oben dargelegt haben. Es ist nämlich nicht ausreichend, dass wir die Ordnung als norma-

- 331/332 -

tiven Zustand, die den Typus des Regeln- oder Gesetzdenkens vertritt, von der konkreten Entscheidung trennen, die den Entscheidungsgedanken repräsentiert, wie wir dies bislang getan haben, sondern es ist auch notwendig, dass eine höhere Einheit die aufgezeigten Schwierigkeiten löst. An dieser Stelle müssen wir aber darauf verweisen, dass die Synthese, die durch konkretes Ordnungsdenken zu erreichen ist, rechtstheoretisch das reale Problem zum Ausdruck bringt, dass die wichtigste Rechtsschicht der Rechtsordnung immer die Ebene der konkreten Rechtsverhältnisse darstellt. Es ist dies der Ort, wo die Gerichte, die Behörden oder die privaten Seiten die abstrakten, durch Rechtsnormen vorgeschriebenen Rechtsverhältnisse mittels der Interpolation rechtlicher Tatsachen konkretisieren, spezifizieren und individualisieren, um dadurch das Verhalten der Rechtssubjekte als Berechtigte und Verpflichtete mit subjektiven Rechten festzulegen; sie sollen konkrete Rechtsverhältnisse schaffen, modifizieren oder beenden. Der von Schmitt nicht verwendete Begriff beleuchtet klar die sachliche Problemsituation, die durch das konkrete Ordnungsdenken gelöst werden kann -gerade im Gegensatz zur Methodenreinheit von Kelsen, der versucht soziologische, ideologische, politische und moralische Elemente systematisch aus dem Recht auszuschließen. Die Fundierung des konkreten Ordnungsdenkens erfolgt nicht nur mittels der innenpolitischen Bedürfnisse, die die inneren gesellschaftlichen Zustände des Staates zum Ausdruck bringen - wie dies Schmitt in Legalität und Legitimität mit der Unterscheidung des gesetzgebenden, rechtspflegenden, regierenden und verwaltenden Staates noch getan hatte (Schmitt, 1932, S. 7-19.)[11]-, sondern er kann seine Ausfassung unter stillschweigender Entfernung von den staatlichen und innenpolitischen Tendenzen und entsprechend seiner weltanschaulichen Wertewahl auch verrechtlichen. Die Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit der konkreten Rechtsverhältnisse vermengt sich an diesem Punkt mit seiner retrograden, falschen Wertewahl. Schmitt untermauert das konkrete Ordnungsdenken nämlich gleichermaßen mit der Ordnung der Lebensform, mit dem Rechtsempfinden des Volkes, mit dem System des Gewohnheitsrechts und mit der Großartigkeit des charismatischen Führers. Der Dezisionismus erweist sich an diesem Punkt nicht mehr als methodisch fundiertes Instrument zur Lückenfüllung, sondern vielmehr als verstecktes Naturrecht oder als Rechtspolitik - mit einem für uns nicht besonders anziehenden Inhalt.

- 332/333 -

Bei dieser Begründung spielt eine Rolle, dass die Verfassung immer die politische Entscheidung eines Volkes ist - was, abgesehen von den Fällen der oktroyierten Verfassungsgebung, auch stimmt -, aber auch Schmitts Auffassung, dass die Grundlage des konkreten Ordnungsdenkens, also die wichtigste Rechtsebene, weder auf die liberale Vereinigung (auf Konsenstheorien) zurückgeführt werden kann, noch auf die hypothetische Grundnorm (auf den logischen Positivismus Kelsens), noch auf sozioökonomische Gebilde (auf das Gesellschaftsverständnis des marxistischen Sozialismus), sondern anderer Natur ist. Zum einen basiert es auf dem Gewohnheitsrecht der Gemeinschaft, zum anderen auf der individuellen Suprematie der deutschen Nation, wenn "der deutsche Staat die Kraft und den Willen hat, Freund und Feind zu unterscheiden" (Schmitt, 1940, S. 203.), oder wenn der Führer "im Augenblick der Gefahr kraft seines Führertums als oberster Richter unmittelbar Recht schafft" und erklärt: "In dieser Stunde war ich verantwortlich für das Schicksal der deutschen Nation und damit des deutschen Volkes obersten Gerichtsherr." Der wahre Führer ist immer auch Richter. Die richterliche Qualität ist eine Konsequenz des Führertums - fügt der Rechtswissenschaftler hinzu (Schmitt, 1940, S. 200.) - wobei er wahrscheinlich an das konkrete Ordnungsdenken dachte. Neben dem Pfleger der Rechtstheorie rationalisiert aber auch der internationale Jurist die Situation, indem er erklärt, dass die Einheit des Staates - die hier im Kontext des Fehlens der Gewaltenteilung steht - durch die Einheit der äußeren und der inneren Souveränität gebildet wird. Wie der Staat hinsichtlich des internationalen Rechts mit der Benennung des Feindes über das ius ad bellum entscheidet, so muss der Führer-Richter im Inneren bestimmen, wer der Feind ist. Die Bewahrung der Legitimität des monarchischen Staatsideals (Bodin, Hobbes, Donoso Cortés) und der Legitimationsmuster der konstitutionellen Monarchie (Constant) bildete im Zeichen einer antipluralistischen und antisozialistischen Perspektive - denn das rechtsstaatliche Ideal der substantiellen, von Moral und Rechtmäßigkeit getrennten neutralen Legalität zerstörte den deutschen Staat und lieferte ihn seinen Feinden aus - dann 1934 die Grundlage für die Feststellung Schmitts: "der Führer schützt das Recht".

Ausgehend von unserer Werteordnung ist es wünschenswerter, dass uns das Recht schützt. Auch soll die Entscheidung über die konkreten rechtlichen Verhältnisse nicht in den Händen eines Führers, sondern in denen der Justiz liegen - zumindest im Falle unserer stationären gesellschaftlichen Situation.

- 333/334 -

Literatur

Kiss, Lajos Cs.: Egy keresztény Epimétheusz [Ein christlicher Epimetheus], in: Schmitt, Carl: A politikai fogalma. Válogatott politika- és államelméleti tanulmányok [Der Begriff des Politischen. Ausgewählte politik- und staatstheoretische Studien], Budapest 2002, S. 241-286.

Hegel, G. W. F.: Wissenschaft der Logik, 2 Bde., Stuttgart 1936.

Lukács György: Carl Schmitt [ungarisch], in: Az ész trónfosztása [Die Entthronung des Verstandes], Budapest 1978, S. 585-593.

Paczolay, Péter: Bevezetés [Einführung], in: SCHMITT, Carl: Politikai teológia [Politische Theologie], Budapest 1992.

Pethő Sándor, Norma és kivétel. Carl Schmitt útja a totális állam felé [Norm und Ausnahme. Carl Schmitts Weg in Richtung des totalen Staates], Budapest 1993.

Rousseau, Jean-Jacques: A társadalmi szerződésről [Über den Gesellschaftsvertrag], in: Értekezések és filozófiai levelek [Abhandlungen und philosophische Blätter], Budapest 1978.

Schmitt, Carl: Gesetz und Urteil. Eine Untersuchung zum Problem der Rechtspraxis, Berlin 1912.

Schmitt, Carl: Verfassungslehre, München/Leipzig 1928.

Schmitt, Carl: Legalität und Legitimität, München/Leipzig 1932.

Schmitt, Carl: Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens, Hamburg 1934.

Schmitt, Carl: A pluralizmus mint az állam felbomlásának elmélete in: Bayer, József/Hardi Péter (Hrsg.): Pluralizmus [Pluralismus], Budapest 1985, S. 128-133.

Schmitt, Carl: Politikai teológia [Politische Theologie], Budapest 1992.

Schmitt, Carl: Der Hüter der Verfassung, Tübingen 1931.

Schmitt, Carl: Der Führer schützt das Recht, in: Carl Schmitt: Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar - Genf - Versailles 1923-1939, Hamburg 1940.

Schmitt, Carl: A politikai fogalma. Válogatott politika- és államelméleti tanulmányok [Der Begriff des Politischen. Ausgewählte politik- und staatstheoretische Studien], Budapest 2002.

Szigeti, Péter/Takács, Péter: A jogállamiság jogelmélete [Rechtstheorie der Rechtsstaatlichkeit], Budapest 1998.

- 334/335 -

Resümee - Zwei Terrains des Dezisionismus bei Carl Schmitt: auf der Makroebene der Souveränität und auf der Mikroebene des richterlichen Urteils

Der Verfasser analysiert die in der Überschrift der Studie genannten zwei wichtigen Ebenen des Dezisionismus, dieser originalen Leistung von Schmitt. Er erörtert die Analyse des Standpunktes der Politischen Theologie über die Souveränität aus Sicht der Rechtsstaatlichkeit. Eine Klärung der Rechtsordnung des normalen Zustandes, der außergewöhnlichen Ordnung des Ausnahmezustandes und des Verhältnisses zwischen diesen beiden wird durch eine begriffliche Analyse des Verhältnisses Gegensatz, des Widerspruchs und des Widerspruchs der antagonistischen Art möglich. Die kategorialen Differenzen zwischen diesen sind nämlich bei Schmitt infolge des Gebrauchs ,des Intensitätsgrades des Gegensatzes' verschwommen, obwohl das Problem auch in der begrifflichen Analyse des Politischen implizit enthalten ist. Das zwischen den rivalisierenden politischen Kräften bestehende gegensätzliche Freund-Gegner-Verhältnis entspricht nämlich der Rechtsordnung des Normalzustandes, während das Freund-Feind-Verhältnis nur mehr durch die außergewöhnliche Rechtsordnung des Ausnahmezustandes vermittelt werden kann. Und der politischen Qualität des antagonistischen Widerspruchsverhältnisses (Bürgerkriege, gesamtnationale Krisen) entsprechen die (revolutionären, konterrevolutionären) Rechtszustände der illegitimen Rechtsentstehung.

Die nicht ganz unberechtigte "Zurechnungspunkt"-Kritik des Dezisionisten Schmitt wird auf der Mikroebene des richterlichen Urteils von Szigeti durch methodische Metakritik streitig gemacht: er weist darauf hin, dass hier die Aufgabe der Dezision das Ausfüllen des hiatus irrationalis, der zwischen der Normenlogik und der Ontität aufgestellten Spannung sein wird. Der abstrakte Rationalismus von Schmitt überschlägt in einen Irrationalismus an der Stelle, wo er nicht konkretisiert, welcher Natur diese Dezision ist. Die Lokalisierung des Standpunktes des "Normativen Nichts" fasste Schmitt als eine existenzphilosophisch fundierte Gegebenheit auf, die weder begrifflich noch empirisch geprüft werden kann. Nicht unabhängig davon, durch welche philosophischweltanschauliche Motive er sich leiten ließ, als er sich die in der heutigen Rechtsphilosophie fachwissenschaftlich thematisierten Lösungen einst vorstellte.

- 335/336 -

Summary - Carl Schmitt's Two Realms of Decisionism: the Macro-Level of Sovereignty and the Micro-Level of Judicial Decisions

The author analyses the two above-mentioned noteworthy realms of decisionism, which is Schmitt's original theory. Szigeti discusses the notion of sovereignty of political theology from the viewpoint of the rule of law. In order to clarify the relationship between the legal order of the normal state and the emergency order of the state of emergency, the author analyses antinomies of three types: discord, contradiction and antagonism. As Schmitt approaches those categories by examining the "intensity of the level of opposition" in them, the demarcation lines between those categories are blurred even though, implicitly, that issue comes up in the analysis of the notion of the political (das Politische). Note that the antinomy in the friend-opponent relationship corresponds to the legal order of the normal state, while the friend-enemy relationship can only be associated with the emergency legal order of the state of emergency. As far as the political character of antagonistic antinomies is concerned (as for instance, civil wars and nationwide crises), they correspond to the legal states of illegitimate legal phenomena (revolutionary or counterrevolutionary).

On the micro-level of judicial decisions Szigeti challenges Schmitt's partly justified decisionist Zurechnungspunkt [terminus of accountability] with a metacriticism of method: Szigeti points out that decisionism will have the task of an irrational easing of the tension and hiatus between normal logic and onticism. Schmitt's abstract rationalism transforms into irrationalism when he fails to describe in concrete terms the nature of decisionism. For Schmitt the localization of the standpoint of "normative nothingness" cannot be inspected either notionally or experimentally, which Schmitt considers a circumstance that can only be interpreted in terms of existential philosophy. Such a consideration is related to the philosophical motivations Schmitt once had when he created those categories, and which keep recurring in the contemporary discourse of legal theorists. ■

ANMERKUNGEN

[1] Zur umfassenden Darstellung dieser Zeitphase siehe Heinrich August Winkler, Weimar 19181933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie, München 1993; Gyula Tokody/ Emil Niederhauser, Németország története [Die Geschichte Deutschlands], Budapest 1972.

[2] Schmitts Theorie tritt an dem Punkt - wo er die anderenorts als Bürgerkrieg betrachtete Situation analysiert - objektiv in Verbindung mit dem Verständnis vom Feind in Begriff des Politischen. Bezüglich dieses Feindverständnisses erhalten wir nicht nur eine theoretische Konstruktion, sondern Schmitt charakterisiert auch seine entscheidenden Formen: der reguläre Soldat, der Guerilla, der Partisane und der Revolutionär. Auf diese sachliche Verbindung hat zuerst vermutlich György Lukács in seinem 1954 erschienenen Buch verwiesen: "Trotz aller existenzialphilosophischer Verschleierung, trotz der ununterbrochenen Kokettierung mit dem »Leben« und mit der historischen Konkretheit verbirgt sich - als positiver Kern der Rechtssoziologie Schmitts - ein sehr mageres Schema hinter all dieser Polemik: die Reduktion jeder politischen und deshalb rechtlichen und staatlichen Beziehung auf ein Freund-Feind-Schema." (Lukács, 1978, S. 589) Wir müssen hier natürlich kritisch hinzufügen, dass das Schema von Schmitt in erster Linie eine theoretische Durchleuchtung der Politik als spezifische Form des Handelns darstellt - wenn auch ohne gesellschaftstheoretische Fundierung. Insofern ist es "mager", andererseits verfügt dieses Schema über eine sehr starke Erklärungskraft. Von den beiden Richtungen, die im Zuge des Zerfalls der Hegel'schen Philosophie entstanden sind, dem Marxismus und dem Existentialismus, setzte Lukács selbstverständlich ersteren fort, Schmitt letzteren. Wir werden noch dazu kommen, Schmitts Hegelianismus vorzustellen und auch die Frage zu erörtern, wo sich Schmitt bei der Darlegung der sachlichen Probleme in Richtung einer existentialphilosophischen Fundierung orientiert.

[3] Dies soll mit einem Beispiel aus dem Recht untermauert werden: die Normalform der Pflicht zur Entschädigung ("Wer einem anderen unrechtmäßig Schaden zufügt, der ist verpflichtet, dafür aufzukommen") wird nicht dadurch überflüssig, dass sich spezielle Ausnahmen davon herausgebildet haben - beispielweise die Form der vom Verschulden unabhängigen objektiven Verantwortung oder die speziellen Regelungen hinsichtlich der Entschädigung innerhalb eines Arbeitsverhältnisses. Damit wird insgesamt nur die Anwendung der Normalform eingeschränkt, weil sich der Bereich ihrer Bedeutung und Anwendung - gerade durch die Bestimmung der eigenen Ausnahmefälle - genauer abzeichnet.

[4] Schmitt zitiert hier Franz Naumann: "Das für die Reichstagswahl geltende Proportionalwahlrecht und die daraus sich ergebende Vielheit der Parteien führen dazu, daß der Reichskanzler Koalitionsminister sein wird. Gerade aus diesem Grunde wird sich das Bedürfnis nach einer Persönlichkeit, die das Ganze im Auge hat, besonders stark geltend machen."(Schmitt 1931, S. 138.)

[5] Es ist ein versteckter Kelsenismus, dass die theoretische Erfindung des Stufenaufbaus der Rechtsordnung - jeder normative Akt ist, gesehen von der höheren Stufe, lediglich eine Rechtsanwendung, von der eigenen Ebene her betrachtet aber eine Schöpfung - beim Kelsen-Gegner Schmitt als Dezisionismus vor unsere Augen tritt: denn sowohl die Rechtsschöpfung als auch die rechtsanwendende Entscheidung stellen einen Befehl des Souveräns dar (d.h. das richterliche Urteil entscheidet individuelle, konkrete Rechtsstreitigkeiten auf souveräne Weise). Dem könnten wir vielleicht nur hinzufügen, dass es eine noch souveränere Weise ist, wenn der Richter seine Entscheidung nicht aufgrund des Inhalts der Norm trifft, sondern er eine Entscheidungsgrundlage zur Ausfüllung einer Rechtslücke sucht und einführt. Das ist gerade der Fall des vom Richter geschaffenen Rechts, auch wenn es bei weitem nicht die Allgemeingültigkeit der normativen Handlungen besitzt.

[6] Wenn wir das Verhältnis von objektivem, unpersönlichem Gesetz und herrschender Persönlichkeit so festmachen, dass ersteres einen negativen, letzteres hingegen einen positiven Wert hat, dann können wir Schmitt Recht geben. Warum auch sollte ein tyrannisches Gesetzwesen besser sein, als die Ordnung eines aufgeklärten Herrschers. Wenn wir jedoch ein gutes Gesetz und einen guten Herrscher bzw. ein schlechtes Gesetz und einen schlechten Herrscher voraussetzen, dann ist wohl das Postulat von Aristoteles richtig, weil in diesem Fall die Gesetzesordnung noch immer berechenbarer ist, als die Macht eines Herrschers, da die Anpassung an eine Person problematischer ist, als diejenige an eine Rechtsordnung.

[7] Mit rechtlichen Argumentationsweisen und Beweisverfahren, die in schwierigen Fällen nicht aufgrund der Rechtsnormen zu entscheiden sind, die aber mittels anderer Verhaltensmuster (Prinzipien, politische Maßnahmen) beurteilt werden können, befasst sich die eindrucksvolle Arbeit Taking Rights Seriously von Ronald Dworkin aus dem Jahre 1977.

[8] Wenn Schmitt darunter verstehen würde, dass bei der Entscheidung - sagen wir bei der Bestimmung des Strafmaßes - individualisierende Zweckmäßigkeit existiert und/oder die Lösung der Spannung von ius strictum und ius aequm immer eine richterliche Abwägung, eine Frage der Urteilskräfte darstellt, dann würde seine Argumentation der Probe der fachlichen Kritik standhalten. Bei ihm wird auf dieses Problem aber nicht eingegangen.

[9] Hierbei handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Argumentation, die Schmitt in der Politischen Theologie bei der Analyse als Charakteristikum des rechtlichen Denkens gegenüber Hugo Krabbe anwendet: "Omnis interpretacio est auctoritatis interpositio".

[10] Wir denken hier daran, wie Die Wissenschaft der Logik die modalen Kategorien und das Grund-Folge-Verhältnis behandelt. Zum Teil entsteht der neue, vollständige Grund als Synthese der formalen und des realen Grundes. "Diese durch Grund und Bedingung vermittelte, und durch das Aufheben der Vermittelung mit sich identische Unmittelbarkeit ist die Existenz" (Hegel, 1936, S. 596.) Vom Gesichtspunkt der modalen Kategorien lässt Hegel das Neue von der rein abstrakten Möglichkeit über die Eventualität und sporadische Verwirklichung bis zur realen Möglichkeit und bis zu den sich notwendigerweise entfaltenden Prozessen entstehen (Hegel, 1936, S. 662-696.), als Folge eines selbsttätigen, schöpferischen Grundes.

[11] Schmitt haben die verschiedenen Stufen und Erscheinungsformen des Rechts bereits früher beschäftigt. So steht dem auf einem geschlossenen Legalitätssystem basierenden gesetzgebenden Staat, unter dem er eine bestimmte Form der politischen Gemeinschaft verstand, ein zweiter, konstruierter Idealtypus (Staatsform) gegenüber (siehe hierzu Schmitt, Legalität und Legitimität, S. 8.)

Lábjegyzetek:

[1] Széchenyi István Universität, Lehrstuhl für Rechtstheorie, Telefonnummer: (36-96) 503-470, e-mail: szigp@axelero.hu

Tartalomjegyzék

Visszaugrás

Ugrás az oldal tetejére