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Heinrich Scholler[1]: Der Status der Kirchen als öffentlich-rechtliche Körperschaft in der Bundesrepublik (JURA, 2001/1., 79-87. o.)

I. Einführung[1]

Die Republik Ungarn hat im Frühjahr 1990 als Teil der verfassungsrechtlichen Grundrechtsgarantie auch die Garantie der Gewissensfreiheit übernommen. Eine solche Garantie kann eine speziell menschenrechtliche Bedeutung haben, die sich in der Regelung der ethisch-religiösen Beziehungen zwischen Staat und Bürger erschöpft, sie kann aber auch Ausdruck eines besonderen staatskirchenrechtlichen Verhältnisses sein und würde dann bedeuten, daß die Verfassung eine völlige Trennung von Staat und Kirche herbeiführen, oder das Prinzip der Laizität zum Ausdruck bringen möchte.

Auch das Grundgesetz hat im Jahre 1949 die Gewissensfreiheit aus dem traditionellen staatskirchenrechtlichen Kontext herausgelöst und sie in einen eigenen Abschnitt innerhalb des Grundrechtskataloges in Art. 4, Abs. 1 gestellt. Sie ist dort zusammen mit der Freiheit des Glaubens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses verwurzelt.

Im nachfolgenden Abschnitt 2 und 3 folgt die Garantie der Kultusfreiheit, die als Individualrecht, also nicht als Kollektivrecht der Kirchen verstanden wird, und die Garantie der Kriegsdienstverweigerung.

II. Gewissensfreiheit und das Staatskirchenrecht

Aus der Trennung der grundrechtlichen Gewährleistung der Gewissensfreiheit von den staatskirchenrechtlichen Regelungen, die das Grundgesetz in Art. 140 GG von der Weimarer Verfassung Art.136 WRV übernimmt, hat schon Rudolf Smend eine Veränderung der Bedeutung der Gewissensfreiheit geschlossen. Was Gewissensfreiheit in dieser veränderten Position bedeutet, ist von Theorie und Rechtspre-

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Deutschland überhaupt".

Was nun dies im einzelnen für Staat und Kirche bedeutet, soll im nachstehenden erörtert werden. Dabei soll terminologisch vorausgeschickt werden, dass in der Literatur der Begriff der Religionsgemeinschaften wie der ältere der Religionsgesellschaften gleichberechtigt nebeneinander steht, obwohl das Grundgesetz (siehe Art. 7 Abs. 3 Satz 2) den Begriff der Religionsgemeinschaft dem älteren Begriff der Religionsgesellschaft vorzieht.

III. Der Status der Kirchen und der anderen öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften

Staat und Kirche werden als "die beiden großen Daseinsmächte" bezeichnet, die einander in vielen Bereichen berühren und deren Verhältnis zueinander deshalb von der rechtlichen Ordnung mit geregelt werden muss, indem die eine Daseinsmacht auf die andere zu beziehen ist. Da seit Bodin dem Staat auf seinem Territorium Souveränität zukommt, kann eine letztlich verpflichtende Regelung nur vom Staat durch Gesetz oder im Wege von Verträgen ausgehen. Das Grundgesetz hat nun die Rolle der Religionsgemeinschaften in Artikel 140 dadurch geregelt, dass die einschlägigen Artikel 136, 137. 138, 139 und 141 der WRV vom 11. August 1919 übernommen wurden. Damit wurde auch die zentrale Garantie der Selbstbestimmung in Art.137 Abs. 3 für die Religionsgemeinschaften mit anerkannt. Sie bedeutet, dass den Kirchen im Bereich der eigenen Angelegenheiten nicht nur die materielle Verwirklichung dieser eigenen Aufgaben garantiert, sondern auch das Recht auf organisatorische Einfügung in die öffentliche Gesamtordnung des Staates angeboten und gesichert wird.

Die Anerkennung der Kirchen als "geschichtsmächtige Kräfte", die für das öffentliche Leben des im Staate verfassten Volkes von wesentlicher Bedeutung sind , hatte in den Staaten, die das Deutsche Reich später bildeten, dazu geführt, dass die Kirchen einen besonderen Status erhielten, der sie von reinen "privaten Vereinen" unterschied. Diese Eigenschaft die auch als "rätselhafter Ehrentitel" bezeichnet wurde, verliert dann seine Rätselhaftigkeit, wenn man weiß, dass damit nichts anderes gemeint war, als die Begründung eines Sonderstatus für bestimmte, für das im Staat verfasste Volk besonders bedeutsame Organisationen, die ihrer Natur nach Personenverbände sind. In Ermangelung einer bisher nicht gefundenen besseren Bezeichnung hat man hier auf den Begriff der Körperschaft des öffentlichen Rechtes zurückgegriffen. Der Inhalt dieses Rechtsbegriffes Körperschaft des öffentlichen Rechts wird aus dem "Gesamtzusammenhang der Verfassung" zu gewinnen sein.

Über die Interpretation des Begriffes besteht Streit. Von Campenhausen hält den Begriff der öffentlich-rechtlichen Körperschaften für unpräzise und verdunkelnd. Er will den Begriff nicht im technischen, sondern im verfassungsrechtlichen Sinne verstehen. Während H. J. Wolff die Kirchen unter den Begriff der Körperschaften des öffentlichen Rechts systematisch einordnet, will Weber die Kirchen als einen Sondertypus, nämlich als gegliederte hoheitliche Organisationsformen verstehen. Er schlägt den Begriff hoheitliche Verbände oder hoheitliche Organisationseinheit vor.

Auf jeden Fall bedeutet der Begriff der öffentlich-rechtlichen Körperschaft nicht, dass die Kirche verlängerter Arm des Staates sei oder delegierte Staatsaufgaben ausübe bzw. zur mittelbaren Staatsverwaltung gehöre. Es werden nämlich in organisatorischer Sonderheit vom Staate Gemeinschaftsinteressen der Bürger gepflegt, die nicht staatliche Aufgaben sind. Deswegen betonen verschiedene

Autoren mit Recht, daß Artikel 137 Absatz 5 WRV von einem verfassungsrechtlichen Begriff der Körperschaft des öffentlichen Rechtes spreche.

IV. Der Status der Kirchen im Zusammenhang mit der staatskirchenrechtlichen Verfassung

1. Ein Widerspruch zwischen dem Art. 137 Abs. 5 und dem Art. 137 Abs. 1 der Weimarer Verfassung wird von der herrschenden Lehre abgelehnt. Die Tatsache, daß sich die Verfassung in Abs. 1 zur Trennung von Staat und Kirche mit dem Satz bekennt: "Es besteht keine Staatskirche", verträgt sich mit der Existenz öffentlich-rechtlicher Kirchenkörperschaften, denn damit sollte nur der Summepiskopat beseitigt, nicht aber historische Entwicklungen unterbrochen werden. Der Status der öffentlich-rechtlichen Körperschaft bedeutet keine Eingliederung in den Staat, keinen verwaltungsrechtlichen, sondern einen verfassungsrechtlichen Status. Auch ist an die Stelle eines kirchenfeindlichen Trennungssystems ein partnerschaftliches Verhältnis getreten.

2. Die Abs. 2 und 3 des Art. 137 WRV garantieren die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften und ihre Eigenständigkeit innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Diese Bestimmungen gelten für alle Religionsgemeinschaften oder -gesellschaften, mögen sie rechtsfähig sein oder nicht, mögen sie Vereine des privaten Rechts darstellen oder körperschaftlichen Charakter haben.

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3. Die Abs. 4 und 5 des Art. 137 der Weimarer Verfassung fügen die Religionsgesellschaften als juristische Personen in die staatliche Rechtsordnung ein, und zwar in gestufter Weise. Man spricht hier von einer institutionellen Garantie des öffentlich-rechtlichen Status. Dabei ist auch hier vom Grundsatz der Einheit der Verfassung und des nur ausnahmsweise möglichen Vorkommens von verfassungswidrigen Verfassungsnormen auszugehen. Die institutionelle Garantie würde bedeuten, dass der öffentlich-rechtliche Status als solcher nicht beseitigt werden kann, auch wenn einzelne der Religionsgemeinschaften ihn aufgrund von Veränderungen verlieren könnten.

Weiter ist davon auszugehen, dass Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Status vom Staat zwar anerkannt werden, dass der Staat sie aber nicht schafft. Nach Art. 137 Abs. 4 WRV wird den Religionsgesellschaften die Rechtsfähigkeit nach dem für alle geltenden Gesetz verliehen, und zwar nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes. Gem. Art. 137 Abs. 5 WRV wird bestimmt, dass andere Religionsgesellschaften auf Antrag gleiche Rechte, also den Status der Körperschaft des öffentlichen Rechtes erreichen können, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder Gewähr der Dauer bieten. Auch können mehrere öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften in einem Verband zusammengefasst werden, der ebenfalls öffentlich-rechtlichen Status genießt. Die Verfassung unterscheidet geborene und gekorene Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechtes. Erstere waren schon vor Inkrafttreten der Verfassung vorhanden und genossen diesen Status, die letzteren dagegen erhielten ihn erst nach dem Inkrafttreten der Weimarer Verfassung bzw. des Grundgesetzes. Mit dem Gleichheitsgrundsatz ist ein weiteres Grundprinzip für diesen öffentlich-rechtlichen Status von Bedeutung. Nach Art 137 Abs. 5 S. 2 WRV sind anderen Religionsgesellschaften bzw. ihnen gleichgestellten Weltanschauungsgemeinschaften auf Antrag die gleichen Rechte zu gewähren. Wird ihnen diese Gleichstellung versagt, so können sei auf dem Verwaltungsrechtsweg im Rahmen einer Verpflichtungsklage diesen Status einklagen. Unbestimmte Rechtsbegriffe wie "Gewähr der Dauer" usw. ermöglichen es dem Landesrecht, ergänzende Bestimmungen zu treffen, so etwa der Bayerischen Verfassung, die in Art.143 Abs. 2 von einer Fünfjahresfrist ausgeht, nach welcher eine solche Gewähr begründet sei. Während nun im öffentlichen Recht, insbesondere wegen Art. 28 GG, der Homogenitätsgrundsatz gilt, der besagt, dass die demokratische und rechtsstaatliche Ordnung nicht nur in Bund und Ländern, sondern auch in den Gemeinden als

Gebietskörperschaften gelten muss, ist eine solche Homogenität den Kirchen gegenüber nicht auferlegt worden. Die innere Organisation der Kirchen ist also anders als bei Kreisen, Gemeinden und politischen Parteien (Art. 28 und Art. 21 Abs. 1 S. 2 GG) von der Homogenitätswahrung frei. Dies bedeutet aber nicht, dass Verstöße gegen die Verfassung vom Staat hingenommen werden müssen.

V. Der Gesamtstatus der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften

Rechtsprechung und Literatur sprechen von dem Gesamtstatus der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften und meinen damit, dass die Bedeutung dieses Sonderstatus durch eine doppelte Abgrenzung gewonnen werden muss, und zwar einmal in der Abgrenzung gegenüber dem Status der Religionsgesellschaften privaten Rechts und der Körperschaften des öffentlichen Rechts im verwaltungsrechtlichen Sinne. Somit ist der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts[2] zuzustimmen, in welcher dargelegt wird, dass es sich bei dem in Art. 137 Abs. 5 WRV festgelegten Begriff "Körperschaft des öffentlichen Rechts" um eine "zusammenfassende Kennzeichnung der Rechtsstellung der Kirchen" handelt, um die "Zuerkennung eines öffentlichen Status" abzusichern. Es handelt sich also nicht um eine "Verlegenheitsbezeichnung" für ein Bündel "überkommener Privilegien", sondern um die Charakterisierung eines Gesamtstatus. Unklarheit besteht allerdings noch in der Terminologie der Attribute, ob nämlich solche Rechte von den Körperschaften kraft Natur der Sache bestehen, ob sie mit ihnen ausgestattet oder ob sie ihnen anerkannt werden. Dies ist in den einzelnen Bestimmungen verschieden zum Ausdruck gekommen. Von größerer Bedeutung ist die Frage, ob die Grundrechte auch gegenüber Kirchen gelten, die den Status öffentlich-rechtlicher Körperschaften erhalten haben. In der erwähnten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts[3] ist diese Frage offengeblieben. Sie ist auch heute noch nicht abschließend entschieden, doch wird man die Drittwirkung der Grundrechte gegenüber den Kirchen differenziert beantworten müssen und nicht wie Friesenhahn zu einer generellen Ablehnung kommen dürfen. Unter dem Begriff "Gesamtstatus der Kirchen" versteht man keinen vorstaatlichen Rechtsstatus, den der Staat als gleichwertig hinnimmt. Auch wird man hierunter nicht die Summe der durch den Status vermittelten und anwendbaren öffentlich-rechtlichen Vorschriften verstehen. Friesenhahn will unter dem Begriff "Gesamtstatus" der Kirchen die Vermutung zugunsten

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eines öffentlich-rechtlichen und in der Rechtswelt verbindlichen Handelns verstanden haben wissen:

"Nur wegen dieses öffentlich-rechtlichen Gesamtstatus kann der Staat den Kirchen auch Hoheitsgewalt delegieren, wie bei der Kirchensteuer und im Bestattungswesen". Hierzu werden auch die Tätigkeiten der Kirchen im Rahmen der Unterhaltung staatlicher Fakultäten an den Universitäten, die Einrichtung des Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach an den öffentlichen Schulen, die besondere Eigentumsgarantie des Art. 138 Abs. 2 WRV, die Militär- und Anstaltsseelsorge und Repräsentanz der Kirchen in staatlichen Ausschüssen (Jugendwohlfahrtsauschuss, Prüfungsausschuss für jugendgefährdende Schriften, Rundfunkkontrollgremien) gezählt. Man ist der Meinung, dass der Gesamtstatus ohne die Anerkennung einer neben dem Staat parallel wirkenden Ordnungsmacht auch in einer Fülle weiterer Rechtsvorschriften zum Ausdruck kommt, die ich hier nur summarisch erwähnen möchte: im Strafrecht hinsichtlich des Schutzes der Amtsbezeichnung, im Sachenrecht Schutz der res sacra, in den rechtlichen Bestimmungen über den Austritt aus Religionsgesellschaften, in Vorschriften des öffentlichen Dienstes der Kirche, des sogenannten kirchlichen Dienstes und seiner Anerkennung als öffentlicher Dienst (hier taucht dann die Frage auf, ob auch die Staatshaftung über § 839 BGB, Art. 34 GG eingreift) -und ob § 259 StGB anwendbar ist.

VI. Die Träger der Körperschaftsrechte

Art. 137 Abs. 5 WRV bezeichnet als Träger der Körperschaftsrechte die Religionsgesellschaften. Damit ist gemeint, dass ein, die Angehörigen eines Glaubensbekenntnisses oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse für ein Gebiet zusammengeschlossener Verband zu allseitiger Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben vorhanden ist. Bei den gekorenen Religionsgesellschaften besteht kein Zweifel, wer Träger ist, da an ihr ja der Verleihungsakt gerichtet ist. Anders bei den geborenen. Hier geht man davon aus, dass Träger der körperschaftlichen Garantie die kirchenrechtlich organisierte Gemeinschaft des Bekenntnisses, d. h. die Diözesen der römisch-katholischen Kirche oder die evangelischen Landeskirchen sind. In der Literatur wird aber auch die Meinung vertreten, dass die einzelnen lokalen und territorialen Untergliederungen staatskirchenrechtlich als Kirchengemeinde bezeichnet werden und Träger des Körperschaftsrechts sein können. Nach dem österreichischen Kirchenkonkordat bestimmt sich auch die Natur oder das Substrat der Körperschaft des öffentlichen Rechts nach kanonischem Recht, während es nach dem Reichskonkordat so gehandhabt wurde, dass Religionsgesellschaften eine körperschaftliche Stellung nur dann erhielten, wenn sie eine solche Position bereits früher inne gehabt hatten. Nach dieser deutschen Lösung kann durch Verleihungsakt auch Untergliederungen die Rechtspersönlichkeit verliehen werden. Aus dem Körperschaftsstatus fließt eine Hoheitsgewalt, die man kirchliche Organisationsgewalt genannt hat. Dies bedeutet, dass zwar die administrative Gliederung der Kirchen in ihre eigene Kompetenzgewalt fällt, dass es aber für eine staatliche Mitwirkung in der Form der Anerkennung notwendig wäre, eine neue Einheit mit Körperschaftsrechten zu begründen. Im Schrifttum wird nun die Meinung vertreten, dass es besser wäre, wenn die staatliche Verwaltung - also die Länder - sich dazu bereit erklären würde, die je nach Landesrecht nur notifizierte, anerkannte oder genehmigte Neubildung und Veränderung von Landeskirchen, Diözesen, Kirchengemeinden und Gemeindeverbänden im Interesse der Klarheit der rechtlichen Verhältnisse in einem amtlichen Verkündungsblatt zu publizieren und darüber hinaus in ein Verzeichnis einzutragen (einige Kultusministerien der Länder haben sich allerdings nicht verbindliche Verzeichnisse der Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts zugelegt und publiziert. Über die Form der Verleihung besteht in Rechtswissenschaft und Rechtsprechung keine einheitliche Meinung. sie wird in den einzelnen Ländern verschieden gehandhabt. Es bestehen sowohl Rechtssätze des Gewohnheitsrechts als auch des geschriebenen Rechts über die Form der Verleihung. Als zweckmäßig erscheint es, dem Vorbild des Hamburgischen Gesetzes über die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen vom 15. Oktober 1973[4] zu folgen. Von dem Hamburgischen Gesetz wird Gesetzesform zur Verleihung verlangt. In Preußen schwankte man zwischen Gesetzen und einfachen Beschlüssen des Staatsministeriums. Heute wäre es sicher zweckmäßig, die Gesetzesform vorzuschreiben.

VII. Der Anspruch der Minderheitsreligionen auf den öffentlich rechtlichen Status

In jüngster Zeit sind zwei Gerichtsurteile des Bundesverfassungsgerichtes für das Verhältnis von Staat und Kirche von besonderer Bedeutung geworden.

Das erste Urteil betrifft die Frage, ob landes-

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rechtliche Vorschriften vorschreiben können, daß in den Klassenräumen Kruzifixe aufgehängt werden müssen.[5] Diese bayerische Anordnung wurde vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt, doch hat Bayern durch eine Neuregelung auf gesetzlicher Basis diese Vorschrift wieder eingeführt, wobei das Land allerdings ein Verfahren zur Regelung von Streitigkeiten zwischen der Elternschaft und der Schulbehörde vorgesehen hat. Im Rahmen dieses Streites gab es eine große Flut von Veröffentlichungen, die entweder pro oder contra Stellung genommen haben. Teils wurde die Zulässigkeit solcher religiöser Symbole mit der hinkenden Trennung von Staat und Kirche begründet, teils wurde gesagt, daß dieses religiöse Symbol kulturelle Inhalte darstellen würde, die nicht den neutralen Charakter des Staates berühren. Auf diese Fragen und die weiteren Fragen wie z. B. das Tragen von Kopftüchern oder Schleiern durch moslemische Schülerinnen wird das Referat von Herrn Harbich eingehen.

Die zweite Entscheidung[6] betraf die Ablehnung des Bundesverwaltungsgerichtes[7] gegenüber der Religionsgesellschaft der Zeugen Jehovas, die beantragt hatte, dass ihr ebenfalls der Status der öffentlich rechtlichen Körperschaft eingeräumt werde. Während das Bundesverwaltungsgericht den Schwerpunkt seiner ablehnenden Entscheidung auf den Umstand legte, daß Mitglieder dieser Religionsgesellschaft es ablehnen, an politischen Wahlen teilzunehmen, hat in der aufhebenden Entscheidung das Bundesverfassungsgericht stärker auf die Frage abgehoben, inwieweit die Ausübung der bürgerlichen und politischen Grundrechte, insbesondere auch die Rechte der Frau, durch die Vorschriften der Religionsgesellschaft der Zeugen Jehovas unterbunden werden. Die Sache wurde zur neuen Verhandlung zurückverwiesen.

Immerhin wurde ja dadurch klargestellt, daß der Status der öffentlich rechtlichen Körperschaft nicht den klassischen und traditionell christlichen Religionsgesellschaften vorbehalten ist. Unter der Voraussetzung, daß hier eine bestimmte Garantie der Dauer und eine bestimmte Mitgliederzahl gegeben ist, ist allen religiösen Gesellschaften oder Gemeinschaften, auch den Weltanschauungsgemeinschaften, dieser Status einzuräumen. Im Rahmen dieser beiden Entscheidungen hat sich darüber hinaus ein Konflikt in der wissenschaftlichen Literatur entwickelt, der vor allem die Frage berührt, welchen Umfang und welchen Grad die Trennung von Staat und Kirche, wie sie Art. 137 Abs. I WRV und Art. 140 GG vorsehen, in der Rechtswirklichkeit zu realisieren ist. Mit anderen Worten, der Streit geht darüber, ob es eine völlige laizistische oder nur hinkende Trennung von Staat und Kirche in Deutschland gibt. Zur Frage, ob Art. 137 Abs. I WRV eine voll laizistische Trennung vorsieht, habe ich in meiner Erörterung des Kruzifixurteiles folgendes ausgeführt:

Grundproblem ist das Missverständnis von Wertordnung und Grundrechtsordnung einerseits und von Grundrechten und Grundpflichten andererseits. Viel zu lange hat die Rechtsprechung, v.a. auch die des Bundesverfassungsgerichtes in die Grundrechtsordnung eine subjektive, von der Richter-Wert-Perspektive geprägte Wertordnung hineingelegt. So wurde die Trennungslinie zwischen Recht und Ethik verwischt. Die Ethik des einzelnen oder sein individueller religiöser Glaube kann nicht in eine Rechtspflicht der Gemeinschaft durch eine wertorientierte Interpretation umgemünzt werden.

Martin Kriele hat auf die Gefahr hingewiesen, daß Menschenrechte entinstitutionalisiert werden und dann in Gestalt reiner "Toleranzen" fortleben[8]. Das Toleranzprinzip muß also objektiv institutionell und subjektiv grundrechtlich verankert werden. Das unbestrittene Anwachsen neu religiöser Bewegungen und die funktionalistische Leugnung von Gut und Böse in dem politischen Anathema gegen jedes Freund-/Feind-Schema führen letztlich zu einer Ummünzung garantierter menschenrechtlicher Religionsfreiheit in ein System der Toleranzen, die jederzeit eingeschränkt oder widerrufen werden können. Das moderne Systemdenken und die funktionalistische Betrachtungsweise der Gesellschaft führt darüber hinaus ständig zur Behauptung, daß jeder Gewissensruf religiöser oder weltanschaulicher Art als Störung empfunden werden müsse[9]. Erscheint nicht in dieser Religionsfeindlichkeit der modernen Gesellschaft und des modernen Staates ein Neopelagianismus oder ein platter Naturalismus auf? Paul Tillich hat die kosmische Dimension des Gut-/Böse-Schemas nachdrücklich verteidigt und sieht hierin einen Wesenszug jeder Religion. Andere Manifestationen fremder religiöser Bewegungen aus anderen Hochkulturen wie Chanten oder Tempeltanz dürften eigentlich in einem Kulturstaat, der sich als freiheitlicher Rechtsstaat begreift, selbstverständlich als unter der Kultusfreiheit mitgarantiert erscheinen[10]. Die Berufung der staatlichen Gewalt im Rahmen sogenannter Öffentlichkeitsarbeit auf die Verpflichtung zur Gefahrenvorsorge muß daher eher als Teil einer allgemein sich verbreitenden Xenophobie angesehen werden, die sich hier bald als Ausländerfeindlichkeit, dort aber als Religionsfeindlichkeit gegenüber divergierenden Kultusformen manifestiert.

In der modernen Diskussion spricht man weder von einer laizistischen noch von einer neutralistischen Garantie des Trennungsgebotes.

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Das Konstitutionalismus Prinzip der Trennung von Staat und Kirche oder Staat und Religion kann nur im Kontext einer gesamten Verfassungsinterpretation richtig ausgelegt werden. Es haben sich auch in den westlichen Verfassungssystemen bzw. im Konstitutialismus und Grundrechtesystem des Westens drei verschiedene Interpretationsweisen des Trennungsgebotes entwickelt. Das Trennungssystem in Frankreich begründet eine laizistische, d. h. kirchen- und religionsferne Trennung, während das USA-System, das ebenfalls von einer exakten Trennung ausgeht, dennoch ein religionsfreundliches System der Trennung verwirklicht.

Zwischen diesen beiden Systemstrukturen liegt die sog. hinkende Trennung, welche Art. 137 Abs. 1 WRV eingeführt hat. "Hinkend" wurde das System deshalb genannt, weil in verschiedener Weise eine Verbindung von Staat und Kirche möglich war, so z. B. über die Gründung öffentlich rechtlicher Körperschaften, die Anstaltsseelsorge und die Militärseelsorge, sowie vor allem das Kirchensteuerrecht und der obligatorische Religionsunterricht in den staatlichen Schulen. Deshalb hat man das System der hinkenden Trennung auch partnerschaftliche Trennung oder Prinzip der Nichtidentifikation genannt.

Von Konrad Hesse stammt die schon erwähnte Bezeichnung der Diarchie, d. h. der Doppelherrschaft von staatlicher Gemeinschaft und religiöser Gemeinschaft.

Neuerdings ist nun die Frage aufgetreten, ob die Herausnahme der menschenrechtlichen Garantie der Glaubens- und Gewissensfreiheit, sowie der Bekenntnisfreiheit in Art. 4 Abs. I GG eine Modifizierung des Trennungsgebotes der Weimarer Verfassung herbeigeführt hat, oder ob die nunmehr schrankenlose Gewährleistung von Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit nur eine individualrechtliche Verstärkung des Menschenrechtes darstellt. Eine andere Auffassung betont demgegenüber, daß die Veränderung der demographischen Situation der Kirchen nahezu dazu geführt habe, daß die nunmehr sich ausbreitenden religiösen Minderheitengruppen, Jugendreligionen usw. durch das Privilegiensystem der tradierten und anerkannten Religionsgesellschaften oder Gemeinschaften benachteiligt würden. Die Benachteiligung würde eine Verletzung der sog. "Bekenntnisneutralität" des Staates bedeuten. Diese Bekenntnisneutralität sei nunmehr durch Art. 4 Abs. I GG garantiert, und diese würde es erforderlich machen, die Interpretation der hinkenden Trennung von Staat und Kirche, wie das die Weimarer Verfassung vorgesehen habe, zu revidieren.

Man wirft den Kirchen vor, sich zurückziehen zu wollen in ein "Wolkenkuckucksheim" oder doch auf die Linie der Verhältnisse einer christlichen Monarchie, wie sie vor dem ersten Weltkrieg in Deutschland etabliert war. Allerdings werden zum sog. "geltenden Bekenntnisrecht" auch von den Gegnern (Renk[11]) neben dem Trennungsprinzip zu den tragenden Pfeilern des Staatskirchenrechtes folgende Elemente gezählt:

Bekenntnisfreiheit, kirchliche Selbstverwaltung und die Zusammenarbeit von Staat und Bekenntnisgemeinschaften.

Diese erwähnten Grundsätze der Kooperation Kirche und Staat, wie sie im Steuerrecht oder im Religionsunterricht und anderen Einrichtungen zu Tage tritt, sind also nicht eine Durchbrechung oder eine Exemtion einer grundsätzlichen staatlichen Neutralität, weil eben Art. 4 Abs. I und II GG nicht Grundlage der Regelung des Verhältnisses von Staat und Kirche ist. Allerdings sind durchaus Erscheinungen zu Tage getreten, welche die Verwirklichung der menschenrechtlichen Bekenntnisfreiheit tangieren. Vor dem Bundesverfassungsgericht schweben einige Verfahren, die sich gerade mit der Frage der Zulässigkeit der Warnung vor religiösen Minderheits- oder Jugendreligionen beschäftigen.

Eine von dem Bundesministerium für Jugend und Familie geplante Herausgabe einer Broschüre über Jugendsekten und Jugendreligionen wurde auf gerichtliche Anordnung untersagt. In einer größeren Buchpublikation unter der Leitung von Prof. Baisier wurden diese Fragen einer breiteren Öffentlichkeit unterbreitet. Dabei zeigt sich im Vergleich mit Deutschland eine andersgelagerte Ausgangsposition in den osteuropäischen Staaten. Während in Deutschland die etablierten Religionsgesellschaften als Körperschaft des öffentlichen Rechtes durch die verschiedenen Institutionen der Kooperation zwischen Staat und Kirche aus einer Situation der Stärke heraus handeln, sind die Minderheits- oder Jugendreligionen oder Sekten in einer schwachen Position. Anders ist es dagegen in den Transitionsländern oder den postkommunistischen Staaten. Dort hat sehr häufig die traditionelle organisierte Religion in der Gestalt der Kirche noch lange nicht das Terrain zurückerobert, das sie vor der kommunistischen Herrschaft hatte. Andererseits haben aber aus dem Westen vor allem aus den USA kommende Religionsgemeinschaften aufgrund ihrer Auslandsbeziehungen eine verbesserte Situation, zumal sie nicht nur mit stärkeren und größeren Finanzmitteln ausgestattet sind, sondern auch über modernere Missions- und Kommunikationsmittel verfügen. Um diese Schieflage auszugleichen, wird es nicht genügen, nur Elemente der Diarchie von Staat und Religion einzuführen. Es wird auch darum gehen, daß sich die traditionellen Träger von Religion und

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Glauben moderner zwischenmenschlicher Formen des Unterrichts, der Öffentlichkeitsarbeit und der geistigen und geistlichen Daseinsvorsorge widmen. Dabei erinnere ich mich daran, daß in Äthiopien beim Ausbruch der Revolution es von Seiten der orthodoxen Kirche bedauert wurde, daß man nicht rechtzeitig Einrichtungen wie die evangelischen oder katholischen Akademien eingeführt habe. Sie waren nach dem Krieg ein Begegnungszentrum zwischen den Männern der Kirche auf der einen Seite und der Wirtschaft, der Politik, der Parteien und Gewerkschaften auf der anderen Seite. Auch die Medienarbeit der Religionsgesellschaften traditioneller Herkunft müßte sich den modernen Formen anpassen und auch Zugang zu Rundfunk und Fernsehen erhalten.

VIII. Staatsaufsicht

Der Staat hat grundsätzlich - so z. B. Art. 55 Nr. 2 der Bayerischen Verfassung (BV)-"die Aufsicht über die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie die sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts und die öffentlich-rechtlichen Stiftungen". Dennoch steht die öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaft nach Art. 43 Abs. 2 BV nicht unter dieser Staatsaufsicht. Welche Kontrollmöglichkeiten verbleiben dann dem Staat über die Kirchen als öffentlich-rechtliche Körperschaften? Gibt es noch ein staatliches Placet oder ein staatliches Einspruchsrecht, wenn die Aufsicht im rechtlichen Sinne fortgefallen ist? Es ist davon auszugehen, dass die Kirchen ihre Eigenständigkeit nur im Rahmen der für alle geltenden Gesetze garantiert erhalten haben. Man könnte insofern von einer "Verfassungsaufsicht" sprechen. Es liegt also keine technische Staatsaufsicht vor, wenn Staat und Kirche in gemeinsamen Angelegenheiten zusammenwirken, wenn die Kirche außerhalb des staatlichen Bereichs in ihren eigenen Angelegenheiten tätig wird und dazu staatliche Mitwirkung wie ein Dritter benötigt oder wenn staatliche Behörden im Rahmen der Gefahrenabwehr darüber wachen, dass die Vorschriften der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auch von den Kirchen eingehalten werden (auch sonst besteht ja Polizeipflicht von Hoheitsträgern). Daneben können sich aber Kirchen besonderer staatsaufsichtlicher Maßnahmen durch Vertrag (Kirchenvertrag) freiwillig unterwerfen.

IX. Das Kirchensteuerrecht

Zu den wichtigsten Bestimmungen des staatlichen Kirchenrechts gehört das Kirchensteuerrecht. Sicher sind die Mitwirkungsrechte der Kirche im Rundfunk und Fernsehen von größerer Außenwirkung und sowohl bildhafter als auch einflussreicher, doch sind diese Mitwirkungsrechte im Rundfunkrecht und nicht im Staatskirchenrecht begründet. Deswegen beschränkt sich die Darstellung hier auf das kirchliche Steuerrecht. Die Wurzel des Steuerrechtes liegen in der Säkularisation von 1803 (Einzug der Kirchengüter) und ursprünglich waren diese Leistungen Entschädigungen für Enteignungsmaßnahmen. Diesen Charakter haben sie heute weitgehend verloren.

Die Kirchensteuer beruht auf landesgesetzlicher Grundlage, doch gibt es nicht in allen Bundsländern solche Gesetze, auch haben die Kirchen nicht überall wo sie zur Kirchensteuererhebung befugt sind, davon Gebrauch gemacht. Die nachfolgende kurze Darstellung bezieht sich auf die Situation in Bayern. Auf der Grundlage des Kirchensteuergesetzes (KirchStG) und des Kirchensteuererhebungsgesetzes (KirchStErhebG) werden vier Steuerarten geschaffen, wobei die Kirchensteuern immer sogenannte Annexsteuern sind. Das bedeutet, dass sie als Zuschlag zu den staatlichen Steuern (Einkommensteuer, Lohnsteuer, Grundsteuer; Art.1 II a KichstG) erhoben werden. Hinzu tritt noch das sogenannte Kirchgeld (Art.1 II b KirchStG). Das staatliche Recht ermächtigt die Kirchen, diese Zuschlagssteuern bis zu 10% der staatlichen Einkommens- oder Lohnsteuer zu erheben (Art.8 I KirchStG). In Bayern beträgt dieser Zuschlag 8%. Berechtigt sind natürlich nur öffentlich-rechtlich anerkannte Religionsgesellschaften. Der neueste Fall einer solchen Antragstellung behandelt die jüngste Entscheidung des BVerfG, auf die bereits hingewiesen wurde.[12]

Das Kirchengeld steht der kirchlichen Ortsgemeinde zu, während die sonstigen Kirchensteuern der Gesamtorganisation, also in Bayern der ELKiB (Evangelische Lutherische Kirche in Bayern) bzw. den anderen öffentlich-rechtlichen Kirchen zusteht. Allerdings haben von den 16 Religionsgesellschaften, die in Bayern den öffentlich-rechtlichen Status erhalten haben, nur fünf von der Möglichkeit der Erhebung von Kirchensteuern Gebrauch gemacht.

Eine Ausnahme besteht in Bayern : Hier wird lediglich die Kirchenlohnsteuer durch die staatlichen Finanzämter verwaltet, die Verwaltung der Kircheneinkommen- und Kirchengrundsteuer erfolgt dagegen durch kircheneigene Kirchensteuerämter.[13]

Es bestehen auch Rechtsbehelfe gegen unrichtige Heranziehungen, die teils beim Finanzamt direkt oder zunächst bei den kirchlichen Erhebungsbehörden geltend zu machen sind. Klage ist aber dann immer vor den Finanzgerichten zu erheben.

X. Konkordate und Kirchenverträge

Mit den Kirchen haben die Länder Kirchenverträge

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oder, soweit es die römisch-katholische Kirche betrifft, völkerrechtliche Konkordate abgeschlossen. Sie bedürfen in der Regel der Zustimmung des Parlaments. Kirchenrechtsgeschichtlich gehen diese Verträge auf das Jahr 1122 (Wormser Konkordat) zurück. Inhaltlich werden die Bestimmungen der Verfassung vertraglich garantiert, um sie einer Verfassungsänderung zu entziehen (z.B. Religionsfreiheit, Selbstverwaltung, Religionsunterricht, Kirchensteuerrecht). Sie enthalten aber auch zusätzliche Bestimmungen, wie z.B. Sendezeiten in Rundfunk und Fernsehen.

Der Vertrag mit der Bayerischen Landeskirche von 1924 mit späteren Änderungen, enthält folgende Bestimmungen.[14]

Die Regelungsmaterien unseres Kirchenvertrages vom 15.11. 1924 mit seinen Änderungsverträgen von 1968, 1974, 1978 und 1984 entsprechen dieser Übersicht: Wiederholt und damit auch vertraglich abgesichert, zum Teil in der näheren Ausgestaltung konkretisiert, werden die verfassungsrechtlichen Garantien der Religionsfreiheit, der kirchlichen Eigenständigkeit und des Selbstbestimmungsrechts (Art. 1), des Bestands der theologischen Fakultäten (Art. 2), des Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach (grundlegend Art. 10), der Staatsleistungen und deren Ablösung (Art. 15), der Anstaltsseelsorge (Art. 17), der Schutz kirchlichen Eigentums (Art. 19) und der Kirchensteuererhebung (Art. 20). Im Hinblick auf Lehramtsstudenten mit dem Fach Evangelische Religion garantiert der Staat außerhalb der theologischen Fakultäten in Erlangen-Nürnberg und München ein bestimmtes theologisches Lehrangebot an den Universitäten Augsburg, Bayreuth, Bamberg, Regensburg, Würzburg und Passau (Art. 3 und 4). Berufungen für das Lehrpersonal an den theologischen Fakultäten und den theologischen Lehrstühlen der anderen Universitäten werden dabei erst nach »gutachtlicher Einvernahme« des Landeskirchenrats vorgenommen (Art. 2 Abs. 2 S 2; Art. 3 Abs. 1; Art. 4 Abs. 2; zu den Erfordernissen des Lehrangebots vgl. Art. 5; zur Berücksichtigung der Bedürfnisse der Theologiestudenten im Hinblick auf die Vertretung des evangelischen Kirchenrechts an den juristischen Fakultäten Erlangen-Nürnberg und München vgl. Art. 2 Abs. 3). Einzelheiten des Religionsunterrichts, der Erteilung durch staatliche und kirchliche Lehrkräfte, der Möglichkeit konfessioneller Klassenbildungen sowie der Aufsicht über den Inhalt des Religionsunterrichts regeln die Art. 6 bis 12. Im Rahmen der allgemeinen Privatschulförderung verbürgt sich der Staat auch für die Förderung evangelisch-lutherischer Privatschulen (Art. 13). Art. 15 garantiert die Einhaltung der auf »Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden vermögensrechtlichen Verpflichtungen« seitens des Staates. Hierunter fallen vor allem Baulasten, aber auch andere Verpflichtungen (z. B. Dotationen), die durch die frühere Einziehung von Kirchengut im Gefolge der Reformation bzw. aufgrund des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 oder sonst im Wege der Rechtsnachfolge auf den Staat übergegangen sind. Diese Garantie ist auch in GG Art. 140 i. V. m. Art. 138 WRV bzw. BV Art. 145 enthalten. Eine Ergänzung zu Art. 15 bilden Art. 18 (Überlassung staatlicher Gebäude und Grundstücke für kirchliche Zwecke), Art. 19 (Schutz des kirchlichen Eigentums) und Art. 23 (Überlassung und weitere Unterhaltung der Dienstgebäude früherer Konsistorialbehörden). Art. 17 enthält Einzelheiten zur Gewährleistung der Anstaltsseelsorge und wird im Hinblick auf die Seelsorge in Justizvollzugsanstalten ergänzt durch die Verwaltungsvereinbarung vom 12.2.1982. Art. 21 bis 25 enthalten Einzelheiten über die Zuschüsse des Staates zur Bestreitung der Personalkosten und des Sachaufwandes des Landeskirchenrates, einschließlich der Versorgung, sowie zur Besoldung und Versorgung der Geistlichen, zu den Kosten der Landessynode, des Landessynodalausschusses und der Predigerseminare. Zum Teil handelt es sich hier um Pflichtleistungen, zum Teil um freiwillige Zuschüsse. Ergänzt und näher konkretisiert werden diese Artikel durch die Staatsleistungsvereinbarung vom 7.3./27.4.1964.

Art. 26 bis 28 regeln als vertragliche Pflichten für die Kirche die Voraussetzungen für die Verwendung von Geistlichen, Religionslehrern und Kirchenbeamten. Die dort genannten Bestimmungen über den Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit und des Studiums an einer deutschen Hochschule sind zwischenzeitlich durch EU-Recht überlagert. Ausnahmen waren im gegenseitigen Einvernehmen auch bisher möglich (Art. 26 Abs. 2) und üblich.

Eine leicht zu Missverständnissen führende Regelung enthält Art. 29. Nach dieser sog. Politischen Klausel wird vor der Wahl des Landesbischofs -oder der Landesbischöfin - das Präsidium der Landessynode mit der Staatsregierung in Verbindung treten, um sich zu versichern, dass gegen die für die Wahl in Betracht kommenden Kandidaten« oder Kandidatinnen - »Erinnerungen politischer Natur nicht obwalten. Diese Mitteilung ist eine aus der Tradition des Miteinander von Staat und Kirche erklärbare vertragliche Selbstbindung seitens der Kirche, der eine sachliche Bedeutung jedoch nicht

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zukommt. Ein staatliches Vetorecht besteht nicht. Es wäre auch mit GG Art. 140 i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV unvereinbar. Art. 31 enthält eine Freundschaftsklausel, nach der Auslegungsschwierigkeiten in gegenseitigem Benehmen behoben werden sollen.

XI. Kirchenpolitisches System der Bundesrepublik Deutschland

Fragt man nun abschließend nach dem kirchenpolitischen System der Bundesrepublik Deutschland, so erscheint als tragendes Element der staatskirchenrechtlichen Ordnung der Gegenwart die Religionsund Kultusfreiheit, die außerhalb des eigentlichen Staatskirchenrechts in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geregelt sind. Diese und kein anderes Normensystem sind ja Angelpunkt für das kirchenpolitische System der Bundesrepublik Deutschland. Es kann als ein System freiheitlicher Zuordnung der beiderseitigen Aufgaben und des beiderseitigen Wirkens, als ein System koordinierter Dyarchie öffentlicher Gewalten, nicht aber als ein System der institutionellen Verfestigung privilegierter Positionen der großen Kirchen und ihrer Bekenntnisse gesehen werden. Ebenso wenig aber auch als ein System, das Religion und Kirche dem politischen Gemeinwesen nicht zuzuordnen bemüht ist, sondern sie in einen für dieses Gemeinwesen gleichgültigen Bereich des rein geistlichen abzuschieben sucht. Hesse vermeidet hier bewusst den Ausdruck einer Partnerschaft von Kirche und Staat und verwendet lieber den einer koordinierenden Dyarchie. Gemeint ist damit, dass beide Bereiche nicht gleichgültig nebeneinander stehen, sondern dass der Staat ohne ein Monopol der Kirchen zu begründen, ihnen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben hilfreich zur Seite steht. Man könnte hier mit gutem Recht von einer "Synoichie" sprechen, um einen Begriff der Antike zu gebrauchen, wäre dieser Begriff nicht durch das gemeinsame europäische Haus schon politisch wiederum in anderer Weise festgelegt.

XII. Schlussbemerkung

Als ich kurz nach der Wende in Pèsc zu einem ähnlichen Thema einen Vortrag hielt, habe ich ihn mit Worten geschlossen, die ich hier abschließend unverändert wiedergeben möchte.

In diesen Tagen, in welchen wir uns in Pèsc aufhalten, ist das Lenau-Haus wieder hergestellt worden und zu einem deutsch-ungarischen Kulturzentrum errichtet. Bei den Restaurierungsarbeiten fand man die Grundrisse einer mittelalterlichen Kirche. Dieser neue politisch-kulturelle Frühling, in welchen

Ungarn eingetreten ist, zu dessen Beginn Ungarn bereits vor allem dem deutschen Nachbarn ein grosses Geschenk gemacht hat, lassen Sie mich mit einem Gedicht von Lenau schließen, das er Primula Veris genannt hat. Einige Zeilen aus diesem Gedicht beschreiben, die gefühlsmässige Erhaltung dieser letzten Monate treffend:

"Der Frühling ist gekommen

mögen ihn Fröste,

trübende Nebel

wieder verhüllen;

Blume du glaubst es,

dass der ersehnte

göttliche Frühling

endlich gekommen

Öffnest die Brust ihm

Aber es dringen

lauernde Fröste

Tödlich in Herz

Mag es verwelken

ging doch der Blumen

gläubige Seele

nimmer verloren.

Wenn wir heute über den Status der Kirchen als öffentlich-rechtliche Körperschaft gesprochen haben, so geht es zentral eben gerade darum, der gläubigen Seele eines Volkes ein schützendes Dach zu geben. Wir wollen nicht die gläubige Seele in den trübenden Nebel und den plötzlichen Frösten aussetzen, sondern eher ihr eine Heimstaat geben. Dazu dient gerade auch die Konstruktion des öffentlichrechtlichen Status der Kirchen, den ich Ihnen hier vorgestellt habe. ■

NOTEN

[1] Siehe zu diesem Thema die ausführlichen Beiträge in: v.Listl, / Pirson, Handbuch des Staatskrichenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band 1 und 2, 2. Auflage, Berlin, 1994/1995, sowie in: Isensee/Kirchhoff, Handbuch des Staatsrechts, Band VI, Heidelberg 1989, §§136-140 (inbes. §138); Scholler, The Constitutional Guarantee of Religious Freedom in the Federal Republic of Germany, in: Ellwein, u.a. (Hrsg.), Jahrbuch zur Staats- und Verwaltunsgswissenschaft, Baden-Baden, 7/1994, S.117ff; ders., Toleranz und Fairness als objektiver Schutzgehalt der Religionsfreiheit, in: Besier u.a. (Hrsg.), Die neuen Inquisitoren, Teil 1, Zürich, 1999, S.156-174. Weitere Informationen enthält die Zeitschrift für das evangelische Kirchenrecht, herausgegeben von Frhr. von Campenhausen

[2] BVerfGE 18, 165/386

[3] BVerfGE 18, 385/387

[4] GVBl. 1973, S.134

[5] Statt vieler: H. Scholler, Lernen unter dem Kreuz-Zum Kruzifix-Beschluß des BVerfG, in: APF 8/1996, S. 141ff.

[6] BVerfG, 2 BvR 1500/97 vom 19.12.2000, abrufbar unter www.bverfg.de

[7] Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 1997 - BVerwG 7 C 11.96 -

[8] Martin Krield, Einführung in die Staatslehre, Frankfurt 1975, S. 116 unter Hinweis auf ein Zitat von Ernst Bloch.

[9] H. Scholler, Gewissensspruch als Störung, in: Jenseits des Funktionalismus, Arthur Kaufmann zum 65. Geburtstag, hrsg. v. Scholler/Philipps, Heidelberg 1989, S. 187

[10] Paul Tillich, Systematische Theologie, Bd. 2, 1987, S 33 ff., 48 ff.

[11] Renk Ludwig, Nochmals: Zum Stand des "Staatskirchenrechts" in Deutschland, BayVBl. 2000, S.744ff; (Replik zu: Frhr. v. Campenhausen, Axel, Zum Stand des Staatskirchenrechts in Deutschland, BayVBl. 1999, S.65ff

[12] vgl. Fn.2

[13] Gerhard Grethlein u.a., Evangelisches Kirchenrecht in Bayern, München, 1994, S.556

[14] vgl. hierzu Gerhard Grethlein u.a., Evangelisches Kirchenrecht in Bayern, München, 1994, S.120ff

Lábjegyzetek:

[1] Der Autor ist Prof. Dr. Dr. H.C.

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