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Ágnes Zsidai: Das Verfahren als Genus Proximum des Rechts (Annales, 2011., 143-156. o.)

I. Einleitung

Obwohl das heutige Thema unserer Konferenz das Verfahrensrecht ist und der größte Teil der Referate den Zivil- und den Strafprozess sowie die Verfahrensfragen des Völkerrechts behandelt, wird eine rechtstheoretische Annäherung an das Recht als Verfahren hoffentlich nicht als Kuckucksei angesehen.

Im Folgenden möchte ich eine Soziologie des Prozessrechts darstellen und weiterentwickeln. Sie ist eng mit dem im deutschen Kulturkreis verwurzelten neukantianischen wissenschaftstheoretischen Paradigma verbunden, bzw. kann als seine kritische Überholung aufgefasst werden. Ich hoffe, der Vortrag ist zugleich geeignet, einen Einblick in die zum europäischen Rechtskreis gehörende ungarische Rechtswissenschaft der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zu gewähren.

Es geht um das Wesen der prozessualen, synoptischen Rechtstheorie von Barna Horváth, die Ihnen hier vorgestellt werden soll. Zwar wurden seine Person und sein Lebenswerk sowohl zu seinen Lebzeiten als auch während des Sozialismus nie gebührend gewürdigt, nichtsdestotrotz wurde er von hervorragenden Rechtswissenschaftlern Europas und auch aus Übersee, wie Darmstaedter, La-cambra, Gurvitch, Pound, Timasheff, Fikentscher, Tamelo, Marcic - und man könnte die Reihe fortsetzen - gewürdigt aber auch kritisiert.

Meines Erachtens ist das Werk von Horváth wegen seiner Originalität, Systematik und auch wegen seiner provokanten Beschaffenheit würdig und geeignet, vorgestellt und auch weiter fortentwickelt zu werden. Sein ganzes Lebenswerk ist nämlich vom Verlangen durchdrungen, die großen, immer wieder auftauchenden und ewig spannenden Gegensätze der Rechtsphilosophie wie Realität und Idealität, Positivismus und Naturrecht, Sein und Sollen, Dasein und Geltung, Zwang und Freiheit, Ordnung und Gerechtigkeit zu vermitteln und bezüglich ihrer Folgen die Widersprüche theoretisch zu überbrücken.

II. "Ich bin Persona non grata geworden."[1]

Erlauben Sie mir eingangs, einige Worte über den Wissenschaftler Barna Horváth zu sagen. Er wurde 1896 in einer Intellektuellenfamilie geboren. Der

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junge, begabte Jurastudent studierte Rechtstheorie bei Julius Pikler. Nach kurzer Arbeit in der Praxis wurde er mit Unterstützung des führenden ungarischen Rechtsphilosophen der Zeit, Julius Moór, zum Privatdozenten, später zum Professor in Szeged ernannt. Er war als Lehrer eine sehr interessante, sensible, scharfsinnige und sehr populäre Figur unter den Studenten. Er stand durch Stipendien mit Wissenschaftlern wie Kelsen, Verdross, Laski und Hobhouse in Verbindung. 1934 wurde sein Hauptwerk Rechtssoziologie (Probleme der Gesellschaftslehre und der Geschichtslehre des Rechts) in deutscher Sprache beim Verlag Grunewald veröffentlicht. In dieser Monographie kritisierte er Julius Moór, obwohl Horváth seine Thesen nur als Weiterentwicklung der Moór'schen synthetischen Theorie dachte. Ihre Freundschaft verschlechterte sich infolge einer unwürdigen Auseinandersetzung Deswegen wurde die wissenschaftliche Arbeit und die Karriere von Horváth in den dreißiger und vierziger Jahren durch persönliche und institutionelle Interessen behindert.

Nach dieser Vorgeschichte konnten die Berufung des Professors Horváth aus Szeged zum Professor der Budapester Universität und seine Wahl zum Mitglied der Akademie nicht in Frage kommen. Sein Antrag auf ein Forschungssemester wurde vom Kultusministerium abgelehnt. Er durfte nicht einmal die Bibliothek der Ungarischen Akademie der Wissenschaften benutzen. Trotzdem wurden viele seiner Werke in verschiedenen deutschen und englischen Zeitschriften veröffentlicht. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verstärkte sich noch das ihm geschehene Unrecht. Nach dem Tod von Moór wurde zu seinem Nachfolger nicht Horváth, sondern der kommunistische Imre Szabó zum Leiter des Lehrstuhls für Staats- und Rechtstheorie ernannt. Wegen seiner Enttäuschungen setzte sich Horváth im Jahr 1949 nach Amerika ab. Er bekam die Möglichkeit, an der New York Graduate Faculty of Political and Social Science, The New School of Social Research zu lehren, hatte aber nur wenige Studenten. Er war Mitglied der Pariser Academie Libre International des Sciences et des Arts. In den sechziger Jahren hielt er mehrere Vorlesungen in Wien, Berlin, Freiburg, Zürich, Kopenhagen und Gent, kam aber nie wieder nach Ungarn zurück. Er starb 1973 in den USA an Alzheimer.

III. Lob der prozeduralen Rechtsbetrachtung

In der synoptischen Rechtsphilosophie von Barna Horváth erscheint eine "Zusammenschau" (sozusagen: Synopse) zweier theoretischer Traditionen: des neukantianischen Paradigmas und der paradigmatisch-empirisch veranlassten prozessualen Rechtsbetrachtung.

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Auf dem Kontinent erlebte zu dieser Zeit die normativistische Reine Rechtslehre Kelsens ihre Blütezeit. Die Beziehung dazu kann keinesfalls geleugnet werden.

1. Die neukantianische erkenntnistheoretische Prämisse von Barna Horváth beruht ebenfalls auf der Abgrenzung von Sein und Sollen, vielmehr noch auf ihrem unüberbrückbaren und einander gegenseitig ausschließenden logischen Gegensatz. "Dieser Gegensatz - schreibt Kelsen - ist uns durch das rationale, den Grundsätzen der Logik entsprechende Denken als ein unbezwingbarer Dualismus gegeben; das 'Soll' kann nicht deduziert werden vom Sein, aber auch das Sein nicht vom 'Sollen'; keines kann von dem anderen abgeleitet werden. Daraus, dass etwas existiert, kann nicht folgen, dass es sein soll; daraus dass etwas sein soll, kann nicht folgen, dass es existiert."[2]

2. Neben dem "unüberbrückbaren Dualismus" von Tatsache und Wert hält Horváth auch an einer anderen Grundforderung des Neukantianismus fest, an der Einhaltung des Prinzips der Methodenreinheit. Laut der dualistischen Wissenschaftsauffassung der Neukantianer können die Wissenschaften ausschließlich zwei Erkenntnisgegenstände haben: entweder nur die Tatsache (Sein) - deren systematische Erkenntnis durch die Naturwissenschaften erfolgt, die kausale Gesetzmäßigkeiten erforschen -, oder nur den Wert (Sollen) - dessen normative Gesetzmäßigkeiten von der Normlogik erforscht werden. Allen anderen gegensätzlichen Auffassungen, so z. B. die Zwei-Seiten-Theorie von Stammler[3], gemäß der das Sein (Rechtsfall) und das Sollen (Rechtssatz) nur die zwei Seiten des gleichen Erkenntnisgegenstands (Recht) sind, bzw. das Zwischenreich des immanenten (subjektiven Akt-) Verstands (Rickert), oder wertbezogene Wirklichkeit (Radbruch), bzw. die psychophysische Realität (Moór), haftet der Fehler des Methodensynkretismus an.

Paradoxerweise besteht Horváth einerseits auf der erkenntnistheoretischen und methodologischen Konsequenz dieses neukantianschen Paradigmas, und er radikalisiert sie sogar im Sinne der Unvermittelbarkeit. Gleichzeitig formuliert er bezüglich der normativen Rechtsbetrachtung der Reinen Rechtslehre die Einwendung, sie fasse das Recht lediglich als Sollen auf, und die Tatsachen,

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wie Raum, Zeit und menschliches Verhalten, kämen lediglich als Norminhalte in Betracht. Obwohl die Reine Rechtslehre methodisch ganz und gar konsequent sei, müsse sie dafür einen hohen Preis bezahlen. Die Ausschaltung der metajuristischen Elemente aus dem Recht sei - mit den Worten von Horváth -zwar "vornehm juristisch", aber ohne seine geschichtliche und gesellschaftliche Wirklichkeit und Richtigkeit zu erforschen, könne man kein vollständiges Bild vom Recht selbst bekommen.[4]

Wie ich schon erwähnt habe, beruht die synoptische Rechtslehre von Horváth andererseits auf der angelsächsisch verwurzelten, pragmatisch-empirischen juristischen Betrachtungsweise, die das Recht als ein gesellschaftliches Gebilde auffasst, das sich ändert und ändern lässt und in Raum, Zeit und Relationen organisiert ist.

Die Einnahme des Standpunktes der prozeduralen Rechtsbetrachtung kann einerseits auf wissenssoziologische, andererseits auf theoriekritische Gründe zurückgeführt werden. Wie bereits erwähnt, pflegte Horváth gute persönliche Beziehungen zu mehreren hervorragenden Vertretern der angelsächsischen Rechtskultur. Eines seiner umfangreichen Hauptwerke trägt den Titel "Englische Rechtstheorie". Eine wichtige Rolle in der Entwicklung seiner prozeduralen Rechtsbetrachtung spielten Henry Maine, ein englischer Vertreter der historischen Rechtsschule, der Pragmatiker Roscoe Pound, der Relationismus (Hohfeld, Kocourek, Commons), der französische Institutionalismus (Hauriou, Renard, Delos), aber auch die deutsche Freirechtslehre, Max Weber, Fritz Sander und insbesondere Alfred Verdross.[5]

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Der wichtigste Grund liegt aber eher in seinem persönlichen Werdegang, das heißt in der Kenntnis des tatsächlichen Rechtslebens und der Praxis.[6] Die theoretische Konsequenz dieser empirischen Evidenz und ihrer rechtshistorischen Bestätigung ist, dass das Recht nichts anderes darstellt, als eine ständige, gegenseitige Zuordnung der Tatsache (Rechtsfall) zum Wert (Rechtssatz) in einem synoptisch aufgebauten Verfahren.

Dabei wird auf Grund der prozeduralen Betrachtungsweise eine ganz eigenartige theoriekritische Position möglich. Horváth geht nämlich von der Voraussetzung aus, dass die naturrechtliche und die rechtspositivistische Doktrin und ihre verschiedenen Theorien (wie z.B. die vertragliche, gewohnheitsrechtliche, imperative, Befolgungs-, Anerkennungs-, Institutions-, soziale, pluralistische, aber auch die Zwangstheorien) alle gültige Formulierungen der vielseitigen Zusammenhänge des Rechts sind, aber sie treten alle mit der Forderung der Verabsolutierung der Beschreibung und der Erklärung des Gegenstands (des Rechts) auf. Die von ihm erarbeitete prozedurale Rechtstheorie hat zwar nach seiner Absicht einen kritischen Charakter, aber den anderen gegenüber verhält sie sich nicht destruktiv, sondern reformatorisch. Andererseits erhebt auch er Anspruch auf Universalität, verabsolutiert das jedoch nicht, ganz im Gegenteil: Die prozedurale Rechtsauffassung bildet geradezu eine Möglichkeitsvoraussetzung dafür, dass die verschiedenen Beschreibungen - synoptisch, aber nicht synkretistisch - für die Erfassung des Gegenstands integriert werden können. "Die prozedurale Rechtstheorie bringt also die verschiedenen Rechtstheorien eigentlich auf einen gemeinsamen Nenner, ohne ihre Teilwahrheiten strikt leugnen zu müssen."[7]

IV. Das Janusgesicht des Rechts in der Einheit der Rechtskenntnis

Meines Erachtens sind die Betrachtung und Deutung von Tatsachen und Normen als einander voraussetzende, korrelative Begriffe zweifellos ein - von der Theorie unabhängiges - gemeinsames Kennzeichen, ein paradigmatischer Zug der auf dem modernen formellen Recht aufgebauten Rechtskultur, der instituti-

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onellen Einrichtung, der Rechtsideologie und der einzelnen juristischen Berufe. Angefangen von der einfachsten juristischen Tätigkeit bis hin zur höchsten wissenschaftlichen Arbeit passiert nichts anderes, als ein Vergleich des Rechtsfalls mit dem Rechtssatz, des Seinsgehalts mit dem Geltungsgehalt. Laut Horváth besteht darin die Einheit der Rechtskenntnis und der Rechtsmethode. "Der praktische Jurist interessiert sich eher für den konkreten Rechtsfall, die materielle Rechtswissenschaft für eine gewisse Gruppe abstrakter Rechtssätze, und die Rechtstheorie für den Begriff des Rechts. Aber einen konkreten Rechtsfall kann der praktische Jurist nur beurteilen, indem er ihn mit dem abstrakten Rechtssatz vergleicht; den Sinn eines abstrakten Rechtssatzes kann die materielle Rechtswissenschaft nur anhand eines konkreten, ggfs. erdachten Rechtsfalls erläutern; und schließlich kann die Rechtstheorie den Sinn und Begriff des Rechts nur durch den Vergleich von Gesetzmäßigkeiten feststellen, die sie aus den Änderungen einer Gesamtheit von Rechtsfällen und aus der Richtigkeit der Gesamtheit von Rechtssätzen erkannt hat."[8]

Eines der schwierigsten philosophischen Probleme ist der Zugang zum Begriff der "Tatsache". Die Welt an und für sich ist eine Totalität, der sich unsere Erkenntnis von vornherein nur selektiv nähern kann. Unser Erfassungs- und Bewusstseinsaufbau, die früheren Kenntnisse, die sprachliche Vermittlung, unser mentaler Zustand usw. sind alles Gegebenheiten, welche die Erkenntnis der Tatsachen bestimmen und zugleich aber auch einschränken. Im philoso-

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phischen Sinne sind die Tatsachen Erklärungen über Sachen, also nicht die existierende Wirklichkeit, sondern das, was wir als Tatsache akzeptieren.[9] Eine ähnliche erkenntnistheoretische Herausforderung stellt auch die Begriffsbestimmung der "Norm" dar.

Barna Horváth versucht aber, die wertvollen methodischen Voraussetzungen des Neukantianismus zu retten, d.h. den logischen Gegensatz zwischen Sein und Sollen, die sich gegenseitig ausschließen, beziehungsweise die Forderung der Methodenreinheit. Das hat allerdings zur Folge, dass seine synoptische Rechtsphilosophie den möglichen Erkenntnisgewinn der Rechtswissenschaft zweifellos degradiert. Wenn nämlich der selbständige Erkenntnisgegenstand der Wissenschaft entweder nur die Natur oder nur eine Norm sein kann, dann kann das Recht kein selbständiger Erkenntnisgegenstand sein, und so kann es auch keine selbstständige Methodik besitzen. Da die Vereinheitlichung der Kausalität und der Normativität zur Methodensynkretismus führen würde, erarbeitet Horváth - um das Problem zu lösen - die "Methode der Methoden", also seine synoptische Rechtsphilosophie. "Es kann nämlich die Reinheit der Methode nicht stören, wenn wir kausale und normative Reihen, die wir als von einander völlig unabhängig angenommen haben, durch den 'Sucher' gewisser Schemen zusammen, gemeinsam betrachten. Auf dem Bild im 'Sucher' - aber nur auf dem Bild, nicht auf dem gesehenen Erkenntnisgegenstand - erscheint trotzdem das Phänomen der kombinierten Änderung als ein Zeichen dessen, dass dieser methodische Griff uns tatsächlich ein Novum in die Hände gibt, dass also die Methode 'funktioniert'."[10] In der prozessualen Rechtsbetrachtung von Horváth ist das Recht die reflexive gedankliche Verbindung von "abstraktem Verhaltensmuster" und dem diesen "entsprechenden Verhalten".

Der Zusammenhang zwischen Tatsache (Sein) und Wert (Sollen) ist aber keine zweigliedrige, sondern eine dreigliedrige Verbindung. Das Sein und Sollen können nur durch die "Vermittlungsrolle" des Subjektes in synoptische Verbindung kommen. Nämlich: 1. "Die Wirklichkeit kann nur durch das Subjekt einen Wert tragen." (z.B. der Träger der Gerechtigkeit bzw. von moralischen und ästhetischen Werten kann nur der Mensch sein); 2. "Der Wert hängt auch nur durch das Subjekt an der Wirklichkeit"[11], er kann ja nur durch das Subjekt als Substrat objektiviert werden.

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V. Verfahren im Verfahren

Es steht außer Zweifel, dass der Begriff des Rechts die Voraussetzung aller Rechtsphilosophie ist, den sie durch die Festlegung der Grenzen des Rechts und durch die Angabe seines genus proximum und seiner differentia specifica gewinnt. Horváth achtet bei der Festlegung des genus proximum des Rechts penibel darauf, dass es die Beziehung und das Gleichgewicht zwischen Sein und Sollen, also Tatsache und Wert ausdrückt.[12] Das Recht an und für sich kann nämlich nicht ein bloßes Muster sein, das von niemandem befolgt wird, aber auch nicht bloß eine Tatsache oder ein Verhalten, das aller Muster ungeachtet gezeigt wird.

Demzufolge kann der Hauptbegriff des Rechts folgendes nicht sein:

- die Regel, denn darunter versteht man nur den Wert oder das Muster, also einen Geltungsgehalt, nicht aber eine Tatsache (So kann also das Recht, das Rechtssystem nicht als die Gesamtheit der geltenden Rechtsnormen beschrieben werden);

- das Gebot, denn es ist eine Tatsache (Das Gebot ist immer einzigartig. Sein imperativer Charakter kann zwar betont werden, aber dies gewährleistet immer noch nicht die Tatsache der Gebotsbefolgung);

- der Vertrag, denn er kann zwar die Tatsache und den Inhalt des Vertrags zum Ausdruck bringen, aber er kann nicht gewährleisten, dass er tatsächlich auch eingehalten wird;

- der Brauch, denn er kann zwar den Inhalt und die Tatsache des Brauchs bedeuten, jedoch ist nicht jedes Recht zugleich auch ein Brauch;

- die Gerechtigkeit, denn sie ist zwar für das Recht unabdingbar, aber sie ist ein Begriff der Moral, und ihr Inhalt kann unterschiedlich bestimmt werden.

Als genus proximum können außerdem noch Macht, Akzeptanz und Befolgung in Frage kommen, aber bei ihnen liegt die Betonung auf der Tatsache der "Akzeptanz" und dadurch wird das normative Element in den Hintergrund gedrungen.

Horváth betrachtet das Verfahren sowohl im generischen als auch im Sinne der Rechtslogik als genus proximum des Rechts. Nach seiner vorläufigen, hypothetischen Definition bedeutet das Recht nichts anderes, als das jeweilige am weitesten entwickelte Verfahren. Im Folgenden möchte ich darstellen, wie die prozedurale Rechtsbetrachtung versucht, die Regelungsmechanismen, welche den Aufbau und das Funktionieren der Gesellschaft allgemein möglich machen, so auch das Recht, als Teil der Gesellschaft zu rekonstruieren.

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In der Auffassung von Horváth ist "das Verfahren nichts anderes, als ein vorausbestimmtes menschliches Verhalten".[13] Die im Verfahren erscheinende, musterbefolgende Handlung unterscheidet sich von allen sonstigen menschlichen Verhalten, die mechanisch oder organisch hervorgerufen werden (z. B. das Hinfallen, reflexartige Bewegungen). Eine Handlung bzw. ein Verfahren kann also nur das Verhalten sein, das "der Mensch nach seiner freien Einsicht und seinem spontanen Entschluss kontrollieren und steuern kann."[14] Außerdem kann von einem gesellschaftlichen Verfahren nicht die Rede sein, wenn man von Produktions- oder technischen Verfahren bzw. von gewissen wissenschaftlichen oder religiösen Tätigkeiten spricht, die zwar einem im Voraus festgelegten Muster folgen, aber es fehlt in ihnen das "gesellschaftliche Moment", also die gegenseitige Berührung der Verhaltensvoraussetzungen.[15]

Die Grundlagen der Entstehung des Verfahrens im Bereich der gesellschaftlichen Handlungen lägen in Bestrebungen nach Automatismen, nach Effizienz, nach Bequemlichkeit und Sicherheit. In den höheren Stufen der Organisierung der gesellschaftlichen Ordnung sei die Regelmäßigkeit des Verfahrens nicht mehr genügend, sondern die Vorschriftsmäßigkeit des Verhaltens sei erforderlich. Das gesellschaftliche Verfahren wird also als normativer Begriff aufgefasst: es bedeutet das schon vorbestimmte menschliche Verhalten, das einem Handlungsmuster folgt.

Das Verfahrensgefüge der historischen Gesellschaften setzt sich aus der Hierarchie der auf verschiedenen Entwicklungsniveaus objektivierten Verfahren zusammen. Die einfachste und älteste Schicht der Evolution stellen Bräuche und Sitten dar. Sie stellen den Urquell aller Sachen dar, und hier kann schon der synoptische Aufbau des Verfahrens beobachtet werden.[16]"Weder das Muster noch das Verhalten allein stellt ein Verfahren dar, sondern nur die gedankliche Verbindung von einem gültigen Muster mit einem tatsächlichen Verhalten, also von Regelungsgehalt und Verhaltensverfahren."[17] Von den einfachen Bräuchen entwickeln sich die eher gegliederten, aber vergänglichen und sporadischen Verfahren der Mode, der Etikette, der Zeremonien, der Ehre, des Spiels

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usw. Die dritte strukturelle und funktionale Schicht des gesellschaftlichen Verfahrens besteht aus den so genannten Ausdrucksverfahren, wie z.B. Dialekte, künstlerische oder wissenschaftliche Formen.

Für die Konstitution des Rechts ist hier die vierte Schicht, das heißt die Ebene der großen gesellschaftsorganisierenden Verfahren für uns am wichtigsten. Horváth untersucht nämlich auf dieser Ebene die für die Rechtsordnung relevanten gesellschaftlichen Grundlagen der gesellschaftlichen Wirklichkeit, die so genannten "grundlegenden Grundlagen". So die Wirtschaft, den Kampf, die Macht, das Wissen (die Bildung) und (sic!) selbst das Verfahren. All diese Objektivierungen stehen im funktionalen Zusammenhang mit der historischen Wirklichkeit des Rechts.[18]

Dazu, dass sich diese Verfahren als "Ordnung" konstituieren und ihre Aufgabe als Organisatoren der Gesellschaft erfüllen können, ist es notwendig, sich in der jeweils am weitesten entwickelten Verfahrenskonstruktion (im Recht) zu organisieren. Von diesem Moment an sind diese gesellschaftlichen Ordnungen bzw. Objektivationen (also Wirtschaft, Macht, Kampf- oder Friedensordnung, Wissen, Moral) für das Recht keine Verfahren mehr, sondern Wertinhalte des Rechts. Dem Recht werden Gehalt und Realität durch diese gesellschaftlichen Grundlagen verliehen. Das Recht als das am meisten entwickelte Verfahren ist "keine leer laufende Mühle".[19] Das Recht kann nicht sein eigenes Ziel sein,

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sondern es ist eine besondere gesellschaftliche Technik, ein System der in höchstem Maße entwickelten Verfahren, und das wirksamste Mittel der Befriedigung von Bedürfnissen.

Die funktionale und strukturelle Interdependenz, die gegenseitige Abhängigkeit zwischen dem Recht und seinen gesellschaftlichen Grundlagen kann einerseits überzeugend und nachweisbar "erwischt" werden in der rechtsgestaltenden Wirkung der gesellschaftlichen Grundlagen. Die Beziehung ist jedoch nicht eingleisig, sondern reziprok. Die Leistungen der Wirtschaft, des Kampfes, der Macht und des Wissens werden erst dadurch möglich, dass das Recht als das am weitesten entwickelte Verfahren diesen Objektivationen bzw. Verfahren seine Leistung zur Verfügung stellt. "Auch die ethnologische Forschung bestätigt die mächtige Einwirkung der Wirtschaft auf die Entstehung des Rechts. Wird diese letztere in der Ausgestaltung von Heiratsordnung, Familien-, Sippen-, Vergesellschaftungs- und Rangordnung, Eigentums-, Vermögens- und Erbordnung, endlich von Verwaltungsordnung und Rechtspflege erblickt, so ist der Einfluss der Wirtschaft auf sie unverkennbar."[20] Andererseits wäre die Wirtschaft unvorstellbar ohne die Rechtsinstitutionen der Produktion, des Verbrauchs, des Verkehrs, des Kredits usw.

"Kampf bedingt im ersten Sinn z.B. die Entwicklung der Sklaverei, des Kompositionssystems, des Prozessrechts, des Völkerrechts, im zweiten Sinn die des Königtums, des Lehnswesens, des Steuerrechts, der Hochgerichtsbarkeit..."[21] Dabei war es das Recht, das den Kampf "einschränkte, milderte und zu einer friedlichen Auseinandersetzung, zum Wettbewerb und zu einer fruchtbaren Zusammenwirkung verfeinerte..."[22] Auch die Festigung der Macht "beruht nicht lediglich auf dem vergänglichen persönlichen Ansehen, und auch nicht lediglich auf der primitiven Struktur des Brauchs, sondern auch auf einer Struktur von Verfahren, die einander in der Funktion ergänzen, institutionalisiert und weit verzweigt sind, wie Armee, Verwaltung, Gerichtsbarkeit und Gesetzgebung."[23] Die Macht verfeinerte und verwandelte sich "durch die am meisten entwickelte Verfahrensstruktur in die Herrschaft der abstrakten Regeln, der allgemeinen Prinzipien, der elementaren Moral, der Gerechtigkeit und der allgemeinen Freiheit."[24]

Und zum Schluss: Es ist unwiderlegbar, dass das Wissen einen Einfluss auf die Rechtsentwicklung hat. Gewiss wäre "die Geschichte eine ganz andere gewesen und das Mittelalter wäre wahrscheinlich entfallen, hätte man das Schießpulver, den Kompass und die Druckerei bereits im Altertum erfunden. Es ist selbstver-

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ständlich, dass die Entwicklung insbesondere des Kriegsrechts, des Seerechts oder des Presserechts durch diese Erfindungen bedingt war [...]. Auch der Zusammenhang zwischen Sprachwissenschaft und Literaturgeschichte einerseits und Entwicklung des nationalen Staatensystems anderseits springt in die Au-gen."[25] Dabei beeinflussen Entwicklung und Rationalisierung des Rechts das Wissen, das heißt die Ausbreitung, Freiheit, Zunahme und Wirksamkeit der Forschung, des Lernens, der Lehre, der Mitteilung und der Vermittlung. Insofern kann also gesagt werden, dass das Recht als das am weitesten entwickelte Verfahren die Möglichkeitsvoraussetzung der analysierten Objektivationen darstellt. "... Die Entwicklung des Verfahrens, die Entfaltung des Verfahrensapparats ist gleich mit der fortschreitenden Organisierung der Gesellschaft."[26]

Barna Horváth nennt als unmittelbarste - und gerade deshalb schwächste und am wenigsten originale - Grundlage des Rechts letztendlich das Verfahren selbst. Das Verfahren mündet schließlich in den Begriff des Rechts. "Bei keiner der behandelten gesellschaftlichen Objektivationen wie Wirtschaft, Kampf, Macht und Wissen ist die generische Identifizierung mit dem Recht so sehr gerechtfertigt, wie im Fall des Verfahrens. Diese Objektivationen gelangen zwar in die Fugen des Verfahrens und auch in das Verfahren selbst, aber sie kommen immer nur durch das Verfahren zur Geltung. Wenn die Entstehungs-, Wert- oder Erkenntnisgrundlage des Rechts in den genannten Objektivationen besteht, dann geht ihnen das Verfahren als Rechtsquelle nur in dem Sinne vor, dass sie das Recht nur und ausschließlich durch das Verfahren begründen können. . Als Begriff der Rechtsquelle ist also von den gewöhnlichen Begriffen der Quelle -wie Macht, Brauch, Akzeptanz, Gerechtigkeit - dem Verfahren (z.B. Rechtsetzung, Rechtsprechung, Vertrag, usw. - Á. Zs.) der Vorrang zu geben."[27]

Die generische Identifizierung bedeutet aber nicht gleichzeitig auch die spezifische Identifizierung, d.h. dass Verfahren und Recht dasselbe wären. Wie oben bereits mehrmals betont, bedeutet das Recht für Horváth das am weitesten institutionalisierte und entwickelte Verfahren. Er unterscheidet also dadurch das Recht vom Verfahren. "Es gibt nichts, was für das Recht so kennzeichnend wäre, wie der Rechtsweg, das Rechtsinstitut und ein reiches Netz der Rechtswege. Gericht, Armee, Verwaltung, Gesetzgebung und Prozessordnung, also die institutionalisiert entstandenen Organe und Verfahrensformen, grenzen bereits in ihrem anfänglichen Zustand die Rechtsordnung ziemlich scharf ab."[28]

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Laut Barna Horváth ist also nicht nur das Verfahren der Haupt-/Gattungsbegriff des Rechts, sondern gerade umgekehrt: Das Recht - als das am weitesten entwickelte Verfahren - bedeutet die Oberstufe des Verfahrens. Das genus proximum des Rechts ist also das Verfahren, und der Superlativ des Verfahrens ist das Recht selbst.[29] Es ist die am meisten institutionalisierte Verfahrensstruktur, wenn das Verfahren den idealen Begriff des Verfahrens erreicht, was sozusagen die Verdoppelung des Verfahrensbegriffs ist.

Das am meisten ausgebildete und institutionalisierte Verfahrensgefüge - wenn das Verfahren den idealen Begriff des Verfahrens "erreicht" - bedeutet das Recht in der jeweiligen Gesellschaft, "das die anderen Verfahren hinsichtlich der Institutionalisierung übertrifft, weil 1. die Verfahren zahlreich sind und sich zu ständig funktionierenden Organen und Institutionen (z.B. Parlament, Gericht usw.) kristallisieren, 2. die Gliederung der Verfahren, ihre einander ergänzende - z.B. strafrechtliche, zivilrechtliche - Kompetenzteilung und Wirksamkeit die höchste ist, 3. sie die am besten geeigneten Mittel der gesellschaftlichen Freiheit und Bedürfnisbefriedigung und 4. der gesellschaftlichen Gegenseitigkeit und Gerechtigkeit sind."[30] Die "Freiheit" des Verfahrens bedeutete zugleich die Freiheit der Gesellschaft, weil das Recht mit der Monopolisierung des Zwanges den chaotischen, die Verhaltensbedingungen berührenden Zwang der verschiedenen objektiven und subjektiven Faktoren behebt. Das Recht befreit jedes Verhalten vom Einfluss des durch anderes Verhalten ausgeübten Zwanges. Die Gegenseitigkeit des Verfahrens käme dadurch zum Ausdruck, dass "der Übergang" zwischen den unterschiedlich entwickelten Verfahren - Moral, öffentliche Meinung, Recht, usw. -, die gegenseitige "Erfrischung, die Übernahme der Entwicklungsergebnisse der sich voneinander getrennt entwickelnden Verfahrensformen" (z.B. Laiengericht, freies richterliches Ermessen) immer leichter wird. Die Entwicklung der Differenzierung und der Wechselbeziehung der Verfahrensweisen haben zur Folge, dass die anderen gesellschaftlichen Verfahren (z.B. Bräuche, Moral) - im Verhältnis zum am meisten institutionalisierten Verfahren, also zum Recht - nicht mehr als formelles Verfahren, sondern als materieller Wertinhalt des Rechts in Betracht kommen.

Vielleicht könnte man bei Barna Horváth beanstanden, dass er den Begriff des am meisten institutionalisierten und entwickelten Apparats nicht präzise und differenziert genug beschreibt. Aber um das Recht in seiner Entwicklung von

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seiner Entstehung bis zur modernen Ausformung erfassen und von anderen gesellschaftsorganisierenden Verfahren unterscheiden zu können, muss der Rechtsbegriff in gewissem Sinne inhaltlich leer, d. h. formal sein. In diesem Sinne sind die Identifizierung und der Vergleich des Rechts in den verschiedenen historischen Gesellschaften möglich zu machen.

Andererseits sichert - nach Horváths Auffassung - diese Flexibilität des Rechtsbegriffs, dass "die freien Plätze innerhalb des Verfahrensapparats sofort sichtbar werden, durch die die bis dahin als rechtsfremd geltenden Elemente in die Fugen des Verfahrens hineinströmen und dadurch auch sie selbst zum Verfahren werden [...]. Das weite Grenzgebiet um den imaginären Punkt des Übergangs zwischen Verfahren und Recht herum umfasst Verfahren, die sich vorher noch nicht, später jedoch in den am meisten entwickelten Verfahrensapparat eingegliedert haben."[31] Und dieses nicht zu leugnende Gebiet ist der Bereich des Freirechts, also das gewisse Minimum an Naturrecht, das der prozessualen Rechtstheorie von Barna Horváth als Grundlage dient.

Wir konnten also wieder das theoretische Bestreben von Horváth sehen, wie er die unvereinbaren Gegensätze des Positivismus - Naturrecht, Ordnung und Gerechtigkeit, Sein und Sollen - synoptisch überbrückt. Bei der Rekonstruktion der prozessualen Rechtsauffassung von Barna Horváth gelangen wir vom elementaren Begriff des als Erfahrungsevidenz aufgefassten Verfahrens zum universalen Begriff des Verfahrens. In seiner Rechtssoziologie erfasst er nämlich die Existenzvoraussetzung der Gesellschaftlichkeit und des Rechts im Verfahren. Das als Möglichkeitsvoraussetzung formulierte Verfahren könnte man sogar - nicht im gewöhnlichen bewusstseinsphilosophischen Sinn - auch transzendental nennen, hinter das keine Reflexion mehr gelangen kann, und das keiner weiteren Begründung mehr bedarf, also bedingungslos ist. ■

ANMERKUNGEN

[1] Barna Horváth: Forradalom és Alkotmány, Önéletrajz 1944-45-böl, (Revolution und Verfassung, Selbstbiografie 1944-45), Aus dem Englischen von Endre Nagy (Hrsg.) und mit Notizen versehen von Ágnes Zsidai, ELTE Szociológiai és Szociálpolitikai Intézete, Budapest, 1993, S. 77.

[2] Hans Kelsen: Reine Rechtslehre, Wien, 1960, S. 5.

[3] Sie sind logische Gegensätze von einander, und Kelsen nimmt die Unmöglichkeit ihrer gegenseitigen Berührung an, doch dabei gibt er selbst zu, dass "Wert und Wirklichkeit nur unterschiedliche Betrachtungsweisen des gleichen Substrats sind." Hans Kelsen: Die Rechtswissenschaft als Norm oder als Kulturwissenschaft. Schmollers Jahrbuch, Jg. 40, 1916, S. 124.

[4] Barna Horváth sieht es aber so, dass das neukantianische Paradigma - so auch die Reine Rechtslehre - die Möglichkeit der Soziologisierung, und dadurch auch der Entfaltung der prozessualen Rechtsbetrachtung in sich trägt. "Tatsachen gelangen in das Reich des Rechts erst, nachdem sie durch ein rechtliches Verfahren (Hervorhebung von Á. Zs.) festgestellt wurden. Das heißt - könnte man sagen -, sie existieren im Recht dank diesem Verfahren. Paradoxerweise könnte man auch sagen: rechtlich gesehen werden die fraglichen Tatsachen von einem kompetenten Organ .geschaffen', das die voraussetzenden Tatsachen feststellt [...] Im juristischen Denken tritt die in einem Verfahren festgestellte Tatsache an die Stelle der Tatsache an und für sich, was im nichtjuristischen Denken als Voraussetzung des Zwangsaktes dient." Hans Kelsen: General Theory of Law and State, Ander Wedberg, Cambridge, Mass: Harvard University Press, 1946, S. 137.

[5] Siehe dazu: Barna Horváth: Rechtssoziologie. Probleme der Gesellschaftslehre und der Geschichtslehre des Rechts, Grunewald, Berlin, 1934, S. 292-301.

[6] "Auch ich selbst bin ein Zahnrad im großen Mechanismus des modernen Staats und Rechts. Ich habe unzählige Möglichkeiten, das Funktionieren des Militärs, der Rechtsprechung, der Abteilungen in den Ministerien und einer Reihe anderer Ämter zu beobachten. Für mich war es von Anfang an selbstverständlich, dass dieser unermessliche Apparat von Organen und Verfahren, ohne die die Regeln des Rechts die Fälle nicht regulieren könnten und in der Wirklichkeit sie selbst nicht durchführbar wären, das distinktive Merkmal des Rechts bildet." Barna Horváth: Forradalom és Alkotmány, (Revolution und Verfassung), S. 91.

[7] Barna Horváth: A jogelmélet vázlata, (Abriss der Rechtstheorie), Szeged Városi Nyomda és Könyvkiadó Rt., Szeged 1937, S. 204.

[8] Barna Horváth bemüht sich, in seiner Theorie die einheitliche Natur der Rechtserkenntnis, die Einheit der juristischen Kultur, die juristische Denkstruktur von universalem Charakter durch die verschiedenen juristischen Berufe zu beweisen. Wenn man z.B. die Arbeit des Gesetzgebers und des Richters vergleicht, stellt sich heraus, dass in ihrem Charakter nur relative Unterschiede bestehen. "Es ist offenbar, dass beide einen Tatbestand und einen Rechtssatz mit einander vergleichen (Synopsis)... Der kautelare Jurist sucht vorher, der Richter nachträglich den Rechtssatz zum Tatbestand. Die Kauteraljurisprudenz bedeutet die Teilnahme des Juristen an der Rechtsschöpfung und die praktische Jurisprudenz ist die Teilnahme des Juristen an der Rechtsanwendung. Aber zwischen Rechtsschöpfung und Rechtsanwendung existiert nur ein verhältnismäßiger Gegensatz. Der kautelare Jurist will aus dem Tatbestand zum noch fehlenden Rechtssatz, der Rechtsanwender aber aus dem schon existierenden Rechtssatz zum Rechtsfall, zum "konkreten" Recht gelangen. Die Rechtssetzung bedeutet eine Verallgemeinerung, die Rechtsanwendung ist aber eine Individualisierung oder Konkretisierung. Der kautelare Jurist setzt in abstracto voraus, er formuliert-, der Rechtsanwender wendet in concreto an, - also gestaltet. Der erste formuliert aus Tatsachen einen Rechtssatz, der andere bildet aus dem Rechtssatz einen Rechtsfall." Barna Horváth: Bevezetés a jogtudományba, (Einführung in die Rechtswissenschaft), Szeged Városi Nyomda és Könyvkiadó rt., Szeged 1932, S.78.

[9] Siehe dazu Csaba Varga: A bírói ténymegállapítási folyamat természete (Natur des richterlichen Tatsachenfeststellungsprozesses), Akadémia, Budapest 1992, S. 269.

[10] Barna Horváth: A jogelmélet vázlata (Abriss der Rechtstheorie), S. VIII.

[11] Barna Horváth: A jogelmélet vázlata (Abriss der Rechtstheorie), S. 101.

[12] Barna Horváth: Lét, érvény, jog (Sein, Geltung, Recht), In: Szellem és Élet, I. 1936, S. 129-143.

[13] Barna Horváth: Lét, érvény, jog (Sein, Geltung, Recht), In: Szellem és Élet, I. 1936, S. 6.

[14] Barna Horváth: A jogelmélet vázlata (Abriss der Rechtstheorie), S. 36.

[15] Siehe dazu Barna Horváth: A jogelmélet vázlata (Abriss der Rechtstheorie), §§ 8, 43-47, sowie: Ágnes Zsidai: Bibó István, a jogfilozófus. (István Bibó, der Rechtsphilosoph), In: A hatalom humanizálása (Humanisierung der Macht), Hrsg. Dénes, Iván Zoltán, Tanulmány Kiadó, Pécs. 1993, S. 102-103.

[16] So kann z.B. eine Volkstracht nur als Volksbrauch gelten, wenn sie tatsächlich getragen wird.

[17] Barna Horváth: A jogelmélet vázlata (Abriss der Rechtstheorie), S. 30.

[18] Siehe dazu Barna Horváth: Rechtssoziologie Zweiter Teil, Vgl.: Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen, 1935. In der Auffassung von Horváth sind die vorhin genannten gesellschaftlichen Ordnungen und Objektivationen auch selbst differenzierte, hoch entwickelte Verfahren. Ihr Wesen als Verfahren zeigt sich nicht nur in ihren Organen und Institutionen, sondern auch darin, dass sie alle die synoptische Struktur des Verfahrens aufweisen: sie konstituieren sich in der theoretischen, gedanklichen Verbindung von Seinsgründen und - als von einander nur analytisch trennbare Zusammenhänge - Wertgründen. Die Wirtschaftsordnung als stärkster gesellschaftlicher Grund bedeutet eine "Naturnotwendigkeit", sie ist die "erste ständige, überall und jederzeit zur Geltung kommende Tätigkeit". (Barna Horváth: A jogelmélet vázlata. (Abriss der Rechtstheorie), S. 22.) Anderseits stellt sie sich als die Voraussetzung der "Befriedigung der höheren Bedürfnisse und Wertansprüche. Sie ist also ein durch die Wertrangordnung bis zu diesem Maß bestätigter Wert. Und genauso: es lässt sich die Verbindung des zwingenden Grundes und der spontanen Freiheit in der Macht, der Naturnotwendigkeit und der gegenseitigen Wertzerstörung- bzw. Entwicklung in Kampf und Frieden, der kausal begrenzten Kultivierung der äußersten Werte in der Kultur, und schließlich des kausal bestimmten, tatsächlichen Verhaltens mit ideellen Verhaltensmodellen von uns stehen." (a.a.O. S. 33.).

[19] Barna Horváth: A jog alapjai általában (Grundlagen des Rechts im Allgemeinen), (Übersetzt von István H. Szilágyi) Szent István Társulat, Budapest, 2006, S. 79.

[20] Barna Horváth: Rechtssoziologie, S. 99.

[21] Barna Horváth: Rechtssoziologie, S. 151.

[22] Barna Horváth: A jogelmélet vázlata (Abriss der Rechtstheorie), S. 23.

[23] Barna Horváth: A jogelmélet vázlata (Abriss der Rechtstheorie), S. 25.

[24] Barna Horváth: A jogelmélet vázlata (Abriss der Rechtstheorie), S. 27.

[25] Barna Horváth: Rechtssoziologie, S. 252.

[26] Barna Horváth: Rechtssoziologie, S. 268.

[27] Barna Horváth: Rechtssoziologie, S. 283.

[28] Barna Horváth: A jogelmélet vázlata (Abriss der Rechtstheorie), S.7.

[29] Barna Horváth bestimmt den Zeitpunkt der Entstehung des Rechts unter den verschiedenen gesellschaftlichen Verfahren in der Weise, dass die formbestimmten Verfahren (z.B. Magie, "Vermittler" in den Streitfällen), d.h. die bloße Regelmäßigkeit der Tatsachen und des gesellschaftlichen Verhaltens sowie die Bestimmung des ursprungsbestimmten Verfahrens (z.B. Herrschaft der Ältesten, Charisma einer Person) im sog. Verfahrensdualismus verbunden werden.

[30] Barna Horváth: A jogelmélet vázlata (Abriss der Rechtstheorie), S. 31.

[31] Barna Horváth: Rechtssoziologie, S. 284.

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