Der Verfassungsrechtler Klaus Stern hat die Arbeitsgerichtsbarkeit schon vor mehr als einem Vierteljahrhundert als die "grundrechtsfreudigste Gerichtsbarkeit" außerhalb der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten bezeichnet.[1] An diesem Befund hat sich seither nichts geändert. Die Zahl derjenigen Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, in denen die Grundrechte herangezogen werden, ist Legion. Sicher gehören die damit angerufenen rechtlichen Maßstäbe nicht in allen Fällen zu den tragenden Begründungselementen. Vielfach geht es lediglich um die Kontrollüberlegung, dass ein aus dem einfachen Recht abzuleitendes Ergebnis den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht widerspricht. Zuweilen wirkt die Erwähnung der Grundrechte sogar nur als Ornament. Dennoch gibt es eine erhebliche Anzahl an Entscheidungen, in denen erst die Grundrechte des Arbeitnehmers[2] den Ausschlag für eine bestimmte Lösung gegeben haben. Alles in allem kann jedenfalls kein Zweifel darüber bestehen, dass die Durchdringung mit grundrechtlichen Wertungen zu den prägenden Zügen des deutschen Arbeitsrechts der letzten Jahrzehnte gehört.
Das Arbeitsrecht reiht sich damit in eine generelle Strömung der modernen Rechtsentwicklung ein, die im Allgemeinen als Konstitutionalisierung
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vorgestellt wird.[3] Dieser schillernde Terminus, der bereits vor rund zehn Jahren als Anwärter auf den "Begriff des Jahres im Öffentlichen Recht" gehandelt wurde[4] und der auch in der internationalen Diskussion über die Fortentwicklung des Arbeitsrechts begegnet,[5] mögen darunter auch nicht selten nur schlichte Verrechtlichungsprozesse verstanden werden,[6] meint entsprechend einer auf Ralf Dreier[7] und Robert Alexy[8] zurückgehenden Begriffsbildung im innerstaatlichen Raum ein juristisches Denken, das den Wertgehalt der Verfassung betont und darauf abzielt, ihn mithilfe der Judikative unter Umständen auch gegen die Legislative und Exekutive zur Geltung zu bringen.[9] Prima facie zeichnen die Gerichte für Arbeitssachen also nur diejenigen Linien nach, die mit dem "Urknall"[10] des Lüth-Urteils des BVerfG von 1958 über den Charakter der Grundrechte als Verkörperung einer objektiven Wertordnung, die als verfassungsrechtliche
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Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt und die daher auch die Vorschriften des Privatrechts beeinflusst,[11] ihren Anfang genommen haben.
Tatsächlich greift die Arbeitsgerichtsbarkeit aber in einem deutlich stärkeren Maße als die ordentliche Zivilgerichtsbarkeit auf grundrechtliche Wertungen zurück. Diese Grundrechtsaffinität lässt sich auf verschiedene Ursachen zurückführen. Zunächst weist das Arbeitsverhältnis als Regelungsobjekt des Arbeitsrechts die Eigenheit auf, dass der Arbeitnehmer eine von seiner Person nicht abtrennbare Arbeitsleistung zu erbringen hat[12] und dabei dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt sowie regelmäßig in dessen Organisationsbereich eingegliedert ist. Hierdurch sind von vornherein bestimmte Interessenkonflikte vorprogrammiert, die sich etwa auf den Persönlichkeitsschutz oder die Meinungsfreiheit desArbeitnehmers beziehen und die damit thematisch in den Gegenstandsbereich der Grundrechte fallen, während vergleichbare Konfliktsituationen in zahlreichen anderen dem Zivilrecht unterfallenden Beziehungen nicht entstehen. Sodann treffen die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses auftretenden Konflikte nicht auf eine geschlossene Kodifikation des Arbeitsvertragsrechts, die ähnlich wie das BGB im Bereich des allgemeinen Zivilrechts auf die Vielzahl der sich stellenden Rechtsfragen bereits auf der einfachrechtlichen Ebene verlässliche Antworten bereithält und den Rekurs auf konstitutionelle Wertungen deshalb zumeist erübrigt. Wäre etwa das vergleichsweise alltägliche Problem der Zulässigkeit einer Klausel über die Rückzahlung von Gratifikationen durch den Arbeitnehmer bei vorzeitiger Kündigung gesetzlich klar geregelt, wäre die Neigung der Gerichte für Arbeitssachen, zur Lösung die in der Verfassung verankerten Grundrechte zu bemühen,[13] zweifellos weniger stark ausgeprägt. Dies gilt erst recht, wenn der Katalog arbeitsrechtlicher Grundrechte, den die Arbeitsgesetzbuchkommission ihrem Entwurf eines Arbeitsvertragsrechts von 1977 vorangestellt hatte,[14] Gesetzeskraft erlangt hätte, auch wenn dort nur wenige Grundrechte
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Aufnahme fanden (z. B. Recht am Arbeitsplatz, Schutz der Persönlichkeit des Arbeitnehmers) und man zudem annehmen muss, dass sich die Arbeitsgerichtsbarkeit für die Konkretisierung dieser einfachrechtlichen Grundrechte maßgeblich auf die Aussagen des BVerfG zum jeweils entsprechenden verfassungsrechtlichen Grundrecht gestützt hätte, wie dies beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht schon lange geschieht.[15] Ein weiterer Umstand betrifft die ständige Veränderung der ökonomischen und sozialen Verhältnisse in der Arbeitswelt, die dazu führt, dass die Gerichte für Arbeitssachen immer wieder mit neuen Gestaltungen konfrontiert werden, zu deren Bewältigung ein Rückgriff auf grundrechtliche Wertungen als stete Inspirationsquelle naheliegt. Darüber hinaus lässt sich die heutige Omnipräsenz der Grundrechte im Arbeitsrecht aber auch als eine in der formativen Periode der Nachkriegszeit getroffene Strukturentscheidung begreifen, die eine Pfadabhängigkeit[16] begründet hat und die jede nachwachsende Richtergeneration auf die einmal eingeschlagenen Bahnen lenkt. Damit gerät die Frühphase der Rechtsprechungstätigkeit des BAG in den Blick, das schon vor der bahnbrechenden Lüth-Entscheidung die Fundamente für die Karriere der Grundrechte als Argument bei der Rechtsfindung im Arbeitsrecht gelegt hat.
Diese Anfänge verbinden sich vor allem mit dem Namen von Hans Carl Nipperdey, der schon in der Weimarer Zeit als Zivilrechts-, Wirtschaftsrechts- und Arbeitsrechtswissenschaftler von sich reden machte.[17] Trotz seiner Beheimatung im Privatrecht engagierte sich Nipperdey frühzeitig auch im Verfassungsrecht. Einen ersten Höhepunkt
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dieser Ausrichtung bildete die Herausgeberschaft eines dreibändigen Kommentars zu den Grundrechten und Grundpflichten der Weimarer Reichsverfassung,[18] den Franz L. Neumann zwar mit kritischem Unterton als "Renaissance des bürgerlichen Rechtsstaatsgedankens" würdigte,[19] der aber gerade dadurch eine positive und konstruktive Grundeinstellung zur Verfassung und ihren Grundrechten widerspiegelte[20]. Das spezifische Thema der Auswirkungen der Grundrechte auf das Privatrecht kam in diesem Werk freilich nur sporadisch zur Sprache. Die Zeit für eine offensive Konstitutionalisierung der Privatrechtsordnung war noch nicht reif.
Die Szenerie änderte sich unter der Herrschaft des Grundgesetzes. Nipperdey befasste sich von Anfang an mit dem Verhältnis von Verfassung und Privatrecht und avancierte in der alsbald heftig aufflammenden, wenn auch primär in der Staatsrechtswissenschaft geführten Diskussion über die Wirkung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung[21] rasch zum profiliertesten Wortführer der Lehre von der unmittelbaren Grundrechtswirkung, für die er sich in zahlreichen Veröffentlichungen einsetzte.[22] Diese "absolute Wirkung", wie Nipperdey sie in seinen späteren Schriften nannte[23] und die er zumindest den meisten Grundrechten zubilligte, ergab sich für ihn aus ihrer Stellung im Gesamtsystem, die er mit Wendungen wie "Normen höchsten Grades",[24] "allgemeine
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Rechtsprinzipien",[25] "Grundsatznormen für die gesamte Rechtsordnung"[26] etc. umschrieb. Zur inhaltlichen Begründung seiner Konzeption berief sich Nipperdey auf einen Bedeutungswandel der Grundrechte, die nicht länger nur subjektiv-öffentliche Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat seien, sondern deren Funktion nunmehr auch darin bestehe, Freiheitsbeschränkungen in der gesellschaftlichen Sphäre, namentlich gegenüber "sozialen Gewalten", also bei einem Kräfteungleichgewicht der Beteiligten, entgegenzutreten.[27] Der eigentliche Kern der Lehre von Nipperdey besteht daher weniger in der häufig in den Vordergrund gerückten konstruktiven Frage der Drittwirkung als vielmehr darin, die Grundrechte von ihrer vertikalen Staatsfixiertheit als Erbe einer strengen Dichotomie von Staat und Gesellschaft[28] zu befreien und ihnen eine Bedeutung auch für die horizontale Ebene der rechtlichen Beziehungen zwischen Privaten zuzusprechen. Der Gegensatz zur Konzeption von Dürig, der sich seinerzeit mit starken Worten ("Zerstörungswerk") explizit gegen die Auffassung von Nipperdey wandte und statt dessen für eine lediglich mittelbare Drittwirkung der Grundrechte plädierte,[29] wie auch zur Sichtweise des BVerfG, das sich in Lüth dieser Konstruktion im Wesentlichen anschloss,[30] sollte daher nicht überschätzt werden, zumal eine analytische Betrachtung die Einsicht zutage fördert, dass die prima facie abweichenden Lehren getrennte Wirkungen umschreiben, die auf unterschiedlichen rechtlichen Ebenen (Pflichten des Staates, Rechte gegenüber dem Staat, rechtliche
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Relationen zwischen Privatrechtssubjekten) eintreten[31]. Nipperdey hatte deshalb keine Probleme damit, die vom BVerfG in Lüth vorgenommene Konzeptualisierung der Grundrechte als Ausdruck einer objektiven Werteordnung, die sich in der Folgezeit immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt sah,[32] in seinen Beiträgen zustimmend aufzugreifen.[33]
Die entscheidende Einflussnahme auf die Entwicklung des Arbeitsrechts gelang Nipperdey freilich nicht als Arbeitsrechtswissenschaftler, sondern in seiner Rolle als erster Präsident des BAG, dessen Judikatur er von 1954 bis zu seinem Ausscheiden im Jahr 1963 maßgeblich prägte. Neben Entscheidungen zur Unzulässigkeit von niedrigeren Entgelten für Frauen in Tarifverträgen wegen Verstoßes gegen die als unmittelbar anwendbar bezeichneten Art. 3 Abs. 2 und 3 GG, die gesellschaftspolitisch von höchster Bedeutung waren, dogmatisch aber auf der Charakterisierung der tariflichen Normsetzung als Ausübung delegierter staatlicher Normsetzungsmacht beruhten[34] und deshalb eine eigenständige Färbung aufweisen, gab es von Anfang an doch auch rein individualvertragliche Gestaltungen, in denen Nipperdey seine Grundvorstellungen verwirklichen konnte. So hieß es schon in einer der ersten Entscheidungen des BAG, welche die Kündigung eines Arbeitnehmers wegen einer Meinungsäußerung betraf, dass Grundrechte, die für den Privatrechtsverkehr in einer freiheitlichen und sozialen Gemeinschaft unentbehrlich seien, auch im Verhältnis der Bürger untereinander gelten würden.[35] Zur Begründung berief sich
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der Erste Senat, dessen Vorsitz Nipperdey innehatte, ganz im Sinne der von ihm entwickelten Konzeption und nicht weit von den späteren Formulierungen des BVerfG in Lüth entfernt darauf, dass bestimmte in den Grundrechten zum Ausdruck gekommene Grundwertungen ein Ordnungsgefüge bilden würden, das der gesamten Staats- und Rechtsordnung zugrunde liege und zu dem sich keine Verträge oder sonstigen Maßnahmen der Bürger in Widerspruch setzen dürften. Daher könne sich der betroffene Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber grundsätzlich auf Art. 5 Abs. 1 GG stützen, auch wenn sich die dem Arbeitnehmer hierdurch großzügig gewährte "Bruttofreiheit" aufgrund einer starken Betonung der Grundrechtsschranken in Gestalt einer allgemeinen "Grundregel des Arbeitsverhältnisses", den Betriebsfrieden nicht zu gefährden, im konkreten Fall nicht in einer entsprechend weiten "Nettofreiheit"[36] niederschlug. Derselbe Grundansatz kommt in der vielzitierten Zölibatsentscheidung zum Ausdruck, in der das BAG erkannte, dass eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, nach der das Arbeitsverhältnis mit einer Arbeitnehmerin im Fall der Eheschließung enden solle, wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 GG sowie gegen Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG nach § 134 BGB nichtig sei.[37]
In konstruktiver Hinsicht ließen sich Nipperdey und das BAG von der seitens des BVerfG in Lüth entwickelten abweichenden Konzeption nicht beeindrucken, sondern hielten an der These von der unmittelbaren Wirkung der Grundrechte vorerst fest.[38] Das Beharrungsvermögen des einmal eingeschlagenen Pfades war sogar so stark, dass sich dahingehende Vorstellungen in den Urteilen des BAG auch noch viele Jahre nach dem
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Ende der Nipperdey-Ära[39] finden.[40] Das Vermächtnis Nipperdeys in der formativen Phase der Herausbildung des Arbeitsrechts in der jungen Bundesrepublik besteht indes nicht in dem Streit um die konstruktive Erfassung der Grundrechtswirkung auf der Ebene des Privatrechts, der letztlich nur Episode blieb, sondern darin, dass Nipperdey den Blick des Arbeitsrechts von vornherein auf die Grundrechte und die in ihnen verkörperten Wertentscheidungen als leitend für die Rechtsfindung lenkte. Gewiss wäre es im Gefolge der Lüth-Entscheidung des BVerfG auch ohne seinen Einfluss zu einer Entdeckung der Grundrechte durch die Gerichte für Arbeitssachen gekommen. Der Aufstieg der Verfassung zu einer formale Kategorien sprengenden "guten und gerechten Ordnung des Gemeinwesens"[41] hätte vor den Toren der Arbeitsgerichtsbarkeit keineswegs Halt gemacht. Die Geschwindigkeit und Intensität, mit der diese Entwicklung stattfand und die zur treffenden Bezeichnung als "grundrechtsfreudigste Gerichtsbarkeit außerhalb der öffentlichrechtlichen Gerichtsbarkeiten"[42] führten, wäre ohne Nipperdey aber wohl nicht denkbar gewesen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass man in Nipperdey einen Befürworter einer aus der materiellrechtlichen Vorrangstellung der Grundrechte abzuleitenden institutionellen Vorrangstellung des BVerfG sehen könnte. Für einen Aufstieg des BVerfG zum "Oberrevisionsgericht in Grundrechtsfragen"[43] lässt er sich nicht vereinnahmen. Die institutionelle Behauptung des BVerfG nicht zuletzt gegenüber dem BAG als Konsequenz der durch Lüth etablierten Rundumwirkung der Grundrechte[44] stand nicht auf seiner Agenda. Im Gegenteil war Nipperdey viel zu selbstbewusst, um an die keineswegs ausgeschlossene, wenn auch eher unwahrscheinliche Möglichkeit einer Korrektur der eigenen Spruchpraxis durch das BVerfG
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qua Urteilsverfassungsbeschwerde aufgrund einer Fehlgewichtung grundrechtlicher Wertungen seitens des BAG auch nur zu denken. Seinen Vorstellungen entsprach wohl eher eine Aufgabenteilung in der Weise, dass sich das BVerfG auf prinzipielle Aussagen beschränken und es dann vornehmlich Sache der Fachgerichtsbarkeiten sein sollte, den Bedeutungsgehalt der Grundrechte für den konkreten Fall auch diesseits zwingender verfassungsrechtlicher Vorgaben zu erschließen und in die Rechtsfindung einfließen zu lassen. Allerdings finden sich im Werk von Nipperdey soweit ersichtlich keine näheren Aussagen zur Kompetenzabgrenzung zwischen dem BVerfG und den Fachgerichten, was insofern nicht verwundert, als sich ein dahingehendes Problembewusstsein erst in späteren Jahren[45] herausgebildet hat.
War die Rechtsprechungsentwicklung im Hinblick auf die inhaltlichen Bewertungsmaßstäbe von Anfang an durch eine weitgehende Harmonie zwischen BAG und BVerfG gekennzeichnet,[46] kam es seit den 1980er Jahren auch auf der konzeptionellen Ebene zu einer Angleichung der Judikatur des BAG an die Sichtweise des BVerfG.
Der erste Schritt bestand in der Übernahme der Vorstellung von der bloß mittelbaren Wirkung der Grundrechte. Auslöser für den Umschwung war die neuerliche Beschäftigung des BAG mit der dogmatischen
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Begründung des Anspruchs des Arbeitnehmers auf vertragsgemäße Beschäftigung im bestehenden Arbeitsverhältnis als Grundlage für die seinerzeit vieldiskutierte Frage eines sog. Weiterbeschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers während des Kündigungsschutzprozesses. In einer Entscheidung von 1955 hatte das BAG den Beschäftigungsanspruch noch unmittelbar auf das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG gestützt und sich für diese Sichtweise u. a. auf die Überlegungen von Nipperdey[47] berufen.[48] In seinem Beschluss von 1985 sprach sich der Große Senat des BAG dagegen ausdrücklich gegen eine unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG abzuleitende Pflicht des Arbeitgebers auf Förderung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers aus und ließ die verfassungsrechtlichen Wertungen stattdessen über die Generalklausel von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in die arbeitsrechtlichen Beziehungen einfließen.[49] Auch wenn das BAG in diesem Zusammenhang lediglich die Soraya-Entscheidung des BVerfG[50] in Bezug nahm, ging es in der Sache aber natürlich um die Übernahme der Lüth-Doktrin. Bei diesem Grundansatz ist es seither geblieben.[51] Der weitgehend geräuschlose Austausch der Begründungen bei gleichbleibenden Ergebnissen belegt somit einmal mehr die lediglich untergeordnete Bedeutung der Konstruktionsfrage.
Der zweite wichtige Schritt ist in der Übernahme der vom BVerfG entwickelten verfassungsrechtlichen Verankerung der Vertragsinhaltskontrolle zu sehen. Auch insoweit ging es freilich nicht um neuartige Ergebnisse, hatte das BAG doch schon seit Jahrzehnten die Befugnis für sich in Anspruch genommen, arbeitsvertragliche Vereinbarungen auf Angemessenheit
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zu kontrollieren[52]. Vielmehr bestand die Weiterentwicklung darin, den arbeitsrechtsinternen Begründungsmustern mit ihren vielfältigen normativen Anknüpfungspunkten eine grundrechtliche Unterfütterung zu geben und sie dadurch gegen Kritik abzusichern. Anlass dieser Neuorientierung war die vom BVerfG im Anschluss an die Handelsvertreter-Entscheidung[53] vor allem in der Bürgschafts-Entscheidung[54] entwickelte Grundkonzeption, nach der ein Vertrag, der an sich Ausdruck beiderseitiger Selbstbestimmung sei, bei einem starken Übergewicht des eines Vertragsteils für den anderen Vertragsteil rechtliche Fremdbestimmung bewirke, so dass die staatliche Rechtsordnung ausgleichend eingreifen müsse, um den Grundrechtsschutz (Art. 12 Abs. 1 GG in der HandelsvertreterEntscheidung bzw. Art. 2 Abs. 1 GG in der Bürgschafts-Entscheidung) zu sichern und damit zugleich das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG) zu verwirklichen. Hiervon ausgehend sei eine staatliche Intervention zum Schutz der Selbstbestimmung im rechtsgeschäftlichen Bereich gleichermaßen zulässig wie geboten, wenn ein typisierbarer Fall einer strukturellen Unterlegenheit des einen Vertragsteils vorliege und die Folgen des Vertrags für den unterlegenen Teil ungewöhnlich belastend seien. Während diese Konzeption der Grundrechte als Generator für Schutzpflichten des Staates gegenüber privatem rechtsgeschäftlichen Handeln[55] im Schrifttum auf teilweise heftige Kritik stieß,[56] ließ sich das BAG nicht lange bitten, diesen "ordre constitutionell"[57] aufzugreifen
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und damit in der schon seit langem geläufigen Fallgruppe der Kontrolle einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung über die Rückzahlung von Fortbildungskosten die eigene Kontrollkompetenz zu legitimieren.[58] Dabei ist allerdings nicht zu übersehen, dass das BVerfG den richterlichen Interventionspunkt vergleichsweise hoch angesetzt und eine ungewöhnliche Belastung gefordert hatte, während sich das BAG bei der Übernahme dieser konstitutionellen Vorgaben großzügig zeigte und schon relativ geringe Belastungen der Arbeitnehmerseite beanstandete. Rechtfertigen lässt sich diese Diskrepanz dadurch, dass letztlich nicht die Belastung als solche, sondern die durch sie indizierte Fremdbestimmung der einen Vertragspartei den Schutz auslöst. Wenn es zu einer solchen Fremdbestimmung aufgrund einseitiger und für den Arbeitnehmer unausweichlicher Vertragsgestaltungsmacht des Arbeitgebers kommt, ist dies für sich genommen bereits ein Grund, in eine Inhaltskontrolle einzutreten, auch wenn die vertraglich vereinbarte Belastung nicht ungewöhnlich stark ausgeprägt ist.
Mit der durch die Schuldrechtsmodernisierung erfolgten Ausdehnung der AGB-Kontrolle auf vorformulierte Arbeitsbedingungen zum 1.1.2002 hat sich die Frage nach der verfassungsrechtlichen Fundierung der Vertragsinhaltskontrolle für die Arbeitsgerichtsbarkeit allerdings weitgehend erledigt, weil in der Arbeitsvertragspraxis nahezu durchgängig Formulararbeitsverträge verwendet werden und die gerichtliche Befugnis zur Angemessenheitskontrolle mit § 307 BGB nunmehr eindeutig auf Gesetzesrecht gestützt werden kann. Außerhalb des Anwendungsbereichs der AGB-Kontrolle bleibt es indes bei den allgemeinen Grundsätzen, so dass in diesen Fällen die verfassungsrechtlich geforderte Inhaltskontrolle unmittelbar zum Zuge kommt. Dabei hat das BAG zum Ausdruck gebracht, dass es bei einer echten Einzelvereinbarung größere Regelungsspielräume als beim Vorliegen vorformulierter Vereinbarungen akzeptiert bzw. anders gewendet bei einer lediglich durch Grundrechte gesteuerten Vertragsinhaltskontrolle ein erheblich gröberes Prüfungsraster anlegt.[59]
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Wie eingangs bereits angedeutet, werden die Grundrechte des Arbeitnehmers von der Arbeitsgerichtsbarkeit in mannigfacher Weise als Argumentationsmaterial bei der Rechtsfindung herangezogen.[60] Im Folgenden kann es nur darum gehen, ein Schlaglicht auf einige ausgewählte Fallgestaltungen zu richten, wobei aus Raumgründen lediglich Freiheitsrechte, nicht aber Gleichheitsrechte zur Sprache kommen sollen.
Seit jeher von erheblicher Bedeutung ist zunächst das aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, das vom BAG schon frühzeitig herangezogen wurde, um den bereits erwähnten Anspruch auf Beschäftigung im bestehenden Arbeitsverhältnis zu begründen.[61] Dabei ist rechtsdogmatisch an sich zwischen dem verfassungsrechtlichen und dem privatrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu unterscheiden, was jedoch nichts daran ändert, dass die grundrechtlichen Wertgehalte die Reichweite des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes maßgeblich mitbestimmen.[62] Zum Tragen kommt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers hauptsächlich bei solchen Maßnahmen des Arbeitgebers, die darauf abzielen, bei der Anbahnung oder Durchführung des Arbeitsverhältnisses Informationen über den Arbeitnehmer zu erheben oder zu verarbeiten, um auf dieser Grundlage gegebenenfalls weitere arbeitnehmerbezogene Entscheidungen zu treffen. Während es aus der Perspektive desArbeitgebers zur Bewältigung dieses Prinzipal-Agent-Konflikts[63] regelmäßig ökonomisch Sinn macht, den Bewerber bzw. den Arbeitnehmer umfassend zu durchleuchten bzw. zu überwachen, um für das gewährte Arbeitsentgelt
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eine möglichst hochwertige Arbeitsleistung zu erhalten sowie Einbußen durch Schädigungen zu vermeiden, greifen alle diese Aktivitäten, seien es Fragen und Untersuchungen in einem Stellenbesetzungsverfahren, eine Kontrolle des Kommunikationsverhaltens am Arbeitsplatz oder die Überwachung durch Videokameras, aus der Perspektive des Arbeitnehmers in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht bzw. in das daraus entwickelte Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Mit der zunehmenden Ausweitung des spezialgesetzlichen Datenschutzes durch das BDSG[64] entfällt in den hiervon erfassten Gestaltungen zwar die Notwendigkeit, die Grundrechte des Arbeitnehmers mithilfe von Generalklauseln zu mobilisieren. Indessen enthält das geschriebene Recht Lücken, die vom BAG in der Weise gefüllt werden, dass die Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers gemäß § 241 Abs. 2 BGB mit grundrechtlichen Wertungen aufgeladen wird. Auf dieser Basis ist dem Arbeitnehmer beispielsweise das im BDSG nicht geregelte Recht zuerkannt worden, auch noch nach dem Ende seines Arbeitsverhältnisses Einsicht in seine durch den Arbeitgeber geführte Personalakte zu nehmen.[65]
Zu den traditionellen Problemen der Grundrechtsrechtswirkung im Arbeitsverhältnis zählt die Arbeitsverweigerung aus Glaubens- bzw. Gewissensgründen (Art. 4 Abs. 1 GG), die selbstverständlich kein Massenphänomen ist, bei der sich aber in aller Deutlichkeit zeigt, dass die Erbringung der Arbeitsleistung untrennbar mit der Person des Arbeitnehmers verbunden ist und damit einem Wesen, das auf religiöse bzw. ethische Gebote ansprechbar ist.
Mit einer sich auf Glaubensgründe stützenden Weigerung, die aufgetragene Arbeit auszuführen, hatte das BAG allerdings erstmals im Jahr 2011 in einem Fall zu tun, in dem ein in einem Supermarkt beschäftigter muslimischer Arbeitnehmer nicht (mehr) bereit war, alkoholische Getränke in die Regale
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einzusortieren, woraufhin ihm gekündigt wurde.[66] In früheren Fällen war es dagegen entweder um eine Arbeitsverweigerung aus Gewissensgründen[67] oder zwar um Glaubensgründe gegangen, die sich aber nicht gegen die Tätigkeit als solche, sondern nur gegen die vom Arbeitgeber verlangten Umstände ihrer Erbringung richteten[68]. In instrumentaler Hinsicht bettet das BAG das Grundrecht des Arbeitnehmers aus Art. 4 Abs. 1 GG üblicherweise in die Frage ein, ob der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Direktionsrechts nach § 106 GewO die Grenzen billigen Ermessens eingehalten hat,[69] wobei es sich im Hinblick auf die Konkretisierung von Art. 4 Abs. 1 GG in vollem Umfang an die Judikatur des BVerfG[70] anlehnt.[71] Dies gilt etwa für die Einbeziehung des forum externum in den grundrechtlichen Schutz sowie für den subjektivierten Maßstab bei der Frage, ob eine beachtliche Glaubens- bzw. Gewissensentscheidung vorliegt. Auch wenn die prinzipiellen Argumentationsstrukturen bei einem Konflikt von Glaubens- oder Gewissensgeboten auf der einen Seite und arbeitsvertraglichen Pflichten auf der anderen Seite seit Jahrzehnten unverändert geblieben sind, lässt sich auf der Ebene der konkreten Abwägung der berührten Grundrechtspositionen bei einer Einzelanalyse der einschlägigen Urteile doch eine gewisse Freiheitsverschiebung zu Gunsten des Arbeitnehmers konstatieren. Während das BAG dem Grundrecht des Arbeitnehmers aus Art. 4 Abs. 1 GG in früheren Entscheidungen schon bei bloßer Vorhersehbarkeit des Konflikts nicht
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mehr den Vorrang einräumen wollte,[72] soll nun nur noch die konkrete Vorhersicht schädlich sein[73]. Demgegenüber soll sich der Arbeitgeber zwar auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen können, wofür das BAG aber offenbar mehr verlangt als das schlichte Bestehen auf Vertragserfüllung.
Im Zentrum der grundrechtsinduzierten Rechtsfindung im Individualarbeitsrecht steht freilich das "arbeitsrechtliche Muttergrundrecht"[74] der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG, was auch nicht weiter verwundert, weil der Arbeitnehmer (nichts anderes gilt für den Arbeitgeber) während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses fortlaufend von den verschiedenen Facetten seiner Berufsfreiheit Gebrauch macht. Die meisten relevanten Gestaltungen lassen sich den beiden Grundformen des Mobilitätsschutzes und des Bestandsschutzes zuordnen.
Erstens geht es um den Schutz der Freiheit des Arbeitnehmers, eine bestimmte berufliche Tätigkeit ausüben bzw. den Arbeitsplatz wechseln zu können. Verkürzt lässt sich insoweit von Mobilitätsschutz sprechen. Diese Freiheit wird unmittelbar durch eine lange Laufzeit des Arbeitsvertrags, durch vertragliche Nebentätigkeitsverbote sowie durch nachvertragliche Wettbewerbsabreden, mittelbar durch alle Vereinbarungen behindert, die an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer mit dem regelmäßigen Ziel der Aufnahme einer anderen Tätigkeit wirtschaftliche Nachteile knüpfen, wie beispielsweise Stichtagsklauseln, die bestimmte finanzielle Leistungen des Arbeitgebers von einem vom Arbeitnehmer nicht gekündigten Arbeitsverhältnis abhängig machen, oder Klauseln über die Rückzahlung von Gratifikationen und Fortbildungskosten.
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Der Gesetzgeber hat die Problematik unmittelbarer Bindungen teilweise adressiert (§ 15 Abs. 4 TzBfG sowie die §§ 14 ff. HGB bzw. § 110 GewO), die sich in diesem Zusammenhang stellenden Fragen im Übrigen aber ungeregelt gelassen. Die Rechtsprechung hat deshalb schon sehr frühzeitig Art. 12 Abs. 1 GG zu Gunsten des Arbeitnehmers herangezogen, um die Wirksamkeit vertraglicher Freiheitsbeschränkungen dem Grunde nach an das Vorhandensein sachlicher Arbeitgeberinteressen zu binden sowie darüber hinaus übermäßigen Einschränkungen der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers entgegenzuwirken.[75] Hierbei haben sich im Laufe der Zeit feinziselierte Grundsätze etwa zur Frage herausgebildet, wie lange ein Arbeitnehmer durch üblicherweise am Jahresende ausgeschüttete Sonderzahlungen entsprechend ihrer jeweiligen Höhe im Folgejahr gebunden werden darf.[76] Weiter werden Vereinbarungen über die Rückzahlung von Ausbildungskosten, die den Arbeitnehmer von einem Arbeitsplatzwechsel abhalten sollen, daraufhin kontrolliert, ob der Arbeitnehmer durch die vom Arbeitgeber finanzierte Ausbildung einen Vorteil erlangt hat, den er nunmehr zu seinem Vorteil auf dem Arbeitsmarkt verwerten kann.[77]
Dass die Berufung auf Art. 12 Abs. 1 GG immer wieder dazu dient, den Freiheitsraum des Arbeitnehmers tendenziell zu erweitern, wird anhand neuerer Entscheidungen des BAG deutlich. Während der Arbeitgeber eine Sonderzahlung früher ohne weiteres als eine Leistung mit Mischcharakter in dem Sinne ausweisen konnte, dass sie erst verdient wird, wenn die jeweilige Arbeitsleistung im Bezugszeitraum erbracht ist und der Arbeitnehmer über den Bezugszeitraum hinaus Betriebstreue erbringt,[78] hat das BAG nunmehr erklärt, dass ein Anspruch auf eine Sonderzahlung, die jedenfalls auch eine Vergütung für eine bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, nicht davon abhängig gemacht werden
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kann, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Stichtag außerhalb des Bezugszeitraums vom Arbeitnehmer nicht gekündigt wird, weil dies die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers übermäßig beschränken würde.[79]
Der zweite Komplex betrifft den Bestandsschutz im Arbeitsverhältnis. Insoweit hat das BVerfG im Anschluss an seine Entscheidungen zu den Kündigungsregelungen im Einigungsvertrag[80] in seinem Beschluss zur Kleinbetriebsklausel des KSchG die verfassungsrechtliche Dimension des Kündigungsschutzes klargestellt.[81] Danach gewährleistet Art. 12 Abs. 1 GG zwar keinen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Disposition. Wohl aber erlegt Art. 12 Abs. 1 GG dem Staat eine Schutzpflicht auf, den Arbeitnehmer vor einem solchen Verlust im Sinne eines Mindestschutzes zu bewahren. Diese Schutzpflicht findet ihre Rechtfertigung nach Ansicht des BVerfG darin, dass das Arbeitsverhältnis regelmäßig sowohl die wirtschaftliche Existenz sichert als auch die persönliche und gesellschaftliche Stellung bestimmt, so dass dessen Beendigung die Interessen des Arbeitnehmers erheblich tangiert. Dem steht das ebenfalls von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Interesse des Arbeitgebers gegenüber, frei darüber entscheiden zu können, wer in seinem Unternehmen beschäftigt wird. Das BVerfG sieht die dem Staat obliegende Schutzpflicht grundsätzlich durch die geltenden Kündigungsschutzvorschriften als erfüllt an. Für die außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG liegenden Fälle verlangt es indes, den verfassungsrechtlich gebotenen Mindestschutz mithilfe der zivilrechtlichen Generalklauseln zu verwirklichen.
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Ungeachtet der heftigen Kritik, die von Teilen des Schrifttums an diesen Ableitungszusammenhängen geübt worden ist und die sich im Wesentlichen darauf stützt, dass der Schutz des Arbeitnehmers aus Art. 12 Abs. 1 GG nur greifen könne, wenn und solange der Arbeitgeber ihm einen Arbeitsplatz zur Verfügung stelle, so dass die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers insoweit nicht gegen den Arbeitgeber mobilisiert werden könne,[82] hat das BAG auch diese Vorgaben des BVerfG ohne Zögern aufgegriffen und auf der Grundlage der §§ 138, 242 BGB einen "Kündigungsschutz zweiter Klasse"[83] etabliert. Danach muss der Arbeitgeber außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen irgendwie einleuchtenden Grund vorweisen sowie im Falle einer Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme walten lassen.[84] BVerfG und BAG zeigen also auch auf diesem Feld einen bemerkenswerten Gleichklang der Bewertungsmaßstäbe.
Zwei aktuelle Problembereiche mögen abschließend beleuchten, dass das Thema der Grundrechte im Arbeitsrecht auch jenseits der ausgetretenen Pfade immer wieder neue Facetten enthält.
Die Frage, ob der arbeitsrechtliche Bestandsschutz negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat, indem er die Bereitschaft der Arbeitgeber
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zur Einstellung von Arbeitslosen verringert, wird schon seit langem diskutiert.[85] Frucht dieser Debatte sind die Erweiterung der Möglichkeiten zur befristeten Einstellung von Arbeitnehmern schon in den 1980er Jahren[86] sowie die Erhöhung des Schwellenwertes für die Anwendbarkeit des KSchG[87]. In rechtlicher Hinsicht ist zudem schon frühzeitig Art. 12 Abs. 1 GG ins Spiel gebracht worden, der einem zu starken Bestandsschutz entgegenstehe, weil er den freien Wettbewerb der Arbeitnehmer um die zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze behindere[88] bzw. den Interessen der Arbeitslosen an der Erlangung eines Arbeitsplatzes zuwiderlaufe[89].
Neueren Datums ist dagegen die Frage, ob eine arbeitnehmerschützende Rechtsnorm gegenüber einem "Arbeitsplatzbesitzer" selbst unter Berufung auf dessen Grundrechte mit der Begründung einzuschränken ist, dass ihm die Regelung im Allgemeinen einen zu intensiven und damit prohibitiven Schutz verschaffe. Schlagwortartig geht es also darum, ob Grundrechte gleichsam einen "Schutz vor dem Schutz" gewährleisten. Auslöser dieser Kontroverse ist eine Entscheidung des BAG zum sog. Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Danach kann ein Arbeitsverhältnis in Abweichung von der Grundregel des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG, die eine kalendermäßige Befristung von bis zu zwei Jahren ohne sachlichen Grund erlaubt, nicht mehr sachgrundlos befristet werden, wenn mit demselben Arbeitgeber zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Der Gesetzgeber hatte bei der Schaffung dieser Regelung im Jahr 2001 eindeutig zu erkennen gegeben, dass es nicht darauf ankommen soll, wie lange
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jenes andere Arbeitsverhältnis zurückliegt.[90] In diesem Sinne hatte das BAG die Bestimmung auch ursprünglich wiederholt verstanden.[91] In einem neueren Urteil von 2011 hat das BAG dagegen entschieden, dass diese Vorschrift mittels einer verfassungsorientierten Auslegung um der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers willen zu beschränken sei und sich nicht auf Arbeitsverhältnisse beziehe, die länger als drei Jahre zurückliegen würden.[92] Ein uneingeschränktes ("lebenslanges") Anschlussverbot entfalte nämlich eine strukturell einstellungshemmende Wirkung, indem es die Freiheit des Arbeitnehmers beeinträchtige, mit einem einstellungsbereiten Arbeitgeber einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen. Damit gewähre die Regelung dem Arbeitnehmer einen Schutz, der zu seinem Nachteil ausschlage, ohne zur Verhinderung von Befristungsketten erforderlich zu sein, und der deshalb die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers unverhältnismäßig beschränke. Für den konkret betroffenen Arbeitnehmer war die vom BAG vorgenommene "Umdeutung" des gesetzlichen Schutzes in eine Belastung freilich kontraproduktiv, indem sie zur Wirksamkeit der Befristungsabrede und damit zum Verlust des Arbeitsplatzes führte. In einer kurze Zeit später ergangenen Entscheidung wird dieser Ansatz sogar noch verstärkt, indem das BAG nicht mehr nur von einer verfassungsorientierten, sondern nunmehr von einer verfassungskonformen Auslegung spricht und ein zeitlich nicht limitiertes Vorbeschäftigungsverbot damit als Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG wertet.[93]
Eine solche Sicht der Dinge kann schon deshalb nicht überzeugen, weil sich das BAG hierdurch diametral über den eindeutigen gesetzgeberischen Willen hinwegsetzt und die Frage einer Verfassungswidrigkeit von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nur vom BVerfG entschieden werden darf.[94]
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Dazu passend hat das BVerfG in jüngerer Zeit wiederholt die Grenzen der richterlichen Rechtsfindung in Erinnerung gerufen. So ist es den Gerichten aus Gründen der Gewaltenteilung untersagt, die eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung durch Rechtsfortbildung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers zu setzen.[95] Durch verfassungskonforme Interpretation darf der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden.[96] Wenn das BAG meint, dass § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer durch Gewährung eines übermäßigen Schutzes faktisch beeinträchtigt, hätte es die Regelung dem BVerfG im Wege einer konkreten Normenkontrolle zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorlegen müssen. Dies gilt umso mehr, als das BVerfG die Bestimmung schon einmal - wenn auch unter dem gegenläufigen Blickwinkel einer Beeinträchtigung der Berufsfreiheit des Arbeitgebers - gewürdigt und nicht beanstandet hat.[97] Darüber hinaus ist es grundsätzlich zweifelhaft, ob eine arbeitnehmerschützende Bestimmung mit der Begründung als verfassungswidrig gebrandmarkt werden kann, dass sie Arbeitgeber voraussichtlich davon abhält, die durch die Norm geschützten Arbeitnehmer einzustellen und diese deshalb von ihrer Berufswahl keinen oder nur einen eingeschränkten Gebrauch machen können. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2003 zum Zuschuss des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld zwar einen im Ansatz vergleichbaren Gedanken entwickelt und eine faktische Diskriminierung jüngerer Frauen und damit einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG bejaht, weil die Regelung gerade ihnen gegenüber eine einstellungshemmende Wirkung entfalten könne. Allerdings hat das BVerfG nicht für einen Abbau des Schutzes plädiert, sondern stattdessen für eine Neutralisierung der Belastung geworben.[98] In der Tat kann es kein gangbarer Weg sein, eine die Arbeitnehmerseite schützende Regelung, die für sich
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genommen keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit der Arbeitgeberseite darstellt, deshalb für verfassungswidrig zu halten, weil die Marktgegenseite sie als ökonomisch zu belastend empfindet und aus diesem Grund Vermeidungsstrategien entwickelt. Die Kompetenz des Gesetzgebers zur Gestaltung der Wirtschafts- und Arbeitsordnung und damit auch die politische Verantwortung für die Auswirkungen bestimmter Regelungen auf den Arbeitsmarkt würden ausgehöhlt werden, wenn der tatsächliche oder auch nur vermutete Wille der Arbeitgeberseite, bestimmten Schutzvorschriften durch Nichteinstellung von Arbeitnehmern aus dem Weg zu gehen, automatisch deren Verfassungswidrigkeit zur Folge haben würde. Sicher muss über das angemessene Niveau des arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes im Hinblick auf seine möglichen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt[99] rechtspolitisch gestritten werden. Wenn dieses Niveau aber auf der einen Seite den Mindestschutz wahrt, während es auf der anderen Seite dem Arbeitgeber normativ noch zumutbar ist, werden die Grundrechte überinterpretiert, wenn man die mit jeder zwingenden arbeitsrechtlichen Schutzvorschrift verbundene rechnerische Verteuerung des Faktors Arbeit sowie insbesondere jede den Bestand von Arbeitsverhältnissen verstärkende Norm zu einer potentiell grundrechtswidrigen Beeinträchtigung der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers hochstilisiert. Ob der Gesetzgeber externe Flexibilität in weitem Umfang zulässt oder ob er der Stabilität bestehender Arbeitsverhältnisse den Vorrang einräumt, ist innerhalb äußerster Grenzen eine Frage sozialpolitischen Ermessens und wird nicht dadurch zu einem Grundrechtsproblem, dass man einen zwingend gewährten Schutz als einen Eingriff in die Berufsfreiheit der hierdurch Geschützten einstuft,[100] den die Geschützten (angeblich) nicht nötig haben und der sie deshalb in unverhältnismäßiger Weise daran hindere, durch den Verzicht auf Bestandsschutz (vorläufig) einen Arbeitsplatz zu erlangen. Da gegen die Urteile des BAG soweit ersichtlich keine Verfassungsbeschwerde eingelegt wurde, wird bis auf weiteres aber leider offenbleiben, wie sich
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das BVerfG zur Korrektur des Gesetzgebers durch das BAG sowie zu dessen grundrechtlichen Vorstellungen verhält.
Eine zweiter vor einiger Zeit intensiv diskutierter Fall führt auf die europäische Ebene und zwar in den Bereich der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), die in Deutschland innerstaatlich im Rang eines einfachen Bundesgesetzes gilt,[101] aber auf verschiedenen Wegen zunehmend an Dignität und Durchschlagskraft gewinnt. Zum einen sind die EMRK und die zu ihr ergangene Rechtsprechung des EGMR nach dem Görgülü-Beschluss des BVerfG im Sinne einer transnationalen Kollisionsregel[102] als "Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten" zu berücksichtigen.[103] Zum anderen sollen die europäischen Grundrechte gemäß Art. 52 Abs. 3 GRCh in Anlehnung an die EMRK interpretiert werden, wobei die Bedeutung der EMRK für das EU-Recht mit dem geplanten Beitritt der EU zur EMRK noch weiter steigen würde.[104] Schließlich kennt die EMRK seit der Reform von 1998 eine nicht mehr an die Anerkennung durch die Mitgliedstaaten gebundene Möglichkeit der Individualbeschwerde.[105]
Mit der Heinisch-Entscheidung des EGMR von 2011[106] ist schlagartig ins allgemeine Bewusstsein getreten, dass die EMRK auch für das deutsche Arbeitsrecht von erheblicher Relevanz sein kann, während frühere Verfahren zumeist Konstellationen betrafen, die insoweit
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keine größere Rolle spielten. Im Fall Heinisch ging es um eine Whistleblowerin, konkret um eine Altenpflegerin, die nach jahrelangen internen Auseinandersetzungen wegen möglicher Rechtsverstöße ihres ein Altenheim betreibenden Arbeitgebers gegen die verantwortlichen Personen Strafanzeige wegen Betrugs erhoben hatte und deswegen gekündigt worden war. Das LAG Berlin hatte die Kündigung bestätigt, das BAG und das BVerfG den Fall nicht zur Entscheidung angenommen. Der EGMR entschied, dass Deutschland hierdurch die gemäß Art. 10 Abs. 1 EMRK geschützte Meinungsfreiheit der Arbeitnehmerin verletzt hat. Bemerkenswert ist dabei zum einen die an das deutsche Vorbild erinnernde Anwendung der Schutzpflichtdoktrin auf Art. 10 Abs. 1 EMRK[107] sowie zum anderen die Einstufung der fristlosen Kündigung als Sanktion, für die der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu gelten habe[108]. Bei näherer Betrachtung unterscheiden sich die Wertungen des EGMR in der Grundtendenz freilich nicht wesentlich von der neueren Strömung in der Rechtsprechung von BVerfG[109] und BAG,[110] die Whistleblowern an sich ebenfalls einen größeren rechtlichen Schutz gewährt, als dies in der älteren arbeitsgerichtlichen Judikatur der Fall war[111]. Allerdings betont der EGMR zusätzlich das allgemeine Interesse der Öffentlichkeit an der Aufdeckung von Missständen in Altenheimen[112] ebenso wie Einschüchterungseffekte auf andere Arbeitnehmer, wenn die Kündigung von der Rechtsordnung akzeptiert würde[113]. Damit legt der EGMR bei der Interpretation der Meinungsfreiheit der Sache nach eine demokratischfunktionale Grundrechtstheorie[114] zugrunde und stellt infolgedessen
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stärker als es die deutschen Gerichte bislang getan haben gezielt auch externe Effekte der Äußerung in die Interessenabwägung ein.[115]
Die Durchdringung des Individualarbeitsverhältnisses mit grundrechtlichen Wertungen hat in der Rückschau zweifellos zu einem Freiheitsgewinn für die Arbeitnehmerseite geführt. Die Arbeitsgerichtsbarkeit hat eindeutig klargestellt, dass bürgerliche Freiheitsrechte nicht am Werkstor enden. Dabei liegt die deutsche Entwicklung im internationalen Trend, was nicht nur in der erwähnten Heinisch-Entscheidung des EGMR zum Ausdruck kommt.[116] Zwar führt der Grundrechtsgewinn auf der einen Seite in mehrpoligen Rechtsverhältnissen zwangsläufig zu einer Grundrechtseinbuße auf der anderen Seite, so dass insoweit nur eine Freiheitsverschiebung stattfindet. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass vielfach unterschiedlich geartete Grundrechte auf dem Spiel stehen und eine asymmetrische Gefährdungslage besteht. Dass durch Maßnahmen der Arbeitnehmerseite in Persönlichkeitsrechte des Arbeitgebers, in seine Glaubens- bzw. Gewissensfreiheit oder in seine Meinungsfreiheit eingegriffen wird, ist aufgrund der sozialen Machtverhältnisse praktisch ausgeschlossen. Auf der Seite des Arbeitgebers ist vielmehr regelmäßig nur die Berufsausübungsfreiheit betroffen, die bei großen Kapitalgesellschaften zudem ihren personalen Einschlag verliert und zur bloßen Freiheit zur unternehmerischen Betätigung zusammenschrumpft. Mit der Möglichkeit einer Berufung auf Grundrechte werden dem Arbeitnehmer daher nicht
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selten Trümpfe in die Hand gegeben,[117] die den gegenläufigen Rechten des Arbeitgebers standhalten. Systemtheoretisch gesprochen sichert die Judikatur hierdurch die Eigenlogik bestimmter sozialer Sphären wie Persönlichkeitsinteressen, Glaubens- und Gewissenentscheidungen und Meinungsäußerungen vor einer Überwältigung durch die ökonomische Logik der möglichst ungebremsten Herstellung von Gütern oder Dienstleistungen ab.[118]
Dass sich das BAG sowohl bei der Bestimmung der grundrechtlichen Schutzbereiche als auch bei der Methode der wertenden Abwägung der im Einzelnen widerstreitenden Grundrechte im Wesentlichen in den Bahnen des BVerfG bewegt, ist nicht zu kritisieren, auch wenn die konkreten Ergebnisse dadurch weitgehend in die Hände des Rechtsanwenders gelegt werden. Solange grundlegende Neuorientierungen in der Grundrechtsdogmatik wie die Beschränkung auf einen gegenüber dem Lebensbereich engeren Gewährleistungsgehalt und die Zurückdrängung der Abwägung als Rechtsfindungsmethode[119] in der Rechtsprechung des BVerfG keinen nachhaltigen Widerhall finden, sind die Gerichte für Arbeitssachen sicher nicht das Forum, um derartige Entwicklungen voranzutreiben. Die eigentlichen grundrechtsbezogenen Herausforderungen dürften für die Arbeitsgerichtsbarkeit in der Zukunft aber ohnehin nicht in Veränderungen der deutschen Grundrechtsdogmatik liegen, sondern in dem Aufeinandertreffen sich ständig weiter ausdifferenzierender Grundrechtsräume im europäischen Mehrebenensystem. Da der Blick des Rechtsanwenders nunmehr nicht länger nur zwischen einfachem Recht
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und Verfassungsrecht hin- und herwandern,[120] sondern mit EMRK und GRCh noch zwei weitere Normenkomplexe einbeziehen muss, besteht die künftige Hauptaufgabe darin, eine kohärente Grundrechtsarchitektur[121] zu errichten, was gerade in mehrpoligen Rechtsverhältnissen auf besondere Schwierigkeiten stößt. Mag diese Aufgabe auch vornehmlich auf den jeweiligen Höchstgerichten, also auf BVerfG, EGMR und EuGH, lasten und nur durch Kooperation[122] bzw. eine Rücknahme der Kontrolldichte[123] bewältigt werden können, muss sie doch "in kleiner Münze" von den Gerichten für Arbeitssachen umgesetzt werden, damit sich die Entwicklung der letzten Jahrzehnte ohne größere Friktionen fortsetzt und der effektive Freiheitsschutz der Arbeitnehmer als den regelmäßig schwächeren Marktteilnehmern erhalten bleibt. Über die weitere "Grundrechtsfreudigkeit" der Arbeitsgerichtsbarkeit wird man sich dabei aber sicher keine Sorgen machen müssen. ■
ANMERKUNGEN
* Überarbeitete und mit Nachweisen versehene Fassung des am 26. April 2013 im Rahmen des 3. Deutsch-Ungarischen Kolloquiums zur Wirkung der Grundrechte auf die verschiedenen Rechtsgebiete an der Eötvös Loránd Universität (Budapest) gehaltenen Vortrags.
[1] Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, § 75 I 3 b, S. 1429; ebenso Franz Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, 1989, S. 16.
[2] Die folgende Darstellung soll sich auf die ohnehin im Vordergrund stehenden Grundrechte des Arbeitnehmers konzentrieren, während die häufig nur als Gegengewicht fungierenden Grundrechte des Arbeitgebers ausgeklammert bleiben. Nicht thematisiert wird ferner die Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 GG, die vor allem wegen der durch sie gewährleisteten Tarifautonomie sowie der mit ihr verbundenen Normsetzungsbefugnis der Tarifparteien eigenständige Fragen aufwirft.
[3] Statt vieler Felix Maultzsch, Die Konstittitionalisierung des Privatrechts als Entwicklungsprozess - Vergleichende Betrachtungen zum deutschen und amerikanischen Recht, JZ 2012, 1040-1050; ferner Günter Hager, Von der Konstitutionalisierung des Zivilrechts zur Zivilisierung der Konstitutionalisierung, JuS 2006, 769-775.
[4] So Rainer Wahl, Konstitutionalisierung - Leitbegriff oder Allerweltsbegriff?, in: Carl-Eugen Eberle/Martin Ibler/Dieter Lorenz (Hrsg.), Der Wandel des Staates vor den Herausforderungen der Gegenwart, Festschrift für Winfried Brohm zum 70. Geburtstag, 2002, S. 191-207 (191).
[5] Siehe etwa Harry Arthurs, The Constitutionalization of Employment Relations: Multiple problems, Pernicious Problems, Social & Legal Studies 19 (2010), 403-422; Ruth Dukes, Constitutionalizing Employment Relations: Sinzheimer, Kahn-Freund, and the Role of Labour Law, Journal of Law and Society 35 (2008), 341-363.
[6] Zur Unterscheidung von Konstitutionalisierung und bloßer Verrechtlichung siehe Dieter Grimm, Gesellschaftlicher Konstitutionalismus, in: Matthias Herdegen/Hans-Hugo Klein/Hans-Jürgen Papier/Rupert Scholz (Hrsg.), Staatsrecht und Politik, Festschrift für Roman Herzog zum 75. Geburtstag, 2009, S. 67-81 (73 f.). Grdl. zum umfassenderen Phänomen der Verrechtlichung Friedrich Kübler (Hrsg.), Verrechtlichung von Wirtschaft, Arbeit und sozialer Solidarität, 1984; Gunther Teubner (Ed.), Juridification of social spheres: A comparative analysis in the areas of labor, corporate, antitrust and social welfare law, 1987.
[7] Ralf Dreier, Konstitutionalisierung und Legalismus. Zwei Arten juristischen Denkens im demokratischen Verfassungsstaat, in: Arthur Kaufmann/Ernst-Joachim Mestmäcker/Hans F. Zacher (Hrsg.), Rechtsstaat und Menschenwürde, Festschrift für Werner Maihofer zum 70. Geburtstag, 1988, S. 87-107 (88).
[8] Robert Alexy, Rechtssystem und praktische Vernunft, Rechtstheorie 18 (1987), 405-419 (405).
[9] Ferner Gunnar F. Schuppert/Christoph Bumke, Die Konstitutionalisierung der Rechtsordnung, 2000; krit. zur Verwendung des Begriffs der Konstitutionalisierung im innerstaatlichen Bereich aber Rainer Wahl, Konstitutionalisierung (Fn. 4), S. 191-207 (192 ff.).
[10] So Robert Alexy, Verfassungsrecht und einfaches Recht - Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit, VVDStRL 61 (2002), S. 7-30 (9).
[11] BVerfG vom 15.1.1958 - 1 BvR 451/51 - BVerfGE 7, 198 ff.
[12] Klassisch Karl Marx, Lohnarbeit und Kapital, 18. Aufl., 1978, S. 24: "Ware, die keinen anderen Behälter hat als menschliches Fleisch und Blut".
[13] Dazu noch unten sub IV 3 a.
[14] Vgl. BMAS (Hrsg.), Arbeitsgesetzbuchkommission, Entwurf eines Arbeitsgesetzbuches -Allgemeines Arbeitsvertragsrecht -, 1977, Art. 1 bis 4 (Formulierungen arbeitsrechtlicher Grundrechte), auch abgedruckt in: Thilo Ramm (Hrsg.), Entwürfe zu einem Deutschen Arbeitsvertragsgesetz, 1992, S. 401-477 (413 f.).
[15] Zur Unterscheidung zwischen dem verfassungsrechtlichen und dem privatrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht bei gleichzeitiger Relevanz der konstitutionellen Maßstäbe für die Ausformung des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes siehe Horst Ehmann, Zur Struktur des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, JuS 1997, 193-203 (197); Hans D. Jarass, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Grundgesetz, NJW 1989, 857-862 (858, 861 f.); Günther Wiese, Innerbetrieblicher Persönlichkeitsschutz von Arbeitnehmern, ZfA 2006, 631-657 (635 ff.).
[16] Dazu Rainer Wahl, Entwicklungspfade im Recht, JZ 2013, S. 369-379.
[17] Zu Leben und Werk von Nipperdey eingehend Thorsten Hollstein, Die Verfassung als "Allgemeiner Teil". Privatrechtsmethode und Privatrechtskonzeption bei Hans Carl Nipperdey (1895-1968), 2007; kürzer Klaus Adomeit, Hans Carl Nipperdey (1895-1968), in: Stefan Grundmann/Karl Riesenhuber (Hrsg.), Deutschsprachige Zivilrechtslehrer des 20. Jahrhunderts in Berichten ihrer Schüler, Bd. 1, 2007, 149-165.
[18] Hans C. Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung. Kommentar zum zweiten Teil der Reichsverfassung, 3 Bde., 1929.
[19] Franz L. Neumann, Die soziale Bedeutung der Grundrechte in der Weimarer Verfassung, Die Arbeit 1930, S. 569-582 (582).
[20] So Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 3, 1999, S. 98.
[21] Umfassende Schilderung der Debatte bei Klaus Stern, Staatsrecht (Fn. 1), § 76 I 4, S. 1518 ff.
[22] Z. B. Hans C. Nipperdey, Das Arbeitsrecht im Grundgesetz, RdA 1949, 214-216 (216); ders., Gleicher Lohn der Frau für gleiche Leistung, RdA 1950, 121-128 (124); ders., Gleicher Lohn der Frau für gleiche Leistung, 1951, S. 7 ff.; ders., Boykott und freie Meinungsäußerung, DVBl. 1958, 445-452 (446 f.); ders., in: Ludwig Enneccerus/Hans C. Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Halbbd. 1, 15. Aufl., 1959, § 15 II 4 c, S. 93 ff.; ders., Grundrechte und Privatrecht, 1961, S. 14 f.
[23] So Hans C. Nipperdey, in: Ludwig Enneccerus/Hans C. Nipperdey, Allgemeiner Teil (Fn. 22), § 15 II 4 c, S. 94; ders., Grundrechte (Fn. 22), S. 15.
[24] So Hans C. Nipperdey, Gleicher Lohn (Fn. 22), RdA 1950, 121-128 (124).
[25] Hans C. Nipperdey, Die Würde des Menschen, in: Franz L. Neumann/Hans C. Nipperdey/Ulrich Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. 2, 1954, S. 1-50 (19). Dabei wird unter dem Begriff des Rechtsprinzips allerdings nicht im modernen Sinne ein Optimierungsgebot, sondern ein prinzipieller Rechtssatz verstanden; vgl. Thorsten Hollstein, Verfassung (Fn. 17), S. 210.
[26] Hans C. Nipperdey, in: Ludwig Enneccerus/Hans C. Nipperdey, Allgemeiner Teil (Fn. 22), § 15 II 4 c, S. 93; ders., Grundrechte (Fn. 22), S. 14.
[27] Hans C. Nipperdey, Würde (Fn. 25), S. 1-50 (19); ders., Boykott (Fn. 22), DVBl. 1958, 445452 (447); ders., in: Ludwig Enneccerus/Hans C. Nipperdey, Allgemeiner Teil (Fn. 22), § 15 II 4 c, S. 96.
[28] Vgl. Dieter Grimm, Grundrechte und Privatrecht in der bürgerlichen Sozialordnung, in: Günter Birtsch (Hrsg.), Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, 1981, S. 359-375 (367 ff.).
[29] Günter Dürig, Grundrechte und Zivilrechtsprechung, in: Theodor Maunz (Hrsg.), Vom Bonner Grundgesetz zur gesamtdeutschen Verfassung, Festschrift für Hans Nawiasky zum 75. Geburtstag, 1956, S. 157-190 (157 ff.).
[30] BVerfG vom 15.1.1958 - 1 BvR 451/51 - BVerfGE 7, 198 (204 ff.).
[31] Vgl. Robert Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 484 ff.
[32] Grdl. Ernst Forsthoff, Die Umbildung des Verfassungsgesetzes, in: Hans Barion/Ernst Forsthoff/Werner Weber (Hrsg.), Festschrift für Carl Schmitt zum 70. Geburtstag, 1959, S. 35-62 (44 ff.); ferner etwa Ernst-Wolfgang Böckenförde, Zur Kritik der Wertbegründung des Rechts, in: Ralf Dreier (Hrsg.), Rechtspositivismus und Wertbezug des Rechts, ARSP Beiheft 37 (1990), S. 33-46 (35 ff.); Erhard Denninger, Freiheitsordnung - Wertordnung - Pflichtordnung, JZ 1975, S. 545-550 (546 ff.). Zur Diskussion eingehend Horst Dreier, Dimensionen der Grundrechte, 1993, S. 21 ff., der ein Abflauen der Berufung auf Werte in der Judikatur des BVerfG konstatiert; zum Fortwirken der Wertesemantik in der Judikatur des BVerfG siehe aber Wolfgang Kahl, Grundrechte, in: Otto Depenheuer/Christoph Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 24 Rn. 14 m. w. N.
[33] Vgl. Hans C. Nipperdey, Boykott (Fn. 22), DVBl. 1958, 445-452 (447); ders., in: Ludwig Enneccerus/Hans C. Nipperdey, Allgemeiner Teil (Fn. 22), § 15 II 4 c, S. 96.
[34] BAG vom 15.1.1955 - 1 AZR 305/54 - BAGE 1, 258 ff.; BAG vom 6.4.1955 - 1 AZR 365/54 - BAGE 1, 348 ff.; BAG vom 23.3.1957 - 1 AZR 326/56 - BAGE 4, 240 ff.
[35] BAG vom 3.12.1954 - 1 AZR 150/54 - BAGE 1, 185 ff.
[36] Begrifflichkeit nach Wolfgang Kahl, Neuere Entwicklungen der Grundrechtsdogmatik, AöR 131 (2006), 579-620 (610 Fn. 178).
[37] BAG vom 10.5.1957 - 1 AZR 249/57 - BAGE 4, 274 ff. Horst Dreier, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, 2. Aufl., Bd. I, 2004, Vorb. vor Art. 1 Rn. 98 Fn. 404, macht zwar zutreffend darauf aufmerksam, dass es sich um einen Fall aus dem öffentlichen Dienst handelte. In seiner Begründung ging das BAG auf diesen Aspekt indes nicht ein, sondern wählte einen übergreifenden Ansatz.
[38] Siehe etwa Hans C. Nipperdey, Grundrechte (Fn. 22), S. 14 f.; BAG vom 29.6.1962 - 1 AZR 343/61 - BAGE 13, 168 (174 f.).
[39] 1963 schied Nipperdey mit dem Erreichen der Altersgrenze aus dem Präsidentenamt aus, 1968 verstarb er.
[40] Z. B. BAG vom 15.12.1977 - 3 AZR 184/76 - AP BGB § 626 Nr. 69; BAG vom 26.5.1977 - 2 AZR 632/76 - BAGE 29, 195 (200); BAG vom 11.8.1982 - 5 AZR 1089/79 - BAGE 39, 289 (294).
[41] Eindringlich Uwe Volkmann, Der Aufstieg der Verfassung. Beobachtungen zum grundlegenden Wandel des Verfassungsbegriffs, in: Thomas Vesting/Stefan Korioth (Hrsg.), Der Eigenwert des Verfassungsrechts, 2011, S. 23-39 (33 ff.).
[42] Siehe die Nachweise in Fn. 1.
[43] So - mit einem kritischem Unterton - Ernst-Wolfgang Böckenförde, Wie werden in Deutschland die Grundrechte im Verfassungsrecht interpretiert?, EuGRZ 2004, 598-603 (603).
[44] Siehe Oliver Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: Matthias Jestaedt/Oliver Lepsius/ Christoph Möllers/Christoph Schönberger, Das entgrenzte Gericht, 2011, S. 159-279 (195).
[45] Vgl. Hans-Jürgen Papier, "Spezifisches Verfassungsrecht" und "einfaches Recht" als Argumentationsformel des Bundesverfassungsgerichts, in: Christian Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. 1, 1916, S. 432-451; Ulrich Steinwedel, "Spezifisches Verfassungsrecht" und "einfaches Recht", 1916; zur Problematik ferner Werner Heun, Funktionell-rechtliche Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit. Reichweite und Grenzen einer dogmatischen Argumentationsfigur, 1992; ders., Verfassungsrecht und einfaches Recht - Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit, VVDStRL 61 (2002), S. 80-118; Christian Starck, Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichte, JZ 1996, 1033-1042.
[46] Vgl. Hansjörg Otto, Zur Interaktion zwischen Bundesverfassungsgericht und Arbeitsgerichtsbarkeit, in: Manfred Lieb/Ulrich Noack/Harm Peter Westermann (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Zöllner zum 10. Geburtstag, Bd. II, 1998, S. 819-898 (884 ff.).
[47] Hans C. Nipperdey, Würde (Fn. 25), S. 1-50 (15, 37).
[48] BAG vom 10.11.1955 - 2 AZR 591/54 - BAGE 2, 221 (224 f.).
[49] BAG (GS) vom 27.2.1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122 (138 f.).
[50] BVerfG vom 14.2.1973 - 1 BvR 112/65 - BVerfGE 34, 269 (280).
[51] Siehe etwa BAG vom 24.2.2011 - 2 AZR 636/09 - BAGE 137, 164 ff. (Art. 4 Abs. 1 GG); BAG vom 24.11.2005 - 2 AZR 584/04 -AP BGB § 626 Nr. 198 (Art. 5 Abs. 1 GG); BAG vom 6.11.2007 - 1 AZR 960/09 - BAGE 124, 335 ff. (Art. 6 Abs. 1 GG).
[52] Vgl. Rüdiger Krause, in: Susanne Clemenz/Burghard Kreft/Rüdiger Krause (Hrsg.), AGBArbeitsrecht, 2013, Einführung Rn. 14 m. w. N.
[53] BVerfG vom 7.2.1990 - 1 BvR 26/84 - BVerfGE 81, 242 ff.
[54] BVerfG vom 19.10.1993 - 1 BvR 567, 1044/89 - BVerfGE 89, 214 ff.
[55] Grdl. Claus-Wilhelm Canaris, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), S. 201-246 (225 ff.); ferner ders., Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 16 ff.
[56] Siehe etwa Josef Isensee, Vertragsfreiheit im Griff der Grundrechte. Inhaltskontrolle von Verträgen am Maßstab der Verfassung, in: Ulrich Hübner/Werner F. Ebke (Hrsg.), Festschrift für Bernhard Großfeld zum 65. Geburtstag, 1999, S. 485-514; Sebastian Müller-Franken, Bindung Privater an Grundrechte? Zur Wirkung der Grundrechte auf Privatrechtsbeziehungen, in: Steffen Detterbeck/Jochen Rozek/Christian von Coelln (Hrsg.), Recht als Medium der Staatlichkeit, Festschrift für Herbert Bethge zum 70. Geburtstag, 2009, S. 223-250 (233 ff.); Wolfgang Zöllner, Regelungsspielräume im Schuldvertragsrecht. Bemerkungen zur Grundrechtsanwendung im Privatrecht und zu den sogenannten Ungleichgewichtslagen, AcP 196 (1996), S. 1-36; ferner Matthias Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, S. 201 ff., der sich selber für einen sozialstaatlich-paternalistisch zu begründenden Schutz vor Übervorteilung qua Vertrag ausspricht.
[57] So Herbert Wiedemann, Anmerkung zu BVerfG, JZ 1994, 411-413 (412).
[58] BAG vom 16.3.1994 - 5 AZR 339/92 - BAGE 76, 155 ff.
[59] Siehe BAG vom 25.5.2005 - 5 AZR 572/04 - BAGE 115, 19 (24 ff., 30 ff.) am Beispiel der erforderlichen Länge von Ausschlussfristen.
[60] Gesamtüberblick bei Burkhard Boemke/Mirko Gründel, Grundrechte im Arbeitsverhältnis, ZfA 2001, 245-280; Franz Gamillscheg, Grundrechte (Fn. 1); Hartmut Oetker, Die Ausprägung der Grundrechte des Arbeitnehmers in der Arbeitsrechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, RdA 2004, 8-19.
[61] Hierzu oben sub III 1 mit Fn. 48.
[62] Siehe dazu bereits die Nachweise in Fn. 15.
[63] Vgl. Rudolf Richter/Eirik G. Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl., 2010, S. 113 ff.
[64] Zu nennen ist vor allem die Novelle von 2009, die erstmals ausdrücklich den Beschäftigtendatenschutz regelt; hierzu etwa Jacob Joussen, Die Neufassung des § 32 BDSG - Neues zum Arbeitnehmerdatenschutz?, JbArbR 47 (2010), S. 69-91.
[65] Vgl. BAG vom 16.1.2010 - 9 AZR 573/09 - BAGE 136, 156 (162 ff.).
[66] BAG vom 24.2.2011 - 2 AZR 636/09 - BAGE 137, 164 ff.
[67] BAG vom 20.12.1984 - 2 AZR 436/83 - BAGE 47, 363 ff.; BAG vom 24.5.1989 - 2 AZR 285/88 - BAGE 62, 59 ff.; BAG vom 22.5.2003 - 2 AZR 426/02 - BAG AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18.
[68] BAG vom 10.10.2002 - 2 AZR 472/01 - BAGE 103, 111 ff.; siehe auch BAG vom 20.8.2009 - 2 AZR 499/08 - BAGE 132, 1 ff.; BAG vom 10.12.2009 - 2 AZR 55/09 - NZA-RR 2010, 383 ff.; BAG vom 12.8.2010 - 2 AZR 593/09 - NZA-RR 2011, 162 ff.
[69] Sofern sich der Glaubens- oder Gewissenskonflikt unmittelbar auf die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit bezieht, wäre es allerdings überzeugender, die grundrechtlichen Wertungen über den durch die Schuldrechtsreform eingeführten § 275 Abs. 3 BGB, der dem Schuldner bei Unzumutbarkeit ein Leistungsverweigerungsrecht zubilligt, zur Geltung zu bringen.
[70] Grdl. BVerfG vom 19.10.1971 - 1 BvR 387/65 - BVerfGE 32, 98 (106 f.); BVerfG vom 11.4.1972 - 2 BvR 75/71 - BVerfGE 33, 23 (28 f.); bestätigt etwa in BVerfG vom 24.9.2003 -2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 (297).
[71] Vgl. BAG vom 24.2.2011 - 2 AZR 636/09 - BAGE 137, 164 (172 f.).
[72] BAG vom 20.12.1984 - 2 AZR 436/83 - BAGE 47, 363 (378 f.); schwächer schon BAG vom 24.5.1989 - 2 AZR 285/88 - BAGE 62, 59 (71).
[73] BAG vom 24.2.2011 - 2 AZR 636/09 - BAGE 137, 164 (171).
[74] Franz Gamillscheg, Grundrechte (Fn. 1), S. 58.
[75] Beginnend mit BAG vom 29.6.1962 - 1 AZR 343/61 - BAGE 13, 168 ff.
[76] Dazu etwa Rüdiger Krause, in: Reinhard Richardi/Otfried Wlotzke/Hellmut Wißmann/Hartmut Oetker (Hrsg.), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 1, 3. Aufl., 2009, § 59 Rn. 42 ff.
[77] Näher dazu Rüdiger Krause, in: Michael Martinek (Hrsg.), J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Neubearbeitung 2013, Anhang zu § 310 BGB - AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht Rn. 208 m. w. N.
[78] BAG vom 25.4.1991 - 6 AZR 532/89 - BAGE 68, 32 (37 ff.); BAG vom 28.3.2007 - 10 AZR 261/06 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 265.
[79] BAG vom 18.1.2012 - 10 AZR 612/10 - BAGE 140, 231 (236 ff.); ähnlich bereits BAG vom 24.10.2007 - 10 AZR 825/06 - BAGE 124, 259 (269); BAG vom 12.4.2011 - 1 AZR 412/09 - BAGE 137, 300 (307 ff.).
[80] BVerfG vom 24.4.1991 - 1 BvR 1341/90 - BVerfGE 84, 133 (146 f.); BVerfG vom 21.2.1995 - 1 BvR 1397/93 - BVerfGE 92, 140 (150).
[81] BVerfG vom 27.1.1998 - 1 BvL 15/87 - BVerfGE 97, 169 (175 ff.). Bestätigt in BVerfG vom 21.6.2006 - 1 BvR 1659/04 - NZA 2006, 913; BVerfG vom 25.1.2011 - 1 BvR 1741/09 -BVerfGE 128, 157 (176 f.). Voreilig daher Oliver Lepsius, Der Eigenwert der Verfassung im Wirtschaftsrecht, in: Thomas Vesting/Stefan Korioth (Hrsg.), Der Eigenwert des Verfassungsrechts, 2011, S. 149-186 (166 f.), nach dessen Einschätzung das BVerfG nur für einen begrenzten Zeitraum (nämlich von 1990 bis 2000) Schutzpflichten aus Art. 12 Abs. 1 GG abgeleitet hat.
[82] Z. B. BurkhardBoemke/Mirko Gründel, Grundrechte (Fn. 60), ZfA 2001, 245-280 (211 ff.); Josef Franz Lindner, Grundrechtsfestigkeit des arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzes?, RdA 2005, 166-110 (161 ff.); Jochen Mohr, Beschäftigungsförderung durch Kündigungsförderung, ZfA 2006, 541-593 (562 ff.).
[83] So Peter Hanau, Verfassungsrechtlicher Kündigungsschutz, in: Peter Hanau/Friedrich Heither/Jürgen Kühling (Hrsg.), Richterliches Arbeitsrecht, Festschrift für Thomas Dieterich zum 65. Geburtstag, 1999, S. 201-214 (209).
[84] BAG vom 21.2.2001 - 2 AZR 15/00 - BAGE 91, 92 (96 ff.); BAG vom 6.2.2003 - 2 AZR 612/01 - BAGE 104, 308 (310 ff.); BAG vom 6.11.2003 - 2 AZR 690/02 - BAGE 108, 269 (216 f.); BAG vom 28.6.2001 - 6 AZR 150/06 - BAGE 123, 191 (199 ff.); BAG vom 24.1.2008 - 6 AZR 96/01 - NZA-RR 2008, 404 (406 f.); BAG vom 8.12.2011 - 6 AZN 1311/11 - NZA 2012, 286 (281).
[85] Exemplarisch Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Zwanzig Punkte für Beschäftigung und Wachstum, Jahresgutachten 2002/2004 Rn. 470 f.
[86] Seit dem BeschFG 1985.
[87] Von 1996 bis 1998 und dann wieder ab dem 1.1.2004.
[88] Dieter Reuter, Die freie Wahl des Arbeitsplatzes - ein nicht realisierbares Grundrecht?, RdA 1973, 345-353 (353).
[89] Hans-Jürgen-Papier, Art. 12 GG - Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit, DVBl. 1984, 801-814 (813) 813; Wolfgang Zöllner, Sind im Interesse einer gerechteren Verteilung der Arbeitsplätze Begründung und Beendigung der Arbeitsverhältnisse neu zu regeln?, Gutachten D für den 52. DJT, 1978, S. 118; ebenso Jochen Mohr, Beschäftigungsförderung (Fn. 81), ZfA 2006, 547-593 (574).
[90] Siehe BT-Drucks. 14/4314, S. 14: "nur einmalige Möglichkeit der Befristung ohne Sachgrund".
[91] BAG vom 6.1.2003 - 2 AZR 690/02 - BAGE 108, 269 (212 f.); BAG vom 29.1.2009 - 1 AZN 368/09 - ZTR 2009, 544 (545).
[92] BAG vom 6.4.2011 - 1 AZR 116/09 - BAGE 131, 215 (285 ff.).
[93] BAG vom 21.9.2011 - 1 AZR 315/10 - BAGE 140, 213 (221 ff.).
[94] Eingehend Clemens Höpfner, Die Reform der sachgrundlosen Befristung durch das BAG -Arbeitsmarktpolitische Vernunft contra Gesetzes, NZA 2011, 893-899 (896 ff.); ferner Thomas Lakies, Verfassungswidrige Rechtsprechung zur Erleichterung der sachgrundlosen Befristung, AuR 2011, 190-192 (191 f.). Verteidigung der Judikatur des BAG aber durch Wolfgang Linsenmeier, Zur Methodik der Rechtsfindung - warum in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG "bereits zuvor" nicht "jemals zuvor" bedeutet, in: Malte Creutzfeld/Peter Hanau/Gregor Thüsing/Hellmut Wißmann (Hrsg.), Arbeitsgerichtsbarkeit und Wissenschaft, Festschrift für Klaus Bepler zum 65. Geburtstag, 2012, S. 373-388.
[95] BVerfG vom 25.1.2011 - 1 BvR 918/10 - BVerfGE 128, 193 (210).
[96] BVerfG vom 4.5.2011 - 2 BvR 2365/09, 740/102, 2333/08, 1152/10, 571/10 - BVerfGE 128, 326 (400).
[97] Vgl. Clemens Höpfner, Reform (Fn. 94), NZA 2011, 893-899 (893 Fn. 10).
[98] BVerfG vom 18.11.2003 - 1 BvR 302/96 - BVerfGE 109, 64 (95); dazu Rüdiger Krause, Schutzvorschriften und faktische Diskriminierung, in: Christine Hohmann - Dennhardt/Marita Körner/Reingard Zimmer (Hrsg.), Geschlechtergerechtigkeit, Festschrift für Heide Pfarr zum 65. Geburtstag, 2010, S. 392-404.
[99] Diese Auswirkungen dürfen aber nicht überschätzt werden; dazu näher Heide Pfarr/Karen Ullmann/Marcus Bradtke/Julia Schneider/Martin Kimmich/Silke Bothfeld, Der Kündigungsschutz zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit, 2005.
[100] Siehe dazu auch BVerfG vom 6.7.2010 - 2 BvR 2661/06 - BVerfGE 126, 286 (300 f.), das den Befristungsschutz offenkundig nur unter dem Blickwinkel eines Eingriff in die Privatautonomie des Arbeitgebers problematisiert.
[101] BVerfG vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307 (317).
[102] Vgl. Lars Viellechner, Responsiver Rechtspluralismus. Zur Entwicklung eines transnationalen Kollisionsrechts, Der Staat 52 (2013), 559-580 (576).
[103] BVerfG vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307 (317 ff.); dazu näher Heiko Sauer, Die neue Schlagkraft der gemeineuropäischen Grundrechtsjudikatur, ZaöRV 65 (2005), 35-69; ebenso BVerfG vom 21.7.2010 - 1 BvR 420/09 - BVerfGE 127, 132 (164); heftige Kritik bei Christian Hillgruber, Ohne rechtes Maß? Eine Kritik der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach 60 Jahren, JZ 2011, 861-871 (870 f.): "Kotau vor dem EGMR"; die Grenzen vor allem in mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen betonend aber BVerfG vom 4.5.2011 - 2 BvR 2365/09, 740/102, 2333/08, 1152/10, 571/10 - BVerfGE 128, 326 (371).
[104] Zu den Folgen siehe etwa Walter Obwexer, Der Beitritt der EU zur EMRK: Rechtsgrundlagen, Rechtsfragen und Rechtsfolgen, EuR 2012, 115-148 (143 ff.). Zum Stand der Beitrittsverhandlungen siehe http://www.coe.int/t/dghl/standardsetting/hrpolicy/Accession/default_en.asp.
[105] Siehe nur Patrick Schäfer, in: Ulrich Karpenstein/Franz C. Mayer, EMRK, 2012, Art. 34 Rn. 2.
[106] EGMR vom 21.7.2011 - 28274/08 - NZA 2011, 1269 ff. - Heinisch.
[107] EGMR vom 21.7.2011 - 28274/08 - NZA 2011, 1269 ff. - Heinisch (Rn. 43 ff.); so bereits grdl. EGMR vom 29.2.2000 - 39293/98 - Fuentes Bobo (Rn. 38).
[108] EGMR vom 21.7.2011 - 28274/08 - NZA 2011, 1269 ff. - Heinisch (Rn. 62 ff., 91).
[109] BVerfG vom 2.7.2001 - 1 BvR 2049/00 - NZA 2001, 888 ff.
[110] BAG vom 3.7.2003 - 2 AZR 235/02 - BAGE 107, 36 ff.; BAG vom 7.12.2006 - 2 AZR 400/05 - NZA 2007, 502 ff.
[111] Z. B. BAG vom 5.2.1959 - 2 AZR 60/56 - AP HGB § 70 Nr. 2; LAG Baden-Württemberg vom 20.10.1976 - 6 Sa 51/76 - EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8.
[112] EGMR vom 21.7.2011 - 28274/08 - NZA 2011, 1269 ff. - Heinisch (Rn. 89 f.).
[113] EGMR vom 21.7.2011 - 28274/08 - NZA 2011, 1269 ff. - Heinisch (Rn. 91).
[114] Grdl. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Grundrechtstheorie und Grundrechtsinterpretation, NJW 1974, 1529-1538 (1534 f.); ferner Robert Alexy, Grundrechte (Fn. 31), S. 510 f.
[115] Dazu Achim Albrecht, Whistleblowing im Fokus des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - eine Sachstandsanalyse, in: Heinz-J. Bontrup/Thomas Korenke/Mike Wienbrakke (Hrsg.), Arbeit - Personal - Soziales, Festschrift zum 65. Geburtstag von Peter Pulte, 2012, S. 1-19 (14 f.); Angelika Nußberger, Auswirkungen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auf das deutsche Arbeitsrecht, RdA 2012, 270-277 (274); Monika Schlachter, Kündigung wegen Whistleblowing? - Der Schutz der Meinungsfreiheit vor dem EGMR, RdA 2012, 108-112 (110 ff.); Achim Seifert, Der EGMR zur Kündigung wegen Whistleblowing, EuZA 2012, 411-421 (420); Daniel Ulber, Whistleblowing und der EGMR, NZA 2011, 962-964 (963 f.).
[116] Siehe etwa Art. L. 1121-1 Code du Travail (Schutz der "libertés individuelles" im Unternehmen) sowie Hugh Collins, The Protection of Civil Liberties in the Workplace, Modern Law Review 69 (2006), 619-631.
[117] Zu der von Ronald Dworkin entwickelte Vorstellung von Rechten als Trümpfen siehe ders., Rights as Trumps, in: Jeremy Waldron (Ed.), Theories of Rights, 1984, S. 153-167.
[118] Vgl. Gunther Teubner/Peter Korth, Zwei Arten des Rechtspluralismus. Normkollisionen in der doppelten Fragmentierung der Weltgesellschaft, in: Matthias Kötter/Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.), Normative Pluralität ordnen, 2009, S. 137 (157); grdl. Niklas Luhmann, Grundrechte als Institutionen, 2. Aufl., 1974, S. 187 ff.; siehe auch Ralph Christensen/Andreas Fischer-Lescano, Das Ganze des Rechts, 2007, S. 305 ff.
[119] Dazu etwa Ernst-Wolfgang Böckenförde, Schutzbereich, Eingriff, Verfassungsimmanente Schranken, Der Staat 42 (2003), 165-192; Karl-Heinz Ladeur, Kritik der Abwägung in der Grundrechtsdogmatik, 2004; Uwe Volkmann, Veränderungen der Grundrechtsdogmatik, JZ 2005, 261-271 (265 ff.); dagegen aber Wolfgang Kahl, Vom weiten Schutzbereich zum engen Gewährleistungsgehalt, Der Staat 43 (2004), 167-202 (184 ff.); ders., Grundrechtsdogmatik (Fn. 36), AöR 131 (2006), 579-620 (607 ff.); ferner Matthias Klatt/Moritz Meister, Verhältnismäßigkeit als universelles Prinzip, Der Staat 51 (2012), 159-188.
[120] Vgl. Rainer Wahl, Lüth und die Folgen. Ein Urteil als Weichenstellung für die Rechtsentwicklung, in: Thomas Henne/Arne Riedlinger (Hrsg.), Das Lüth-Urteil aus (rechts-)historischer Sicht. Die Konflikte um Veit Harlan und die Grundrechtsjudikatur des Bundesverfassungsgerichts, 2005, S. 371-397 (391).
[121] Dazu Wolfgang Hoffmann-Riem, Kohärenz der Anwendung europäischer und nationaler Grundrechte, EuGRZ 2002, 473-483.
[122] Jutta Limbach, Die Kooperation der Gerichte in der zukünftigen europäischen Grundrechtsarchitektur, EuGRZ 2000, 417-420.
[123] Siehe insbesondere im Hinblick auf die Wirkung der EMRK Wolfgang Hoffmann-Riem, Kontrolldichte und Kontrollfolgen beim nationalen und europäischen Schutz von Freiheitsrechten in mehrpoligen Rechtsverhältnissen, EuGRZ 2006, S. 492-499 (497); Gertrud Lübbe-Wolff, Der Grundrechtsschutz nach der Europäischen Menschenrechtskonvention bei konfligierenden Individualrechten - Plädoyer für eine Korridor-Lösung, in: Martin Hochhuth (Hrsg.), Nachdenken über Staat und Recht, 2010, S. 193-210 (199 ff.); Johannes Masing, Vielfalt nationalen Grundrechtsschutzes und die einheitliche Gewährleistung der EMRK, in: Uwe Blaurock/Joachim Bornkamm/Christian Kirchberg (Hrsg.), Festschrift für Achim Krämer zum 70. Geburtstag, 2009, S. 61-74 (69).
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