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Ádám Fuglinszky: Rechtsangleichung entlang der "Rationes Communes" oder die Wirkungen gemischter Rechtsordnungen im Haftungsrecht (Annales, 2013., 395-429. o.)

Sehr geehrte Kommission, liebe Kollegen!

In meinem Vortrag unternehme ich den Versuch, Ihnen vorzustellen, wie sich das Haftungsrecht in einer gemischten Rechtsordnung entwickelt und gestaltet, welche Schlussfolgerungen aus dem Ergebnis einer solchen Entwicklung hinsichtlich der bestmöglichen Lösung gezogen werden können und zuletzt: auf welche Weise diese Schlussfolgerungen den europäischen Rechtsangeleichungsbemühungen dienen können.

Meinen Vortrag habe ich in vier Abschnitte unterteilt. Als erstes möchte ich darlegen, was ich unter dem auch im Titel des Vortrags erwähnten Begriff der 'ratio communis' verstehe und wie sich dieser in die Methodik der rechtsvergleichenden Wissenschaften einfügt. Anschließend unternehme ich den Versuch, den Begriff der gemischten Rechtsordnung einzugrenzen und lege dar, inwiefern die Untersuchung dieser Rechtsordnungen einen Mehrwert oder etwas anderes im Vergleich zur traditionell verstandenen Rechtsvergleichung darstellt, welchen Mehrertrag die Analyse der gemischten Rechtsordnungen in der Rechtsvergleichung verkörpert, auf welche Weise dieser Ansatz zum Erfolg einer gleichwelchen Rechtsvergleichung beitragen kann und gehe in meinem Vortrag auch auf die etwaigen Stolpersteine solcher Forschungen ein. Im dritten Abschnitt des Vortrags stelle ich meine anhand des Haftungsrechts von Québec abgeleiteten, in fünf Gruppen eingeteilten Schlussfolgerungen vor und sage anschließend ein kurzes Schlusswort.

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I. Rechtsvergleichung und die 'ratio communis'

1. Methodologie v. kritische Würdigung der Lösungen

Bei der Lektüre der rechtsvergleichenden Fachliteratur kann der Eindruck entstehen, dass diese wissenschaftliche Disziplin in den letzten Jahrzehnten eine Gefangene ihrer eigenen Methodologie geworden ist. Ehrenwert und zugleich auch ein wenig beängstigend ist der Beitrag von Ralf Michaels im Oxford Handbook of Comparative Law, welcher im Zusammenhang mit der funktionalen Rechtsvergleichung über lange Seiten hinweg nur detailliert die Frage schildert, was eigentlich der Terminus "funktional" bedeutet.[1] Als ob in diesen methodologischen Publikationen die selbstgeißelnde, selbstquälende Stimmung der - unlängst veröffentlichten - Móricz Tagebücher[2] widerhallte. Diese methodologische Selbstgeißelung führt - insbesondere im englischen Sprachraum - häufig dazu, dass schlussendlich niemand mehr irgendetwas mit irgendetwas vergleicht.

Ich selbst kann mich zwischen jenen Vertretern der Rechstvergleichung einreihen, die darin eine Methode unter vielen sehen, welche den Forscher dem Verständnis des Rechts sowie der Identifizierung effizienter[3] und fairer Lösungen ebenso nahebringt, wie andere - nicht minder bedeutsame - Methoden wie etwa auch im Falle der ökonomischen Analyse des Rechts oder der rechtshistorischen Herangehensweise. So vertreten anerkannte Forscher dieser wissenschaftlichen Disziplin wie Zweigert und Kötz und in ähnlicher Weise Max Rheinstein: der rechtsvergleichenden Analyse muss immer eine kritische Würdigung der gefundenen Ergebnisse folgen, aus welcher hervorgeht, welche Lösung gerecht ist, dem Ziel am besten entspricht und den Erwartungen der Gesellschaft bestmöglich Rechnung trägt.[4]

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Ein Wesensmerkmal dieser Herangehensweise ist also: die Rechstvergleichung kann nicht frei von kritischer Würdigung sein und es gibt sehr wohl bessere und weniger gute Lösungen, wenn auch oftmals kein Konsens darüber herrscht, was überhaupt als besser oder gerecht einzustufen ist.[5]

Eine Gruppe der Rechtsvergleicher meint die beste, effizienteste Lösung als Ergebnis einer - in einer Art Renaissance befindlichen - naturrechtlichen Herangehensweise in universellen Rechtprinzipen, im gemeinsamen Nenner der Vernunft (Natur der Sache) zu entdecken.[6] Andere suchen den Erkenntnismethoden der ökonomischen Analyse des Rechts folgend solche Rechtsinstitute und Lösungen, die den größtmöglichen Wohlstand zu begründen geeignet sind[7], so etwa im Haftungsrecht, dem im engeren Sinne verstandenem Kernthema meines Vortags. Auch sie behaupten, dass jene Lösungen am besten sind, die die potentiellen Schadensverursacher im bestmöglichen Maße dazu veranlassen, Schadensfälle zu vermeiden und zugleich den Geschädigten Anreize setzen, die drohenden Schäden abzuwenden.[8]

2. Der freie Wettbewerb der Rechtsideen (Smits) und die 'rationes communes'

Jan Smits stellt sich die Durchsetzung der besten Lösungen in einer gesamteuropäischen Dimension vor und zwar als Ergebnis einer Art freien Marktes und entsprechenden Wettbewerbs der Rechtskulturen. Eben deshalb - so Prof. Smits - muss der Prozess der europäischen Rechtsan-

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gleichung auf freiwillige Grundlagen gebaut und so ermöglicht werden, dass der europäische Gesetzgeber und die das Unionsrecht anwendenden Richter frei von einer möglichst breiten Palette der Rechtslösungen die Gewinner dieser sektoralen (also: juristischen) soziokulturellen Evolution auswählen können. Er betont mehrfach, dass hierfür ein freier Austausch der Rechtslösungen und deren streng objektive Gegenüberstellung erforderlich sind, in deren Verlauf die Vorzüge und Nachteile der einzelnen Lösungen offensichtlich werden und zwischen diesen schließlich nicht aus Zwang heraus sondern auf Grundlage objektiver, wissenschaftlicher Gesichtspunkte gewählt wird. Im Verlauf des Wettbewerbs und dieser speziellen Evolution der Rechtslösungen wird zugleich deutlich, auf welchen Gebieten die Möglichkeiten der Rechtsangleichung gegeben sind und wo wiederum die Grenzen dieser Zielsetzung und dieses Prozesses sind.[9]

Den Freien Fluss von Rechtslösungen oder deren Adaption behandelt die großes Aufsehen erregende Kleinmonographie von Alan Watson mit dem Titel Legal Transplants, deren eine Hauptthese besagt, dass sich das Recht im Wege des Ausleihens (legal borrowing) entwickelt, angesichts der Tatsache, dass sich einige Regeln auch in eine solche Rechtsordnung transplantieren lassen, die sich von ihrer Herkunftsrechtsordnung unterscheidet und, dass sie auch hier funktionieren können und betrieben werden können, selbst dann, wenn die strukturellen Elemente der Empfängerrechtsordnung von jenen der Spender-Rechtsordnung im wesentlichen Umfang abweichen.[10] Wenn Watson und Smits recht haben, gestalten irgendwann die im Wege des freien Wettbewerbs der Rechtslösungen oder

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im Wege des legal transplant, also der Rechtstransplantation gewonnenen besten Rechtslösungen das Europäische Bürgerliche Recht. Dieser Ansatz vereinigt die neonaturalistische Herangehensweise mit der Methodik der ökonomischen Analyse des Rechts und setzt letztere in den Kontext der europäischen Rechtsangleichung.

Joachim Zekoll bezeichnet Normen, die sich den Grundstrukturen mehrerer Rechtsordnungen anpassen als systemneutrale Regeln (system-neutral rules)[11], während Jaye Ellis den Abstraktionsgrad und die Präsenz dieser Normen, also den Grad ihrer Verbreitung untersucht.[12] So erscheint uns überzeugend, dass es Rechtsprinzipien, Normen, Rechtsinstitute, zusammenfassend: Rechtslösungen gibt, die sich in Raum und Zeit bewähren. Namentlich sind sie auch langfristig funktionsfähig und mehr noch: sie erweisen sich als effizient und gerecht beziehungsweise als die besten Regeln in einer bestimmten Lebenssituation und zuletzt: sie passen sich den Strukturen der beiden großen Rechtsordnungen des Common Law und des kodifizierten kontinentalen Privatrechts an.

Diese Lösungen nenne ich 'ratio communis'. Die Identifizierung der 'rationes communes' und das Vorantreiben der besseren Beachtung solcher Lösungen - so etwa in nationalen Reformprozessen, Neuregelungen beziehungsweise internationalen und supranationalen Rechtsangleichungen - beachte ich eindeutig und entschlossen als Aufgabe der komparativen Rechtswissenschaften. Nichtsdestotrotz überzeugt Watson, wenn er auf ein methodologisches Problem aufmerksam macht und vor diesem Hintergrund ist die intensive Selbstreflexion dieser Disziplin auch verzeihlich. Im Verlauf der Rechtsvergleichung kann es nämlich leicht vorkommen, dass wir solche Rechtsordnungen als Ausgangspunkt nehmen, die keinen Bezug zueinander haben, in keiner Verbindung zueinander stehen und keine Wirkung aufeinander entfalten. In diesem Fall werden unsere Schlussfolgerungen willkürlich und haben kein Gewicht.[13] Diese Falle können wir indes sicher vermeiden, wenn wir gemischte Rechtsordnungen untersuchen, da wir hier

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eine organische Wechselwirkung von zwei oder mehreren Rechtsordnungen beobachten können und mehr noch; eine tatsächliche Wechselwirkung von Rechtsordnungen ohnehin nur in gemischten Rechtsordnungen beobachtet werden können! Alle übrigen Modelle der Rechtsvergleichung sind im Vergleich hierzu notwendigerweise künstlich.

II. Gemischte Rechtsordnungen und die 'rationes communes' mit einem Ausblick auf die europäische Rechtsangleichung

1. Mischrechtsordnungen als Quellen der 'rationes communes'

Im weitesten Sinne verstanden kann jede Rechtsordnung als gemischt bezeichnet werden, gibt es doch wohl kaum ein System, welches sich in völliger Abgeschiedenheit entwickelt; in allen Systemen kommt die Übernahme von andernorts entwickelten Lösungen vor. Eine gemischte Rechtsordnung in einem engeren Sinne ist eine solche, in welcher ganze Rechtszweige oder -innerhalb dieser - bedeutsame Rechtsgebiete in signifikanter und identifizierbarer Weise einen Bezug zu unterschiedlichen Rechtsordnungen aufweisen.

Und schließlich kann für die Darlegung des im engsten Sinne zu verstehenden Begriffes der gemischten Rechtsordnung Prof. Vernon V Palmer aus Louisiana, Präsident des Weltverbandes von Juristen Gemischter Rechtsordnungen, zitiert werden. Danach sind jene Rechtsordnungen gemischte Rechtsordnungen, die auf den Grundlagen sowohl des Common Law als auch des kodifizierten kontinentalen Rechts basieren und ihre Rechtsprinzipien und Rechtsinstitute in bedeutendem Umfang und identifizierbar den Traditionen der einen oder der anderen Rechtsordnung (legal tradition) zugewiesen werden können, sofern das öffentliche Recht dem Common Law und das Privatrecht dem kontinentalem Recht entspringt.[14] Nach seiner Auffassung bilden diese gemischten Rechtsordnungen eine neue Rechtsfamilie.[15] Auch im palmerschen Sinne müssen die Rechtsysteme von Louisia-

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na, Québec, der Republik Südafrika, Puerto Rico, Malta und Israel sowie Schottland als gemischte Rechtsordnungen bezeichnet werden.

In gemischten Rechtsordnungen können oder werden die in unterschiedlichen Rechtstraditionen entstandenen Rechtslösungen miteinander in eine organische Verbindung, Wechselwirkung geraten[16] - manche Autoren sprechen geradezu von einer Symbiose[17] - und in diesem Rahmen werden einige unter den unterschiedlichen Rechtslösungen ausgewählt oder gar mit anderen Lösungen kombiniert, sodass die Lösungen - aus den Erfahrungen beider Rechtsordnungen schöpfend - auf neue Grundlagen gestellt werden, die im Vergleich zu den früheren vernünftiger sind.[18] Häufig können so bessere Lösungen erzielt werden, als ob der Gesetzgeber oder - je nach Rechtsordnung - der Rechtsanwender nur mit einem Magazin von vorgefertigten Instrumenten arbeiten würde.[19] Nicht selten begegnet uns bei der Analyse gemischter Rechtsordnungen auch die Aussage, wonach die Lösungen der gemischten Rechtsordnungen geradezu 'the best of both worlds', also das Beste beider Welten darstellt.

Gerade diese besonderen Eigenschaften der gemischten Rechtssysteme ziehen die Aufmerksamkeit jener Forscher auf sich, die die europäischen

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Rechtsangleichungsprozesse analysieren, so etwa den mit einer durch die Organe der Europäischen Union vorangetriebenen, oftmals sogar forcierten Geschwindigkeit laufenden zentralisierten Prozess (vgl. CESL) oder die auf den überlegten, gründlichen rechtsvergleichenden Analysen der Rechtsprofessoren basierenden, teils von unten initiierten Rechtsangleichungsbemühungen (PETL, DCFR usw.). Auch im Zuge dieser Prozesse müssen solche Lösungen gefunden werden, die sich sowohl dem System des Common Law als auch dem des kontinentalen Rechts gleichermaßen anpassen, gleichsam aus der Perspektive beider akzeptiert werden können[20] und die besten Elemente der beiden Rechtsordnungen vereinen, beziehungsweise auf deren Grundlagen zu qualitativ anderen, neuen und hoffentlich besseren Lösungen führen. Einer solchen Forschung können die gemischten Rechtsordnungen als Quelle dienen, können Modelle bereitstellen und nicht zuletzt Inspiration liefern[21] - all dies sowohl bezüglich der inhaltlichen Fragen, als auch im Hinblick darauf, inwieweit das Common Law und das kontinentale Bürgerliche Recht einander angenähert werden können. Welches sind die Fragen, bezüglich derer die Lösungen der beiden Rechtstraditionen nicht miteinander harmonisiert werden können, so dass zwischen den beiden entschieden werden muss? Und wenn sich diese Frage einmal gestellt hat, welche der beiden Rechtslösungen ist zu wählen? Wie sollte mit der juristischen Vielfalt umgegangen werden, während wir bestrebt sind, bis zu einem gewissen Grad Einheit herzustellen? Welcher Grad an Einheitlichkeit ist tatsächlich erforderlich auf dem gemeinsamen europäischen Markt und

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so gleichsam im europäischen Privatrecht beziehungsweise welcher Grad an Einheitlichkeit kann überhaupt verwirklicht werden?[22]

Hein Kötz vertritt den Standpunkt, dass das europäische Privatrecht notwendigerweise eine gemischte Rechtsordnung ist (werden wird), welches wünschenswerterweise auf einer Kombination der besten Elemente beider Rechtsordnungen aufbaut.[23] Ulrich Magnus prognostiziert hingegen etwas zurückhaltender, dass, wenn sich als Ergebnis der Wechselwirkung zweier oder mehrerer Rechtsordnungen auch nicht notwendigerweise die besten Lösungen herauskristallisieren, so doch eine Art relatives Optimum erreichbar sein wird, welches auf der Maximierung der Vorteile sowie auf der Minimalisierung der unvorteilhaften Nebenwirkungen der in den einzelnen Rechtsordnungen entwickelten Rechtslösungen beruhen wird.[24] Baudouin weist darauf hin, dass die gemischten Rechtsordnungen auch darin ein gutes Beispiel zeigen können, wie die das Identitätsbewusstsein erhaltende Funktion einer Rechtsordnung bewahrt werden kann, während diese sich selbst im Rahmen des Angleichungsprozesses unweigerlich verändert.[25] Diese metajuristische Erwägung ist auch in der europäischen Dimension ein bedeutender Gesichtspunkt.

Bleibt die Untersuchung der gemischten Rechtsordnung auf einzelne Rechtsgebiete oder Rechtsinstitute beschränkt, bestätigen die Ergebnisse nicht immer die obige Prämisse und Vision. Auch Professor Smits selbst erkennt bei der Untersuchung des schottischen und süd-afrikanischen Rechts an, dass aus den Instrumentarien der gemischten Rechtsordnungen nicht immer die besten Lösungen als die obsiegenden hervorgehen.[26] Denselben Standpunkt vertritt der süd-afrikanische Professor Jacques Du Plessis. Danach kann nicht von einer solchen allgemeinen juristischen Evolution die Rede sein, welche stets zur Auswahl der besten Lösungen führt, weshalb jene Prozesse gestärkt werden müssen, die zur Identifizie-

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rung der besten Rechtslösungen führen und das Risiko der Verfestigung der schlechteren Lösungen so minimiert wird.[27]

2. Historische Verzerrungen

Die Ergebnisse werden auch von gewissen Verzerrungen auf der Makroebene beeinflusst. In den meisten Fällen wurde das Aufeinandertreffen der Rechtsordnungen nicht durch freiwillige, auf dem freien Willen beruhende Schritte hervorgerufen. So wie die Schotten und Buren, wurden auch die französischsprachigen Einwohner von Nouvelle France - dem damaligen Québec - anlässlich des britischen Sieges nicht gefragt, ob sie ihre Rechtsordnungen mit dem Common Law vermengen und bunter machen wollen.

Zu Beginn konnte also keine Rede sein vom freien Austausch der besten Lösungen, vom objektiven, gesunden und auf wissenschaftlichen Grundlagen basierenden Wettbewerb der Rechtsinstitute, in dessen Rahmen die Prinzipien und Regeln mit gleichen Chancen in Wettbewerb treten konnten, sodass notwendigerweise die besten Lösungen als Sieger hervortreten. Indessen setzt das auf dem freien Wettbewerb der Rechtslösungen basierende Modell von Prof. Smits gleichrangige Rechtslösungen voraus, das heißt, solche Instrumentarien aus denen der Rechtsgestalter oder der Rechtsanwender ohne jedweden äußeren Druck seine Auswahlentscheidung treffen kann.[28] Die Chance der Konsolidierung einer übernommenen Rechtslösung wurde erheblich beeinträchtigt, wenn die Übernahme durch militärischen oder politischen Druck geschah.[29] Nicht weniger verzerrend wirkt sich der gegenteilige Fall aus. In diesem Ausgangsfall ist eine Rechtslösung gegeben, die sich innerhalb einer anderen Rechtsordnung entwickelt hat. Sie würde sich in die Struktur der aufnehmenden Rechtsordnung gut einfügen und würde hinsichtlich ihres Inhalts oder ihrer Wirkung zu effizienteren, gerechteren Ergebnissen führen, oder würde ein solches Ergebnis einfacher erzielen. Ihre Übernahme bleibt dennoch

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aus, weil die Entscheidungsträger oder die Rechtsanwender des jeweiligen Landes oder der Region - zumeist aus historischen oder politischen Gründen - eine tiefe Abneigung gegenüber alles empfinden, was von dem tatsächlichen oder dafür gehaltenem Unterdrücker, Besetzer stammt oder mit diesem in Verbindung gebracht werden kann.[30]

Für Québec war im XIX. Jahrhundert die erste[31] und im XX Jahrhundert die zweite Tendenz bezeichnend.[32] Neben den historisch-politischen Verzerrungen muss noch mit schlichten Zufällen gerechnet werden. So kann es vorkommen, dass beide Rechtsordnungen voneinander unabhängig zur selben Lösung gelangen, ohne dass zwischen ihnen diesbezüglich irgendeine Verbindung bestanden hätte.

3. Drei Tests zur Identifizierung der 'rationes communes'

Die gemischten Rechtsordnungen tragen jedoch allen verzerrenden Umständen zum Trotz die Möglichkeit in sich, eine Art Wettbewerb der

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Rechtslösungen zu entfalten - insbesondere im Anschluss an eine politische Konsolidierung - so dass der Gesetzgeber oder der Rechtsanwender die anzuwendenden Rechtsinstitute von einer wesentlich bunteren Palette auswählen kann, als ob es zu keinerlei Wechselwirkung der beiden Rechtsordnungen im Vorfeld gekommen wäre.

Mithilfe von drei Tests kann zudem der Versuch unternommen werden, jene der übernommenen Rechtsinstitute ausfindig zu machen, die als 'ratio communis' anzusehen sind. Als erstes ist der sog. "Zeitablauftest" zu nennen. Ist das übernommene Rechtsinstitut seit längerer Zeit in der Aufnahmerechtsordnung anzutreffen und stellt ihre Anwendung nicht bloß eine Art ad-hoc Kompromiss dar, so ist mit größerer Wahrscheinlichkeit von einer 'ratio communis' auszugehen. Reid unterscheidet beispielsweise vier Phasen der Integration, die mit der "Ankunft" der Rechtsnorm beginnt, gefolgt von der Reaktion der Aufnahmerechtsordnung. Die dritte Stufe ist dann die Assimilation der übernommenen Rechtsnorm in der Aufnahmerechtsordnung und schließlich formt letztere die übernommene Norm nach ihrem eigenen Bild, formuliert diese nach ihren eigenen Vorstellungen neu, interpretiert oder erschafft sogar die Regel oder das Prinzip neu. Wenn die übernommene Norm diese vierte Phase auch "absolviert", ist ihre dauerhafte Übernahme und ihr Charakter als 'ratio communis' mehr als wahrscheinlich.[33]

Der zweite Test ist der sogenannte "Kohärenz-test." Die Rechtslösung muss sich letztlich den strukturellen Bestandteilen beider Rechtsordnungen anpassen. Dies zumal in einer Weise, dass das Systemgleichgewicht der aufnehmenden Rechtsordnung nicht umkippt.[34] Wenn die übernommene Norm sich auch während des Adaptationsprozesses ändert, bleibt ihr Kerngehalt, die 'ratio communis' intakt.

Und schließlich wäre der sog. "Kontroll-test" zu nennen, was nichts anderes bedeutet, als dass die Entwicklung des betroffenen Rechtsinstituts in anderen gemischten Rechtsordnungen auch überprüft werden muss und zwar nach Möglichkeit sogar in sämtlichen gemischten Rechtsordnungen.

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Wenn sich dabei vergleichbare Tendenzen auftun, dann haben diese sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Grund der hinter der Norm verborgenen 'ratio communis' auf diese Weise so entwickelt und nicht auf Grundlage etwaiger Verzerrungswirkungen.

Meine als Habilitationsmonographie erschienene Arbeit sowie dieser Vortrag setzten sich zum Ziel, so viele 'ratio communis' wie möglich bei der Untersuchung des Haftungsrechts von Québec aufzufinden. Québec hat sich auch deshalb als gute Wahl erwiesen, weil die Rechtsordnung dieser Provinz in den vergangenen fünfzig Jahren keinem der beiden Verzerrungswirkungen ausgesetzt war. Die Wechselwirkungen der in Kontakt tretenden Rechtsordnungen war auf diese Weise in erster Linie das Ergebnis von freiwilligen Rechtsgestaltungs- oder Rechtsanwendungsentscheidungen. Das Ziel dieser Entscheidungen war bezeichnenderweise nichts anderes, als dass Québec so weit wie möglich ein Teil des nordamerikanischen Wirtschafts- und Handelskreislaufs wird und sämtliche Vorteile dieses großen gemeinsamen Marktes nutzen kann. Die treibende Kraft dieser Rechtsannäherungsprozesse ähnelt mithin in erheblichem Maße der Rechtsangleichung, wie sie sich innerhalb der Europäischen Union abspielt.

Das Haftungs- und Schadensersatzrecht wiederum ist ein ausgezeichnetes Forschungsfeld, weil es einerseits die sich in der Gesellschaft verwirklichenden Wertpräferenzen und Wertkonflikte als eine Art verdichtete Realität wiederspiegelt und weil andererseits diese Rechtsmaterie diejenige ist, in welcher die Verwirklichung der Lösungen des Common Law auf Grund des hohen Abstraktionsgrades des kontinentalen Privatrechts deutlich spürbar war und Ergebnisse zeitigen konnte. Das im Rahmen der Geschichte des Common Law entstandene torts und die für dessen Anwendung entstandenen Dogmen erwiesen sich als geeignet für die Ausfüllung solcher umfassender Rechtsbegriffe wie der Schaden, die Kausalität oder etwa das Verschulden oder die Zurechenbarkeit.[35]

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III. Die 'Rationes Communes' und das Haftungsrecht von Québec: die fünf Schlussfolgerungsgruppen

Ich habe meine Schlussfolgerungen aus der historischen und dogmatischen Analyse des Haftungsrechts von Québec beziehungsweise aus der funktionalen Rechtsvergleichung mit dem Recht der Common Law Provinzen in fünf Gruppen eingeteilt.

Wir können solchen Rechtslösungen begegnen, die in beiden Rechtsordnungen vorhanden sind, sich in das System beider Rechtsordnungen gut einfügen und in der Gerichtspraxis beider Rechtsordnungen gut funktionieren, ohne dass irgendeine Wechselwirkung zwischen diesen Rechtsordnungen feststellbar wäre. Hierher ist zu zählen: die Unterscheidung zwischen tatsächlicher und rechtlicher Kausalität; die Feststellbarkeit der Unterbrechung des Haftungs- und Zurechnungszusammenhanges - in manchen Fällen auf Grundlage des Prinzips novus actus interveniens; die Vorhersehbarkeitsschranke;[36] der Begriff des vis maior als unabwendba-

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rer, unvorhersehbarer äußerer Umstand;[37] die eigenständige Bedeutung der Rechtswidrigkeit im Privatrecht und im öffentlichen Recht;[38] die gesamtschuldnerische Haftung im Falle der gemeinsamen Schadensverursachung - hierher zu zählen ist auch der Fall, wenn nicht genau feststellbar ist, wen von den Beteiligten den Schaden verursacht hat;[39] und schließlich die Schadensabwendungspflicht.[40]

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Diese Rechtsinstitute stellen 'ratio communis' dar, allerdings spielt ihre Analyse als gemischte Rechtsordnung in diesem Zusammenhang nur eine Art deklaratorische Rolle, weil nicht eine Wechselwirkung auf Grundlage einer organischen Koevolution dieser Rechtsordnungen zur Entstehung der 'ratio communis' geführt hat. Diese Gruppe kann als Gruppe der "parallelen Entsprechung" oder der "ursprünglichen Parallelen" bezeichnet werden, oder auf Englisch als "original paralellisms".

Es gibt Tatbestände, bei denen sich das québecische Recht schließlich massiv gegen die Aufnahme von Common Law Lösungen verschlossen hat, obwohl es diesbezügliche Vorstöße von manchen erstinstanzlichen Gerichten - mit Unterstützung des damals noch am Common Law orientierten Supreme Court of Canada - noch gegeben hat.[41] Als Beispiel können wir die Haftung eines Grundstückeigentümers oder Besitzers für den Fall benennen, dass jemand sein Land betritt und dort einen Schaden erleidet. Gemäß dem im Common Law entwickelten Rechtsprinzip des occupiers' liability hängt die Haftung oder die Befreiung hiervon in erheblichem Maße vom rechtlichen Status des Grundstücksbetreters ab, namentlich davon, ob er das jeweilige Grundstück rechtswidrig betritt (trespasser), das Grundstück rechtmäßig, in zulässiger Weise betritt aber ohne, dass an seine Anwesenheit ein geschäftliches Interesse des Grundstückinhabers geknüpft wäre (licensee) oder aufgrund einer auf dem geschäftlichen Interesse des Grundstückinhabers basierenden Einladung (invitee). Die Gerichte von Québec haben diese komplizierte Herangehensweise abgelehnt und wenden in jedem Fall das Prinzip des bon père de famille an[42], welches wir als übliche Verkehrsauffassung bezeichnen würden. Die Verwerfung der Common Law Lösung ist ein Indiz in der Hinsicht, dass es sich dabei kaum um eine 'ratio communis' handeln kann

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und zwar schon deshalb nicht, weil später die Mehrheit der Common Law Provinzen diese beschwerliche Rechtslösung mit einfacheren, explizit kodifizierten Regelungen abgetauscht haben.[43]

In die dritte Fallgruppe habe ich jene Rechtslösungen eingeordnet, bei denen die Wechselwirkung der beiden Rechtsordnungen eine maßgebliche -konstruktive oder sogar konstitutive - Rolle hinsichtlich der Entwicklung und Identifizierung der 'ratio communis' gespielt hat.

Der vierten Gruppe habe ich die Bezeichnung hermeneutical equalization gegeben und werde die in diese Gruppe gehörenden 'ratio communis' Rechtslösungen in meinem Vortrag als "Ausgleich der Abstraktionsebenen" bezeichnen. Der Grund für diese eigenartige Benennung ist folgender: Die auf Fallgruppen aufbauende, das Recht von Fall zu Fall interpretierende und entwickelnde induktive Herangehensweise des Common Law ist sehr wohl angewiesen auf Rechtsinstitute, die allgemeingültigen Charakter haben und auf einer höheren Abstraktionsebene festgeschrieben sind; das kontinentale Bürgerliche Recht hingegen, welches seine generalklauselartigen, allgemein formulierten Tatbestandsmerkmale grundsätzlich mit deduktiven Methoden anwendet, bestreiten wir es nicht, sucht Fallgruppen und analysiert fallbezogene Erwägungen. Auf diese Weise ergänzen beide Rechtsordnungen ihre eigenen Grundkonzeptionen durch die Übernahme von auf anderen Abstraktionsebenen ausgestalteten Rechtslösungen der jeweils anderen Rechtsordnung, während sie hierbei ihre eigenen hermeneutischen Abläufe absolvieren. Und schließlich gleichen sich die Unterschiede der Abstraktionsebenen so zu sagen aus, wobei sie oft neue Kombinationen von Lösungen oder eben neue Lösungen zu Stande bringen. Beide Rechtsordnungen benutzen auf allen Abstraktionsebenen entstandene Rechtsinstitute, macht dies doch gerade die Komplexität der Lebenssachverhalte und des Haftungsrechts erforderlich, damit mehr oder weniger vorhersehbare und gerechte Entscheidungen gefällt werden können. Bei dieser Gruppe unter meinen Schlussfolgerungen können wir also in einem zweifachen Sinne von 'ratio communis' sprechen. Einerseits in inhaltlicher Hinsicht, namentlich in Ansehung der entstandenen Lösungen

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selbst und anderseits in methodologischer Hinsicht in dem Sinne, dass der Prozess des hermeneutischen Ausgleichs zwischen den Unterschieden der einzelnen Abstraktionsebenen auch eine 'ratio communis' darstellt, deren Untersuchung erneut für jene Forscher lohnend ist, die sich um die Reformierung und Angleichung des Bürgerlichen Rechts bemühen.

Die fünfte Gruppe greift jene - selten zu beobachtenden - Fälle auf, in denen sich die Wechselwirkung der Rechtsordnungen als kontraproduktiv erwiesen hat. Anders formuliert hat in diesen Fällen nicht die 'ratio communis' obsiegt, vielmehr hat eine Rechtsordnung die organische Entwicklung der anderen Rechtsordnung vom Weg abgebracht, so dass sich die Rechtsfortbildung im Sinne einer juristischen Evolution nicht verwirklichen konnte und die heute noch angewendete Lösung daher nicht der magnusschen Anforderung des relativen Optimums entspricht.

Nachfolgend möchte ich einige Beispiele aus der dritten, vierten und fünften Gruppe meiner Schlussfolgerungen vorstellen.

1. Die dritte Gruppe: 'ratio communis' Lösungen als Ergebnis der Wechselwirkung zwischen Rechtsordnungen

a) Einflüsse des Common Law im Haftungsrecht von Québec

Als erstes ist es zweckdienlich, die Auswirkungen des Common Law auf das Recht von Québec anzugehen. Die Rufschädigung beziehungsweise die Ehrverletzung (defamation) ist ein selbstständiges, spezielles tort (Delikt oder Deliktstatbestand) im Sinne einer verschuldensunabhängigen Haftung, von welcher sich der Schädiger nur unter Berufung auf eine der konkret festgelegten Befreiungsgründe (absolute privilege, qualified privilege, fair comment) befreien kann. Demgegenüber werden solche rechtsverletzende Handlungen in Québec auf Grundlage der allgemeinen deliktsrechtlichen Generalklausel beurteilt. Bei dieser handelt es sich um eine Verschuldenshaftung, wobei die diesbezügliche Beweislast beim Kläger liegt.[44] Die Gerichte von Québec haben - neben der entschiedenen

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Ablehnung der formellen Übernahme der Haftungsbefreiungen des Common Law - im Rahmen der Prüfung des deliktischen Verschuldens die Inhalte dieser Befreiungen sowie die sich dahinter verbergenden englischen Verfassungsgrundsätze berücksichtigt.[45]

Vergleichbar vernünftig erscheint es, dass die québecischen Gerichte im Zusammenhang mit der Haftung der Leitungspersonen von Wirtschaftsunternehmen - obwohl sie formal nur und ausschließlich die Regelungen des Code Civil du Québec bezüglich des Auftragsverhältnisses sowie die maßgeblichen Generalklauseln des Gesellschaftsrechts der Provinz anwenden - ihre Rechtsfindung in bedeutendem Maße auf die im Common Law entwickelte und die Besonderheiten der Entscheidungen des Wirtschaftslebens beachtende, wohlbekannte Doktrin der duty of loyalty und duty of care ebenso gestützt haben, wie auf die aus den Vereinigten Staaten übernommenen business judgement rule.[46]

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Der Einfluss des Common Law macht sich jedoch nicht nur in solchen speziellen Fragen bemerkbar. So ist beispielsweise beachtenswert, dass das Haftungsrecht von Québec nicht jenen Tendenzen des französischen Rechts gefolgt ist, welche in den Rechtsbegriff der faute neben den nach unseren Begriffen verstandenen Termini der Rechtswidrigkeit, des Verschuldens beziehungsweise der Vorwerfbarkeit auch den Begriff der Verschuldensfähigkeit hineinbeziehen. Ferner wurde auch nicht der strengen Objektivierung der faute, ihrer Umwandlung in faute objective oder faute sociale gefolgt. Das Recht von Québec betrachtet ähnlich zum Common Law die Verschuldensfähigkeit, also die Fähigkeit die Folgen eines Verhaltens einzusehen, als eigenständigen Tatbestand und bietet damit eine wesentlich zweckmäßigere Lösung als das französische Recht, welches diese Einsichtsfähigkeit auch im Rahmen der faute behandelt. Das Verhalten eines Kleinkindes oder eines geistig Behinderten nach den Maßstäben des im konkreten Fall zu erwartenden idealtypischen Verhaltens zu bewerten, wäre ungerecht. Die Bildung entsprechender Idealtypen wiederum - etwa das Verhalten des idealtypischen Kleinkindes oder des geistig Behinderten - würde einigermäßen merkwürdig klingen, wenn man bedenkt, dass das deren Verhalten die Unberechenbarkeit immanent ist und daher keiner tragfähigen Typisierung zuführbar erscheint.[47] Die eigenständige Prüfung

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der Verschuldensfähigkeit ist also eine 'ratio communis'. Ebenso eine 'ratio communis' ist die Berücksichtigung bestimmter persönlicher Umstände (Alter, Krankheiten) nach einer entsprechend sorgfältigen Abwägung bei der Festlegung der Maßstäbe des Prinzips des bon père de famille beziehungsweise des reasonable man. Der Begriff der faute in Québec basiert auf der dynamischen und flexiblen Abwägung von objektiven und individuellen Umständen, was das Haftungsrecht dazu befähigt, sich den wirtschaftlichen, gesellschaftlichen Änderungen sowie dem Wandel der Wertvorstellungen anzupassen.[48] Ähnlich lautet auch die Stellungnahme der Verfasser des PETL, wonach im entgegengesetzten Fall die Verschuldenshaftung sich in eine objektive Haftung wandeln würde.[49]

Einflüsse des Common Law sind nicht nur bei den Haftungsvoraussetzungen sondern auch im Bereich des Schadensbegriffes sowie der Art und Weise der Schadensersatzleistung feststellbar. Hinsichtlich der immateriellen Schäden muss der Gesetzgeber oder der Rechtsanwender zahlreiche dogmatische und - in noch stärkerem Maße - rechtspolitische Entscheidungen fällen. Die Verletzung immaterieller Güter hat a priori keinen Vermögenswert, keine obere Grenze und die maßgeblichen Gesichtspunkte zur Feststellung der Schadensersatzsumme müssen auch "künstlich" ersetzt werden. Der Mangel der Wertgegenbildung generiert auch Auseinandersetzungen: was soll die Funktion des Schadensersatzes für Nichtvermögensschäden sein? Die Erfahrungen der gemischten Rechtsordnungen in diesem Themengebiet sind auch beachtenswert. Aus Zeitmangel werde ich in diesem Themenkreis nur ein markantes Beispiel des Einflusses des Common Law hervorheben, namentlich die obere Wertgrenze in Höhe

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von 100.000 Dollar, die das Supreme Court auf Grundlage des Preisniveaus von 1978 für den "Ausgleich" von immateriellen Schäden an der körperlichen Unversehrtheit und Gesundheit festgesetzt hat. Demgemäß kann die Schadensersatzsumme selbst bei den schwersten Personenschäden nicht den inflationsbereinigten Wert dieser Obergrenze überschreiten. Diese Lösung ermöglicht es, dass ähnliche Fälle vor Gericht ähnlich beurteilt werden, ordnet aber zugleich keine konkreten Summen für einzelne Verletzungsarten an, so dass für die gründliche Abwägung der individuellen Umstände des Einzelfalles genügend Raum verbleibt. In der Rechtsprechung entstehen vermutlich auch so spontan obere Wertgrenzen aber die kanadische Lösung ermöglicht es, dass es zu keinen übermäßigen und unbegründeten Unterschieden kommt,[50] was sowohl hinsichtlich der Rechtssicherheit als auch der Versicherbarkeit der Personenschäden eine Zukunftsweisende Lösung ist: eine 'ratio communis'. Die quebecischen Gerichte haben ohne Vorbehalte diese, den auf dem Common Law basierenden Entscheidungen des Supreme Court entstammenden, Wertgrenzen akzeptiert und übernommen.[51]

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Es stimmt nachdenklich, dass der Strafschadensersatz (punitive damages, dommages-intérêts punitifs) - trotz der traditionell ablehnenden Haltung des kontinentalen Rechts - im französisch stämmigen québecischen Recht dennoch Fuß fassen konnte.[52] Der Strafcharakter oder die Genugtuung ist dem Schadensersatzrecht gar kein so ferner Gedanke und ist in verdeckter oder offener Weise stets anwesend. In verdeckter Form begegnet uns dieser Gedanke beispielsweise versteckt hinter einigen Bewertungsgesichtspunkten bei der Ermittlung der Haftungssumme im Zusammenhang mit immateriellen Schäden (etwa der Grad der Vorwerfbarkeit). Eine offene Form hingegen ist der institutionalisierte Strafschadensersatz. Wenn eine Rechtsordnung den ersten Weg wählt, erleiden auf Grund des verdeckten Genugtuungselements die explizit deklarierten übrigen Ziele des Schadensersatzes Verzerrungen. Wird - wie im Falle von Québec - die offene Form gewählt, so müssen unzählige diesbezügliche Folgefragen beantwortet werden, wie beispielsweise, ob die Anwendung eines Strafschadensersatzes allgemein an bestimmte Bedingungen geknüpft werden soll - etwa die vorsätzliche Schädigung - oder ob wir ihre Anwendung nur auf Grundlage einer expliziten gesetzlichen Ermächtigung in einzelnen Haftungstatbeständen zulassen (so in Québec). Desweiteren ist zu klären, wie sich der Strafschadensersatz zu den übrigen strikten Restitutionssummen verhält, beziehungsweise zu den Sanktionen anderer Rechtsgebiete, wie etwa das Bußgeld oder die Geldstrafe. In Québec gestatten einzelne Umweltschutz- oder Verbraucherschutzvorschriften den Geschädigten die Forderung eines Strafschadensersatzes,[53] beziehungsweise Art. 49 Abs. (2) der Grundrechtscharta der Provinz, der bei der Verletzung zahlreicher Grundrechte den Anspruch auf einen Strafschadensersatz zulässt. Bei diesen Tatbeständen legitimieren das Ziel der Kompensation einer ausgelieferten Situation des Rechtsgutsträgers sowie der Präventionsgedanke die Anwendbarkeit dieser Sanktion. Art. 1621 des Code Civil du Québec ordnet an, dass der Schädiger nur insofern zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, soweit die gewünschte Prävention durch eine ansonsten resti-

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tuierende Schadensbegleichung nicht erreicht werden kann. Wir beobachten also ein ne bis in idem Grundsatz innerhalb des Schadensersatzrechts, während eine quasi "Anrechnung" der Sanktionen anderer Rechtsgebiete nach der Rechtsprechung und der Literaturmeinung ebenfalls durchgeführt werden muss.[54]

b) Québecische Einflüsse in den Common Law Provinzen

Es ist schon an sich bemerkenswert und zeugt von einem Charakter der Lösungen als 'ratio communis', dass - trotz der regionalen Dominanz des Common Law sowie dem wirtschaftlichen Kräftevorteil der Vereinigten Staaten und der Common Law Provinzen - einige Rechtsinstitute eben vom Rechtssystem der Common Law Provinzen aus Québec übernommen worden sind und nicht umgekehrt.

Es kann nachgewiesen werden, dass die Einforderung der Wiedergutmachung der sog. prenatal injuries, also von Schäden, die vor der Geburt erlitten wurden (etwa wegen der Verletzung der werdenden Mutter oder ihres Unfallschadens, der einer anderen Person zurechenbar ist), zuerst in der québecischen Rechtsprechung auftauchten und die Common Law Gerichte bei der späteren Übernahme dieser Möglichkeit auf die québecischen Urteile verwiesen haben.[55]

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In ähnlicher Weise tauchte das tort "Missbrauch einer Amtsstellung" (misfeasance in public office) zunächst in einem québecischen Fall auf,[56] wo es viel einfacher war, diesen Haftungstatbestand im Rahmen der allgemeinen deliktischen Generalklausel anzuwenden, als im denkbar zergliederten, auf einzelnen Tort Law aufbauenden Haftungsrecht der Common Law Provinzen. In den Common Law Provinzen hat man sich in ähnlich gelagerten Fällen auf das auf Grundlage des québecischen Rechts ergangenen Urteils des Supreme Court berufen.[57]

Der auffälligste und in jedem Fall als ratio communis anzusehende Einfluss berührt dennoch eine klassische Frage des Haftungsrechts, namentlich, das Mitverschulden des Geschädigten. In der Welt des Common Law, so auch in den Common Law Provinzen Kanadas, führte dieser Umstand in den Anfängen stets zur völligen Abweisung des Schadensersatzanspruches (sog. stalemate rule). Es ist kein Zufall, dass es gerade Ontario, eine Nachbarprovinz von Québec war, die in diesem Bereich bereits im Jahr 1924 ein eigenes Gesetz verabschiedet hat (eine solche Vorschrift erging im Vereinten Königreich erst im Jahr 1945[58]) und in diesem Gesetz das

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Alles-oder-nichts-Prinzip des Common Law mit der Lösung des quebecischen Rechts - also eine dem Grad des Mitverschuldens angemessene Schadensaufteilung - ersetzt hat.[59] Zeitgenössische Urteile und wissenschaftliche Publikationen belegen, dass all dies als Auswirkung des québecischen Rechts und dessen Analyse erfolgte.[60] Es handelt sich zweifelsohne um eine 'ratio communis', welches es dem Gericht ermöglicht, den Umständen des Einzelfalles und der Komplexität der Lebenssachverhalte angepasste, gerechte Entscheidungen zu treffen.

2. Die vierte Gruppe: der hermeneutische Ausgleich der Abstraktionsebenen

Um erneut mit den Worten Palmers zu sprechen: in gemischten Rechtsordnungen verleiht die pointilistische Herangehensweise des

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Common Law den Haftungsprinzipien des kontinentalen Rechts immer wieder neue Farben. Nicht weniger poetisch - wenn auch etwas bizarr -klingt die Aussage der Professoren Kötz und Smits: auf dem Skelett des kontinentalen Haftungsrechts formen die Doktrinen des Common Law die Muskulatur.[61]

Im Zuge der täglichen Rechtsanwendung absolvieren die Rechtsordnungen gleichsam hermeneutische Abläufe und ergänzen dabei ihre eigenen Regelungen mit den auf anderen Abstraktionsebenen entwickelten Lösungen der anderen Rechtsordnung. Abgesehen davon, dass im deliktischen Haftungsrecht des Common Law - insbesondere bei der Ausgestaltung der negligence tort und später als Auswirkung des Falles Donoghue v. Stevenson[62] - auch eine Generalisierungstendenz identifizierbar ist, verbleibt die Rechtsprechung dennoch weiterhin an Fallgruppen gebunden, wie etwa im Falle der reinen Vermögensschäden - das heißt ohne Schäden an Personen oder Sachen - (sog. pure economic loss), wo die Gerichte auf Schadensersatz nur in den Fallgruppen negligent misrepresentation, negligent performance of services, defective products or buildings, independent liability of statutory public authorities und die sogenannten relational economic losses erkennen dürfen.[63] Die spätere Oberste Richterin des Supreme Court, Richterin McLachlin kritisiert die Bindung des Schadensersatzes an Fallgruppen und erwähnt als befolgenswertes Beispiel das Haftungsrecht von Québec und dessen Abstellen auf allgemeine Regeln, wie etwa auf die Kausalität oder auf den Schadensbegriff.[64] Im quebecischen Recht bilden nämlich diese Schadenstypen - wie auch im

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französischen Recht - formal keine Unterfälle innerhalb des Schadensbegriffes.[65]

Es gibt auch Beispiele für Einflüsse in die entgegengesetzte Richtung. Im québecischen Recht wenden die Gerichte bei der Prüfung der deliktischen Haftung der Buchprüfer gegenüber von der Gesellschaft unterscheidbare Dritte im Rahmen der Kausalität (Zurechnung) beziehungsweise des Verschuldens jene in der Rechtsprechung des Common law entstandenen Gesichtspunkte an, die der Ausschließung der uferlosen oder unbegründeten Ansprüche dienen. So wird die Haftung des Buchprüfers gegenüber Dritte - z.B. Gesellschafter oder Gläubiger der Gesellschaft - in Québec auch nur dann festgestellt, wenn (1) zwischen dem Buchprüfer und dem Geschädigten irgendein näheres, rechtlich qualifizierbares Verhältnis (special relationship) bestand; (2) für den Buchprüfer vorhersehbar war, dass die geschädigte Person oder eine Gruppe von Personen, in die der Geschädigte gehört, auf Grundlage der Bewertung des Buchprüfers ihre Entscheidung fällt (reasonable reliance); und (3) wenn auch vorhersehbar ist, für die Beantwortung welcher Art von Fragestellung oder für das Fällen welcher Art von Entscheidung die Stellungnahme des Buchprüfers verwendet wird.[66]

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Die PETL[67] und der DCFR[68] ordnen dem Grunde nach vergleichbare Lösungen an.

Ein angelsächsischer Einfluss scheint sich auch hinter der québecischen Rechtsprechung zur Beurteilung der Schadensersatzansprüche aus immateriellen Schäden von Angehörigen zu verbergen. Manche Common Law Provinzen regeln - nach langem Hadern[69] - in ihren familienrechtlichen oder einzelne Verkehrsunfälle betreffenden Vorschriften explizit, welchen Angehörigen ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens für den Fall zusteht, dass ein Angehöriger verstirbt (solatium doloris, oder loss of guidance, care and companionship). Andere Provinzen regeln sogar die

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genaue Haftungssumme in solchen Vorschriften.[70] In Québec werden solche Schadensersatzansprüche auch mithilfe des Kausalitätsbegriffes und des Schadensbegriffes behandelt[71] unter besonderer Beachtung der Frage, ob zwischen dem Verstorbenen Familienangehörigen und dem Kläger eine tatsächliche emotionale Bindung bestand. Dabei wird - vermutlich als eine Auswirkung des Common Law - für einen festgelegten Personenkreis der engeren Familienmitglieder eine tatsächliche emotionale Beziehung vermutet.[72]

Zwei konkrete Ansätze des Common Law ergänzen auf effektive Weise den auf allgemeinen Haftungsprinzipien beruhenden québecischen Lö-

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sungsansatz.[73] Aber auch letzterer verliert nicht seine aus höheren Abstraktionsebenen stammenden Vorzüge, kann doch der Schadensersatz auch Personen außerhalb des Personenkreises zugesprochen werden, sofern die tatsächliche emotionale Bindung nachgewiesen werden kann. Zu einer ähnlichen Lösung gelangten die Verfasser der DCFR in dessen Art. VI.-2:202, welcher den Begriff der besonders engen Beziehung dergestalt definiert, dass es sich dabei sowohl um eine formal-familienrechtliche als auch um eine emotionale Bindung handeln kann.[74]

3. Die fünfte Gruppe: kontraproduktive Wechselwirkungen

Art. 1384 Abs. (1) des Französischen Code Civil über die Haftung des Eigentümers für Schäden, die durch seine Sache verursacht wurden sowie Art. 1054 Abs. (1) des Code Civil du Bas Canada stellten anfangs keine eigenständige Rechtsgrundlage dar. Sie hatten eher die Funktion eines allgemeinen Einleitungssatzes oder Inhaltsverzeichnisses hinsichtlich der nachfolgenden Haftungstatbestände für Schäden, die durch verschiedene Sachen - etwa Tiere oder Gebäude - verursacht wurden. Später ist dieser präambelartige Gedanke "zu eigenständigem Leben erwacht" und galt fortan sowohl in Frankreich als auch in Québec als Generalklausel über die Haftung für Schäden, die durch Sachen verursacht wurden.

Im Jahr 1930 erging das Jand'heur Urteil des Cour de Cassation, welches diesen mittlerweile verselbstständigten Tatbestand erstmalig als verschuldensunabhängige objektive Haftung einstuft. Diese Richtung ist die Rechtsprechung in Québec allerdings nicht mehr gefolgt und Art. 1465 der neuen Kodifikation betrachtet die Haftung für Schäden, die durch Sachen

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verursacht worden sind, als ein Haftungstatbestand mit einem vermuteten Verschulden.[75] Das ist insbesondere deshalb merkwürdig, weil die quebecische Rechtsprechung und die spätere Kodifikation jenen Gegensatz beibehalten hat, den die französische Rechtsprechung bereits überwunden hat: sie ordnen eine Unterscheidung des menschlichen Verhaltens (fait de l'homme) einerseits und des "dinglichen Verhaltens" (fait de chose) andererseits an und erlauben die Anwendung des Tatbestandes der Haftung für Sachen nur für den Fall, wenn der Schaden ohne menschliches Zwischenwirken als Ergebnis einer selbstständigen oder autonomen "Handlung" der eigenbewegten Sache eintrat (fait autonome, autonomous act of the thing).[76]

Um einige Beispiele zu nennen: Wenn ein Mensch einen anderen erschießt, wenn wir auf dem Glatteis auf dem Gehweg ausrutschen, wenn der Handwerker auf dem Dach seinen Hammer auf unseren Kopf fallen lässt, ist die allgemeine Haftungsregel maßgeblich und der Geschädigte muss das Verschulden beweisen. Fällt indes die geladene Pistole vom Tisch und verletzt jemanden, oder fallen Eiszapfen von einem Gebäude oder etwa ein auf dem Baugerüst vergessener Hammer auf uns herab, dann ist Art. 1465 über die Haftung für Sachen anzuwenden und das Verschulden wird vermutet.[77]

Warum ist wohl das quebecische Recht nicht der Rechtsfortbildung des Mutterlandes gefolgt? Weshalb wird bis heute eine widersprüchliche

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Regelung angewendet, die gar nicht maßgeblich ist, wenn menschliches Verhalten (auch) eine Rolle spielte, aber gleichzeitig ein Verschulden vermutet wird (was ja letztlich nur bei menschlichem Verhalten einen Sinn ergibt), falls die Regel doch zur Anwendung gelangt? Wessen Verschulden vermuten wir denn überhaupt, wenn menschliches Zwischenwirken nicht in Betracht kommt? Müssen wir eventuell den Geschehensablauf künstlich auftrennen und so das Verschulden bezüglich eines früheren Unterlassens oder pflichtwidrigen Verhaltens prüfen? Wenn dies auch die zutreffende Auslegung ist, obgleich weder aus dem Gesetzestext noch aus der Rechtsprechung ableitbar, wieso verfolgt das Recht von Québec eine derart komplizierte und widersprüchliche Lösung?[78]

Die Erklärung hierfür ist im Unbehagen des englischen und kanadischen Common Law gegenüber der Eigentümerhaftung zu suchen. Das kanadische Common Law kennt bis heute keine umfassende Haftungsregelung im Sinne einer strict oder risk based liability. Abgesehen von einigen speziellen Rechtsfiguren, wie etwa der Rylands v. Fletcher - Regel werden Fälle der oben beschriebenen Art mit der negligence tort gelöst, welches mit dem eher auf der verfahrensrechtlichen Ebene anzusiedelnden res ipsa loquitur Prinzip ergänzt wird. Demnach betrachten die Gerichte das Verschulden als erwiesen, wenn die den Schaden verursachende Sache ausschließlich unter der Aufsicht der als verantwortlich anzusehenden Person stand, der Schadensfall ohne eine Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre oder nicht hätte eintreten können und eine andere vernünftige Ursache für den Schadenseintritt nicht festgestellt werden kann.[79] Diese Herangehensweise ähnelt auf gespenstische Weise dem Art. 1465 der québecischen Kodifikation. Trotz der Überschneidungen können diese Lösungen kaum als 'ratio communis' betrachtet werden.

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Auch solche Beispiele tragen dazu bei, dass wir über die Optimierung des Haftungsrechts sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene nachdenken. Es ist also eindeutig, dass solche Normen geschaffen werden müssen, deren Anwendungsgebiet oder sachlicher Anwendungsbereich mit den haftungsbefreienden Voraussetzungen im Einklang sind. Das Common Law von Québec und Kanada entspricht im oben beschriebenen Bereich diesen Anforderungen nicht. Es ist wesentlich einfacher, die Haftung für Sachen zu handhaben, wenn wir die Haftungsbefreiung nur im Falle von unabwendbaren äußeren Ereignissen ermöglichen. Dies unter anderem deshalb, weil es recht schwierig sein kann - oft sogar unmöglich - hinter der Schadensverursachung durch Sachen menschliches pflichtwidriges Verhalten ausfindig zu machen beziehungsweise der verschuldensunabhängige Schadensersatz erscheint oft aus anderen rechtspolitischen Erwägungen heraus als legitim. Der sachliche Anwendungsbereich allerdings muss klar definiert sein, damit die Grenze zwischen der verschuldensabhängigen und verschuldensunabhängigen Haftung nicht verschwindet.

Es kann also kaum Zufall sein, dass Art. 5:101 der PETL, Art. VI.-3:206 DCR[80] oder gar § 20 des amerikanischen Third Restatement of Torts und nicht zuletzt die zur Reformation des englischen Haftungsrechts im Jahr 1978 ins Leben gerufene Royal Commission on Civil Liability and Compensation for Personal Injury die verschuldensunabhängige Haftung auch auf gefährliche Sachen und Handlungsabläufe beschränken wollte.[81]

IV. Schlusswort

Sehr geehrte Kommission, liebe Kollegen! Schon wegen der vorangeschrittenen Zeit möchte ich mich nicht mehr in eine Wiederholung der wichtigsten Erkenntnisse der Forschungen begeben. Ich vertraue darauf, dass es mir gelungen ist, zu vermitteln, welche Möglichkeiten in

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der Untersuchung gemischter Rechtsordnungen, als eine sich dynamisch entwickelnde Richtung der Rechtsvergleichung stecken. Ich hoffe, ich konnte ein wenig die Lust darauf erwecken, diese Methode bei der kritischen Analyse unseres heimischen Haftungsrechts und des ganzen Zivilrechts anzuwenden.

Ferner schließe ich mich - wenn auch nur auf Ebene des Nachdenkens -jenen Rechtswissenschaftlern (Hector MacQueen, Ulrich Magnus, Hein Kötz, Matthias Reimann, Jan Smits, Reinhard Zimmermann) an, die sich die europäische Rechtsangleichung als einen schrittweise verlaufenden und von unten initiierten Prozess vorstellen, in welchem aus einem Instrumentarium von miteinander im Wettbewerb stehender, gleichrangiger Rechtslösungen geschöpft und auf gründlichen rechtsvergleichenden Untersuchungen gebaut wird und zwar - wie ich nunmehr selbst hinzufüge - entlang der 'rationes communes'.

Nur vorsichtig füge ich hinzu: als in Québec das neue Bürgerliche Gesetzbuch verabschiedet wurde, hat man alle zivilrechtlichen Vorschriften des Bundesrechts überprüft und geändert, damit diese weiterhin mit dem auf kontinentalen Traditionen bauendem geschriebenen Privatrecht der französisch sprachigen Provinzen im Einklang sind. Noch einmal also: die föderale Ebene hat sich den Eigenheiten einer Provinz angepasst und hat jedenfalls bezüglich des Privatrechts die Rechtsordnungen sämtlicher Provinzen respektiert. Das Zusammenspiel der föderalen und regionalen Rechtssysteme und deren Verhältnis zu einander im sog. kanadischen Bijuralismus kann mit Gewissheit den Gegenstand eines eigenen Vortrages bilden, welchen ich an dieser Stelle nicht halten kann, so dass als Schlusswort genügen muss: de te fabula narratur. Ich bedanke mich für ihre ehrenwerte Aufmerksamkeit! ■

ANMERKUNGEN

[1] Ralf Michaels, The Functional Method of Comparative Law, in Mathias Reimann - Reinhard Zimmermann (Hrsg.) The Oxford Handbook of Comparative Law (Oxford: Oxford University Press, 2006), S. 339 ff.

[2] Móricz Zsigmond, Naplók (1) 1924-25 (Budapest: Luna könyvek, 2010); sowie Naplók (2) 1926-29, (Budapest: Luna könyvek, 2012).

[3] Auch die Effizienz kann unterschiedlich definiert werden. Sympathisch erscheint die flexible Herangehensweise von Prof. Smits, wonach jene Rechtslösung effizient ist, die hinsichtlich der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Gegebenheiten der jeweiligen Zeit am besten ist. Siehe Jan Smits "Introduction: Mixed Legal System and European Private Law" in Jan Smits, ed, The Contribution of Mixed Legal Systems to European Private Law (Intersentia, 2001) 1, 9.

[4] Konrad Zweigert - Hein Kötz (übersetzt von Tony Weir), An Introduction to Comparative Law, 3rd revised ed (Oxford: Clarendon Press, 1998) S. 46-47; Max Rheinstein, Einführung in die Rechtsvergleichung (München: Beck, 1987) 26.

[5] "The argument that we are all one does not take us very far if there is substantial disagreement about the nature of the one", siehe John Henry Merryman, The Loneliness of the Comparative Lawyer and Other Essays in Foreign and Comparative Law (The Hague, London, Boston: Kluwer Law International, 1999) 21.

[6] Jan Smits, Comparative Law and its Influence on National Legal Systems, in Mathias Reimann - Reinhard Zimmermann (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Law (Oxford: Oxford University Press, 2006), 513, 528. Auch Rheinstein stellt die Frage, ob es immanente Kategorien des Rechts gibt, siehe Rheinstein (1987) 30-31.

[7] Anthony Ogus, The Economic Approach: Competition between Legal Systems, in Esin Örücü - David Nelken (Hrsg.), Comparative Law, a Handbook (Oxford, Portland: Hart Publishing, 2007) 155, 155.

[8] Ld. Ulrich Magnus, Tort Law in General, in Jan M. Smits (Hrsg.), Elgar Encyclopedia of Comparative Law (Cheltenham, Northampton: Edward Elgar, 2006) 719, 721.

[9] Siehe Jan Smits, The Making of European Private Law, Toward a Ius Commune Europaeum as a Mixed Legal System (Antwerp, Oxford, New York: Intersentia, 2002) 62, 64, 148-149.

[10] Rules can be successfully integrated into a very different system and even into a branch of the law which is constructed on very different principles from that of the donor. " Alan Watson, Legal Transplants, An Approach to Comparative Law, 2nd ed (Athens, London: The University of Georgia Press, 1993) 21, 55, 95-96. Der größte Kritiker Watsons ist Pierre Legrand, der nur die Transplantation von inhaltslosen Worten für möglich hält, wohingegen transplantierte Regeln oder Prinzipien denktotwendig derartige Verzerrungen im Wege der Transplantation durchliefen, dass sie mit ihrem Ursprungszustand gar nicht mehr vergleichbar seien. Vgl. Pierre Legrand, The Impossibility of 'Legal Transplants' (1997) 4:2 Maastricht J. Eur. & Comp. L. 111, 120. Nach der hier vertretenen Auffassung bleibt die betroffene Regel, welche im Sinne dieses Vortrages auch 'ratio communis' sein kann, nach der Transplantation intakt und trägt auch in der aufnehmenden Rechtsordnung jene Ratio in sich, auf Grund derer sie gerade transplantiert wurde.

[11] Joachim Zekoll, The Louisiana Private-Law System: The Best of both Worlds, (1995) 10 Tul. Eur. & Civ. L.F. 1, 13, 18, 30.

[12] Jaye Ellis, General Principles and Comparative Law, (2011) 22 Eur. J. Int'l L. 949, 955, 957, 970-971.

[13] Vgl. Watson (1993) 11.

[14] Vernon Valentine Palmer, Introduction to the Mixed Jurisdictions, in Vernon Valentine Palmer (Hrsg.), Mixed Jurisdictions Worldwide, The Third Legal Family (Cambridge: Cambridge University Press, 2001) 3, 7-9.

[15] Vgl. Vernon Valentine Palmer, A Descriptive and Comparative Overview, in Vernon Valentine Palmer (Hrsg.), Mixed Jurisdictions Worldwide, The Third Legal Family (Cambridge: Cambridge University Press, 2001), 17, 76. Es sind auch andere Herangehensweisen bekannt, siehe insbesondere das geistreiche Modell von Esin Örücü, welches die einzelnen gemischten Rechtsordnungen je nach Integrationsgrad der Rechtsinstitute mit unterschiedlichen Salaten vergleicht (purée, mixing bowl, salad bowl, salad plate). Das Recht von Québec vergleicht er mit der 'mixing bowl', da die Vermengung der Grundzutaten bereits im Gange sei, der "erfahrene Koch" diese aber immer noch erkennen könne, während sie immer wieder im Salatgemisch auftauchen und erneut darin versinken. The ingredients are in the process of being blended, while the "knowledgeable cook can still see the bits and pieces surfacing and sinking." Siehe Esin Örücü, Mixed and Mixing Systems: A Conceptual Search, in Esin Örücü, Elspeth Attwool, Sean Coyle, (Hrsg.) Studies in Legal Systems: Mixed and Mixing (The Hague, London, Boston: Kluwer Law International, 1996) 335, 343-345.

[16] Siehe die nachfolgende beseelte Aussage: "They are fascinating systems to study and to analyse and they help us to increase understanding of law and its function in society. " Siehe Örücü (1996) 345. Ähnlich Reinhard Zimmermann, Roman Law, Contemporary Law, European Law, The Civilian Tradition Today (New-York: Oxford University Press, 2001) 128.

[17] Zweigert und Kötz beschreiben das Recht von Louisiana und Québec wie folgt: "fascinating models of a symbiosis of Civil Law and Common Law" siehe Zweigert - Kötz (1998) 115, 118.

[18] Kenneth G.C. Reid, The Idea of Mixed Legal Systems, (2003) 78 Tul. L. Rev. 5, 26.

[19] Siehe Palmer (2001) 17, 33. Nach einem Vergleich des Wiener Kaufrechts mit gemischten Rechtsordnungen zum selben Ergebnis gelangend Ulrich Magnus, The Vienna Sales Convention (CISG) between Civil and Common Law - Best of All Worlds?, (2010) 3:1 J. Civ. L. Stud. 67, 70.

[20] Siehe Hector L. MacQueen, Mixed Jurisdictions and Convergence: Scotland, (2001) 29:2 Int'l J. Legal Info. 309, 322. Nach Mathias Reimann müssen sich die Regelungen beiden Rechtstraditionen anpassen, siehe Mathias Reimann, Towards a European Civil Code: Why Continental Jurists Should Consult Their Transatlantic Colleagues, (1999) 73:4 Tul. L. Rev. 1337, 1343. Siehe Reinhard Zimmermann (2001) 127. Jacques Du Plessis, Comparative Law and the Study of Mixed Legal Systems, in Mathias Reimann - Reinhard Zimmermann (Hrsg.) The Oxford Handbook of Comparative Law (Oxford: Oxford University Press, 2006), 477, 504. Smits (2002) 71.

[21] Siehe Jean-Louis Baudouin, Mixed Jurisdictions: A Model For the XXIst Century?, (2004) 63 La. L. Rev. 983, 989. Hein Kötz, The Value of Mixed Legal Systems, (2003) 78 Tul. L. Rev. 435, 435. Esin Örücü, A General View of 'Legal Families' and of 'Mixing Systems', in Esin Örücü - David Nelken, (Hrsg.) Comparative Law, a Handbook (Oxford, Portland: Hart Publishing, 2007) 169, 179. Siehe auch Smits (2002) 1, 71. Reinhard Zimmermann macht in diesem Bereich insbesondere auf die Kodifikationen von Québec und Louisiana aufmerksam. Siehe Reinhard Zimmermann, Comparative Law and the Europeanization of Private Law, in Mathias Reimann - Reinhard Zimmermann (Hrsg.) The Oxford Handbook of Comparative Law (Oxford: Oxford University Press, 2006), 539, 577.

[22] Siehe Reimann (1999) 1341. Ebenso Smits, siehe Jan Smits, A European Private Law as a Mixed Legal System, (1998) 5:4 Maastricht J. Eur. & Comp. L. 328, 338.

[23] Kötz (2003) 439.

[24] Magnus (2010) 69, 95-97.

[25] Baudouin (2004) 984, 988.

[26] Jan Smits, "Scotland as a Mixed Jurisdiction and the Development of European Private Law: Is There Something to Learn from Evolutionary Theory?" (2003) 75 EJCL 1, 4 (<www.ejcl.org/75/art75-1.html>)

[27] Jacques Du Plessis, The Promises and Pitfalls of Mixed Legal Systems: The South African and Scottish Experiences, (1998) 9:3 Stellenbosch L. Rev. 338, 343.

[28] Smits (2002) 148-149.

[29] Siehe Jörg Fedtke, Legal Transplants, in Jan M. Smits, (Hrsg.) Elgar Encyclopedia of Comparative Law (Cheltenham, Northampton: Edward Elgar, 2006) 434, 435. Robin Evans-Jones, Mixed Legal Systems, Scotland and the Unification of Private Law in Europe, in Jan Smits, ed, The Contribution of Mixed Legal Systems to European Private Law (Intersentia, 2001), 39, 44-45.

[30] Siehe H Patrick Glenn, Quebec: Mixité and Monism, in Esin Örücü, Elspeth Attwool, Sean Coyle (Hrsg.) Studies in Legal Systems: Mixed and Mixing (The Hague, London, Boston: Kluwer Law International, 1996) 1, 10. Du Plessis (1998) 347. Vernon V. Palmer, Mixed Jurisdictions, in Jan M. Smits, (Hrsg.), Elgar Encyclopedia of Comparative Law (Cheltenham, Northampton: Edward Elgar, 2006), 467, 469.

[31] Siehe Sylvio Normand, An Introduction to Quebec Civil Law, in Aline Grenon - Louise Bélanger-Hardy, (Hrsg.) Elements of Quebec Civil Law: A Comparison with the Common Law of Canada (Toronto: Thomson Carswell, 2008) 25, 77, 79-80. Normand kritisiert die rechtsvereinheitlichenden Bestrebungen und die Rechtsprechung des Kanadischen Obersten Gerichts (Supreme Court of Canada), weil das Gericht immer den Lösungen des Common Law gegenüber dem französisch stämmigen Bürgerlichen Recht von Québec den Vorzug gegeben habe; Selbst die Rechtsfiguren des Zivilrechts der Provinzen wurden entsprechend den Lösungen des Common Law ausgelegt, sobald man dahinter eine Ausprägung des Common Law vermutete, Siehe zum gleichen John EC Brierley - Roderick A Macdonald, The Place of the Civil Law and the Civil Code in the Legal Order, in John EC Brierley - Roderick A Macdonald, (Hrsg.) Quebec Civil Law: An Introduction to Quebec Private Law (Toronto: E. Montgomery Publications, 1993) 33, Rn. 51-52.; Jean-Louis Baudouin, The Impact of the Common Law on the Civilian Systems of Louisiana and Quebec, in Joseph Dainow, (Hrsg.), The Role of Judicial Decisions and Doctrine in Civil Law and in Mixed Jurisdictions (Baton Rouge: Louisiana State University Press, 1974) 1, 18skk; Johanna Henriette Van Hedel, Towards a European Ius Commune: What Lessons Can We Learn From Quebec's Mixed Legal System? (LLM Thesis: McGill University Institute of Comparative Law, 2004) 47skk; Glenn (1996) 10; Claire L'Heureux-Dubé, Bijuralism: A Supreme Court of Canada Justice's Perspective, (2002) 62:2 La. L. Rev 449, 461-62, 463-64.

[32] Smits (2002) 116.

[33] Reid (2003) 28-29.

[34] Siehe Zweigert - Kötz (1998) 17; Baudouin (2004) 990; Du Plessis (1998) 344, 346-347; Zekoll (1995) 3.

[35] Du Plessis (2006) 505, Vernon Valentine Palmer, The Fate of General Clause in a Cross-Cultural Setting: the Tort Experience of Louisiana, (2000) 46:3 Loy. L. Rev. 535-536, 538. Peter De Cruz, Comparative Law in a Changing World, 3rd ed (London, New York: Routledge - Cavendish, 2008) 350. So auch Smits (2001) 1, 10-11. Siehe auch Palmer (2001) 55. 58., der im Zusammenhang mit Louisiana von einem englischen Interieur hinter der aquilianischen Fassade spricht.

[36] Siehe zur Vorhersehbarkeit im Recht von Québec Patrice Deslauriers, Injury, Causation, and Means of Exoneration, in Aline Grenon - Louise Bélanger-Hardy, (Hrsg.) Elements of Quebec Civil Law: A Comparison with the Common Law of Canada (Toronto: Thomson Car-swell, 2008), 384, 395; bezüglich der Auswirkungen des Common Law, etwa der Entfaltung des sog. "thin skull doctrine" ders., 395. Über den Zusammenhang zwischen der adäquaten Kausalität und der Vorhersehbarkeitsschranke auch ders. 418-419. Siehe zum deliktischen Haftungsrecht auch Daniel Jutras, Civil Liability: Remedies for Breach of Contractual and Extra-Contractual Obligations, in John EC Brierley - Roderick A Macdonald, (Hrsg.) Quebec Civil Law: An Introduction to Quebec Private Law (Toronto: E. Montgomery Publications, 1993) 469, Rn. 517. Zu den französischen Wurzeln der Hadley v Baxendale siehe SM Waddams, The Law of Damages, 4th ed (Toronto: Canada Law Book, 2004) Rn. 14.30. Siehe zu der kritischen Würdigung der Vorhersehbarkeitsschranke ders. 14., Rn. 280 ff. und John Swan, Canadian Contract Law (Canada: LexisNexis Butterworths, 2006) 380. Zur Entwicklung der Vorhersehbarkeitsklausel insbesondere nach den sog. Wagon Mound Urteilen siehe Allen M Linden - Bruce Feldthusen, Canadian Tort Law, 8th ed (Markham: LexisNexis Butterworths, 2006) 363-364, 366skk; Joseph C Smith, The Limits of Tort Liability in Canada: Remoteness, Foreseeability and Proximate Cause, in Allen M Linden, (Hrsg.) Studies in Canadian Tort Law (Toronto: Butterworths, 1968) 88, 104 ff; Waddams (2004) Rn. 14.490, 14.530 ff. Zu der innovativen Rechtsprechung der kanadischen Gerichte siehe Smith (1968) 110. Zu der thin skull Rechtsfigur siehe ders. 109 und Waddams (2004) Rn. 14.500; Linden - Feldthusen (2006) 380 ff. Zur gegenwärtigen Rechtsprechung bezüglich der Vorhersehbarkeitsschranke siehe ders. 374 sowie das Urteil des Obersten Gerichts in der Sache Mustapha v Culligan of Canada Ltd, 2008 SCC 27, [2008] 2 SCR 114, insbesondere die Begründung bei Rn. 113. Zur kritischen Analyse der Vorhersehbarkeitsschranke siehe insbesondere Waddams (2004) Rn. 14.410.; Linden - Feldthusen (2006) 375 ff, 379; Smith (1968) 95-96, 98, 111, 112 ff. Die sog. thin skull Regel ('Egg shell skull' rule) erscheint auch in den europäischen Rechtsvereinheitlichungsprozessen, siehe dazu DCFR VI. - 4:101 Para 2: "In cases of personal injury or death the injured person 's predisposition with respect to the type or extent of the injury sustained is to be disregarded." Siehe Christian von Bar - Eric Clive (Hrsg.), Principles, Definitions and Model Rules of European Private Law, Draft Common Frame of Reference (DCFR), vol 4 (Oxford: Oxford University Press, 2010) 3566, 3573-3574; zum französischem Recht siehe 3588; zum englischen Recht siehe 3592.

[37] Im Recht von Québec siehe Michelle Cumyn, The Law of Contracts, in Aline Grenon - Louise Bélanger-Hardy, (Hrsg.), Elements of Quebec Civil Law: A Comparison with the Common Law of Canada (Toronto: Thomson Carswell, 2008), 239, 303; Deslauriers (2008) 425.

[38] Zu Québec siehe unter Anderem das Urteil des Obersten Gerichts in der Sache St Lawrence Cement Inc v Barrette, 2008 SCC 64, insbesondere Rn 34. der Begründung. Siehe auch das Urteil in der Sache Canadian National Railway Co v Vincent, [1979] 1 SCR 364, insbesondere 372-374, 382. Das letztgenannte Urteil zitiert das Oberste Gericht in einer anderen Common Law basierten Rechtssache, siehe Ryan v Victoria (City of), [1999] 1 SCR 201, 37. Zu der Anwendung dieses Prinzips im Recht der Common Law Provinzen siehe auch das Urteil in der Rechtssache The Queen (Can) v Saskatchewan Wheat Pool, [1983] 1 SCR 205. Grundsätzlich vertritt auch die Fachliteratur die Unabhängigkeit der Rechtswidrigkeitsdogmen in den Rechtszweigen, siehe Linden - Feldthusen (2006) 241, 823; Ken Cooper-Stephenson, The Fairest of Them All: The Supreme Court of Canada's Tort Jurisprudence, in Stéphane Beaulac, Stephen GA Pitel, Jennifer L Schulz (Hrsg.), The Joy of Torts (Markham: Butterworths, 2003) 1, 59; Louise Lavallée, Bijuralism in Supreme Court of Canada Judgments since the Enactment of the Civil Code of Quebec (2001), online: Department of Justice Canada <www.justice.gc.ca/eng/dept-min/pub/hfl-hlf/b3-f3/bi3b.pdf> 13. siehe auch DCFR VI - 3:102, 3401, 3405.

[39] Art. 1480 Code Civil du Québec. Zum Recht der Common Law Provinzen siehe das Urteil des Obersten Gerichts in der Rechtssache Cook v Lewis, [1951] SCR 830 (zwei Jäger schossen in dieselbe Richtung und es war nicht mehr feststellbar, wer von ihnen den Kläger getroffen hat), sehe insbesondere Seiten 830, 834-835, 842 der Begründung. Zum Recht von Québec siehe das Urteil St-Jean v Mercier, 2002 SCC 15, [2002] 1 SCR 491, insbesondere Rn. 118. Das Gericht beruft sich sowohl auf Common Law Urteile als auch auf québecische Entscheidungen. Aus der Literatur siehe Linden - Feldthusen (2006) 818, Fn. 7; Deslauriers (2008) 421-422. Siehe auch Vorbereitungsdokumente zum Code Cicil du Québec: Civil Code Revision Office, Rapport sur les obligations = Report on obligations by J-L Baudouin et al (Montreal: Committee on the Law of Obligation, 1975) [Report on obligations] Art. 292, 295 mit Erläuterungen auf Seiten 373, 375, 377, 379; Civil Code Revision Office, Report on Quebec Civil Code: Commentaries, vol 2, tome 1, books 1 to 4 (Québec: Éditeur Officiel Québec, 1977) [Quebec Civil Code Report, vol 2] Art. 311, 313. mit Erläuterungen auf Seiten 679-680. Siehe auch DCFR VI - 4:103 3600, 3603, zum französischen Recht 3603, zum englischen Recht 3607.

[40] Art. 1479 Code Civil du Québec. Zu den Ähnlichkeiten zwischen dem québecischen Recht und dem Recht der Common Law Provinzen siehe Deslauriers (2008) 398-399, beziehungsweise das Urteil des Obersten Gerichts in der Sache Laflamme v Prudential-Bache Commodities Canada Ltd, 2000 SCC 26, [2000] 1 SCR 638 inbesondere die Begründung des Urteils in den Rn. 52, 53-57. Mit unzähligen Beispielen zu der Rechtsprechung in den Common Law Provinzen siehe Waddams (2004) Rn. 15.70, 15.140, 15.200, 15.260. Siehe auch zu den verfassungsrechtlichen Zusammenhängen der Schadensabwendungspflicht Marc Ramsay, The Religious Beliefs of Tort Victims: Religious Thin Skulls or Failures of Mitigation?, (2007) 20:2 Can. J. L. & Jurisprudence 399.

[41] Siehe Hamel v Charte [1976] 2 SCR 680, insbesondere 688.

[42] Siehe Rubys v Gray Rocks Inn Ltd [1982] 1 SCR 452, insbesondere 468. Siehe auch Ariste Brossard, Four Lectures Of Torts in Quebec, 1, (1954-55) 5:16 R.J.T. o.s. 239, 243 und Baudouin (1974) 20-21; sowie Brian Dickson, Federalism, Civil Law and the Canadian Judiciary: an Integrated Vision, (1994) 28:2-3 R. J. T. o.s. 467, 476-77.

[43] Siehe die nachfolgenden Provinzgestze zum occupiers' liability: Nova Scotia (SNS 1996, c 27), Prince Edward Island (RSPEI 1988, c O-2), Alberta (RSA 2000, c O-4), Ontario (RSO 1990, c O.2), Manitoba (CCSM 1987, c O8) British Columbia (RSBC 1996, c 337).

[44] Siehe Prud'homme v. Prud'homme, 2002 SCC 85, [2002] 4 SCR 663, insbesondere Rn. 35. und 38. der Begründung und Bou Malhab v Diffusion Métromédia CMR inc, 2011 SCC 9, Rn. 15 und 22a. Zur Rechtsprechung im Common Law siehe Linden - Feldthüsen (2006) 782; siehe auch Defamation - Report of the Saskatchewan Commissioners, in Proceedings of the Sixty-ninth Annual Meeting (Uniform Law Conference of Canada), held at Victoria, British Columbia August 1987, Appendix C, 113, 118, 132, beziehungsweise die umfassende Analyse von Kary: Joseph Kary, The Constitutionalization of Quebec Libel Law, 1848-2004, (2004) 42:2 Osgoode Hall L.J. 229, inbesondere 266 ff. In Québec ist die Haftung nicht ohne Weiteres dadurch ausgeschlossen, dass die Information der Wahrheit entspricht.

[45] Siehe Prud'homme Rn. 51-63. Siehe die beiden beachtenswerten zwei Fälle aus der quebecischen Rechtsprechung. Lafferty, Harwood & Partners v Parizeau, 2003 CanLII 32941 (QC CA), insbesondere Rn. 13-20, 24-25, 40. und Société Saint-Jean-Baptiste v Hervieux-Payette, 2002 CanLII 8266 (QC CA), insbesondere Rn. 26-36. Aus der Fachliteratur siehe Frédérique Sabourin, ULCC Acts and the Quebec Civil Code, Uniform Law Conference of Canada -Civil Section, 21-25 August 2005, St. John's, New Foundland and Labrador, 8.

[46] Zu dieser Frage allgemein siehe Cally Jordan, The New Morality in Quebec Company Law: Directors' Liability after the Civil Code of Quebec (2009), online: Social Science Research Network <http://ssrn.com/abstract=1513642>; Paul Martel, The Duties of Loyalty of Directors of Federal Business Corporations: Impact of the Civil Code of Québec (2008) 42:1-2 R.J.T. o.s. 147; Paul Martel, The Duties of Care, Diligence and Skill Owned by Directors of Federal Business Corporations: Impact of the Civil Code of Québec (2008) 42:1-2 R.J.T. o.s. 233. Aus der Rechtsprechung: Bank of Montreal v Kuet Leong Ng, [1989] 2 SCR 429, zum business judgement rule siehe das nachfolgende Urteil des Obersten Gerichts: Peoples Department Stores Inc (Trustee of) v Wise, 2004 SCC 68, [2004] 3 SCR 461 insbesondere Rn. 56-71. Das neue Gesellschaftsrecht der Provinz, welches am 14.2.2011 in Kraft trat, hat die Haftung der leitenden Angestellten noch stärker in die Richtung des Common Law bewegt und betrachtete dabei in bestimmten Teilen das Gesellschaftsrechts des Bundes als Vorbild, welches wiederum im Stil des Common Law verfasst wurde. Art. 119. Abs. 2. ordnet beispielsweise die Handlungspflicht an: a "duty to act with prudence and diligence, honesty and loyalty in the interest of the corporation". Die "prudence and diligence" besteht unter Anderem dann, wenn der leitende Angestellte seine Entscheidung auf den Bericht eines gutgläubigen und geeigneten Sachverständigen, eines Mitarbeiters oder Organs der Gesellschaft gestützt hat. Siehe hierzu Art. 121 Business Corporations Act, RSQ c S-31(1).

[47] Siehe Brossard (1954-55) 241 und Nicholas Kasirer, The infants as bon père de famille: 'Objectively Wrongful Conduct' in the Civil Law Tradition, (1992) 40:2 Am. J. Comp. L. 343, insbesondere 349 ff., 356-357, 373. Shauna Van Praagh, 'Sois Sage': Responsibility for Childishness in the Law of Civil Wrongs, in Jason W Neyers, Erika Chamberlain, Stephen GA Pitel, (Hrsg.) Emerging Issues in Tort Law (Oxford-Portland: Hart Pub., 2007) 63, insbesondere 70, 73. Zur Rechtsprechung der Common Law Provinzen siehe Lewis N Klar, Tort Law, 3d ed (Toronto: Thomson Carswell, 2003) 471, Linden - Feldthusen (2006) 153sk, GHL Fridman, The Law of Torts in Canada, 2d ed (Toronto: Carswell, 2002) 471-472, obgleich letzterer auf den Begriff des "prudent child of given years" verweist, was belegt, dass die Schuld und die Schuldfähigkeit sich in einigen Common Law Konzeptionen zu vermischen scheinen. In dieser Frage formuliert die DCFR einen beachtenswerten Kompromiss. Gemäß Art. VI. - 3:103 haftet eine Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht hat, nur dann, wenn sie nicht die Sorgfalt an den Tag gelegt hat, die unter Beachtung sämtlicher Umstände des Einzelfalles von einer gleichaltrigen Person erwartet werden kann. Personen unter sieben Jahren können gar nicht haftbar gemacht werden. Siehe DCFR 3423-3425. Die Verfasser der DCFR vertreten die Auffassung: "something like the average care taken by a mentally disabled person does not exist." dennoch schließt die Schuldunfähigkeit die Haftung nicht gänzlich aus sondern beschränkt diese auf eine vernünftige Restitution (reasonable recompense), deren Feststellung davon abhängt ob sie angemessen erscheint im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation der Parteien und die Umstände des Einzelfalles. Siehe Art. VI. - 5:301 und dessen Begründung 3689-3690. Die Verschuldensfähigkeit ist also Grundvoraussetzung der Haftung, jedoch schließt ihr Fehlen die Haftung nicht zwingend aus sondern führt zu deren Beschränkung auf der Grundlage offensichtlich rechtpolitischer Erwägungen.

[48] Daniel Jutras, Factual Bases of Liability, in John EC Brierley - Roderick A Macdonald, (Hrsg.) Quebec Civil Law: An Introduction to Quebec Private Law (Toronto: E. Montgomery Publications, 1993), Rn. 444, 487. Kasirer (1992) 363. Linden - Feldthusen (2006) 144, 821.

[49] Pierre Widmer, Liability Based on Fault, Introduction, in European Group on Tort Law, Principles of European Tort Law (PETL), Text and Commentary (Wien, New York: Springer, 2005) 64, 68.PETL 4:102, zur Begründung siehe Pierre Widmer, Liability Based on Fault, Required Standard of Conduct, in European Group on Tort Law, 75, 79. Siehe auch Gerhard Wagner, Comparative Tort Law, in Mathias Reimann - Reinhard Zimmermann (Hrsg.) The Oxford Handbook of Comparative Law (Oxford: Oxford University Press, 2006) 1003, 1028.

[50] Siehe nachfolgende Urteile des Obersten Gerichts: Andrews v Grand & Toy Alberta Ltd, [1978] 2 SCR 229, insbesondere: 233: "In the case of a young adult quadriplegic like Andrews the amount of $100,000 should be adopted as the appropriate award for all non-pecuniary loss, including such factors as pain and suffering, loss of amenities and loss of expectation of life. Save in exceptional circumstances, this should be regarded as an upper limit of non-pecuniary loss in cases of this nature." 263: "Cases like the present enable the Court to establish a rough upper parameter on these awards." Thornton v School Dist No 57 (Prince George) et al, [1978] 2 SCR 267, 270, 284-285; Arnold v Teno, [1978] 2 SCR 287, insbesondere 292293. Siehe auch bezüglich PETL W. V. Horton Rogers, Non-Pecuniary Damage, in European Group on Tort Law, Principles of European Tort Law (PETL), Text and Commentary (Wien, New York: Springer, 2005) 171, 177.

[51] Michael G Bridge, Contractual Damages for Intangible Loss: A Comparative Analysis, (1984) 62:3 The Canadian Bar Review 323, 339-340; Donna Benedek, Non-Pecuniary Damages: Defined, Assessed and Capped, (1998) 32:3 R.J.T. o.s. 608, 643ff; Deslauriers (2008) 402-403, 430, obwohl er bestreitet, dass die Entwicklung der cap auf den Einfluss des Common Law zurückzuführen sei: er vertritt die Ansicht, dass die beiden Rechtsordnungen auf ähnlichen Wertordnungen basieren, und dass dies der Grund für die gleichen Lösungen sei. Einige typische Fälle aus der Rechtsprechung von Quebec: Drouin c Bouliane, 1987 CanLII 705 (QC CA), unter Berufung auf die obigen Entscheidungen des Obersten Gerichts in Rn 21-22; Hôtel-Dieu d'Amos c Gravel, 1988 CanLII 1335 (QC CA); Coronation Insurance Company Ltd c Juneau, 1992 CanLII 3149 (QC CA) sie insbesondere Rn. 15-16; Lake c Carra, 1995 CanLII 5281 (QC CA). Zur Vereinbarkeit der cap mit dem quebecischen Recht siehe die Argumentation von Richter Lamer im Urteil Snyder v Montreal Gazette Ltd, [1988] 1 SCR 494, Rn. 27 ff.

[52] Deslauriers (2008) 411.

[53] Tree Protection Act, RSQ c P-37, s 1; Consumer Protection Act, RSQ c P-40.1, s 272; Act respecting Access to documents held by public bodies and the Protection of personal information, RSQ, c A-2.1, s 167(2); Act respecting collective agreement decrees, RSQ c D-2, s 31; Act respecting prearranged funeral services and sepultures, RSQ c A-23.001, s 56; Act respecting the Régie du logement, RSQ c R-8.1, s 54.10(2). Sowie das Code Civil du Québec selbst in einigen Fällen der Vertragsverletzung bei Mietverhältnissen; Art. 1899, 1902, 1968.

[54] Die Geldstrafe schließt z.B. die Anwendbarkeit des strafenden Schadensersatzes nicht grundsätzlich aus, jedoch ist bei der Feststellung der Haftungssumme zu beachten, ob der Schädiger eine Geldstrafe zahlen musste. Siehe Deslauriers (2008) 417; DS c Giguère, 2007 QCCQ 3847 Rn. 65-67.

[55] Siehe Fridman (2002) 336 ff; Linden - Feldthusen (2006) 309 ff. Es handelt sich bei dem Fall um den Montreal Tramways Co. V. Léveillé von 1933, auf welches sich z.B. das Urteil im Fall Duval v. Seguin (Ontario) von 1972 auch berufen hat. Den Haftungsanspruch enthält beispielsweise das Familengesetz von Ontario nunmehr explizit; siehe Art. 66 des Family Law Act, RSO 1990, c F.3. Offenbar aus rechtpolitischen Gründen werden sowohl in Québec als auch in den Common Law Provinzen jene Ansprüche abgelehnt, in denen das Kind beispielsweise gegen seine Mutter klagt, weil diese während der Schwangerschaft geraucht hat oder wenn der Kläger noch als ungeborenes Kind einen Schaden in einem der Mutter vorwerfbaren Unfall erlitt. Siehe dazu das Urteil des Obersten Gerichts in der Sache Dobson (Litigation Guardian of) v Dobson, [1999] 2 SCR 753 und Lavallée (2001) 4-5.

[56] Es handelt sich um den Fall Roncarelli v Duplessis, [1959] SCR 121. In dem Fall hat ProvinzMinisterpräsident Duplessis die Alkoholverkaufslizenz von Roncarelli deshalb durch die zuständige Behörde einbeziehen lassen, weil dieser regelmäßig die Kaution für die unerlaubte Verteilung von Flugblättern für mehrere Zeugen Jehovas bezahlt hat, da er selbst Mitglied dieser Glaubensgemeinschaft war. Das Oberste Gericht entschied, das die Einbeziehung der Lizenz rechtswidrig war, u.a. auch weil der Ministerpräsident kein diesbezügliches Weisungsrecht hat. Zur Analyse des Falles siehe Linden - Feldthusen (2006) 707 ff. Cooper-Stephenson (2003) 38 ff.

[57] Zur Bedeutung und Analyse des Urteils sowie Berufungen darauf siehe: Claude-Armand Sheppard, Roncarelli v. Duplessis: art. 1053. C.C. Revolutionized, (1960) 6:2 McGill L. J. 75; Evan Fox-Decent, Democratizing Common Law Constitutionalism, (2010) 55 McGill L. J. 511; Derek McKee, The Public/Private Distinction in Roncarelli v. Duplessis, (2010) 55 McGill L. J. 461; Lorne Sossin, The Unfinished Project of Roncarelli v. Duplessis: Justiciability, Discretion, and the Limits of the Rule of Law, (2010) 55 McGill L. J. 661; David Mullan, Roncarelli v. Duplessis and Damages for Abuse of Power: For What Did It Stand in 1959 and For What Does It Stand in 2009?, (2010) 55 McGill L. J. 587; Eric M. Adams, Building a Law of Human Rights: Roncarelli v. Duplessis in Canadian Constitutional Culture, (2010) 55 McGill L. J. 437.

[58] The Law Reform (Contributory Negligence) Act (UK), c 28; dem Recht von Ontario folgend, beziehungsweie analog dazu hat der Entwurf der Conference of Commissioners on Uniformity of Legislation in Canada (mit der heutigen Bezeichnung: Uniform Law Conference of Canada) ein Modellgesetz über das Mitverschulden des Geschädigten konzeptioniert, welches dann als Grundlage der entsprechenden Gesetze der übrigen Common Law Provinzen diente, siehe New Brunswick 1925 und 1962, Nova Scotia 1926 und 1954, Alberta 1937, Saskatchewan 1944, Northwest Territories 1950, Newfoundland and Labrador 1951, Yukon 1955, British Columbia 1960, Prince Edward Island 1978.

[59] Zum Recht von Québec siehe Francis King, Report of Committee on a Uniform Contributory Negligence Act. Proposal for the Division of Loss in Contributory Negligence Cases, in Proceedings of the Seventh Annual Meeting of the Conference of Commissioners on Uniformity of Legislation in Canada held at Quebec 2nd, 3rd, 4th and 5th July 1924, appendix B, 34 at 44; Dorothea Wayand, Seat Belts - A Comparative Study of the Law and Practice, (1981) 30:1 Int'l & Comp. L.Q. 165 at 168; Daniel Jutras, Constituent Elements of All Claims in Civil Liability, in John EC Brierley - Roderick A Macdonald, (Hrsg.) Quebec Civil Law: An Introduction to Quebec Private Law (Toronto: E. Montgomery Publications, 1993), Rn. 434, 481. Der Code Civil du Bas Canada hat noch keine expliziten Regeln zur Schadensmilderung auf der Grundlage des Grades des Mitverschuldens enthalten (wobei die Gerichte dieses Prinzip dennoch angewendet haben), während Art. 1478 Abs. (2) Code Civil du Québec bereits diese Regelung enthielt. Zu der starren Regelung des Common Law siehe statt vieler Linden - Feldthusen (2006) 486.

[60] Aus der Fachliteratur siehe Wayand (1981) 168: "Was it the influence of the practice in Quebec? To some extent it must have been;" siehe auch Québec offenkundig als Referenzwert erwähnend Walter F. Schroeder, Courts and Comparative Negligence, (1950):11 Ins. L. J. 791 796, der die Schadensaufteilung nach dem Grad des Mitverschuldens "essence of common sense" bezeichnet; siehe 794.; Glanville L. Williams, The Law Reform (Contributory Negligence) Act, 1945, (1946) 9:2 Mod. L. Rev. 105. Gorman hat bereits 1917 ein Gesetz nach dem Vorbild von Québec vorgeschlagen! Siehe M. J. Gorman, Negligence - Contributory, »Ultimate« and »Comparative,« with a Suggested Statutory Amendment, (1917) 37:1 Can. L. Times 23, 23, 31-32. In einem Urteil von 1923 hat das Oberste Gericht konstatiert, dass die Schadensteilung gerechter wäre, das Gericht aber eine derartige Entscheidung nicht anstelle des Gesetzgebers treffen könne. Siehe Grand Trunk Pacific Railway v. Earl, [1923] S.C.R. Rn. 397, 31. und 43. Zur Urteilsbesprechung, der Wirkung des Urteils sowie der Stellungnahme der Richter siehe W. F. Bowker, Ten More Years Under the Contributory Negligence Acts, (1964-66) 2:2 U. Brit. Colum. L. Rev. 198, 200. Siehe auch King (1924) 34-35, 39 ff.

[61] Palmer (2001) 55, Smits (2002) 243, Kötz (2003) 438.

[62] Donoghue v Stevenson, [1932] UKHL 100 (26 May 1932).

[63] Ld. Linden - Feldthusen (2006) 442-443 und mit einer kritischen Würdigung 481 ff.

[64] Siehe das Urteil in der Sache Canadian National Railway Co v Norsk Pacific Steamship Co, [1992] 1 SCR 1021, insbesondere die Argumentation von Richterin McLachlin in den Punkten 2.d. und 2.f. sowie 3: "The control mechanism against unlimited loss in the civil law lies not in the type of loss but in the factual determination of whether the loss is a direct, certain and immediate result of the negligence. It appears to have worked well in avoiding frivolous claims and the threat of unlimited liability. " ... "Viewed in this way, proximity may be seen as paralleling the requirement in civil law that damages be direct and certain. Proximity, like the requirement of directness, posits a close link between the negligent act and the resultant loss. Distant losses which arise from collateral relationships do not qualify for recovery. "

[65] Gerald R Tremblay, Economic Loss: Legal Considerations, (1999) Journal of Business Valuation 345, 357skk; Lavallée (2001) 14sk; Siehe auch die Entscheidung des Supreme Court in der Sache Bow Valley Husky (Bermuda) Ltd v Saint John Shipbuilding Ltd, [1997] 3 SCR 1210, insbesondere Rn. 44. Prof. Palmer formuliert es so: "pure economic loss may serve as a leading indicator of the extent of the reception of common law principles, then it tends to confirm the impression of Quebec as a system of equipoise." Siehe Vernon Valentine Palmer, Quebec and Her Sisters in the Third Legal Family (2009) 54:2 McGill L.J. 321, 346-347.

[66] Zu den Gesichtspunkten siehe Linden - Feldthusen (2006) 449 ff, 455, 460-461, 463, 467 sowie die detailierte Analyse von Khoury: Lara Khoury, The Liability of Auditors Beyond Their Clients: A Comparative Study, (2001) 46:2 McGill LJ 413, insbeosndere 439 ff. Aus der Rechtsprechung des Supreme Court Hercules Managements Ltd v Ernst & Young, [1997] 2 SCR 165, insbesondere 27, 30, 37, 46 ff. Cooper-Stephenson (2003) 56 findet die Feststellung der Haftung viel zu eng: er würde die Buchprüfer in einem weiteren Umfang ersatzpflichtig machen. Siehe zur Durchsetzung dieser Gesichtspunkte in Québec Khoury (2001) 461 f, ders. mit viel Elan 464 ff, 467 ff beziehungsweise das Urteil des Obersten Gerichts der Provinz (Cour d'Appel du Québec) in der Sache Garnet Retallack & Sons Ltd c Hall & Henshaw Ltd, 1990 CanLII 3483 (QC CA). Das Gericht hat - neben der allgemein üblichen patriotischen Aussagen, wonach es nicht der Übernahme der Dogmen des Common Law bedürfe, da der Fall nach dem Haftungsrecht von Québec ebenfalls beurteilt werden könne - im Rahmen der Haftungstatbestände die durch das Common Law entwickelten haftungseinschränkenden Umstände berücksichtigt.

[67] Die Begründung zur PETL hebt die Kriterien der "special relationship" und "resaonable reliance" hervor.

Siehe Widmer (2005) 78, und ders. Liability Based on Fault, Duty to Protect Others from Damage, in European Group on Tort Law, Principles of European Tort Law (PETL), Text and Commentary (Wien, New York: Springer, 2005) 86, 88.

[68] Siehe Art. 2:207-VI. DCFR, der unter Bezeichnung "Loss upon reliance on incorrect advice or information" die Haftung für durch Fehlinformationen verursachten Schäden als eigenen Haftungstatbestand behandelt. Die Haftungsvoraussetzungen sind auch hier: der Geschädigte konnte sich vernünftigerweise auf den professionell und kommerziell erteilten Rat des Sachverständigen verlassen, während dieser vorhersehen konnte, dass der Geschädigte sich in Ansehung bestimmter Entscheidungen auf seinen Rat stützen wird. Die Gesetzesbegründung fügt hinzu: Die beratende Person muss gewusst haben, wer, oder welcher vorhersehbarer Personenkreis sich auf seinen Rat stützen wird, beziehungsweise das Gewicht der Beratung nimmt mit dem Gewicht der zu fällenden Entscheidung zu, siehe DCFR 3344-3347.

[69] Grund des Haderns war, dass das Common Law nur schwer anerkennt: Der Verlust eines Angehörigen ist an sich auch ein (nicht vermögenswerter) Schaden, sodass es diesen Verlust unweigerlich an andere Rechtsgutsverletzungen zu koppeln versuchte. Siehe zu diesem Hadern allgemein Waddams (2004) Rn. 3.1460. Anfangs wurde geprüft, ob der überlebende Angehörige auch im Unfall verwickelt war und körperliche Verletzungen davon getragen hat (impact rule), siehe Linden - Feldthusen (2006) 421 ff. Sodann haben sich die Gerichte darauf konzentriert, ob der den Verlust erleidende Angehörige am Unfallort war oder unmittelbar danach durch eine persönliche Wahrnehmung mit der traurigen Wahrheit konfrontiert wurde. Ansonsten wurden immaterielle Schäden im Zusammenhang mit dem Tod des Angehörigen abgelehnt (nervous shock cases). Siehe Linden - Feldthusen (2006) 424 ff 435 ff, 439, sowie MH Ogilvie, The fly in the bottle and psychiatric damage in consumer law, (2010) 2 Journal of Business Law 85, 97 und Kenneth C Mackenzie, 'Oh, What a Tangled Web We Weave': Liability in Negligence for Nervous Shock, in Stéphane Beaulac, Stephen GA Pitel, Jennifer L Schulz, (Hrsg.) The Joy of Torts (Markham: Butterworths, 2003), 125 ff. Der klaren Sicht war es weiterhin abträglich, dass der immaterielle Schaden in solchen Fällen nicht nur Angehörigen sondern gegebenenfalls Rettungskräften beziehungsweise einfachen Zeugen bzw. Passanten zugesprochen wurde. Siehe dazu Mackenzie (2003) 129 ff, 134 ff, Ogilvie (2010) 93 ff, verweist unter der Analyse der Unterschiede zwischen dem kanadischen Common Law und dem englischen Recht darauf, dass die kanadischen Gerichte nicht der englischen Einteilung in primary victim/secondary victim folgen. Linden - Feldthusen (2006) 430-431, 433 ff., stellt die einzelnen Fallgruppen vor.

[70] Siehe Ontario Family Law Act, RSO 1990, c F.3, s 61(1): der Ehegatte, der gleichgeschlechtliche Lebenspartner, Kinder, Enkeln, Eltern, Großeltern sowie Geschwister haben Anspruch auf einen Schadensersatz. Prince Edward Island Fatal Accidents Act, RSPEI 1988, c F-5, ss 1(f), 6(3), ordnet über das obige hinaus an: "the spouse of a child, grandchild or parent of the deceased, a person divorced from the deceased who was dependent upon the deceased for maintenance or support at the time of deceased's death or who was entitled to maintenance or support under any contract or judgment of any court in the province or elsewhere, and any other person who for a period of at least three years immediately prior to the death of the deceased was dependent upon the deceased for maintenance and support is entitled to claim damages." New Brunswick Fatal Accidents Act, RSNB 1973, c F-7, ss 3(4)-(5) nur im Falle des Todes von Kindern. Diese Entschädigung kommt nicht vor in den Gesetzen von Yukon, Newfoundland & Labrador, British Columbia, und den Northwest Territories, so dass dort weiterhin das Common Law richtungsweisend ist. Zur Feststellung der Summen siehe: Fatal Accidents Act, RSA 2000, c F-8, s 8 (Alberta): Ehegatten und Eltern können 75.000 Dollar, minderjährige Kinder 45.000 Dollar fordern. Fatal Accidents Act, CCSM c F50, s 3.1(2) (Manitoba): Eltern, Kinder und Ehegatten können 30.000 Dollar, die übrigen Angehörigen 10.000 Dollar fordern. Gemäß Saskatchewan Fatal Accidents Act, RSS 1978, c F-11, s 4.1(2) kann der Ehegatte 60.000, Eltern und Kinder können 30.000 Dollar fordern. Vergleichbar tabellarische Summen hat man in der gemischten Rechtsordnung von Louisiana durch entsprechende Modifizierung des Bürgerlichen Gesetzbuches eingeführt. Siehe dazu Palmer (2000) 554-556, insbesondere 556: "It might be said that the original French acorn, which took root in Louisiana soil 200 years ago, now flourishes as a mighty English oak."

[71] Art. 1056 des Code Civil du Bas Canada, also dem früheren kanadischen BGB hat nach dem Vorbild eines englischen Gesetzes explizit die Ansprüche von Angehörigen geregelt, allerdings wurde diese Regelung nicht in das spätere Code Civil du Québec übernommen. So wird tatsächlich der Kausalitätszusammehnag entscheidend werden sowie die Vorhersehbarkeit und der Umstand ob der Schaden unmittelbare Folge des schädigenden Verhaltens ist. Siehe das Urteil des Supreme Court in der Sache Augustus v Gosset, [1996] 3 SCR 268 insbesondere Rn. 27-37. Ferner Shauna Van Praagh, Who Lost What? Relationship and Relational Loss, in Stéphane Beaulac, Stephen GA Pitel, Jennifer L Schulz, (Hrsg.) The Joy of Torts (Markham: Butterworths, 2003) 269, 282-283; Linden - Feldthusen (2006) 427-428.

[72] De Cruz (2008) 339 würde diesen Kreis auf die Eltern, Ehegatten und die Kinder beschränken, bei deren Angehörigen eine echte und tiefe emotionale Bindung vermutet werden müsste.

[73] Van Praagh (2003) 281-282, 284-285 bestreitet, dass all dies eine Auswirkung des Common Law wäre, und nimmt an, dass die Zweckmäßigkeit all dies verursacht. Die Gerichte jedenfalls stellen Schadensersatzansprüche für Personenkreise un in solchen Summen fest, die den Common Law Regeln gespenstisch ähneln. Siehe hierzu etwa die Sache De Montigny c Brossard (Succession de), 2006 QCCS 1677, wo die Eltern und Großeltern sowie die Geschwister einen Entschädigungsanspruch bekamen, nicht jedoch die Freunde (boyfriend) der Geschwister der getöteten, da diese weder nahe Angehörige seien, noch die Familie so lange kannten, dass der Todesfall für sie ein echter emotionaler Schock wäre. Siehe Rn. 102-114 der Begründung. Das Oberste Gericht der Provinz hat die Entscheidung bestätigt, siehe 2008 QCCA 1577, [2008] RJQ 2015, und bezüglich der obigen Ausführungen auch das Supreme Court of Canada, siehe de Montigny v Brossard (Succession), 2010 SCC 51, [2010] 3 SCR 64, Rn 36.

[74] Siehe DCFR, 3226.

[75] Zur Entwicklung des französischen Rechts und des Rechts von Québec siehe Zweigert - Kötz (1998) 659-661; DCFR, 3099, Nathalie Vézina, The Law of Civil Liability, Part One: Preliminary Notions, Duality of Regimes, and Factual Basis of Liability, in Aline Grenon - Louise Bélanger-Hardy, (Hrsg.) Elements of Quebec Civil Law: A Comparison with the Common Law of Canada (Toronto: Thomson Carswell, 2008) 325, 331-332, John EC Brierley - Roderick A Macdonald, The Civil Code and the Sources of Civil Law, in John EC Brierley -Roderick A Macdonald, (Hrsg.) Quebec Civil Law: An Introduction to Quebec Private Law (Toronto: E. Montgomery Publications, 1993) Rn. 98, 117., Jutras (1993) Rn. 502-503.

[76] Zur Entwicklung und Auslegung dieses Tatbestandmerkmals im französischen Recht siehe Zweigert - Kötz (1998) 660. Im Recht von Québec siehe Brierley - Macdonald (1993) Rn. 235, 117., Jutras (1993) Rn. 503. und insbesondere 126. Siehe ferner Art. 100 Quebec Civil Code Report, vol 2, und die Erläuterungen auf Seiten 621-622 und folgende Entscheidungen des Supreme Court: Hamel v Charte [1976] 2 SCR 680, 686-687; Rubis v Gray Rocks Inn Ltd, [1982] 1 SCR 452, 457.

[77] Zur Analyse dieser Beispiele siehe Linden - Feldthusen (2006) 835, Ariste Brossard, Four Lectures Of Torts in Quebec, 2, (1955-56) 6:18 R.J.T. o.s. 77, 81-82.

[78] Zu den Widersprüchen in der Rechtsprechung siehe Linden - Feldthusen (2006) 835 und Vézina (2008) 373-374.

[79] Zur Figur der res ipsa loquitur im englischen und kanadischen Common Law detailiert Klar (2003) 507, 508s ff., 511-512, 514-525; Fridman (2002) 405, 409-410, 412. Die Entscheidung des Supreme Court of Canada in der Sache Fontaine v British Columbia (Official Administrator), [1998] 1 SCR 424 (siehe insbesondere Rn. 26.) beachtet die Existenzberechtigung dieser Rechtsfigur als eigenständiges Rechtsinstitut als überholt, betont indes, dass die Beweiserleichterung prima facie weiterhin ihren Platz hat. In der Literatur ebenso Klar (2003) 505-506, 523-524, siehe insbesondere seine Zusammenfassung zur Rechtsprechungspraxis, Fn. 524, 135. und Fridman (2002) 406-407, 416; Linden - Feldthusen (2006) 84.

[80] DCFR, 3538.

[81] Royal Commission on Civil Liability and Compensation for Personal Injury, Report Cmnd 7054-I, vol 1 (1978) 3, S. 75. Rn. 318, S. 342-343. Rn. 1643-1644, S. 344 Rn. 1649, 1651 S. 348. Rn. 1666 (Chairman: Lord Pearson).

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