Megrendelés

Wolfgang Waldstein: Zur Bedeutung des Naturrechts in der Entwicklung des römischen Rechts[1] (IAS, 2008/4., 113-128. o.[1])

Okko Behrends hat das große Verdienst, den Einfluß des "sozialen Naturrechts" des Stoikers Antipater von Tarsos auf die Juristen des zweiten Jahrhunderts vor Christus aufgezeigt zu haben. Er sagt wörtlich: "Die Tragweite der Wendung des Antipater von Tarsos zu einem sozialen Naturrecht liegt nun darin, daß sie kein auf Athen beschränktes, philosophie-geschichtliches Ereignis blieb, sondern alsbald nach Rom drang und dort, wie im folgenden zu zeigen, vor allem auf die Jurisprudenz wirkte. Über diesen Weg hat die Lehre des Antipater eine außerordentliche Folgewirkung gehabt, die in Teilbereichen bis auf den heutigen Tag anhält."[2]

Ungeachtet aller historischen Erfahrungen und der Realität der Rechtsentwicklung Europas ist die Frage des Naturrechts seit dem Ende des 19. Jahrhunderts lange Zeit für endgültig erledigt gehalten worden. Dazu hat vor allem die Reine Rechtslehre von Hans Kelsen maßgeblich beigetragen. Sie hat sich ihrerseits auf Argumente gestützt, die teils auf die Philosophie von Immanuel Kant, teils auf den von August Comte begründeten Positivismus zurückgehen.[3] Der "Neukantianismus", der "positivistische

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Wissenschaftsbegriff ' und der daraus folgende " Wirklichkeits-begriff "[4] haben nahezu die gesamte moderne Rechtsphilosophie und Rechtstheorie mehr oder weniger erfaßt. Gemäß diesem " Wirklichkeits-begriff " ist die Natur, wie Kelsen es formuliert, "ein Aggregat von als Ursache und Wirkung miteinander verbundenen Seinstatsachen".[5] Demnach beruhe "eine Lehre, die behauptet, aus der Natur Normen deduzieren zu können, auf einem fundamentalen logischen Fehler".[6] Man nennt das den naturalistischen Fehlschluß. Was aber Kelsen nicht bemerkt, ist, dass er in Wahrheit einen ganz anderen naturalistischen Fehlschluß begeht, indem er glaubt, von der materiellen Wirklichkeit auf die Nichtexistenz einer immateriellen Wirklichkeit schließen zu können. Damit wird aber gleichzeitig jeder menschlichen Erkenntnis die Grundlage entzogen, weil es dann auch den erkennenden Geist des Menschen nicht geben könnte. Diese Tendenzen hat vor allem auch der "kritische Rationalismus" von Karl Popper und Hans Albert noch verstärkt.[7] Unter diesen Voraussetzungen wurde das Naturrecht als "Trugbild unserer Wunschträume" bezeichnet und behauptet, "daß wir noch niemals eine Kenntnis, sondern nur 'die Illusion einer Kenntnis des Naturrechts' besaßen".[8] Kelsen hat es noch schärfer formuliert, wenn er bei seiner Auseinandersetzung mit den Naturrechtslehren sagt, dass "die verschiedenen Naturrechtslehren ebenso viele und ebenso verschiedene Antworten wie der relativistische Positivismus" geben. Er sagt dann weiter: "Aber jede dieser Naturrechtslehren gibt dem Individuum die Illusion, daß die Gerechtigkeitsnorm, die es wählt, von Gott, der Natur oder der Vernunft stammt, daher absolut gültig ist und die Möglichkeit der Geltung einer anderen ihr widersprechenden Gerechtigkeitsnorm ausschließt; und für diese Illusion bringen viele jedes sacrificium intellectus."[9] Diese Aussage impliziert, dass die gesamte Entwicklung der abendländischen Philosophie seit Platon über Aristoteles und die Stoa zunächst zu Cicero und der ganzen römischen Rechtswissenschaft, dann zu Augustinus, über den hl. Thomas von Aquin, die spanische Naturrechtsschule bis zur Naturrechtslehre der Aufklärung und zu dem Bekenntnis des Deutschen Volkes im vorigen Jahrhundert zu "unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten

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als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt"[10] eine ununterbrochene Kette von sacrificia intellectus gewesen wäre. Ich kann mir diese Aussage Kelsens nur dadurch erklären, dass er nicht weiß, wovon er spricht. Die historische Wirklichkeit, auf die hier einzugehen sein wird, zeigt ein völlig anderes Bild. Nirgends begegnet die Vorstellung, dass man von einer faktischen, nur sinnlich wahrnehmbaren Natur auf Normen geschlossen hat oder auch nur schließen wollte. Bereits Aristoteles hat die Ursache für Irrtümer früherer Philosophen darin erkannt, "daß sie zwar nach der Wahrheit über das Seiende suchten, aber nur das Sinnliche für Seiendes ansahen, ... Daher reden sie zwar nach dem Schein, aber nicht nach der Wahrheit."[11] Cicero ebenso wie Ulpian bezeichnen gerade diese auf Sokrates, Platon und Aristoteles zurückgehende Philosophie, die sich um Wahrheit bemüht, als die wahre[12] .

Bevor ich aber auf die römische Rechtswissenschaft eingehe, ist zu bemerken, dass die eben geschilderten Auffassungen auch die rechtshistorische Forschung erfasst haben. Wenn es, wie der Positivismus meint, kein Naturrecht geben könne, hätten auch die römischen Juristen davon in Wahrheit nicht sprechen können. Bezugnahmen auf das Naturrecht in Texten klassischer Juristen seien daher nachklassischen oder justinianischen Interpolationen zuzuschreiben[13] . Bei diesen Interpolationsbehauptungen wird für die nachklassische Zeit eine besondere Vorliebe für das Naturrecht einfach stillschweigend vorausgesetzt. Dies hat mich zur eingehenden Untersuchung der Frage veranlasst, ob sich aus nachweislich nachklassischen Quellen einschließlich der von Justinian stammenden Konstitutionen eine solche Vorliebe beweisen läßt. Der Befund ist eindeutig: Die nachklassischen Quellen belegen vor Justinian eine Verkümmerung oder den gänzlichen Wegfall von Bezugnahmen auf das Naturrecht, die in nachweislich klassischen Quellen, wie vor allem den Institutionen des Gaius, enthalten sind. Bei Justinian ist in den Institutionen und Digesten ein neues Interesse für klassische Bezugnahmen auf das Naturrecht klar erkennbar. Eine besondere Vorliebe für das Naturrecht oder gar eine neue Theorie, die justinianische

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Interpolationen in klassischen Texten erklären könnten, sind aber in den umfangreichen Konstitutionen und Novellen aus justinianischer Zeit nicht bezeugt[14] . In den von Tribonian verfaßten 222 Konstitutionen des Codex Justinianus von September 529 bis November 531, die mehr als den doppelten Umfang des gesamten Institutionentextes haben, wird nur noch zweimal auf das ius naturale verwiesen. Dabei wird ius naturale in dem von Gaius bezeugten Sinne verwendet. Die wohl eigentliche griechische Entsprechung für ius naturale,

, kommt in dem

so überaus umfangreichen Material der Novellen nur einmal vor. Dies alles beweist, dass der Begriff ius naturale, wie er in klassischer Zeit verwendet wurde, in justinianischer Zeit zwar wieder aufgegriffen wurde, nicht jedoch einer justinianischen Neuerung zu verdanken ist. Unabhängig haben auch Max Kasers gleichzeitig durchgeführte Untersuchungen zum ius gentium[15] diesen Befund bestätigt. Es kann daher als gesichert angesehen werden, dass die überlieferten Quellen die klassischen Aussagen zum ius naturale korrekt wiedergeben.

Damit stellt sich die Hauptfrage, was sich aus den überlieferten Texten über das ius naturale entnehmen läßt. Ich möchte zunächst 1. einige allgemeine Aussagen klassischer Juristen über das Naturrecht in gebotener Kürze in Erinnerung rufen, sodann zweitens die praktische Anwendung naturrechtlicher Normen und ihre Bedeutung für das römische Recht zeigen und schließlich 3. die Ergebnisse kurz zusammenfassen.

I. Allgemeine Aussagen der Klassiker über Naturrecht

Ein zentraler Text ist von den Kompilatoren an die Spitze der Digesten, also jenes Werkes gestellt worden, mit dem uns der Großteil unserer Kenntnis der Arbeit der römischen Rechtswissenschaft überliefert wurde. Dieses Werk hat nach seiner Wiederentdeckung im Mittelalter zur Gründung der Universität Bologna geführt und in der Folgezeit die gesamte Entwicklung der europäischen Rechtskultur maßgeblich geprägt.

Die Bedeutung des ius naturale im römischen Recht wird schon dadurch unmittelbar klar, dass Ulpian in D. 1, 1, 1, 2 das ius naturale neben ius gentium und ius civile als eine der Quellen des Privatrechts anführt. Er führt es aber nicht nur als eine zweite oder letzte Quelle an, sondern als die erste. Der Text lautet im Zusammenhang: privatum ius tripertitum est: collectum etenim est ex naturalibus praeceptis aut gentium aut civilibus (Abweichend von der neuen Digestenübersetzung[16] möchte ich den Text folgendermaßen übersetzen: "Das Privatrecht ist dreigeteilt. Denn es ist aus Naturrecht (natürlichen Vorschriften) oder ,Völkergemeinrecht' oder ,Zivilrecht' zusammengesetzt". Im anschließenden § 3 erklärt er dann zuerst das ius naturale und sagt wörtlich: Ius naturale est, quod natura omnia animalia docuit ("Naturrecht ist das, was die Natur alle Lebewesen gelehrt hat"). Diese Definition hat Anlaß zu

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vielen Kontroversen zur Frage der Echtheit des Textes[17] ebenso wie zum Inhalt gegeben. Die Tatsache, dass Ulpian hier auch die Tiere als Teilhaber am Naturrecht bezeichnet, hat ihre Vorbilder in der griechischen Philosophie, auf die ich hier nicht näher eingehen kann. In unserem Zusammenhang wichtig ist jedoch die Aussage Ulpians, dass auch das ius civile keineswegs ganz außerhalb des ius naturale steht. In D. 1, 1, 6 pr. sagt er: Ius civile est, quod neque in totum a naturali vel gentium recedit necper omnia ei servit: itaque cum aliquid addimus vel detrahimus iuri communi, ius proprium, id est civile efficimus ("Das Zivilrecht ist das Recht, das weder vom Naturrecht oder Völkergemeinrecht völlig abweicht noch beiden in allen Punkten folgt. Wenn wir daher jenem allgemeinen Recht eine Regelung hinzufügen oder wegnehmen, schaffen wir dadurch ein besonderes Recht, nämlich unser Zivilrecht"). Damit wird klar, dass auch das ius civile nicht einfach durch gesetzgeberische Willkür aus dem Nichts geschaffen wird, sondern die Existenz der beiden anderen Normenordnungen, nämlich ius naturale und ius gentium, bereits voraussetzt. Ius civile ist nach dieser Aussage lediglich eine Modifikation des bereits vorgegebenen ius commune, das Ulpian hier bereits mit diesem Terminus bezeichnet. Das europäische ius commune seit dem Mittelalter hat diesen Begriff bereits vorgefunden. Um ein Beispiel für das Verhältnis des ius civile zum ius commune zu nennen: Nach ius gentium oder ius naturale kann Eigentum durch den Willen des Eigentümers und Übergabe der Sache in Verbindung mit einem Rechtsgrund, wie etwa Schenkung oder Kaufvertrag, auf einen anderen übertragen werden. Das ius civile hat jedoch für bestimmte Sachen, die res mancipi, besondere Formerfordernisse hinzugefügt.

So einfach und klar diese Aussagen Ulpians und anderer Juristen sind, wie etwa des Paulus in D. 1, 1, 11, der als ius naturale jenes Recht bezeichnet, das semper aequum ac bonum est, so haben die eingangs genannten Theorien gleichwohl die Möglichkeit der Existenz eines Naturrechts einfach bestritten. Versucht man die heutige Diskussion der Naturrechtsfrage zu überblicken, so kann man von der Verschiedenheit und Gegensätzlichkeit der Auffassungen nur verwirrt sein. Aber das ist nicht neu. Bereits Cicero hat einen sehr beachtlichen erkenntnistheoretischen Exkurs in seinem Werk über die Gesetze formuliert.

Er sagt in leg. 1,47: sed perturbat nos opinionum varietas hominumque dissensio, et quia non idem contingit in sensibus, hos natura certos putamus, illa, quae aliis sic, aliis secus nec isdem semper uno modo videntur, ficta esse dicimus[18] ; quod est longe aliter, nam sensus nostros non parens, non nutrix, non magister, non poeta, non scena

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depravat, non multitudinis consensus abducit; at vero animis omnes tenduntur insidiae vel ab iis, quos modo enumeravi, qui teneros et rudes cum acceperunt, inficiunt et flectunt, ut volunt, vel ab ea, quae penitus in omni sensu implicata insidet, imitatrix boni, voluptas, malorum autem mater omnium; cuius blanditiis corrupti, quae natura bona sunt, quia dulcedine hac et scabie carent, non cernunt satis. ("Aber es bringt uns die Vielgestaltigkeit der Meinungen und der Menschen Uneinigkeit in Verwirrung, und weil dasselbe nicht bei den Sinneswerkzeugen eintritt, halten wir diese für sicher; von jenem, das den einen so, anderen anders und denselben Leuten nicht immer auf die gleiche Weise erscheint, sagen wir, es sei bloß ausgedacht. Das verhält sich (jedoch) ganz anders: denn unsere Sinneswerkzeuge verderben kein Vater, keine Amme, kein Lehrer, kein Dichter, keine Bühne; keine Einigkeit (oder eher: keine Zustimmung) der Masse zieht sie von der Wahrheit ab. Den Seelen (aber) werden alle Fallen gestellt, entweder von denen, die ich eben aufzählte, die sie vergiften und nach ihrem Willen verbiegen, wenn sie sie zart und unerfahren in die Hand bekommen haben, oder von ihr, die tief allen Sinnen verflochten innewohnt, nämlich die Vortäuscherin des Guten, die Lust, in Wirklichkeit die Mutter aller Übel; durch ihre Verlockungen verdorben, sehen sie das von Natur aus Gute nicht klar, weil es diese Süßigkeit und diesen Reiz nicht besitzt").

Dieser Exkurs steht im Zusammenhang mit der Frage, nach welchen Kriterien ein Gesetz als gut oder schlecht beurteilt werden kann (Cic. leg. 1, 42 ff.). Cicero sagt dazu, dass man ein gutes Gesetz von einem schlechten nach keiner anderen Norm als jener der Natur unterscheiden kann. Weil aber nun gerade darüber, was Norm der Natur sei, so verschiedene oder gegensätzliche Auffassungen bestehen, meine man, die Norm der Natur sei in Wahrheit ein Phantasiegebilde (ficta). Das wird im Gegensatz zu den Gegenständen der sinnlichen Wahrnehmung gesehen, bei der es diese Meinungsverschiedenheiten nicht gebe und die deswegen für sicher gehalten werden. Die weiteren Aussagen Ciceros enthalten in klassischer Kürze eine Reihe von Erklärungen dafür, warum es zu einer solchen opinionum varietas kommen kann und auch tatsächlich kommt. Darauf kann ich hier nicht näher eingehen. Eines aber kann ich und muß ich bereits hier feststellen: Weder die verschiedenen Ansätze der Kritik an bestehenden Naturrechtskonzeptionen noch die Versuche der Begründung des Naturrechts können die bereits in der Antike erarbeiteten Erkenntnisgrundlagen einfach ignorieren. Sie sind durch keine der neuen Theorien gegenstandslos gemacht. Die Aussage etwa, hinter Kant führe kein Weg zurück, ist ebenso unhaltbar wie vieles andere auch. Kant vermochte nicht die unendliche Fülle wahrer Erkenntnisse seit der Antike einfach in nichts aufzulösen.

In der ganzen vorausgehenden Tradition der, wie Cicero und Ulpian es ausdrücken, wahren Philosophie[19] wurde das Naturrecht als Realität erkannt. Ich möchte hier nur einen wichtigen Text Ciceros sprechen lassen. In rep. 3, 33 sagt er: "Das wahre Gesetz ist gewiß die richtige, mit der Natur im Einklang stehende Ordnung, die über alle ausgebreitet, unwandelbar und ewig ist". "Diesem Gesetz etwas von seiner Gültigkeit zu nehmen, ist Frevel, ihm irgendetwas abzudingen, unmöglich, und es

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kann ebensowenig als Ganzes außer Kraft gesetzt werden. Wir können aber auch nicht durch den Senat oder das Volk von diesem Gesetz gelöst werden, ... noch wird in Rom ein anderes Gesetz sein, ein anderes in Athen, ein anderes jetzt, ein anderes später, sondern alle Völker"[20] wird zu allen Zeiten ein einziges, ewiges und unveränderliches Gesetz umschließen (continebit) "und einer wird der gemeinsame Meister gleichsam und Herrscher aller sein: Gott! Er ist der Erfinder dieses Gesetzes, sein Schiedsrichter, sein ... Gesetzgeber, wer ihm nicht gehorcht, wird sich selber fliehen und das Wesen des Menschen verleugnend wird er gerade dadurch die schwersten Strafen büßen, auch wenn er den übrigen Strafen, die man dafür hält, entgeht"[21]

Dieser Text bedürfte eingehender Würdigung. Hier kann ich nur sagen, dass die römischen Juristen an alle diese Erkenntnisse, die Cicero besonders in seinem Werk De legibus ausführlicher ausbreitet, anknüpfen konnten. Sie brauchten daher nicht über Naturrecht zu theoretisieren. Sie konnten von den schon der Vernunft einleuchtenden Rechten ausgehen. Dies hat inzwischen der große Romanist Max Kaser, zweifellos einer der besten Kenner der Quellen, in seiner Schrift 'Zur Methode der römischen Rechtsfindung' (1969[2] ) eindrucksvoll im einzelnen aufgezeigt. Er gelangt zu der wohlbegründeten Erkenntnis, dass nach "den Eindrücken, die die juristische Überlieferung zuverlässig vermittelt", bei der Rechtsfindung der römischen Juristen "die Gewinnung der richtigen Entscheidung durch ein unmittelbares Erfassen" im Vordergrund stand. Kaser selbst verwendet für dieses unmittelbare Erfassen den Ausdruck "Intuition". Dies ist jenes Erkenntnismittel, das besonders seit Aristoteles als eine der wesentlichen Methoden philosophischen Erkennens klargestellt ist. Die bei Aristoteles dafür gebrauchten Bezeichnungen sind vor allem

und

In eth. Nic. 1, 7; 1098 b 3 f., wird denn auch gleich eine erste "Methodendifferenzierung" eingeführt:

Dirlmeier übersetzt: "Von den Grundgegebenheiten werden die einen durch Induktion erkannt, die anderen durch Intuition, die dritten durch eine Art von Gewöhnung und andere wiederum auf andere Weise"[22] . Wenn man die Werke von Aristoteles studiert, besonders die Metaphysik, dann wird klar, dass es für zahlreiche Grundgegebenheiten keinen anderen Weg der Erkenntnis als unmittelbares Erfassen gibt, das Aristoteles selbst ständig praktiziert. Zur Einsicht in den Satz vom Widerspruch in metaph. 4, 3; 1005 b 19 f. sagt er daher in metaph. 4, 4; 1006 a 5-11: "Einige nun wollen das auch aus Mangel an philosophischer Bildung beweisen; denn ein solcher Mangel ist es, wenn man nicht weiß, wofür man einen Beweis zu fordern hat und wofür nicht. Denn es ist ganz unmöglich, daß es für alles ohne Ausnahme einen Beweis gibt; denn es ginge ins Unendliche, so daß auch so kein Beweis zustande käme"[23] .

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Bei der Darstellung des Naturrechts im römischen Recht geht es daher nicht darum, irgendeine Theorie des Naturrechts zu konstruieren, sondern schlicht und einfach darum, eine sich in der historischen Wirklichkeit entfaltende "Naturrechtspraxis" - wenn ich dieses Wort zunächst einfach so gebrauchen darf - an Hand der Realität des römischen Rechts darzustellen. Diese "Naturrechtspraxis" ist dadurch gekennzeichnet, dass allgemeine Aussagen über Naturrecht ebenso selbstverständlich von dessen Existenz und Erkennbarkeit ausgehen wie die Anwendung im Einzelfall. Eine theoretische Diskussion mit den von Cicero beklagten Meinungsverschiedenheiten ist bei den römischen Juristen nicht feststellbar. Vor allem aus der Periode der klassischen römischen Rechtswissenschaft sind mehr oder minder umfangreiche Fragmente von immerhin fast 100 Juristen überliefert. Es gibt zahlreiche Meinungsverschiedenheiten in Einzelfragen, aber nicht in Grundfragen des Naturrechts. Die unterschiedlichen Meinungen in Einzelfragen wieder bewegen sich durchwegs im Rahmen möglicher Alternativen. Man muß sich dabei vergegenwärtigen, was bereits Aristoteles in seiner Nikomachischen Ethik mehrfach betont, dass nicht in jeder Wissenschaft das gleiche Maß an Genauigkeit möglich ist. Er sagt gleich am Anfang der Nikomachischen Ethik: "der logisch geschulte Hörer wird nur insoweit Genauigkeit auf dem einzelnen Gebiet verlangen, als es die Natur des Gegenstandes zuläßt"[24] . Alfred Verdross hat mit Recht dazu festgestellt: "Diese Einsicht darf uns nicht zu dem falschen Schluß verleiten, daß eine rationale Lösung solcher Probleme unmöglich sei, wie oft behauptet wird, wenngleich nicht bestritten werden soll, daß bisweilen mehrere gleichwertige Lösungen gefunden werden können. Denn auch in diesen Fällen handelt es sich um rationale Entscheidungen und nicht um willkürliche Dezisionen eines Machthabers"[25] .

II. Praktische Anwendungen naturrechtlicher Normen

Die Klärung der Frage, wie weit römische Juristen naturrechtliche Normen praktisch angewandt haben, ist dadurch erschwert, dass die römischen Juristen keinen besonderen Wert auf eine einheitliche Terminologie gelegt haben. Faktisch naturrechtliche Überlegungen treten daher nicht nur im Zusammenhang mit dem Terminus ius naturale auf, sondern auch in Überlegungen zum ius gentium, zur naturalis aequitas oder ratio und in vielen anderen Zusammenhängen, selbst dann, wenn der Text keine Verbindung auch nur zu irgendeinem der mit ius naturale in Beziehung stehenden Begriffe zeigt. Aber es gibt immerhin eine ganze Anzahl von Texten, in denen ausdrücklich auf das ius naturale Bezug genommen wird. Die Frage der Echtheit dieser Bezugnahmen brauche ich hier nicht zu erörtern. Wie bereits erwähnt, ließ sich

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zeigen, dass die Behauptung, alle diese Bezugnahmen auf ius naturale seien nachklassische oder justinianische Interpolationen, durch die nachweislich aus nachklassischer und justinianischer Zeit stammenden Texte klar widerlegt wird[26] . Dazu kommt, dass in den Institutionen des Gaius, die als einziges Werk eines klassischen Juristen relativ vollständig unabhängig von Justinians Kodifikation erhalten sind, ius naturale mehrfach belegt ist.

So stellt etwa Gaius in inst. 1, 156 der agnatischen Verwandtschaft des ius civile die kognatische oder Blutsverwandtschaft des ius naturale gegenüber. In inst. 1, 158 sagt er: Sed agnationis quidem ius capitis deminutione perimitur, cognationis uero ius eo modo non commutatur, quia ciuilis ratio ciuilia quidem iura corrumpere potest, naturalia uero non postest (Das Recht der agnatischen Verwandtschaft wird durch Statusveränderung, capitis deminutio, aufgehoben, das Recht der Blutsverwandtschaft wird jedoch auf diese Weise nicht verändert, weil die zivile Regel zwar zivile Rechte aufheben kann, natürliche dagegen nicht)[27] . Damit stellt der hochklassische Jurist Gaius klar, dass Bestimmungen des ius civile an den nach ius naturale gegebenen Rechten nichts ändern können. Dies gilt auch für die naturrechtlichen Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Sklaven. obwohl zwischen Sklaven nach ius civile keinerlei Verwandtschaftsbeziehungen bestehen können, weil ihnen nach ius civile die Rechtsfähigkeit fehlt, sind doch ihre verwandtschaftlichen Beziehungen nach ius naturale zu beachten. So sagt Paulus D. 23, 2, 14, 2 im Zusammenhang mit den Ehevoraussetzungen: Serviles quoque cognationes in hoc iure observandae sunt (In diesem Recht sind auch die Verwandtschaften unter Sklaven zu beachten). Demnach darf nach der Freilassung der Sohn nicht mit seiner Mutter, der Vater nicht mit seiner Tochter eine Ehe schließen. Paulus fügt als Begründung an: quoniam in contrahendis matrimoniis naturale ius et pudor inspiciendus est (Denn bei Eheschließungen ist das Naturrecht und die Sittlichkeit zu berücksichtigen).

Ganz allgemein sagt Ulpian D. 1, 1, 4, dass nach ius naturale alle Menschen frei geboren wurden, und in D. 50, 17, 32, dass nach ius naturale alle Menschen gleich sind: Quod attinet ad ius civile, servi pro nullis habentur: non tamen et iure naturali, quia, quod ad ius naturale attinet, omnes homines aequales sunt. Dass in der Antike daraus nicht die entsprechenden Folgerungen durch Beseitigung der Sklaverei gezogen werden konnten, ist eine der tragischen Erscheinungen der Menschheitsgeschichte. Wo aus welchen Gründen auch immer entstandene allgemeine Bräuche sich allgemein durchgesetzt haben, wie in der Einrichtung der Sklaverei nach ius gentium, oder übermächtige egoistische Interessen die Verwirklichung erkannten Rechtes verhindern, steht das Recht auch heute dem politischen Willen machtlos gegenüber. Da helfen auch moderne kodifizierte Menschenrechte nichts. Wenn es die Mehrheit will, ist auch das menschliche Leben, trotz der Bestimmungen des Art. 2 der MRK, nicht geschützt. Tatsächlich haben ja Mehrheiten bereits in der ganzen Welt unerwünschtem

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menschlichem Leben den Rechtsschutz entzogen und es praktisch beliebiger Tötung preisgegeben[28] .

Was nun weitere praktische Anwendungen des ius naturale betrifft, so ist vor allem ein Text Ulpians hervorzuheben, in dem unter Berufung auf den frühklassischen Juristen Cassius das Recht, (rechtswidrige) Gewaltanwendung (vis) mit (angemessener) Gewalt abzuwehren, auf das ius naturale zurückgeführt wird. In D. 43, 16, 1, 27 sagt Ulpian: Vim vi repellere licere Cassius scribit idque ius natura comparatur: apparet autem, inquit, ex eo arma armis repellere licere. Florentinus sagt dazu in D. 1, 1, 3: nam iure hoc evenit, ut quod quisque ob tutelam corporis sui fecerit, iure fecisse existimetur, et cum inter nos cognationem quandam natura constituit, consequens est hominem homini insidiari nefas esse ("Denn nach diesem Recht [gemeint ist das ius gentium] wird alles, was man zum Schutze seiner Person tut, als rechtmäßig angesehen. Und da die Natur unter uns so etwas wie eine Verwandtschaft begründet hat, folgt daraus, daß es frevelhaft ist, wenn ein Mensch dem anderen nach dem Leben trachtet"). Hier wird die naturrechtliche Verwandtschaft aller Menschen zur Begründung des Selbstverteidigungsrechtes angeführt. Noch die Satzung der Vereinten Nationen anerkennt bekanntlich im Art. 51 "das von Natur gegebene Recht individueller oder kollektiver Selbstverteidigung im Falle eines bewaffneten Angriffs". Der französische Text hat: "droit naturel de legitime defense", der englische: "the inherent right of ... self-defense". Die Formulierung wirkt fast wie eine Übersetzung des Ulpian-Textes.

Im Bereich des Sachenrechtes sagt Gaius in inst. 2, 65 im Anschluß an die Darstellung verschiedener Fragen des Eigentumsrechts: Ergo ex his, quae diximus, apparet quaedam naturali iure alienari, qualia sunt ea, quae traditione alienantur, quaedam civili: nam mancipationis et in iure cessionis et usucapionis ius proprium est civium Romanorum (Aus dem, was wir gesagt haben, wird klar, dass gewisse Sachen auf Grund von Naturrecht veräußert werden, das sind jene, die durch Übergabe übereignet werden, andere nach Zivilrecht. Denn das Recht der Manzipation, der Abtretung in iure und der Ersitzung ist ein Eigenrecht römischer Bürger). Im anschließenden § 66 sagt er, dass Sachen, die in niemandes Eigentum stehen, ebenfalls nach Naturrecht durch Aneignung erworben werden: Nec tamen ea tantum, quae traditione nostra fiunt, naturali nobis ratione adquiruntur, sed etiam quae occupando ideo consequi poterimus, quia antea nullius essent, qualia sunt omnia, quae terra mari caelo capiuntur. Ferner führt Gaius die Regel, dass das

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Eigentum an einem Gebäude dem Eigentum am Grundstück folgt (superficies solo cedit) auf das ius naturale zurück (inst. 2, 73).

Für den Bereich des obligationenrechts ist die Feststellung von Gaius in D. 4, 5, 8 wichtig, die in einem ähnlichen Zusammenhang steht, wie die Aussage über die Verwandtschaft in inst. 1, 158, dass jene obligationen, die auf einer natürlichen Verbindlichkeit beruhen, "durch Statusänderung nicht erlöschen, weil eine zivilrechtliche Regel naturrechtliche Verhältnisse nicht aufheben kann": Eas obligationes, quae naturalem praestationem habere intelleguntur, palam est capitis deminutione non perire, quia civilis ratio naturalia iura corrumpere non potest. itaque ,de dote'actio, quia in bonum et aequum concepta est, nihilo minus durat etiam post capitis deminutionem. Also, die zivilrechtliche Veränderung des status einer Person berührt jene Obligationen nicht, die naturalem praestationem habere intelleguntur. Wie die Begründung zeigt, sind das faktisch alle obligationen, die nicht zivile sind. Sogar die zivilrechtliche, strengrechtliche condictio wird, wie Paulus D. 12, 6, 15 pr. sagt, im Falle der Rückforderung einer irrtümlich erbrachten nicht geschuldeten Leistung zur naturalis, das heißt, sie ist naturrechtlich begründet: Indebiti soluti condictio naturalis est et ideo etiam quod rei solutae accessit, venit in condictionem. Im vorausgehenden Fragment D. 12, 6, 14 (21 ad Sab.) sagt Pomponius, es ist von Natur aus gerecht, dass sich niemand mit dem Schaden eines anderen bereichert: Nam hoc natura aequum est neminem cum alterius detrimento fieri locupletiorem. Diese Aussage hat Pomponius in einem späteren Werk (9 ex variis lectionibus)[29] so formuliert: Iure naturae aequum est neminem cum alterius detrimento et iniuria fieri locupletiorem. Dieser Text wurde von der Kommission Justinians in eine Sammlung von Rechtsregeln im letzten Digestentitel als Fragment 50, 17, 206 aufgenommen. Dass die beiden verschiedenen Fassungen in die Digesten aufgenommen wurden, zwingt nicht zur Annahme, dass eine von ihnen interpoliert wäre.

An den Tatbestand des römischen Diebstahlsdelikts furtum, das weiter ist als der moderne Diebstahl und gewisse Betrugs- und Veruntreuungsfälle mitumfaßt, knüpft Paulus in D. 47, 2, 1, 3 die Feststellung an, dass es nach Naturrecht verboten ist, dieses zu begehen: quod lege naturali prohibitum est admittere. Dieser Einsicht entspricht eine Formulierung im früheren österreichischen Strafgesetzbuch, in dem es hieß: "Die in diesem Teile des Strafgesetzes vorkommenden Vergehen oder Übertretungen sind insgesamt Handlungen oder Unterlassungen, die jeder als

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unerlaubt von selbst erkennen kann" (§ 233 StG 1852). Das österreichische ABGB spricht im § 16 auch von den natürlichen, schon durch die Vernunft einleuchtenden Rechten[30] . Der Mensch wird als fähig erkannt und anerkannt, das natürliche Recht und Unrecht mit dem natürlichen Licht der Vernunft zu erkennen. Diese Erkenntnisse sind besonders von Cicero ausführlich entwickelt worden[31] .

Was nun die "Naturrechtspraxis" der römischen Juristen betrifft, so hat bereits Fritz Schulz in seinem Werk 'Prinzipien des römischen Rechts' zu deren Schriften feststellen können: "Weithin macht der Vortrag der Juristen einen fast mathematischen Eindruck oder besser den Eindruck eines Naturrechtes. ... Überall ist hier ohne weiteres deutlich, daß die Jurisprudenz sich nicht begnügen will mit der Darstellung des positiven, derzeit geltenden römischen Rechts, daß sie vielmehr um die Herausarbeitung eines Naturrechts bemüht ist. Daher auch die eigentümliche Art der Darstellung, die ihre Sätze nicht eigentlich beweist, sondern unmittelbar aus der Betrachtung der Lebensverhältnisse findet, sie aus der ratio iuris schöpft. Daher ihre naturrechtliche Sicherheit, ,.."[32] Schulz hat hier zweifellos einen wesentlichen Sachverhalt richtig gesehen, nämlich, dass die römischen Juristen bei ihren nüchternen, gänzlich sachbezogenen Bemühungen um gerechte Lösungen konkreter Rechtsfälle unmittelbar und selbstverständlich natürliche Normen, eben Naturrecht, praktisch angewandt haben. Es ist eben das, was ich früher mit "Naturrechtspraxis" meinte. Diese Erkenntnisse sind durch die neuere Forschung weitgehend bestätigt und noch weiterentwickelt worden[33] . Damit ist hinreichend klargestellt, welche Bedeutung das Naturrecht für die Entwicklung des römischen Rechtes hat.

Es ließen sich nun zahlreiche Beispiele dafür anführen, für wie viele konkrete Rechtsfragen das römische Recht auch heute praktische Bedeutung hat. Ich möchte nur eines von allgemeiner Bedeutung hervorheben: Das österreichische ABGB hat mit § 7 eine Bestimmung, mit welcher der Richter angewiesen wird, im Falle, dass ein Rechtsfall weder nach dem Wortlaut des Gesetzes noch durch Analogie zu lösen ist, diesen nach den natürlichen Rechtsgrundsätzen zu entscheiden. Es ist nun eine in der Literatur und in Kommentaren umstrittene Frage, was diese natürlichen Rechtsgrundsätze sind[34] . Im Jahre 1877 hatten noch Pfaff-Hofmann in ihrem Kommentar zu § 7 ABGB die natürlichen Rechtsgrundsätze im römischen Recht gesehen. Sie haben dabei mit Recht auf eine Feststellung von Rotteck verwiesen, welche das Bewußtsein von der Beziehung des römischen Rechts zum Naturrecht verdeutlicht:

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"Die römische Rechtsgesetzgebung ist ihrem vorherrschenden Charakter nach (und abgesehen von den aus besonderen politischen, religiösen und sittlichen Verhältnissen geflossenen Instituten) blos eine positive Verkündung und, wo es Noth thut, nähere Bestimmung des Vernunftrechtes". Sie zitieren dort auch Zachariä, der gesagt hat: "Denn überhaupt ist das röm. R. größtentheils ein in seinen Folgerungen dargestelltes Naturrecht"[35] .

Dieses Recht hat bis zu den Kodifikationen der Neuzeit das europäische Recht wesentlich mitgestaltet. Ihm verdanken wir unsere Rechtskultur.

III. Ergebnisse

Versuchen wir die Ergebnisse dieser kurzen Durchsicht der Quellen zusammenzufassen, so können wir sagen: Die römischen Juristen haben das Naturrecht als eine dem Menschen vorgegebene und für diesen mittels seiner Vernunft erkennbare normative ordnung mit Selbstverständlichkeit als verbindlich erkannt und in konkreten Entscheidungen angewandt. Mit dieser Arbeit haben die römischen Juristen die konkrete Kenntnis des Naturrechts in der praktischen Anwendung erschlossen und es dadurch auch zu einer historischen Realität gemacht. Paul Koschaker kann als Folge dieser Realität in seinem Buch Europa und das römische Recht von einem europäischen Naturrecht sprechen, "das nicht spekulativ aus der Vernunft, sondern streng historisch aus der Vergleichung derjenigen Privatrechtssysteme gewonnen wird, die zum rechtlichen Aufbau Europas und darüber hinaus der ganzen Kulturwelt beigetragen haben, an der Spitze das römische Recht, das die Verbindung zwischen diesen Rechtssystemen herstellt; ein Naturrecht, das die Rechtserfahrungen aller Kulturvölker sammelt, die Europa aufbauen geholfen haben"[36] . Dieses Naturrecht ist auch die Grundlage der modernen Menschenrechte. Von diesen hat Martin Kriele mit Recht gesagt: "Menschenrechte sind Naturrecht. ..." Sie "gelten zeitlich gesehen ewig, räumlich gesehen überall in der Welt; sie sind in der Natur oder in Gottes Schöpfung verwurzelt, sie haben den Charakter der Heiligkeit und Unverbrüchlichkeit"[37] . Wäre es anders, dann könnte es auch die "unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt" nicht geben, zu denen sich das Deutsche Volk im Art. 1 Abs. 2 des Grundgesetzes von 1949 bekennt. Denn dann hinge alles von jeweiligen Mehrheitsentscheidungen ab. Diese aber können jedes Recht praktisch unwirksam die naturrechtlichen Grundlagen umachen, auch das menschliche Recht auf Leben. Daher ist eine Wiederbesinnung auf nserer Rechtsordnung alles andere als eine theoretische Spielerei. Nur wenn diese Grundlagen wieder mehr bewußt werden,

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kann es einen wirksamen Schutz der Menschenrechte geben. Die Bildung des Rechtsbewußtseins ist daher eine der wichtigsten Aufgaben, um eine menschenwürdige Zukunft der Menschheit zu sichern.

Weil Menschenrechte in ihrem Wesen Naturrecht sind[38], spielen die Erkenntnisse der römischen Rechtswissenschaft zum Naturrecht auch heute eine wichtige Rolle. Papst. Johannes Paul II. konnte sich in seiner Enzyklika Evangelium vitae auf diese Erkenntnisse stützen[39], die zeigen, dass sie nicht vom christlichen Glauben abhängen, sondern dem natürlichen Licht der Vernunft zugänglich waren und sind. Sie gelten daher unabhängig von einem Glauben für alle Menschen aller Zeiten. Dies hat der römische Staatsmann und Philosoph Cicero in seinem Werk über den Staat, das wohl im Jahre 51 v. Chr. erschienen ist, besonders in dem oben (bei Anm. 21) zitierten Text nachdrücklich unterstrichen. Wenn Cicero dort sagt, dass bei Missachtung dieser ordnung der Mensch sein eigenes Wesen verleugnet, so kann man heute feststellen, in welchem Maße dies wirklich geschieht. Es können nach vorsichtigen Schätzungen weltweit jährlich um die 60 Millionen ungeborener Kinder getötet werden, und es wird sogar behauptet, es bestehe ein Menschenrecht darauf. Eines der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte ist zweifellos im Jahr 1968, dem Jahr weltweiter Studentenrevolutionen, von einem ad hoc Komitee der Harvard Medical School durch die Einführung des "Hirntodkriteriums" aufgeschlagen worden. Das einerseits edle Motiv, vom Tod bedrohten Patienten durch Organtransplation das Leben zu retten, hat, wie inzwischen durch sorfältigste Nachweise und durch dokumentierte Fälle außer Zweifel gestellt ist, dazu geführt, dass in einem unbekannt großen Ausmaß das Retten des Lebens eines Patienten unter dem Titel "Hirntod" auf Kosten des Lebens eines anderen erfolgt. Dabei sind Kinder und Jugendliche besonders gefährdet, weil deren organe am wertvollsten sind. Weil man jedoch nur dann weiß, ob der organspender wirklich "hirntot" war, wenn ihm die organe aus irgendeinem Grund doch nicht entnommen wurden und sich dann zeigte, dass er geheilt werden konnte, ist die Zahl derer, die ohne organentnahme überlebt hätten, natürlich nicht mehr feststellbar, wenn die organe entnommen wurden. Aber allein die bisher dokumentierten Fälle, in denen bei Diagnose "Hirntod" die Organentnahme verhindert wurde und die Patienten geheilt werden konnten, lassen ahnen, was sich auf diesem Gebiet seit

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nunmehr 40 Jahren tut. Ich habe die Einzelheiten zu diesem Problem bereits anderswo unter dem Titel "Leben retten durch Töten?" aufgezeigt[40] .

Ich möchte hier nur ein mir damals noch nicht bekanntes Beispiel anführen. Ein Priester des Instituts Christus König und Hoher Priester, Don Vittorio, erlitt in Italien einen schweren Autounfall mit schweren Kopfverletzungen. Es wurde Hirntod diagnostiziert und es sollten seine organe entnommen werden. Der Generalobere des Instituts hat jedoch protestiert und der Verletzte wurde in ein anderes Krankenhaus verlegt, in dem sein Leben gerettet werden konnte. Inzwischen ist er zwar noch an den Rollstuhl gebunden, kann aber seinen priesterlichen Dienst wieder ausüben, auch als besonders gesuchter Beichtvater. Es ist doch unmöglich zu bestreiten, dass die Organentnahme seine Tötung bedeutet hätte. Und in wievielen Fällen wird das weltweit geschehen!

Weitere Bespiele hier anzuführen ist nicht nötig, um zu wissen, welche Unmenschlichkeiten aus der Missachtung der dem Menschen vorgegebenen ordnung des Naturrechts folgen. Wenn einmal der Boden der "unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt"[41] verlassen ist, wird jede Unmenschlichkeit möglich. Daher sind die seit der Antike gewonnenen Erkenntnisse betreffend diese Grundlagen von größter Bedeutung für die Wiederherstellung einer uneingeschränkten Achtung auch des grundlegendsten Menschenrechts auf Leben. Der edle Zweck der Hilfe für andere rechtfertigt nicht den Entzug des Lebensrechts dessen, von dem man die Organe haben möchte, die man für die Hilfe braucht. Hochrangige Fachleute haben im Jahre 2005 bei einer von Papst Johannes Paul II. erbetenen Konferenz im Vatikan mit großer Mehrheit (15 zu 10 Stimmen) erklärt, dass "Hirntod" nicht als Diagnose festgestellt werden kann, sondern nur eine Prognose ist, die richtig oder falsch sein kann. Ob sie falsch war, weiß man aber nur dann, wenn dem Spender die Organe nicht entnommen wurden und er überlebt hat. Ein Verzicht auf die organentnahme wird aber wohl nie vorkommen, wenn nicht jemand gegen die organentnahme protestiert. Daher wird man in wohl den meisten Fällen gerade bei Kindern und jungen Menschen nicht erfahren, dass die Prognose falsch war[42]. Daher kommt den inzwischen dokumentierten Fällen, die zeigen, dass sie falsch war, eminente Bedeutung zu.

Auf diesem düsteren Hintergrund wird umsomehr klar, welche Bedeutung den seit der Antike gewonnenen Erkenntnissen zukommt. Sie können in der Tat für die Erneuerung und Bildung des Rechtsbewußtseins eine große Hilfe bieten. Es wird aber zweifellos großer Anstrengungen bedürfen, zu einem Rechtsbewußtsein zurückzufinden, das noch zur Zeit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 1948 Gemeingut war. Damals konnte die Präambel zu dieser Erklärung im Abs. 2 noch sagen, dass

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"Verkennung und Mißachtung der Menschenrechte zu Akten der Barbarei führten, die das Gewissen der Menschheit tief verletzt haben". Heute kann von einem solchen Gewissen der Menschheit nicht mehr die Rede sein. Akte der Barbarei werden geradezu als Menschenrecht in Anspruch genommen. Zumindest darf es nicht geschehen, dass dies alles ohne Widerspruch hingenommen wird, zumal heute ein Widerspruch nicht das Leben des Widersprechenden in Gefahr bringt. Der Widerspruch wird jedoch einfach ignoriert. Dennoch muss er wenigstens dokumentiert werden, damit nicht später gesagt werden kann, es habe keinen Widerstand gegen die heutige "Verkennung und Mißachtung der Menschenrechte" gegeben.■

JEGYZETEK

[1] Der Text gibt in etwas überarbeiterter Form einen Vortrag wieder, den ich an der Katholischen Universität Peter Pazmany in Budapest am 9. Mai 2000 gehalten habe.

[2] Okko Behrends : Tiberius Gracchus und die Juristen seiner Zeit - die römische Jurisprudenz gegenüber der Staatskrise des Jahres 133 v. Chr. In K. Luig-D. Liebs: Das Profil des Juristen in der europäischen Tradition, Symposion aus Anlaß des 70. Geburtstages von Franz Wieacker. Ebelsbach: Gremer, 1980, 53.

[3] Dies hat besonders Wolfgang Schild verdienstvoll aufgezeigt in seinem Beitrag: WOLFGANG SCHILD: Die zwei Systeme der Reinen Rechtslehre. Wiener Jahrbuch für Philosophie, 1971/4. 150-194; auch ders., Die Reinen Rechtslehren, Gedanken zu Hans Kelsen und Robert Walter. Wien: Manz, 1975, 1-32. Zum direkten, wenn auch vielleicht unbewußten Einfluß von August Comte, vgl. WOLFGANG WALDSTEIN: Gesetz und Gerechtigkeit: Wahrheit Wert und Sein. In Baldiun von Schwarz: Festgabe für D. v. Hildebrand zum 80. Geburtstag. Regensburg: Josef Habbel, 1970, 181-183; ferner Karl Leiminger: Die Problematik der Reinen Rechtslehre (Forschungen aus Staat und Recht 3). Wien: Springer, 1967, 9. Hans Kelsen hat seine Theorie besonders prägnant bereits in einem Aufsatz über Gott und Staat begründet. Hans Kelsen: Gott und Staat. Logos. Internationale Zeitschrift für Philosophie der Kultur 1922/23, 11. 261-284, abgedruckt In Ernst Topitsch: Hans Kelsen, Aufsätze zur Ideologiekritik. Darmstadt: Luchterhand, 1964, 29-55. Im folgenden gehe ich auf das Hauptwerk ein: Hans Kelsen: Die Reine Rechtslehre. Wien: Deuticke, 1960[2] , unveränderter Nachdruck 1967, künftig abgek. zitiert: RR.

[4] Vgl. dazu Karl Larenz: Methodenlehre der Rechtswissenschaft. Berlin Heidelberg: Springer, 1991[4 5 6 7 8 9] , 117.

[5] Hans Kelsen: Grundlagen der Naturrechtslehre. Österr Zeitschr. f. öffentl. Recht, 1963/13. 5. Vgl. auch RR 405, wo Kelsen den Begriff der Natur etwas eingehender und anders formuliert. Der hier entscheidende Satz lautet: "Denn diese Natur ist ein Inbegriff von Tatsachen, die miteinander nach dem Kausalprinzip, das heißt als Ursache und Wirkung verknüpft sind, ein Sein; und aus einem Sein kann kein Sollen, aus einer Tatsache keine Norm geschlossen werden." Zu dieser ganzen Frage eingehend Wolfgang Waldstein: Entscheidungsgrundlagen der klassischen römischen Juristen. In Hildegard Temporini-Wolfgang Haase: Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt, Geschichte und Kultur Roms im Spiegel der Neueren Forschung II, Principat, 15. Band. Berlin-New York: Verlag Walter de Gruyter, 1976. S. 10-28; künftig abgek. ANRW.

[6] RR 405.

[7] Vgl. dazu die glänzende Kritik des kritischen Rationalismus von Wilhelm Henke: Kritik der kritischen Rationalismus (Recht und Staat Heft 434). Tübingen: J.C.B. Mohr, 1974.

[8] So A. Leinweber: Gibt es ein Naturrecht? Beiträge zur Grundlagenforschung der Rechtsphilosophie. 1972[3] , 2 80 und 284 f.; vgl. dazu die Rezension von J. Messner zur 1. Aufl. (1965), Öst. Z. öff. Recht 18 (1968) 132 f.

[9] RR 442. Dazu Waldstein, FG v. Hildebrand (Anm. 3) 187-189.

[10] Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) Art. 1 Abs. 2.

[11] Aristoteles: Metaphysik 4, 5; 1009 b 33-1010 a 5. Zitiert nach der Übersetzung von E. Rolfes, Leipzig, 1920[2] , I p. 77. Dazu auch Waldstein, ANRW II 15, 23 f. mit Zitat des griechischen Textes dort in Anm. 94.

[12] Vgl. Cic. Tusc. 4, 6; Ulp. D. 1, 1, 1, 1. Dazu Wolfgang Waldstein: Römische Rechtswissenschaft und wahre Philosophie. Index. 1994, 22. 31-45, zu den zitierten Texten dort 33-37. Zur Übersetzung der Aussage Ulpians in der neuen Digestenübersetzung vgl. O. Behrends-R. Knütel-B. Kupisch-H. H. Seiler (gemeinschaftlich übersetzt und herausgegeben): Corpus Iuris Civilis, Text und Übersetzung II. Heideberg: C. F. Müller, 1995. Vgl. Waldstein, SZ Abt.125 (2008) 328-335.

[13] Zu Ulp. D. 1, 1, 1, 4 (1 inst.): Ius gentium est, quo gentes humanae utuntur, quod a naturali recedere facile intellegere licet, quia illud omnibus animalibus, hoc solis hominibus inter se commune sit, erklärt etwa G. Longo in seinem Beitrag zur Festgabe für Ulrich von Lübtow 1970, 330: "Espungo ... tutto il tratto quod... commune sit, anche se esso é difeso da altri autori. Accedo alla tesi di chi attribui a mentalita postclassica o giustinianea la decorazione del ius naturale come norma comune a tutte le creature e a tutti gli esseri viventi, uomini ed animali. Il che, con buona pace di taluni autori, é impossibile ritenere." Giannetto Longo: Sulla legittima defesa e sullo stato di necesita in diritto romano. In Walter Gustav Becker-Ludwig Schnorr von Carolsfeld: Sein und Werden im Recht: Festgabe für Ulrich von Lübtow zum 70. Geburtstag am 21. August 1970. Berlin: Duncker & Humblot.

[14] Zu alledem ausführlich mein Beitrag: Ius naturale im nachklassischen Recht und bei Justinian. In SZ Rom. Abt. 111. (1994) 1-65.

[15] Max Kaser: Ius gentium (Forschungen zum römischen Recht; Abh. 40). Köln-Weimar-Wien: Böhlau, 1993.

[16] Vgl. oben Anm. 12.

[17] Vgl. dazu SZ Abt. 111 (1994) 37. Zu diesen und anderen Texten auch Herbert Schambeck: Der Begriff der "Natur der Sache", Ein Beitrag zur rechtsphilosophischen Grundlagenforschung. Wien: Springer Verlag. 1964. 14-22. Ausführlicher zu Schambeck sowie zu den Texten siehe Wolfgang Waldstein: Teoria generale del diritto, Dall' antichita ad oggi. Roma: Universita Lateranense, 2001, 99-111 und 239-244.

[18] Aristoteles: Metaphysik 4, 6; 1011 a 30 ff. zitiert fast wörtlich das gleiche Argument gegen die Wahrheit, "daß alles ebenso zugleich wahr und falsch sei; es erscheine ja nämlich nicht allen dasselbe, und sogar nicht denselben immer dasselbe, sondern oftmals auch zu derselben Zeit Entgegengesetztes" (Übersetzung Bonitz/Seidl, 1989[3] ). In Metaphysik 4, 5; 1010 a 3 f. weist er dagegen gerade darauf hin, daß im Sinnlichen "die Natur des Unbestimmten ... vorherrschend" ist gegenüber der Sicherheit geistiger Erkenntnis wesensnotwendiger Gegebenheiten. Vgl. dazu Waldstein IURA 44 (1993, erschienen 1996) 139 ff.

[19] Vgl. oben bei Anm. 12.

[20] Weiter kann ich der Übersetzung von Büchner nicht folgen, auch die von K. Atzert in Goldmanns Gelbe Taschenbücher scheint mir den nächsten Satzteil zwar besser, aber auch nicht ganz dem lateinischen Text gerecht zu übersetzen, denn das continebit heißt nicht "bestehen", sondern zusammenhalten, verbinden, erhalten, bewahren, umschließen etc.

[21] Übersetzung des ersten Satzes von mir, der Fortsetzung von Karl Büchner, Sammlung Tusculum 1987.

[22] Aristoteles Werke in deutscher Sprache, hrsg. von E. Grumach: Nikomachische Ethik übers.von F. Dirlmeier. Bd. 6. Berlin: Wiss. Buchges. Darmstadt, 1956, 16.

[23] Aristoteles'Metaphysik. Übers. und erläutert von E. Rolfes, Leipzig [2] 1920, 66.

[24] Eth. Nic. 1, 1; 1094 b 11-27; er wiederholt es in eth. Nic. 1, 7; 1098 a 26-29 und 2, 2; 1103 b 34-1104 a 5. In eth. Nic. 9, 2; 1165 a 2-18, stellt er nochmals fest: "Im übrigen haben wir schon wiederholt festgestellt, daß die wissenschaftliche Behandlung menschlichen Empfindens und Handelns nur eben den Exaktheitsgrad erreichen kann, den der Stoff zuläßt." Übersetzung von F. Dirlmeier (oben Anm. 22) 197.

[25] Alfred Verdross: Statisches und dynamisches Naturrecht. Freiburg [i.B], Rombach: 1971, 93 mit ausdrücklicher Bezugnahme auf Aristot. eth. Nic. 1, 1 und 1, 7.

[26] Vgl. oben bei Anm. 13.

[27] Vgl. dazu auch den Hinweis bei Schambeck, Natur der Sache 18, zu Cels. D. 50, 17, 188, 1: Quae rerum natura prohibentur, nulla lege confirmata sunt.

[28] Vgl. dazu Herbert Schambeck: On human dignity in law and politics in Austria. In Filosofia dei Diritti Umani/Philosophy of Human Rights 2, Fasc. 4, 5 - Genn. - Sett: 2000, 23, wo jedoch die englische Übersetzung die Meinung des Verfassers nicht korrekt wiedergibt. SCHAMBECK ist nicht der Meinung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs, daß die Fristenlösung durch dessen Entscheidung "became constitutional", auch wenn der Verfassungsgerichtshof dies behauptet hat. Objektiv ist sie verfassungswidrig. Darüberhinaus besteht für den Staat, entgegen der Meinung des Verfassungsgerichtshofs, gemäß Art. 2 Abs. 1 der MRK eine Verpflichtung zum Schutz des menschlichen Lebens. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs war ein politischer Akt, und nicht ein Akt der "Rechtsprechung"; dazu eingehend Waldstein: Das Menschenrecht zum Leben. Schriften zum öffentlichen Recht Bd. 423. Berlin: Duncker & Humblot, 1982, 58-66. Zustimmend F. Ermacora: Grundriß der Menschenrechte in Österreich. Wien: Manzsche Kurzlehrbuch-Reihe 14, 1988, 55.

[29] Die libri ad Sabinum sind nach Hermann Fitting (Alter und Folge der Schriften römischer Juristen von Hadrian bis Alexander, Neudruck der Ausgabe 1908. Osnabrück: Zeller,1965, 35) unter Hadrian verfasst, die ex variis lectionibus unter den divi Fratres (FITTING 41), was einen Abstand von mindestens 23 Jahren bedeutet. Auffallend ist, dass gerade im ersten bei Lenel aus diesem Werk wiedergegebenen Fragment das natura debere vorkommt.

[30] Vgl. dazu die höchst aufschlußreichen Ausführungen von H. R. Klecatsky: Unvergeßbare Erinnerungen an § 16 ABGB. In K. Ebert: Pro iustitia et scientia. Festgabe zum 80. Geburtstag von K. Kohlegger. Wien: Verlag Österreich, 2001, 275-300.

[31] Dazu allgemein Wolfgang Waldstein: The capacity of the human mind to know natural law. In J. D. Vial Correa-E. Sgreccia: The Nature and Dignity of the Human Person as the Foundation of the Right to Life, The Challenges of the Contemporary Cultural Context, Proceedings of the Eighth Assembly of the Pontifical Academy for Life. Citta del Vaticano: Libreria Editrice Vaticana, 2003, 223-242.

[32] Prinzipien des römischen Rechts, Vorlesungen von Fritz Schulz, Berlin 1934, Nachdruck Berlin 1954: Duncker & Humblot, S. 23 f. Die einschränkenden Zusätze zu diesen Aussagen ändern nichts an ihrer prinzipiellen Gültigkeit und können hier nicht diskutiert werden. Sie beruhen teilweise auf den nachwirkenden positivistischen Vorurteilen, von denen sich Schulz nicht ganz freihalten konnte, was seine Aussagen nur um so bemerkenswerter macht, teilweise auch auf Verwechslungen, als sei dem "griechischen Naturrecht" allgemein eine "spekulative Luftigkeit" eigen (S. 24).

[33] Eine Übersicht über das Schrifttum habe ich in meinem Beitrag zu den Entscheidungsgrundlagen der klassischen römischen Juristen in ANRW II 15, S. 78 ff., gegeben, dort besonders die Anm. 278.

[34] Die Antwort der Interpretationstheorie der Reinen Rechtslehre von Hans Kelsen hebt sowohl das Recht als auch die natürlichen Rechtsgrundsätze auf; dazu ausführlich Waldstein, Teoria generale 159-163.

[35] L. Pfaff-F. Hofmann: Commentar zum öst. allg. bürgerl. Gesetzbuche I (1877) Wien: Manz'sche K. K. Hof-, Verlags- und Universitätsbuchhandlung, 195 Anm. 171; dort weitere Hinweise.

[36] Paul Koschacker: Europa und das römische Recht. München-Berlin: Beck, 1966[4] , 346.

[37] Martin Kriele: Einführung in die Staatslehre. Opladen: Westdeutscher Verlag: 1994 [5] , 132. Vgl. auch Herbert Schambeck: Die ontologische Begründung der Menschenrechte. In A. Filipponio-D. M. Jaeger: Diritti dell'Uomo, Diritti delle Genti nel Mediterraneo. Bari: Laterza, 2000, 13-35.

[38] Vgl. nur Francesco D'Agostino: Filosofía del diritto. Torino: Giappichelli,1996[2] , 68: "Eppure, bisogna tornare a ribadire che mai come nel nostro tempo il giusnaturalismo celebra i suoi trionfi. Se infatti, a livello strettamente metodologico, la scienza giuridica contemporanea esita ancora a riconoscersi giusnaturalista, giusnaturalista lo é comunque nei fatti, come dimostra il rilievo planetario che ha assunto negli ultimi decenni la tematica dei diritti umani, come tematica strettamente giuridica (Anm. 12 mit Hinweisen). I diritti umani, in fatti, altro non sono che il modo in cui si ripresentano nel nostro tempo - e in una forma particolarmente agguerita - le istanze piú profonde del giusnaturalismo." Auch die weiteren Ausführungen dort würden es verdienen, wiedergegeben zu werden. Vgl. auch die oben bei Anm. 29 zitierte Aussage von M. Kriele.

[39] Vgl. Dazu Wolfgang Waldstein: Natural law and the defence of life in Evangelium Vitae. In J. de D. Vial Correa-E. Sgreccia: Evangelium Vitae, Five Years of Confrontation with the Society. Proceedings of the Sixth Assembly of the Pontifical Academy for Life. Cittá del Vaticano: Libreria Editrice Vaticana, 2001, 225-230.

[40] Wolfgang Waldstein: Leben durch Töten? Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für alle e.V. (ALfA)2007, Nr. 81 / 1. Quartal, S. 4-9. Zahlreiche Beiträge in dem von Roberto de Mattei (Hrsg.) Band: Finis Vitae, Is Brain Death Still Life? Consiglio Nazionale delle Ricerche, Rubbettino Editore, Soveria Mannelli 2006, italienische Ausgabe 2007.

[41] Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) Art. 1 Abs. 2.

[42] Dazu näher Wolfgang Waldstein: Leben durch Töten?, aoO. insb. S. 6 und 9.

Lábjegyzetek:

[1] A szerző professor emeritus (Universität Salzburg)

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