"Es war einmal ein Land - wie hiess es eigentlich? Es hiess Presse, wurde vom Heiligen Gutenberg gegründet, sein erster Herrscher war Heiliger Gedanke, sein zweiter Herrscher war - für eine kurze Zeit - Wahrheit, dann folgte ihm Neugier IV. auf demn Thron. Zu dieser Zeit war Presse noch ein bescheidener winziger Staat, seine natürlichen Grenzen: das Ehrengebirge, der Fluss von Selbstlosigkeit und die Hochebene des Freien Gedankens haben ihn vor den äusseren Feinden geschützt. Nach Neugier IV. hat jedoch Fettbauch-Kapital X. die Herrschaft übernommen, während dessen Herrschaft ist dieses Land rasch zu Entwicklung gekommen - alle Zeichen wiesen darauf hin, dassdamit ein endgültiger Zustand erreicht war: zu dieser Zeit haben wir den Namen siebte Grossmacht erhalten".[2]
Wie auch das zum Motto gewählte Zitat von Karinthy ahnen lässt, sind wir schon seit mehr als hundert Jahren in einer kritischen Situation, was die Aufrichtigkeit, das Wahreitssagen, das Einhalten der entsprechenden Diskretion und die auf der Ethik basierenden Massenkommunikationsmittel betrifft. Einerseits berufen wir uns auf Grundrechte und Berufsethiken, andererseits sind wir entweder feige und wir schweigen, oder wir werfen in die Augen des Betreffenden, falls er nicht zu erreichen ist, grob und auf beleidigende Weise durch die Medien die reine Wahrheit, die in den meisten Fällen jeder sachlichen Grundlage entbehrt, denn der Grund dafür ist bloss unser Beleidigtsein oder ein Hinterinteresse; auf Beleidigung antworten wir mit Beleidigung. Zum Schluss haben wir noch die Manipulation der Informationen,
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das heisst wir sollen nur so viel aussprechen und öffentlich machen, was ausreichend ist, um unser Ziel zu erreichen. Die anderen Beweise holen wir nur dann, wenn die Zielperson nicht so reagiert, wie wir das geplant haben. Darauf kondizionieren die Alltage. Diese Konditionierung bestimmt unseren Alltag? Das Wort ist eine gewaltige Waffe, sowohl beim Angriff als auch bei der Verteidigung.
Zur gleichen Zeit wissen wir über die Wahrheit Bescheid, über die Wahrheit, die die Grundlage von jeder Moral und jedem moralischen Anspruch bildet, denn "alles, was in der Moral die Namen Erfordernis und Verbot erhält, verlangt Ehre und Anerkennung, und sie muss auf der Wahrheit basieren".[3] Das menschliche Leben ist Dienst an dieser Wahrheit Daraus ergibt sich die Pflicht des Wahrheitssagens und das Verbot des Lügens.
Dieses Problem mit Konflikten und zur gleichen Zeit mit einem Streben nach einem Ideal hat auch der katholische Mensch, dem Christus gesagt hat: euer Ja sei ein Ja und euer Nein ein Nein. Wie können wir in diesem gesellschaftlichen Kontext trotzdem die wahre Tugend der Aufrichtigkeit oder des Wahrheitssagens erreichen? Wir können auch so formulieren, dass wir den Punkt finden wollen, wo die Behauptung der Unwahrheit schon eine Lüge, das heisst eine Sünde ist, beziehungsweise was der Unterschied zwischen dem authentischen Informieren und der Manipulation ist? Das ist ein bisschen so, wie der Unterschied zwischen der irrtumslosen und der unfehlbaren, infallibelen Behauptung. Die erste deckt auf eine richtige Weise nur bestimmte Sachen auf, während die letztere das Aufdecken der vollkommenen Wahrheit enthält. Auf diese Fragen suchen wir in dieser Studie eine Antwort. Dieses Problem wirft zur gleichen Zeit sowohl moralische als auch rechtliche Probleme auf.
Da der Verfasser dieser Studie zu dieser Zeit auf dem Gebiet der Pastoraltheologie tätig ist, erhebt sich die Frage, ob er seinen Wirkungskreis nicht überschreitet, wenneran philosophischen, moraltheologischen und kirchenrechtlichen? kanonischen?Themen arbeitet. Wir sind der Meinung, dass diese Themen eine Grundlage für die wirksame pastorale Tätigkeit bilden, weil deren Richtschnur die Wahrheiten unseres Glaubens, unsere moralischen Normen und kirchenrechtlichenRegeln bilden sollen. Nur dann können wir einen guten Plan für die Pastoration vorbereiten beziehungsweise eine Pastoraltheologie machen, wenn wir die früher erwähnten Normen und Regeln richtig kennenlernen. In diesem Fall handelt es sich darum, wie die Kirche die Lüge enthüllen kann, wie sie ihre Mitglieder, vor allem die Priester und Ordensleute durch die Tugend der Rechtschaffenheit wappnen kann, und so ihre Mitglieder als Lämmer in die Welt senden kann.so sendend ihre Mitglieder als Lämmer in die Welt.
Schon vor hundert Jahren haben die katholischen Verfasser betont, dass sich die Welt von dem Wahrheitssagen immer mehr entfernt, dadurch vergiftet sie dass Vertrauen der Gesellschaft. Hier sind einige Zeugnisse davon: "Wo die Liebe zurWahrheit fehlt, dort ist alles nur Schein, Heuchelei, Lüge und Betrug. Unser
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Zeuge ist das moderne Leben: Täuschung und Komödienspiel ist heute nicht mehr das Geheimnis der Diplomaten, vom Betrügen verstehen nicht nur die Gaukler, die Kinder lernen das von ihren Eltern und die Mehrheit der Menschen ehrt in ihnen den Stein der Weisen, das Geheimnis des Auskommens".[4] Oder: "es ist allgemein bekannt, dass das Lügen unsere moderne Gesellschaft vollkommen vergiftet hat. ... eine der wirksamsten und üppigsten Brutstätten der Lüge ist die Zivilisation selbst. ... die raffinierte und falsche Rede ist viel gefährlicher als die rohe, grobe und schroffe Lüge".[5] Seitdem ist die falsche und täuschende Rede immer mehr verbreitet. So tief ist das Bewusstsein des Individuums und der Gesellschaft durch sie durchdrungen, dass wir manchmal auch nicht bemerken, wann wir lügen, wann und wie wir die Intimsphäre, den guten Ruf, die Ehre, kurz gesagt die Würde des anderen verletzt haben. Treffend stellt Eberhard Schockenhoff die provokative Frage: Sind wir zur Lüge verdammt? Überallhin begleitet uns die falsche Rede, die Menge der Halbwahrheiten, so sind sie in der Politik, Rechtspflege, in den Medien, in der Medizin, in den Künsten, sogar im wissenschaftlichen Leben zu finden.[6] Unsere Alltage sich durch die Extremitäten geprägt. Einerseits lügen wir beinahe zustandsmässig, wir leben ja in einer hypokriten Gesellschaft, andererseits erwarten wir von den Personen des öffentlichen Lebens einen absoluten Geradsinn und eine vollkommene Aufrichtigkeit, und wir können ihre Seitensprünge, vielleicht ihre nicht vorwerfbarenaber unbegründeten Entscheidungen nicht erdulden.
Warum lügen wir eigentlich? Warum beleidigen wir einander? Ob das Wahrheitssagen immer eine Tugend ist? Kann die Verpflichtung zum Wahrheitssagen auf keine anderen Verpflichtungen stossen? Die Aussprache und Mitteilung von was für einer Wahrheit sollen wir unter Aufrichtigkeit verstehen?
Die Lüge hat viele Gründe: schlechte gesellschaftliche Gewohnheiten, Zeitgeist, wo die Mitglieder der Gesellschaft die Verstellung, die Schauspielerei, Gaukelei, Vortäuschung, Hinterlist, den Betrug und die Lüge schon mit der Muttermilch einsaugen. Es gibt solche, die aus Begrenztheit lügen, andere wollen in ihren Vorurteilen verbleiben. Andere lügen aus falscher Scham oder aus schlechtem Gewissen. Es gibt solche, die aus reiner Gewohnheit oder aus Gewinnsucht, Rache oder Hass lügen. Es gibt zum Schluss solche, deren ganzes Leben eine Lüge ist, weil sie ihre Heirat, ihre Berufskompetenzen oder ihre Religion simulieren. Sie wagten nicht, ihre Weltanschauung, Karriere oder ihr Ehepartner/ihre Ehepartnerin entweder aus Bosheit oder aus Feigheit richtig auszuwählen. Das Wahrheitssagen und die Rechtschaffenheit sollen sich bei diesen für ein ganzes Leben geltenden Entscheidungen besonders klar erweisen.
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Es scheint so, dass die Pflicht des Wahrheitssagens auf andere Pflichten stossen kann, so zum Beispiel auf die Pflichten des Schweigens, der Geheimhaltung, der Bewahrung des guten Rufes, der Ehre eines anderen sogar auf die Pflicht des unseren Mitmenschen zu schonen sowie der Liebe und Gerechtigkeit.
Eine weitere Fragestellung liegt darin, ob die Information, die wir unserem Mitmenschen ehrlich mitteilen, mit der Wirklichkeit und mit unserer persönlichen Überzeugung übereinstimmt, ob wir die Quelle der Information genau bestimmen. Oder haben wir sie nur gehört, und es ist nicht klar, ob die Quelle der Nachricht zuverlässig ist. Wenn wir die Nachricht weitersagen, verletzen wir dann nicht den guten Ruf der anderen? Haben wir bezüglich der gegebenen Information keine Verpflichtung zur Geheimhaltung übernommen? Wo besteht die Grenze des Wahrheitssagens und der Behauptung von Unwahrheit beziehungsweise der Lüge? Um das bestimmen zu können, müssen wir äusserst viele Umstände untersuchen, und wir müssen auch die Wahrheit klären, die Aufrichtigkeit bedeutet. In dieser Hinsicht können wir die Wahrheit auf folgende Weise modellieren:[7] Haben wir den gegebenen Tatbestand oder das gegebene Wesen wirklich so verstanden, wie er ist oder wie sich zugetragen hat.. Das bedeutet, dass das subjektive Wissen als erkennende Tätigkeit des Menschen mit der auf objektive Weise gegebenen Wirklichkeit in Einklang gebracht geworden ist. Auf diese Wahrheit soll Ethik bauen. Der nächste Schritt ist jetzt, ob die so aufgefasste Wirklichkeit durch die Sprache beziehungsweise durch die uns zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel eindeutig zum Ausdruck gebracht werden kann. Das wäre die Wahrheit unseres Urteils. Obwohl wir den Tatbestand verfehlen können, das heisst wir können bezüglich des Sachverstandes in Irrtum sein, bringen wir die Kenntnis, über die wir diesbezüglich verfügen, trotzdem treu zum Ausdruck. Das wäre das im engsten Sinne des Wortes genommene Wahrheitssagen, das heisst die aufrichtige Äusserung. Wenn wir jedoch eine falsche Weltanschauung besitzen, wenn wir bezüglich der Forschung des Problems nicht mit einer erforderlichen Gründlichkeit umgehen, wenn wir nicht über alle notwendigen und genügenden Informationen verfügen, um eine bestimmte Angelegenheit zu beurteilen und zu entscheiden, können wir in Irrtum sein und wenn wir die Information weitergeben können wir auch andere irreführen, obwohl das überhaupt nicht unsere Absicht war. Der Wahrheitsgehalt der Rede hängt also auch von mehreren subjektiven Faktoren, so zum Beispiel von unserem Beurteilungsvermögen, vom richtigen Zuhören und von der Gewissenhaftigkeit ab.
Die Aufrichtigkeit bedeutet also, dass wir so sprechen, wie wir denken, fühlen und erkennen. Ein weiterer Gesichtspunkt liegt darin, dass sich die Aufrichtigkeit nicht nur auf die einzelnen Fälle beziehen kann, sondern auch auf unseren ganzen Charakter, der aus diesem Standpunkt aus nichts anderes ist, als ein ständiges Streben und Bereitschaft zum Wahrheitssagen. Dadurch wird das ganze Leben des die Wahrheit sagenden Menschen durchdrungen, darum wird er auch rechtschaffen genannt, dieses Streben prägt seine Gesinnung, seine Rede, seine Taten und
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seine ganze Lebensführung. Die Bibel nennt diesen Menschen einen rechten Menschen. Die Rechtschaffenheit erweist sich im Zuhören, in der Aufrichtigkeit, im Zeugnisablegen, im Dialog und in der Geduld (Toleranz) sowie in der treuen Folge der Stimme des Gewissens.[8]
Auf welche Weise erweist sich die Unaufrichtigkeit, der Kontrast des Äusseren und des Inneren? Bevor wir das Wahrheitssagen auf positive Weise erörtern, stellen wir als Kontrast den Torso und dessen Wirkung, die sowohl uns selbst als auch unseren Mitmenschen und die ganze Gesellschaft verderben will. Wir sprechen über die Lüge und ihre Arten, über die üble Nachrede und Verleumdung, über das kühne Ermessen, über die Herabsetzung, Schmähung und Lästerung beziehungsweise über die Verletzung des Geheimnisses.
Das menschliche Leben steht mit der Ordnung des Geistes und mit seiner Hauptdimension, der Wahrheit, in einer wesentlichen Beziehung. Das Erkennender Wahrheit bindet den Verstand grundlegend, und im Falle einer moralischen Wahrheit die ganze Persönlichkeit.[10] Im engsten Sinne des Wortes ist nur unser Willen frei, denn neben der Wahrheit bedeutet auch unser Gefühlsleben eine grundlegende Gebundenheit und Bindung. Der Wert unseres Lebens wird durch die Wahrheit gemessen, gegründet und geleitet; sie weist zur gleichen Zeit auch auf das Lebensziel hin.[11] Der Besitz der Wahrheit als Gebundenheit und Bindung macht einen trotzdem frei, wenn wir owohl die gegenständliche Wahrheit als auch die sinnliche Wahrheit und die Wahrheit des Handelns besitzen.
Zum Wahrheitssagen müssen wir vor allem unsere Sprache kennen. Falls wir Augenzeugen bei einem Ereignis waren, mussten wir das nicht nur sehen sondern auch sein Wesenerfassen , das Gesehene und das Gehörte apperzipieren. Das ist die Aufdeckung der gegenständlichen Wahrheit im Subjekt und durch das Subjekt. Wenn wir aufrichtig sind, informieren wir die anderen über unsere Meinung, beziehungsweise wenn wir unser gegebenes Wort halten, beruhigen wir die anderen, wir halten also das Vertrauen aufrecht.[12]
Platon betrachtete die Lüge im allgemeinen als unmoralisch, trotzdem hielt er sie in bestimmten Fällen für zulässig, wenn sie durch das Interesse des Vaterlandes oder des Bürgertums verlangt wurde. Demgegenüber macht Aristoteles keine solche
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Ausnahme, denn nach ihm ist das Lügen immer schlecht: Er hielt also die Lüge in sich selbst, von ihrem Wesen her für eine schlechte Sache. Es stellt sich also die Frage, ob jede unwahre Behauptung eine Lüge sei.
In der Heiligen Schrift wird der Mensch, der nicht lügt, ein rechter Menschen genannt, der zuverlässig ist, der also seine Ansichten unbegründet nicht verändert und seine Versprechen nicht bricht. Die Schrift verurteilt zwar die falsche Zunge, aber umsonst suchen wir in ihr eine genaue Definition bezüglich der Lüge. In groben Linien stellt sich nach Helmut Weber aus der Heiligen Schrift das folgende heraus: 1) die Erklärung der Aufrichtigkeit als Pflicht und das vollkommene Abwerfen der Lüge. 2) In der Bibel gibt es keinen Rigorismus, nicht einmal einen Wahrheitsfanatismus, weil die Pflicht des Wahrheitssagens und die Vermeidung der Lüge mit anderen Verpflichtungen und Werten eng verbunden sind. Die Wahrheit ist nicht der einzige Wert und auch nicht der wichtigste Wert, grösser und wichtiger ist die Liebe, genauer gesagt die Liebe zur Wahrheit, das Wahrsein in der Liebe. Diese Sichtweise nuanciert die Verpflichtung zum Wahrheitssagen, das heisst sie legitimiert bestimmte Ausnahmen. 3) Die Bibel erörtert keine Grenzenfälle, sie bietet eher Prinzipien und eine bestimmte Sichtweise.[13]
Bei der sich nach der Bibel richtendend Tradition können zwei Tendenzen wahrgenommen werden. Die eine hält die unwahre Behauptung - ähnlich wie Platon und die Sichtweise der Heiligen Schrift - in begründeten Fällen für erlaubbar. Diese Schule wurde vom heiligen Johannes Chrysostomos geschaffen. Die andere Schule, deren Hauptvertreter der heilige Augustinus war, hält die Lüge für vollkommen unerlaubt. Er hat acht Kategorien der Lüge unterschieden: 1) die die Glaubensverneinung beinhaltende Lüge, 2) die Schaden verursachende Lüge, wenn keiner davon Gebrauch machen kann, 3) die Schaden verursachende Lüge, wenn jemand davon Gebrauch machen kann, 4) die aus reinem Spass stammende Lüge, 5) die für jemanden gesprochene Lüge, 6) die Lüge, die keinem schädlich ist, jedoch jemandem nützt, wenn sie vor dem Gericht gesprochen wird, 7) diesselbe Lüge, wenn sie nicht vor Gericht gesprochen wird, 8) die Lüge, die einen vor der Unreinheit des Leibes rettet, ohne dass sie jemandem schaden würde. Augustinus erklärt so diese Kategorien, dass die ersten fünf von niemandem verteidigt werden dürfen. Bezüglich der anderen drei Kategorien ist eine Diskussion möglich, aber Augustinus selbst kann nur die letzte Kategorie irgendwie verteidigen. Er versteht unter Lüge eine Behauptung, durch die man die anderen täuschen will. Ferner begründet er die Unerlässlichkeit der Lüge damit, dass sie unterschiedliche negative Folgen hat: sie verletzt nämlich das Gut der Wahrheit, kollidiert mit der Liebe, verdirbt die Gemeinschaft, schadet unserem Geist und zerstört die Natur der auf Wahrheit gerichteten Sprache.
Auch der heilige Thomas von Aquin selbst hat sich der Richtung von Augustinus angeschlossen, und er begründet das Verbot dadurch, dass es der Ordnung der
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Natur widerspricht. Zur gleichen Zeit sieht er auch die Wurzel des Problems, dass die Verpflichtung zum Wahrheitssagen mit der Verpflichtung zur Geheimhaltung in Konflikt geraten kann In diesem Fall darf, sogar muss man das Verschweigen beziehungsweise die sogenannte dissimulatio verwenden. Das bedeutet Verhüllung. Dieser Begriff räumte jedoch den unterschiedlichen Erläuterungen einen breiten Raum ein.
Die Theologen des 16. und 17. Jahrhunderts haben diese dissimulatio vom heiligen Thomas von Aquin t als aequivocatio und restrictio mentalis interpretiert. Unter aequivocatio verstehen wir, dass jemand ein Wort benutzt, das zwei oder sogar mehre Bedeutungen hat, so kann in dem gegebenen Fall nicht entschieden werden, in welchem Sinne das Wort benutzt wird. Das ist also die mehrdeutige Rede (amphibolia). Die Theologie hat zwei Kategorien der restrictio mentalis ausgearbeitet, die sogenannte restrictio late mentalis und die restrictio pure mentalis. Unter restrictio mentalis versteht man im allgemeinen, dass das Wort oder der Ausdruck in sich genommen nur eine Bedeutung hat, aber beim Benutzen mehrdeutig wird . Wenn zum Beispiel jemand den Sekretär des Bischofs fragt, ob der Bischof zu Hause sei, und der Sekretär mit Nein antwortet (obwohl er de facto zu Hause ist); ist darin der verschwiegene Vorbehalt zu finden: für dich ist er nicht zu Hause (der Bischof hat keine Zeit, dich zu empfangen, denn er hat dringende Angelegenheiten). Das ist die restrictio late mentalis (zum Teil verborgene und verhüllte Antwort), das heisst ein Vorbehalt, aus dem man auf die Wirklichkeit schliessen kann. Wenn jedoch aus der gegebenen Antwort auf die Wirklichkeit das heisst auf die mitzuteilende Kenntnis überhaupt nicht gefolgert werden kann, unterscheiden sich die ausgesprochenen Wörter und unser inneres Denken völlig voneinander. In diesem Fall verraten wir nichts von unseren tatsächlichen Kenntnissen, weil wir etwas vollkommen anderes sagen. Wenn zum Beispiel einer gefragt wird, ob er eine See gesehen hat, und er mit Ja antwortet, aber in sich fügt er hinzu, dass er ihn nur auf dem Foto sah. Das ist die restrictio pure mentalis, die die Kategorie der Lüge ausschöpft, und darum wurde sie vom Papst Innozenz IX. verboten, sein Verbot der restrictio mentalis wurde von den Theologen zumindestens so verstanden. Die katholischen Theologen haben zur Bebewahrung der gerechten Geheimnisse die aequivocatio und die restrictio mentalis empfohlen, vermeidend damit die Anklage der Lüge.
Da die Anwendung der restrictio mentalis auch in konkreten Fällen schwerfällig war und mehrere haben in ihr trotzdem eine Lüge gesehen, ist im Problembewusstsein ein neuer Begriff erschienen, der sich beim richtigen Bestimmen der Grenzen zwischen Lüge und Wahrheitssagen als äusserst nützlich erwiesen hat. Dieser Begriff wurde von Hugo Grotius eingeführt, sein Name ist falsiloquium, das heisst eine der Wirklichkeit nicht entsprechende, falsche Rede.[14] Er hat vom Anfang an so gedacht,
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Demgegenüber kann man a) bezüglich der Heiligen Schrift sagen: dass die wichtigsten Stellen der Schrift, die die Lüge verbieten, im allgemeinen die unwahre Rede verbieten, also das Verbot bezieht sich nicht unbedingt auf alle Arten der unwahren Rede. Es kann also nach dem gründlichen Studieren der Schrift die Schlussfolgerung nicht gezogen werden, dass das Verbot universell ist und keine Ausnahme duldet. In der Heiligen Schrift ist also diesbezüglich kein entscheidendes Argument zu finden, nach dem das falsiloquium unter allen Umständen, also von Wesen her, an und für sich schlecht ist. Ferner gibt die Heilige Schrift auch kein sicheres Kriterium, um zu entscheiden, wo die Grenze zwischen dem Wahrheitssagen und der Lüge ist. b) Bezüglich des Argumentes der Pflicht des Menschen sich selbstgegenüber (das heisst bezüglich des aus der Natur der Sache kommenden Argumentes) muss Folgendes erwägt werden: Nach der hauptsächlich augustinischen Tradition kommt das Böse der Lüge (intrinsece malum) einerseits aus der Tatsache, dass man etwas denkt und etwas anderes sagt, andererseits aus der Absicht des Betrugs oder aus beiden. Sehen wir diese ausführlicher an. Das Wort ist eine natürliche Ausdrucksweise, ein natürliches Zeichen des Gedanken. Also es widerspricht es der Ordnung der Natur, wenn jemand etwas anderes sagt, was er denkt, spürt oder will. Es erhebt sich die Frage, "wie die Ordnung der Natur den Zusammenklang zwischen dem Inneren und Äusseren verlangt. Wir dürfen unsere Gedanken verheimlichen, es ist auch erlaubt, die Traurigkeit oder die Freude zu verhüllen. Mit der mitmenschlichen Liebe lässt sich vereinbaren, dass ich töte, wenn ich mich nicht anders wehren kann,. All das kann mit der Ordnung der Natur vereinbart werden. Auch hier gibt es einen Widerspruch zwischen dem Inneren und Äusseren, aber dieser Widerspruch ist die Folge einer Notsituation; der Angriff ist selbst unnatürlich, hier handelt es sich also nicht mehr um die Verletzung der Ordnung der Natur sondern darum, dass
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wir davon soviel retten, wieviel gerettet werden kann, unser eigenes Leben. Wie die Mitmenschenliebe nicht von uns verlangt, niemals einen Menschen zu töten, sondern nur gebietet, nie einen Unschuldigen zu töten, kann die Ordnung der Natur bezüglich der Übereinstimmung unserer Worte mit unseren Gedanken auch nicht mehr verlangen, als Folgendes: wer unsere Gedanken nicht missbraucht oder wessen Missbrauch auch anders verhindert werden kann, darf bezüglich unserer Gedanken mit unwahrer Rede nicht irregeführt werden. Bei den Argumenten aus der Natur ist es immer wichtig, die Ordnung der Natur in ihrer ganzen Ausbreitung zu betrachten, sonst kommen wir zu falschen Schlussfolgerungen. So zum Beispiel widerspricht es der Ordnung Natur, uns selbst zu verstümmeln, es ist jedoch erlaubt, das kranke Glied abzuschneiden... Die Ordnung der Natur verlangt, dass die Eltern ihre Kinder lieben, trotzdem können sie sie in einigen Fällen verstossen. Es gibt viele Sachen, die die Ordnung der Natur im Frieden verbietet, trotzdem sind sie im Krieg erlaubt. So verhält es sich auch mit der Sprache: die Ordnung der Natur verlangt, dass die Sprache der Ausdruck der Gedanken der Menschen sein kann, aber nicht immer, weil die Sprache auch noch andere Zwecke hat. [...] Die Mitteilung der Gedanken ist kein Selbstzweck, sondern sie selbst steht im Dienste eines höheren, allgemeineren Ziels. [...] Die Sprache ist ein Mittel, die uns Gott gegeben hat, damit wir sie beim Verkehren mit den Menschen benutzen, um ihre und unsere Pflichte erfüllen zu können. Diese Pflicht erfüllen wir in den meisten Fällen durch das Mitteilen unserer Gedanken, aber in äusserst vielen Fällen mit dem Hüten des gerechten Geheimnisses".[15] Und was die Täuschungsabsicht betrifft, müssen wir gleich feststellen, dass der Mensch, der das Mitteilen unserer Gedanken nicht missbraucht, nicht getäuscht werden darf. Es erhebt sich jedoch die Frage, ob wir die Person, von der wir wissen oder gegen die wir den begründeten Verdacht hegen, dass sie das Mitteilen unserer Gedanken missbrauchen wird, täuschen dürfen, ohne in die Sünde der Lüge zu verfallen. Das scheint möglich zu sein, denn sonst kann das Halten des Geheimnisses nicht vermieden werden. Jedoch schon die Anwendung der restrictio mentalis beinhaltet in sich selbst eine Art Betrug, sie zeigt also eine bestimmte Täuschungsabsicht. Daraus können wir die Schlussfolgerung ziehen, dass eine Situation möglich und eine Rede erlaubt ist, wenn die Ordnung der Natur verlangt, dass unser Mitmensch unsere Gedanken nicht nur nicht kennen sondern bezüglich dieser sich im Irrtum befinden soll. Und in diesem Falle widerspricht die unwahre Rede der Ordnung der Natur nicht. Nämlich "in dem Moment, als die Mitteilung der Gedanken auf die Ordnung der Natur stösst, kann die Ordnung der Natur nicht einmal von der Rede verlangen, dass sie ein Mittel der Mitteilung der Gedanken sei. Die Mitteilung der Gedanken ist kein Selbstzweck sondern ein Mittel, anderen die Möglichkeit des von der Ordnung der Natur verlangten Denkens und Handels zu geben. [...] So folgt also weder aus der Ordnung der Natur noch aus der Täuschungsabsicht, dass das falsiloquium absolut unter allen Umständen schlecht ist".[16]
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Bezüglich der Argumente im Interesse der Gesellschaft müssen wir anerkennen, das der gesellschaftliche Verkehr auf gegenseitigem Vertrauen und das Vertrauen auf der Verpflichtung des Wahrheitssagens beruht. Falls diese Verpflichtung von den Mitgliedern der Gesellschaft vernachlässigt worden wäre, würde sich jene gesellschaftliche Ordnung schnell auflösen, und an ihre Stelle würde weder Polizeistaat noch ein Spionstaat treten, denn nicht einmal ihnen könnte geglaubt werden, sondern es käme das Zeitalter des Kampfes jedermanns gegen jedermann. Dann "kann der Vater nicht seinem Sohn, der Ehemann der Ehefrau, der Meister dem Jüngling, die Gemeinschaft dem Richter glauben. Die Menschen bilden keinen Leib mehr, sondern jeder Mensch steht isoliert und allein, und auf der ganzen Welt gibt es keine zwei Menschen, die einander glauben und die Menschheit trüge nicht das Bild der Dreifaltigkeit sondern das der Hölle auf sich".[17] Die Pflicht, die Wahrheit zu sagen, gewährt einerseits die Sicherheit für das gegenseitige Vertrauen, andererseits ist der andere Pfeiler das kluge Halten der Geheimnisse. Diese zwei Pflichten müssen in der konkreten Situation zur gleichen Zeit auf die Waage gelegt werden. Nicht nur die Lüge sondern auch die Aufdeckung der Geheimnisse untergrabt die zwischenmenschlichen Beziehungen und das gegenseitige Vertrauen. Dazu ist die aequivocatio oder die restrictio mentalis nicht immer ein geeignetes Mittel. Aus der Notwendigkeit der Bewahrung des gegenseitigen Vertrauens folgt also, dass die Grenze der Verpflichtung, die Wahrheit zu sagen, gerade durch das Recht und durch die Verpflichtung der Geheimhaltung gezogen wird. Wir dürfen also diese zwei Pflichten nicht voneinander trennen. Und wir verbinden sie dann, wenn die Frage auf die folgende Weise gestellt wird: Wann üben wir die Tugend des Wahrheitssagens? Wir müssen also nicht nur die Wahrheit sagen sondern währenddessen auch tugendhaft bleiben. Das heisst das Wahrheitssagen ist nicht immer und nicht unter allen Umständen eine Tugend, und wenn das keine Tugend ist, ist es schädlich. Nur "dann ist das Wahrheitssagen eine Tugend, wenn mit keiner Pflichtin Konflikt gerät. Eine Tugend, auf die das Wahrheitssagen stossen kann, ist die Geheimhaltung. Also wenn es keine andere Weise für das Halten der gerechten Geheimnisse (Schweigen oder Ausweichen) gibt, kann dieses Geheimnis auch durch eine unwahre Rede gewahrt werden. Hier ist das Wahrheitssagen keine Tugend mehr, also es hat auch keine verpflichtende Kraft mehr. Wer nicht gegen die Tugend des Wahrheitssagens verstösst, lügt nicht. [...] die Lüge ist eine unserem Wissen nicht entsprechende Rede, die die Geheimhaltung nicht berechtigt. [...] und die Grenze der Lüge haben wir mit einer Klarheit bezeichnet, die nicht missverstanden werden kann [...] Zwischen der erlaubten unwahren Rede und der sündhaften Lüge muss ebenso ein Unterschied gemacht werden, wie ein jeder zwischen der ärztlichen Narkose und der Betrunkenheit sowie zwischen der Tötung in Notwehr und dem Mord unterscheidet. Auch Stehlen darf man nie, trotzdem darf im äussersten Fall entwendet werden, was zum Erhalten des Lebens nötig ist. Das Betrunkensein, der Mord, das Stehlen und die Lüge sind unter allen Umständen Sünden, aber die Narkose, die Tötung in
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Notwehr, das Entwenden im äussersten Fall und das Irreführen, um das Geheimnis zu halten, sind keine Sünden".[18] Natürlich auch in der erlaubten falschen Behauptung gibt es etwas Täuschendes, das ist jedoch höchstens ein Mittel, damit das Geheimnis gehalten werden kann. Und sowohl die Täuschung als auch die falsche Rede haben unleugbar etwas Unnatürliches, wie "auch die Tötung und die Narkose das hat. Wo die Ordnung der Natur nicht gestört ist, darf solches nicht getan werden. Wenn jedoch die Ordnung der Natur gestört ist, wird all das natürlich sein, was zu ihrer Wiederherstellung notwendig ist. Beim kranken Menschen wird die Narkose, bei dem Menschen, dem das Leben angegriffen worden ist, die Tötung, und beim Überfall des Geheimnisses das Wehren durch Täuschung natürlich sein. Eine und dieselbe Sache kann unter unterschiedlichen Umständen natürlich und unnatürlich sein. [...] Es gibt Angelegenheiten, die vor dem Kind und dem Kranken geheim bleiben sollen, dem Räuber oder dem Feind gegenüber hat ein jeder das Recht, das Geheimnis zu bewahren. Es gibt aber darüber hinaus andere wichtigen Geheimnisse, zu deren Bewahrung wir durch die Ordnung der Natur oder durch unsere gegebenen Worte verpflichtet sind. In all diesen Fällen dürfen wir den Angreifer des Geheimnisses täuschen, obwohl wir davon Bescheid wissen, wenn der Schaden, den wir durch die Haltung des Geheimnisses beseitigen, dem Verlust gleichkommt, den der Angreifer des Geheimnisses erleidet, weil er irregeführt worden war. Hier befindet sich die Grenze, was darüber ist, ist schon eine Lüge".[19] Solche Situationen sind zum Beispiel "die unreife, ungerechte, unverschämte und zudringliche Neugier; die Falschheit, die von vornherein geahnt werden kann; der Missbrauch der Aufrichtigkeit; die Drohung und Gewalt, die im voraus gesehen werden können usw."[20]
Wenn wir von einer zuständigen und berechtigten Person oder Behörde befragt werden, sind wir verpflichtet, ihr die volle Wahrheit zu sagen, angenommen, dass wir nicht im Besitz von solchem Geheimnis sind, das wir mit niemandem und unter keinen Umständen mitteilen dürfen. In solchen Fällen dürfen wir also, zum Beispiel bei Zeugenaussage vor dem Gericht, bei einem Vertragsabschluss oder bei einem Pflichtunterricht von anderen weder die aequivocatio, noch die restrictio mentalis noch das falsiloquium verwenden.[21] Aus der kurzen Übersicht des Problems können wir sehen, was für ein heikles Thema wir haben, bei dem "die vier Kardinaltugenden [...] äusserst vorsichtig gebraucht werden sollen".[22] Das gesunde menschliche Leben wird durch den Charakter und in ihm durch die Entwicklung sowie das harmonische Funktionieren der Tugenden geprägt. Wenn wir eine Tugend in ihrer eigenen
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Vollkommenheit besitzen, besitzen wir auf irgendeine Weise auch die anderen Tugenden, weil sie miteinander innerlich eng verbunden sind, sie sind nämlich die Äusserungen des bewussten und unbewussten persönlichen Selbstzentrums.
Falls wir die Geschichte der philosophischen Reflexion bezüglich der Lüge überblicken, können wir sehen, dass zwei Tendenzen zur Geltung gekommen sind. Die Haupttendenz bestand darin, dass sie den in sich schlechten und sündhaften Charakter der Lüge nachweist, während die andere Linie die Gefahr der Erstarrung und des Rigorismus zu vermeiden versuchte.[23] Im 20. Jahrhundert haben die Moraltheologen bedeutend beigetragen, klarer zu machen, dass die restrictio mentalis nicht immer genügend ist, also das von Groetius eingeführte falsiloquium erlaubt ist, das heisst unter bestimmten Umständen kann die der Wahrheit nicht entsprechende Rede verwendet werden, ohne Sünde zu begehen.[24] Dementsprechend können wir heute sagen, dass die katholische Moraltheologie zur Zeit in grossen Linien in Gleichgewicht gekommen ist, das heisst die Lüge soll abgelehnt werden, aber es gibt Situationen, bei denen wir das Mittel der Behauptung der erlaubten Unwahrheit mit Recht verwenden, um sowohl das Allgemeingut als auch das gerechte Privatinteresse zu schützen.[25] In diesem Falle können wir das falsiloquium auch so nennen, dass es materiell und psychologisch eine Lüge ist, formell und ethisch ist es jedoch keine Lüge.[26] Zusammenfassend können wir die Lüge also auf die folgenden Weisen vermeiden, wenn wir weder im Ganzen noch zum Teil sagen, was wir wissen: Schweigen, restrictio late mentalis, amphibolia, Umschreiben,[27] Ablenkung des Gesprächsgegenstandes beziehungsweise zum Schluss das falsiloquium, das heisst die der Wahrheit nicht entsprechende Rede in dem Falle, dass sich die vorherigen als ungenügend beweisen, um die Wahrheit auf gerechte Weise zu verhüllen, auch im Interesse des Mitmenschen, einer Institution, eines Staates oder eines Volkes.
In dieser Studie versuchen wir praktisch den Inhalt des achten Gebotes darzulegen.[28] Als dessen Vorgeschichte haben wir die Grenze zwischen der Aufrichtigkeit und Lüge geklärt. Falls wir diese Grenze berücksichtigen, können wir das Schlechte, das in der Lüge steckt, vermieden. Nach D. Prümmer ist das Lügen nämlich wegen drei Elemente eine sündhafte Sache: a) wegen der Absicht des Sagens der falschen Rede, b) wegen der Mitteilung, die gegensätzlich oder unterschiedlich von dem in
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unserem Inneren verfassenden Urteil oder der Kenntnis ist, c) wegen der Absicht der Irreführung und d) wegen des tatsächlichen Betrugs.[29]
Die Aufrichtigkeit ist die Äusserungsweise der Liebe zur Wahrheit. Einen Wahrheitsliebenden nennen wir "den Menschen, der sich selbst in dem Verkehr mit den anderen in den Worten und Taten so zeigt, wie er ist, und die Tugend, die ihn dazu bereit macht, wird Wahrheitsliebe genannt. Die Wahrheitsliebe ist... also nicht die Übereinstimmung unserer Worte mit dem sachlichen Wesen des Dinges (veritas logica), sondern sie befasst sich mit der Übereinstimmung unserer Worte und Taten mit unserem Denken (veritas moralis)".[30] Nicht nur der Mensch ist aufrichtig, der auf eine bestimmte Frage eine wahre Antwort gibt, sondern auch derjenige, der in seinem Wesen wahr ist, das heisst der entsprechend seiner Weltanschauung handelt, fühlt und will.[31] Wer seinen Prinzipien treu ist.[32] Wenn sich diese Wahrheitsliebe in Worten zeigt, wird Wahrheitssagen (veracitas) genannt, falls wir sie als eine Geistesfähigkeit betrachten, kann sie Einfachheit genannt werden, was die Doppelzüngigkeit aussschliesst.[33] Diese Rechtschaffenheit zeigt sich auch in der Suche nach der Wahrheit sowie in der Bestrebung nach der Objektivität.[34] Natürlich darf die Wahrheit auch nicht immer und für jedermann aufgedeckt werden, sogar für die Betroffenen und Zuständigen muss sie mit Ehre und Taktgefühl, dass heisst mit Liebe dargelegt werden.[35] Die Aufdeckung der Wahrheit beziehungsweise das Recht zur Mitteilung der Wahrheit besteht nicht ohne Voraussetzungen.[36]
Das wird durch die Lüge zerbrochen, hauptsächlich wenn sie zu einem halsstarrigen Verhalten wird. Die Lüge ist in sich selbst ein paradoxes Betragen, denn gerade der Lügner ist es, der die Lüge verurteilt, wenn "er behauptet, dass er das Wahre redet, denn er weiss, dass der Wahrheit eine allgemeine Ehre zuteilkommt, während die Lüge von allen missbilligt wird. Der Lügner ist nicht nur ehrlos, sondern zu gleicher Zeit auch feige".[37] Die Lüge "vermindert den Lebenswert der Wahrheit, zerstört das gesellschaftliche Zusammenleben, verletzt den Mitmenschen, verzerrt die Sprache und schadet dem Menschen selbst".[38]
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Nicht als Lüge werden die Behauptungen in den Märchen und Poesien betrachtet, die nicht der Wahrheit entsprechen. Nicht als Lüge gelten nicht einmal die durch der Anstand geregelten Höflichkeitsformeln. Ebenfalls nicht als Lüge ist die unwahre Rede des Kindes zu betrachten, wenn sie eine unbeholfene Verteidigung gegen die bedrohlichen und unter bestimmten Umständen rechtswidrigen Strafen ist.
Falls wir unsere Sprache so verwenden, dass wir dadurch ein Geheimnis verhüllen, verletzen wir zu gleicher Zeit auch die Tugend des Wahrheitssagens: das ist ein Verrat, eine Indiskretion.
Auch auf eine besondere Weise können wir uns zum Wahrheitssagen und zur Geheimhaltung verpflichten, so durch ein feierliches Versprechen, durch einen Eid oder durch ein Gelübde.[39]
Das werden wir im zweiten Teil ausführlicher erörtern.
Das achte Gebot, das in unseren persönlichen Beziehungen die Verzerrung der Wahrheit verbietet,[40] schützt die Ehre und den guten Ruf des Menschen. Darum verlangt es auf positive Weise das Üben der Tugenden des Wahrheitssagens und der wortbehaltenden Treue, und auf negative Weise verbietet das achte Gebot jede Art der Lüge und Verleumdung, beziehungsweise die üble Nachrede, das verwegene Richten sowie die Verletzung der Verpflichtung zur Geheimhaltung.
Durch die Worte können wir viel Gutes aber auch sehr viel Schlechtes tun, was auch uns selbst verrät, sie vermitteln also nicht nur Gedanken und Gefühle... Der gute Gebrauch der Worte besteht hauptsächlich darin, dass wir wissen, wann, was und wie wir etwas sagen oder gerade ähnlicherweise verschweigen sollen. Der schlechte Gebrauch der Worte wird ausgedrückt: durch das Geschwätze (der Schwätzer), der sich in Dummheiten verwickelt, verletzt das Geheimnis und verekelt sich selbst; durch die Worte des Dummen, des falschen Freundes, der Denunzianten und der bösen Menschen wird sehr viel geschadet. Gefährlich sind die Lästerungen, die unmoralischen Worte, die falschen Eide, die Pseudowissenschaften und der Aberglaube.[41]
Von der richtigen Bestimmung des Begriffes der Lüge können wir die wahre Lösung der grossen Frage - wie Augustinus sagte - das heisst die des Wahrheitssagens erwarten. In einer ersten Annäherung können wir diesen Begriff so umschreiben, als eine unwahre Rede, die zur Täuschung eines anderen dient, oder als ein unsere Überzeugung falsch ausdrückendes Verhalten.[42] Dementsprechend kann vor allem durch Worte, durch äussere Zeichenlügen wie zum Beispiel durch Winken, Gestikulieren und Mienenspiel, schriftlich, durch unser ganzes äusseres Verhalten
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und Erscheinen gelügt werden. Das wird Heuchelei oder Verstellung genannt. Wenn das unsere ganze Persönlichkeit bestimmt, wird das Doppelzüngigkeit und Hypokrisie (hypocrisis) genannt. Verwandte Fähigkeiten sind die Schmeichelei, Heuchelei, Aufschneiderei und die falsche Bescheidenheit. Dieses unwahre Reden oder Verhalten kann sich auf veschiedene Weisen zeigen, abhängig davon, wo und was es verzerrt: a) wir können etwas als Geschehene sagen was nicht geschehen ist und umgekehrt b) wir können eine unbestimmte Sache als bestimmt behaupten c) wir können etwas so behaupten, was mit unserer Überzeugung übereinstimmt, obwohl wir eine andere Überzeugung haben.
Die Arten der Lüge sind: Einzellüge und Lebenslüge. Die sogenannte Einzellüge ist eine konkrete Tat, ein konkretes Wort. Im engsten Sinne des Wortes ist die Lüge eine wörtliche wahrheitswidrige und täuschende Aussage, wenn das jedoch mit Hilfe von Taten und Gestikulieren vorgeht, wird Heuchelei und Schauspielerei genannt. Die wörtliche Einzellüge kann sein: a) eine sogenannte schädliche Lüge (mendatium damnosum seu perniciosum): falls sie als einen ausgedrückten oder miteingeschlossenen Zweck die Beschädigung von anderen hat, b) eine Notlüge (mendatium officiosum): wenn wir dadurch unser Wohl und das von den anderen schützen wollen und c) eine scherzhafte Lüge (mendatium iocosum): wenn wir damit andere unterhalten wollen. Die Lebenslüge bedeutet, dass sich die Heuchelei auf das ganze Leben der Person oder der Gruppe verbreitet, also einer sieht sein Leben und seine Fähigkeiten auf eine selbsttäuschende Weise anders als es und als er in Wirklichkeit ist, und er will diese Selbsttäuschung nicht zur Kenntnis nehmen. So können sich selbst sogar Zeitalter und Generationen betrügen. Die Hauptausdrucksweisen der Lebenslüge sind die Schmeichelei, Scheinheiligkeit, Aufschneiderei und die übertriebene Bescheidenheit. Die Heilige Schrift nennt sie Heuchelei.
Die qualifizierten Fälle der Lüge sind das falsche Zeugnis und der Meineid, denn "diese Handlungsweisen tragen dazu bei, dass Unschuldige verurteilt oder Schuldige entlastet werden oder die Strafe, welche der Angeklagte verfällt, verschärft wird. So beeinträchtigen diese Handlungsweisen schwerwiegend das Rechtswesen und die Gerechtigkeit des von den Richtern gefällten Urteils".[43]
Die Aussage der nicht erlaubten Unwahrhaftigkeit das heisst die Lüge ist in sich selbst eine schlechte Tat, also sie ist ihrer Natur nach moralisch schlecht, das heisst eine Sünde. Bezüglich ihres Gegenstandes ist sie eine Sünde gegen das Wahrheitssagen und die menschliche Würde, sie ist also eine gelegentliche Verdrehung der Wahrheit: in sich genommen ist die Lüge eine lässliche Sünde. Deshalb ist die sogenannte Notlüge in sich genommen eine lässliche Sünde; aber auf indirekte Weise, wenn sie bei den anderen einen grossen Skandal bereitet, wird sie infolge dieses Umstandes
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zu einer schweren Sünde. Die schädliche Lüge ist jedoch nach ihrer Art eine schwere Sünde, gerade wegen der mit ihm zusammenhängenden schadenverursachenden Absicht und der Folge. Auch die Lebenslüge, das heisst die Heuchelei wird zur schweren Sünde, wenn sie mit der Verachtung der Lebensheiligkeit verbunden ist, das heisst wenn einer in der Sünde verbleiben will und zur gleichen Zeit in der Maske der Heiligkeit leben möchte. Die Zurschaustellung und die Grosstuerei, beziehungsweise auch die übertriebene Bescheidenheit sind in sich genommen lässliche Sünden, wenn die böse Irreführung von anderen nicht mit ihnen verbunden ist. Der Lügner betrügt nicht nur die anderen sondern auch sich selbst.
Wir sind nicht verpflichtet, alle unseren Kenntnisse den anderen zur Kenntnis zu bringen, denn wenn wir alles verschwätzen, können wir eine grosse Indiskretion verursachen, verletzend dabei die Würde und Intimsphäre der anderen. Die Aufrichtigkeit ist also nicht immer eine Tugend. Die einfachste Art und Weise, die Wahrheit zu verbergen und nicht auszudrücken, ist die Verschwiegenheit. Aber auch das Schweigen kann in einer bestimmten Situation so scheinen, als ob es ein Zeichen des Einverständnisses wäre. Darum wenn wir das Geheimnis mit dem Schweigen nicht halten können, müssen wir eine ausweichende Antwort geben, das heisst wir können die restrictio late mentalis verwenden. Wer zur Geheimhaltung verpflichtet ist, muss diese Technik in Anspruch nehmen, wenn eine unzuständige Person von ihm Informationen einholen würde. Dementsprechend "kann der Beichtvater, wenn er befragt werden würde, beziehungsweise an ihn eine solche Frage gerichtet würde, ob er als Beichtvater von einem bestimmten Bekenntnis Bescheid wissen kann, ruhig antworten, dass er davon nichts weiss (obwohl das Gegenteil zutrifft), denn jeder muss wissen, dass der Priester von den Angelegenheiten, die zu den Beichtsgeheimnissen gehören, unter keinen Umständen etwas äussern darf. Darum lügt er also auch nicht, denn der Sinn seiner Worte kann nur das sein: ich weiss von den Angelegenheiten, die zu den Beichtsgeheimnissen gehören, für niemanden Bescheid, deshalb kann ich mich auch nicht äussern. Diejenigen, die zur Haltung von Amtsgeheimnissen verpflichtet sind, zum Beispiel Amtsvorgesetzten, Sekretäre, Ärzte, Advokate, dürfen bei nicht verratbaren Angelegenheiten, obwohl sie den Sachverhalt kennen, auf die gestellten Fragen eine verneinde Antwort geben, weil die Antwort auch hier so verstanden werden muss: für dich weiss ich dies oder das nicht, beziehungsweise kann ich mich dir gegenüber darüber nicht äussern".[44]
Die Kommunikation der Menschen das heisst die Verhüllung oder Verbergung der Wahrheit (des Geheimnisses) wird also durch zwei Tugenden geleitet: einerseits durch die Tugend des Wahrheitssagens andererseits durch die Tugend der Diskretion das heisst des Taktgefühls.[45]
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Der Ruhm (fama) kann als eine gute oder schlechte Meinung über die Persönlichkeit und die Eigenschaften des Menschen beschrieben werden, kurz gesagt über seinen Charakter, über seine beruflichen Qualitäten und Gewohnheiten, die in aller Munde sind. In der ungarischen Sprache wird darunter nicht die Meinung über die moralischen guten Eigenschaften verstanden, sondern eher die Anerkennung der anderen natürlichen oder erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten.
Das Wort Ehrlichkeit (honor) hat mehrere Bedeutungen. Vor allem wird darunter die von Gott erhaltene menschliche Würde als ein seit immer gegebener aber verschwendbarer Wert verstanden, dann "die erworbenen Tugenden des Menschen, seine Prinzipientreue, sein Charakter, im allgemeinen der Inbegriff seiner sich auf die Moral beziehenden Güter und Leistungen, das in uns getragene moralische Kapital das heisst die innere Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit, die die Grundlage jeder Achtung, Ehre beziehungsweise jeder gebührenden Verehrung bildet. Im engsten Sinne des Wortes nennen wir Ehre die von Aussen her gebührende Achtung, die in den verschiedenen Zeichen der Verehrung und Ehre zum Ausdruck kommt, darum kann sie kurz eine gebührende Verehrung und äussere Achtung betrachtet werden (äussere Ehre). Ehre nennt man im weiteren die auf der öffentlichen Meinung und Auffassung beruhende Verehrung beziehungsweise ihre im weiten Sinne genommene Ausdrucksweise. In diesem Sinne kommt sie fast dem Begriff des guten Rufes gleich. [...] Wir haben zur durch unser moralisches Verhalten und unsere bestrebende Arbeit errungenen Ehre ein im engen Sinne des Wortes genommenes Recht, und wenn einer sie rechtswidrig verletzt, muss er das Unrecht wiedergutmachen".[46] Es muss bemerkt werden, dass die Ehre und der gute Ruf in den Gesellschaften in gutem moralischem Zustand eine äusserst grosse Rolle spielen, weil sie die gesunde Selbstschätzung und die schöpferische Lust des Menschen steigern und für ihn die Pforten des gesellschaftlichen Lebens öffnen sowie in den Schwierigkeiten des Lebens Schutz bieten.
Sogar dem auf falschen Gründen beruhenden guten Ruf kommt Schutz unter bestimmten Grenzen zu, je nachdem was der richtige Dienst am Allgemeinwohl und am persönlichen Wohl verlangt. Das Verlieren des Ruhmes und der Ehre verursacht eine grosse Mangel an Vertrauen, wodurch die Kommunikation schwieriger wird. Sogar persönlich kann der sich erhaltene Ruf viel bedeuten: die Bekehrung kann unter dem Schutz von ihm leichter sein; wenn aber einer um die Ehre drastisch gebracht wird, wird die Hauptfolge ein grosses Verlieren des Selbstvertrauens sein, was zu einem Motiv von einem neuen Fall werden kann, beziehungsweise der induzierende Trotz kann den Menschen bewegen, irrationelle Schritte zu tun. Daraus ergibt sich die Folge, dass nicht einmal die sich nicht auf festen Gründen basierende Ehre ohne
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einen schweren Grund zerstört werden kann,[47] aber wenn das trotzdem getan wird, wird es eine moralische Bewertung als schwerer Sünde zur Folge haben.
Nicht nur eine natürliche sondern auch eine rechtliche Person oder Institution kann über einen guten Rufen verfügen, und sie können darauf mit Recht Anspruch erheben. Sogar die Toten besitzen dieses Recht, weil die unsterbliche Seele weiterlebt. Der Verstoss gegen den guten Ruf der Toten ist zur gleichen Zeit natürlich eine kleinere Sünde als der Verstoss gegen den guten Ruf der Lebenden, weil ihn die Toten hier auf der Erde nicht so sehr brauchen wie die noch Lebenden.
Wir können niemanden übertrieben verehren, aber wir können einen auf falsche Weise verehren, und auch hier kann das per excessum oder per defectum passieren. Es ist eine Übertreibung, jemanden zu sehr loben, zu schmeicheln oder ohne Verdienst zu lohnen.[48] Zur mangelhaften Ehre gehört die üble Nachrede und die Verleumdung. Die Verachtung stellt einen vollkommenen Mangel an Ehre da.[49]
Die Sünden gegen die Tugenden der Rechtschaffenheit und des Wahrheitssagens sind die üble Nachrede (detractio) und die Verleumdung (calumnia), die sich als am Ruf und an der Ehre verursachten Schäden zeigen.[50]
Üble Nachrede wird das Schlechtmachen der Fehler und der verursachten sündhaften Taten unseres Mitmenschen genannt, das in seiner Abwesenheit und ohne Gründe vorgeht. In diesem Falle sind die Worte zwar wahr, bekommt die Ehre des Betroffenen jedoch durch die Erwähnung des Ereignisses oder des Fehlers wiederholt einen Mackel, sein guter Ruf wird also dadurch vermindert. Das ist eine unwahre Rede, keine Lüge, sie hat jedoch etwas Irreführendes, das heisst sie kommt mit der Lüge in Verwandtschaft.
Die Verleumdung dagegen ist in ähnlicher Situation das Ausplaudern von nicht wahren Fehlern und von nicht vergangenen Sünden. Deshalb ist das auch eine Lüge. Beides kann unmittelbar oder auf direkte Weise passieren; manchmal ist das letztere, also der ahnen lassende Fehler nocht schädlicher, denn das untergrabt die Ehre und
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den guten Ruf der Betroffenen heimtückisch, steigert damit das für ihn gehegte Misstrauen.
Diese Sünden sind nach ihrer Art schwere Sünden, sie lässt jedoch eine geringfügige Materie zu, sie können also faktisch nur lässliche Sünden sein. Sie sind Sünden gegen die Tugenden der Gerechtigkeit und der Liebe.[51] Einerseits, denn sie verstossen gegen das wertvolle Recht, den guten Ruf und die Ehre des Menschen, andererseits, denn sie verhindern oder mindestens erschwerend die Möglichkeit der Besserung und der Bekehrung. Besonders die ränkesüchtige üble Nachrede und das Getuschel (susurrus) sind schädlich,[52] die das Misstrauen erwecken und wach halten, was die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Freundschaften zerstören kann.
Wenn das Mass der üblen Nachrede und der Verleumdung auf konkrete Weise beurteilt werden muss, soll das Mass der üblen Nachrede und der Verleumdung, die Persönlichkeit und das gesellschaftliche Gewicht der beleidigenden und der beleidigten Parteien beziehungsweise die auf die Umgebung ausgeübte Wirkung der sündhaften Handlung berücksichtigt werden. So das grundlose Ausplaudern oder noch mehr das Erfinden einer schweren Sünde ist in sich genommen eine schwere Sünde. Dem sich auf das moralische Leben und auf den Charakter beziehenden üblen Nachreden kommt ein schwerwiegendes Urteil zu, als dem Erwähnen von körperlichen oder geistigen Fehlern (eine schwere Sünde gegen die Liebe kann das grundlose Erwähnen der Mangelhaftigkeiten der anderen ohne ihren eigenen Fehler sein). Das Ausplaudern der sogenannten naturgegebenen Neigungen gilt in sich genommen nicht als eine schwere Sünde, weil sie Gegebenheiten ausdrücken, sie sind also nicht völlig zuzurechnen, beziehungsweise weil sie meistens allgemein bekannt sind, zum Beispiel das Gegreine, die Faulheit, Geizigkeit usw.
Schwer sündhafte üble Nachreden enthalten die Ausdrücke allgemeinen Charakters, die schlechte Fähigkeiten bezeichnen, z. B. ein ungerechter, ehebrecherischer usw. Mensch. Ebenfalls eine schwere Sünde ist es, wenn einer schwer anklagende Worte weitergibt, denen die Zuhörer Glauben schenken. Das Erzählen der Sachen bezüglich der schon allgemein bekannten sündhaften Handlung gilt in sich als keine schwere Sünde. Die Sünde der üblen Nachrede begeht auch die Person, die solche Sünden erwähnt, die der Betroffene schon wiedergutgemacht hat, sogar in dem Fall, wenn er die Wiedergutmachung erwähnt, weil das Erwähnen der Wiedergutmachung die Gefahr der Beeinträchtigung des guten Rufes nicht ausgleicht. Das Erwähnen der allgemein bekannten Fehler von Völkern, da sie allgemein bekannt sind, gilt nicht als üble Nachrede, hier muss jedoch ein Unterschied gemacht werden, dass das Mitglied eines bestimmten Volkes mit dem Volk selbst und mit dem Fehler nicht ohne weiteres identifiziert werden kann. Die Schwere der üblen Nachrede hängt auch davon ab, welche Position die beleidigte Partei in der Gesellschaft einnimmt. Die üble Nachrede einer Person höheren Ranges ist eine schwerere Sünde als die eines einfachen Bürgers. Ebenfalls hängt die Schwere der üblen Nachrede auch davon ab,
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was für eine Wirkung sie ausübt, was jedoch davon abhängt, wie die Persönlichkeit dessen, der die üble Nachrede verübt ist, beziehungsweise wie gross die Zahl sowie die Intelligenz der von der Nachricht verständigten Personen ist. Die nachredenden Worte eines ernsten Menschen fallen mehr ins Gewicht, während es gefährlicher ist, jemanden in einer Umgebung nachzureden, in der die Menschen intrigant sind und keine Geheimnisse halten können, als unter diskreten Leuten.
Die nicht allgemein bekannte das heisst praktisch geheime Sünde oder Fehler eines anderen darf nicht ausgeplaudert werden. Diese Regel erlaubt doch eine Ausnahme, da die Regel nur solange verbindlich ist, bis das Halten des Geheimnisses das Allgemeinwohl oder die gerechten Interessen der anderen Schaden bringt. Auch in diesem Fall soll sich jedoch das Aufdecken und Äussern der Sünde ausschliesslich auf das unbedingt Notwendige beschränken, beziehungsweise mit dem geringsten Schaden der betroffenen Person vorgehen, die Sünde selbst so objektiv wie möglich beschreibend (also nicht vergrössend, nicht vermindernd, nicht falsch eingestellt, denn so würde das auch Verleumdung sein).
Ferner ist es nicht erlaubt, eine heimliche strafbare Handlung vor den Unzuständigen aufzudecken, zu deren Kenntnis einer auf eine ungerechte Art und Weise gelangen ist. Über die durch den richterlichen Urteil öffentlich gewordene Straftat darf gesprochen werden, weil die betroffene Person in diesem Fall bei der bestimmten Angelegenheit den guten Ruf und das ihn schützende Recht gerade verloren hat. Wenn jedoch der Verurteilte seine Sünde wiedergutgemacht hat, wird ihre Wiedererweckung durch die Gerechtigkeit zwar nicht aber durch die Liebe schon verboten. In dem Fall aber, wenn ein Verbrechen schon in Vergessenheit geraten ist, und der Begehende seine Straftat schon wiedergutgemacht hat, verstösst gegen die Gerechtigkeit auch derjenige, der sie wiederaufdeckt, weil der Betroffene das Recht zum guten Ruf durch die Wiedergutmachung schon zurückerworben hat (mindestens bezüglich der gegebenen Sache).
Für die Aufdeckung der strafbaren Handlungen sind die Gründe die folgenden: "1) der Schutz von wichtigen, zum Beispiel von religiösen Gütern; darum dürfen sogar sollen dem Bischof die Fehler des zu weihenden Priesters gesagt werden, wenn es durch deren Verleugnen oder Verschweigen für die Kirche schädliche Folgen gegeben würden; 2) eine aktuelle Verpflichtung, wenn zum Beispiel einer seine Vorgesetzten über die Fehler der Untertanen amtlich informieren soll. 3) eine aus der Liebe kommende Verpflichtung, zum Beispiel wenn verborgene Fehler im Interesse der schuldigen Partei, der anderen oder des Allgemeingutes aufgedeckt werden sollen, denn anders kann dem Übel nicht geholfen werden. Die Vergehen des Kindes dürfen also vor den Eltern aufgedeckt werden, damit es auf den rechten Weg geführt werden kann. Die Fehler dürfen auch aus Menschenliebe aufgedeckt werden, wenn das vor solchen Menschen stattfindet, die ihren verirrten Mitmenschen helfen können, und es keine geeignetere Weise gibt zu helfen; es ist erlaubt, die Fehler der anderen zu sagen, damit man Rat oder Trost geben kann; die falsch angeklagte Partei darf sich verteidigen, indem er die Bosheiten der falsch anklagenden Partei aufdeckt, um die Glaubwürdigkeit des letzteren bezweifeln zu lassen oder sogar zu zerstören. Es ist erlaubt, andere aufmerksam zu machen, dass sie die Gesellschaft von bestimmten Menschen vermeiden; es ist erlaubt, auf die Erkundigung von anderen
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Auskunft über Diener, Erzieher, über den zukünftigen Ehepartner zu geben, damit wir dem Wohl der anderen dienen können". [53]
Wir wissen, dass die Presse heutzutage bei dem Informieren, bei der Gestaltung des allgemeines Bewusstseins und beim Behalten der Tugend des Wahrheitssagens eine grosse Rolle spielt. Um diesen Dienst fachgemäss zu verrichten, "darf die Presse über die Tauglichkeit oder Untauglichkeit derjenigen, die sich nach den Berufen im öffentlichen Leben streben, Kritik ausüben und Meinung äussern, aber es ist nicht die geeignete Art und Weise, solche Fehler und Mangeln zu zerlegen, deren Erwähnen nicht dem Allgemeingut dient, sondern eher Störungen hervorruft und jeder Grundlage entbehrenden Kampf sowie Hass anstiftet. Es kann schädlich und oft beinahe von vergiftender Wirkung sein, wenn jeder winzige Nebenumstand von Verbrechen ausgemalt wird, der jedoch keine Öffentlichkeit verlangt und bezüglich des Allgemeingutes gar nicht notwendig ist; all das verleitet einen zur Sünde und legt die Moral des Menschen lahm. Im allgemeinen macht einen das ständige Ausplaudern des Bösen, Schlechten und des moralischen Schmutzes eher oberflächlich, es zieht den Menschen zum Bösen, in den Abgrund, anstatt ihn zu reinigen und hervorzuheben. Wie die jedes positiven Gedankens entbehrende, nur negative und alles nur herunterreissende Kritik führt im allgemeinen zur Demagogie, zum Hervorrufen von Störungen und zur Verhinderung einer ernsten bauenden Arbeit, so übt auch das fortwährende Schlammwerfen im öffentlichen Leben eher eine beschmutzende als eine reinigende Wirkung aus".[54] Ähnlicherweise objektiv sollen die Fachleute der Geschichtsschreibung sein.
Die Teilnahme an der üblen Nachrede: Ihre Arten sind die folgenden: 1) einer einen anderen zur üblen Nachrede veranlasst, 2) einer hört der nachredende Rede eines anderen absichtlich zu, 3) einer hat die Gelegenheit, die nachredende Rede zu verhindern, aber er tut das nicht. Damit verstösst auch der Teilnehmende gegen die Tugenden der Gerechtigkeit und der Liebe, und zwar weil er zum Hervorrufer der üblen Nachrede wird und auf irgendeine Weise ist er damit einverstanden, beziehungsweise verleitet seinen Mitmenschen zum Bösen, sogar er freut sich über den Schaden seines Mitmenschen. Die Pflicht der Verhinderung der üblen Nachrede verpflichtet einen in sich genommen bei schwerer Sünde, in den meisten Fällen wird sie doch zur lässlichen Sünde, oder der Betroffene wird der Anklage der Sünde enthoben, denn es kommen oft solche Situationen vor, bei denen sich der übel Nachredner über die Fehler der anderen mit Recht beschwert, oder wenn wegen der Zurechtweisung des übel Nachredners (zum Beispiel der eben unser Vorgesetzter ist) noch mehr Schäden entstehen würden. Immerhin müssen wir auch in solchen Fällen mit einer Missfallenäusserung reagieren: unsere Uninteressiertheit wird durch unsere Mimik, vielleicht durch unser ganzes Verhalten gezeigt und dadurch, dass wir das Thema des Gesprächs ablenken oder uns auf den Weg machen.
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Der verletzte gute Ruf und die verletzte Ehre muss im Verhältnis zur Stufe der Beleidigung wiedergutgemacht werden, obwohl die durch die üble Nachrede, Verleumdung und durch das Geflüster verursachten Schäden in den meisten Fällen nicht wiederzumachen sind.[55] Da die üble Nachrede in sich eine wahre Sache behauptel oder eine versteckte Sünde ungerecht aufdeckt, kann sie darum nicht sozusagen zurückgenommen werden, denn das wäre schon eine Lüge. Deshalb besteht die Möglichkeit der Wiedergutmachung darin, dass der übel Sagende in dem Kreise, in dem die üble Nachrede stattgefunden war, äussert, dass er ungerecht vorgegangen ist, den guten Ruf der anderen verletzt hat, und um Entschuldigung bittet. Der durch die üble Nachrede verursachte Schaden kann schwieriger wiedergutgemacht werden als der durch die Verleumdung verursachte Schaden, darum ist die üble Nachrede in bestimmter Hinsicht eine gefährlichere Sünde als die Verleumdung. Der Verleumde] ist jedoch verpflichtet, seine lügnerischen Behauptungen gleichfalls vor all denjenigen zurückzunehmen, vor denen er sie gemacht hat. Er muss die Verleumdung sogar auf eine solche Weise zurücknehmen, wie er sie gemacht hat.
Die Würde der menschlichen Person, das heisst die Ehre und die gebührende Verehrung kann auch auf andere Weise verletzt werden (nicht nur durch üble Nachrede oder Verleumdung), nämlich durch verwegenes Richten, durch Schmähung und Lästerung.
Diese Beleidigung kann einerseits bloss innerlich vorgehen, das heisst so, dass wir von einem Menschen übel denken, gegen ihn Verdacht hegen, sein Wesen beurteilen, andererseits durch äusserliche Äusserungen, sowohl mit Worten als auch mit unserem Verhalten: durch Schmähung, durch drohendes oder verachtendes Betragen.
Das verwegene Richten kann so bestimmt werden, dass wir die Schuldigkeit eines anderen unbegründet behaupten und ohne einen rechten Grund sicher nehmen. Das verwegene Richten ist eher ein Ende von solchen Erwägungen, deren Namen sind: das Zweifeln an der Ehre eines anderen, der zum Akzeptieren des Bösen neigende Argwohn, das Meinung ausdrückende Richten. Es ist für sie charakteristisch, dass diese seelischen Vorgänge jeder erforderlichen Grundlage entbehren. Das verwegene Richten und seine Vorgeschichte hat mehrere Gründe, so kann dafür ein Grund die Bosheit des Richtenden sein, der das Böse auch dem anderen zumutet, es ist ja auch bei ihm selbst tätig; andere Gründe für das verwegene Richten können der Hass, Neid, die Wut usw. sein.
Das verwegene Richten ist nach seiner Art eine schwere Sünde gegen die Gerechtigkeit, und in einer Äusserung von schwerer Natur zur gleichen Zeit auch eine schwere Sünde. Es wird schwer in den folgenden Fällen: 1) wenn das Urteil vollkommen überlegt und entschieden ist (er kommt also nicht aus Unbedachtheit, Übereile oder Leichtsinnigkeit), 2) die Gründe und Umstände, auf denen das Urteil
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beruht, sehr schwach sind (es gibt dafür also keinen genügenden und entsprechenden Grund) und 3) wenn das Richten in einem schwer lästigenden Material vorgeht. Zum Beispiel wenn ein ausgezeichneter Fachmann ohne Grund für einen schlechten Fachmann gehalten wird. Natürlich ist die Ehre oder der gute Ruf, die dem anderen zugemutet wirdwerden, eine Art Vermutung, sie kann also mit Fakten widerlegt werden. Aber einem unbekannten Menschen gebührt die Höflichkeit als Ausdruck einer vorschussweisen Ehre. Wenn wir den Menschen schon kennengelernt haben, wird sich unser, die Person des anderen anerkennendes und schätzendes Verhalten in der tatsächlichen Ehre zeigen. Denn zur Achtung und Ehre hat ein jeder das Recht, bis wir von seiner Unwürdigkeit Gewissheit verschaffen. Unser Verhalten gegenüber einem unbekannten Menschen muss einerseits so sein, dass wir ihm das Böse nicht zumuten, andererseits brauchen wir ausgesprochen nicht einmal das Gute für sehr sicher zu halten, sondern nur wenn wir wir eine moralische Gewissheit erhalten haben. Wir müssen also vorsichtig sein, nur wenn wir verdächtige Zeichen haben, ist es uns erlaubt, unsere Mitmenschen auf die Probe zu stellen, damit wir uns über ihre Ehre und Zuverlässigkeit Gewissheit verschaffen können. Das gilt weder als verwegenes Richten noch als vermessener Argwohn.[56]
Während die üble Nachrede dem Stehlen ähnlich ist, also der Besitzer befindet sich nicht in der Nähe, ähnelt sich die Lästerung dem Räuben, weil sie vor den Augen des Besitzers und durch eine Gewalttätigkeit gegen ihn vorgeht. Die Schmähung und die Lästerung (contumelia) ist ebenfalls ein Verstoss gegen die unserem Mitmenschen gebührende Ehre und Schätzung. Die Äusserungen dieser Ehre sind: die anerkennenden und lobenden Worte, die Danksagung, Verbeugung, die verschiedenen Zeichen der Höflichkeit, die Auszeichnung, das Errichten eines Denkmals usw.
Diese Ehrenerweisung wird durch die Schmähung und Lästerung schwer verletzt, die unterschiedliche Facetten haben: so die eigenartigen Formen der Unehrerbietigkeit, der Kränkung, der Beleidigung, der Lästerung und der Verachtung; ihre spezifischen Formen sind: a) durch Worte: 1. durch Schelte, wenn jemandem eine wahre oder erfundene Sünde vorgeworfen wird (convicium). 2. durch Vorwürfe (improperium), wenn jemandem die Unbeholfenheit oder die Fehler respektlos vorgeworfen werden. 3. durch Fluchen, (maledictio), wenn jemandem etwas Schlechtes gewünscht wird. b) durch Taten und Worte: 1. durch Auslachen (ironia), wenn jemand durch Lachen verachtet wird. 2. durch das Lächerlichmachen das heisst durch die Verspottung (irrisio, illusio), wenn jemand durch Betrügen oder Überlisten zum allgemeinen Gespött gemacht wird. 3. durch das Lustigmachen oder durch die Verhöhnung (subsannatio), wenn einer durch spöttische Gesten lächerlich gemacht wird. Und
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4. durch Spottschrift (libellus famosus), wenn der Charakter und die einzelnen Eigenschaften des Menschen zum allgemeinen Gelächter gemacht wird.[57]
Die Schmähung ist "die Beleidigung und Verachtung einer anwesenden Person. Sie kann durch das beleidigende Verleugnen der Ehre vorgehen, zum Beispiel wenn einer dem anderen nicht die Hand drückt, obwohl der erste das mit den anderen Anwesenden tut, oder wenn einer den Gruss eines anderen nicht entgegennimmt, obwohl das die Beleidigung des anderen bedeutet; ferner kann die Schmähung durch einen verachtungsvollen und spöttischen Blick, durch Missachtung, durch geringschätzige Handbewegung, durch verachtungsvolle Erwähnung der Fehler von anderen oder durch Tiernamen sowie Beiworten, die jegliche menschliche Bosheit und Hässlichkeit ausdrücken. Schmähen kann man schriftlich, mit Zeichnungen, beleidigenden Karikaturen, mit dem Durchstechen und Verbrennen der die Person darstellenden Bilder, mit der Verstümmelung von Statuen usw., aber auf solche Weise, dass die betroffene Person davon Bescheid wissen kann. Dieses Bekanntgeben ist das Ziel und ein wesentliches Element der Schmähung, gegenüber der üblen Nachrede und der Verleumdung, die hinter dem Rücken der betroffenen Person vorgehen. Falls die Schmähung vor der anderen geschieht, kommt dazu noch die üble Nachrede, beziehungsweise im Falle von einem lügnerischen Angriff auch die Bosheit der Verleumdung, denn dadurch erleiden auch die Ehre und der gute Ruf der Beleidigten Schaden. Diese Art der Schmähung wird im allgemeinen Ehrenbeleidigung genannt".[58]
Die Schmähung oder ihre schwerere Form, die Lästerimg ist nach ihrer Art eine schwere Sünde gegen die Tugend der Gerechtigkeit (und natürlich auch gegen die Würde der Person), die eine parvitas materiae erlaubt. Ebenfalls zu ihrer Gewichtigkeit gehört das Bewussheit und die Absichtlichkeit. Die Schmähung und Lästerung gelten nicht als eine schwere Sünde, wenn sie im Jähzorn begangen werden, wenn sie als witzige Bemerkungen gedacht sind, in ihnen gibt es also keine verachtende Absicht.
Diese Sünde soll wiedergutgemacht werden, und die allgemeingeltende Form dafür ist die Entschuldigung, das Abbitten der beleidigten Partei. Die Beleidigung soll ferner "vor denen wiedergutgemacht werden, vor denen die Schmähung vorgegangen ist, mindestens so, dass sie von der Wiedergutmachung Bescheid wissen können. Wenn die Beleidigung öffentlich geschehen ist, muss auch die Wiedergutmachung in ähnlicher Weise geschehen".[59] Die Wiedergutmachung kann erlassen werden, sie muss jedoch manchmal trotzdem verlangt werden, "zum Beispiel damit die Tollkühnheit von anderen gebrochen werden kann, wenn sie die Geduld als Schwachheit auffassen würden oder wenn die Beleidigung zur Entartung der Autorität würde. Das Abbitten
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den anderen beziehungsweise die Entschuldigung ist im allgemeinen zur Versöhnung von allerlei Beleidigung genügend; falls sie jedoch nicht genügend wäre, kann man beim Gericht eine weiteres Rechtsmittel ergreifen. Die Verletzung und Beleidigung kann weder mit Geld noch durch Duell wiedergutgemacht werden; das Gericht kann jedoch den Ehrenbeleidigenden mit Geldstrafe belegen".[60]
Zum Schluss bemerken wir, dass wir die unsere Person betreffende üble Nachrede, Verleumdung und Lästerung mit Geduld ertragen müssen, wir das Bedürfnis nach Rache unterdrücken sollen. unterdrückend die in uns entstehende Rachgier. Wir müssen die erforderliche Mässigung bewahren und klug entscheiden, was, wie, wann und vor wem wir auf diese Angriffe antworten.[61]
Wie schon oben analysiert worden ist, steht die Tugend des Wahrheitssagens mit der Verpflichtung zur Geheimhaltung in engem Zusammenhang. Das Geheimnis wird im allgemeinen so bestimmt, dass es eine vor der Öffentlichkeit verborgene Sache und Angelegenheit ist, sowie dass es ein Nichtaufdecken von Dingen und Tatsachen ist oder eine Kenntnis, die vor den anderen nicht aufgedeckt werden kann.
Die Arten der Geheimnisse sind die folgenden: Es gibt Dinge, die nach ihrer Art verborgen sind, darum können sie nicht an die Öffentlichkeit gebracht werden. Dazu gehören die inneren Sachen sowie die körperlichen und seelischen Probleme des Menschen, die der Mensch verheimlicht und auch von denjenigen erwartet, die Bescheid wissen, dass sie diese Sachen und Probleme geheim halten. Diese sind die sogenannten natürlichen Geheimnisse (secreta naturalia). Andere Dinge werden dadurch Geheimnisse, dass manche Versprechen machen, dass sie die Geheimnisse nicht enthüllen (entweder schon bekannte oder neulich bekannte Sachen). Diese sind die sogenannten auf Versprechen beruhenden Geheimnisse (secreta promissa). Es kann auch vorkommen, dass einer durch den Beruf oder durch das Amt in den Besitz von bestimmten Kenntnissen gelangt, so dass er dementspechend eine Verpflichtung zur Geheimhaltung hat. Das ist das Amtsgeheimnis (secreta commissa). Das kann auch von privatem Charakter sein, wenn jemand die Wahrung der Geheimnisse im Auftrag eines anderen übernimmt, das heisst er nimmt eine Verpflichtung auf sich, sie zu halten. Zum Schluss gibt es auch das sakramentale Geheimnis (secretum sacramentale seu sigillum sacramentale), das unten ausführlich erörtert wird.[62]
Die Tugend der Geheimhaltung ist eine äusserst wichtige Tatsache, damit der Frieden zwischen der Gesellschaft und den Menschen sowie in den Familien durchgesetzt werden kann. Darum "hat ein jeder ein Recht auf seine eigenen Geheimnissen, denn sie sind einerseits die Früchte seiner eigenen Tätigkeit, zum Beispiel seine Gedanken, Pläne und Erfindungen, andererseits mit dem Recht zum
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guten Ruf, denn durch die Enthüllung der Geheimnisse könnte sein guter Ruf eventuell Schaden erleiden, und auch darum, weil die Verschwiegenheit oft das Allgemeingut und der Friede verlangen. Deshalb ist es im allgemeinen verboten: 1. nach den Geheimnissen von anderen suchen, ausgenommen, wenn einer dazu eine Bevollmächtigung hat oder das durch einen gerechten Grund erfordert wird; darum ist es nicht erlaubt, das heimliche Gespräch eines anderen abzuhören, seinen Brief zu lesen, den anderen zum Ausplaudern der Geheimnisse zu zwingensich auf verbotene Weise Kenntnis über die Erfindung des anderen zu verschaffendie Erfindung des anderen auf eine verbotene Weise zu verschaffen; 2. das Geheimnis an die Öffentlichkeit zu bringen; 3. das wiederrechtlich erworbene Geheimnis eines anderen zu benutzen, denn das ist eigentlich die Fortsetzung der Ungerechtigkeit; nicht einmal das im Auftrag eines anderen übernommene Geheimnis dürfen wir zu unserem Wohl oder zugunsten der anderen verwenden, wenn wir dazu keine besondere Bevollmächtigung erhalten haben. Es ist jedoch erlaubt, das durch gerechte Mittel verschaffene Geheimnis eines anderen zu benutzen, denn so, wenn es kein Geheimnis mehr gibt, erlischt auch seine verpflichtende Kraft".[63] Die Bewahrung der von Natur aus geheinmen Angelegenheiten ist im allgemeinen eine schwere Pflicht, ihr Verstoss bringt oft Rufmord und schwere materielle Schäden mit sich. Die Enthüllung des Geheimnisses wird in dem Falle erlaubt, wenn es ohne einen schweren Nachteil oder Schaden nicht bewahrt werden kann. Was die auf Versprechen beruhende Verpflichtung zur Geheimhaltung betrifft, gilt dessen Enthüllung als keine schwere Sünde. Der Grund dafür ist, dass man in einem solchen Fall keine im engen Sinne des Wortes genommene Verpflichtung übernimmt, sondern man hat eher eine Art Beruhigung und Hoffnung, dass man sein Versprechen nicht verletzt. Hier besteht die Verpflichtung im Sinne der Tugend der Treue, deren Verstoss die Untreue aber nicht die im engen Sinne genommene Ungerechtigkeit ist (Wenn das auf dem Versprechen beruhende Geheimnis auch ein natürliches Geheimnis enthielte, würde sich darauf die strenge, auf Gerechtigkeit basierende Verpflichtung beziehen.). Zum Halten des bloss auf Versprechen beruhenden Geheimnisses sind wir in den folgenden Fällen nicht verpflichtet: 1. wenn wir oder die anderen wegen der Verschweigung schwere Schäden erleiden würden (ausgenommen, wenn wir versprochen haben, auch das zu übernehmen). 2. wenn wir das Geheimnis auf jeden Fall hätten enthüllen müssen (wir können keine Verpflichtung übernehmen, ein solches Geheimnis zu halten, dessen Enthüllung sowieso unsere Pflicht ist).
Die Wahrung des uns anvertrauten Geheimnisses ist in sich genommen eine schwere Pflicht. Diese Pflicht erlischt jedoch, falls uns der Mitteiler des Geheimnisses bevollmächtigt, wenn er schon durch einen anderen Weg in dessen Besitz gelangen ist. Die Enthüllung des uns anvertrauten Geheimnisses wird erlaubt, wenn 1. das die Kirche und das Wohl der Heimat verlangt (bonum commune), 2. wenn der Übergeber, Übernehmer oder eine aussenstehende unschuldige Person durch das Nichtenthüllen des Geheimnisses schwere Schäden erleiden würde (bonum tertiae
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personae). Wenn also "wir von jemandem bei Geheimhaltung wissen, dass er ungeachtet eines lösenden Hindernisses eine Ehe schliessen will, wenn er von seiner Absicht durch keinen anderen Weg abgebracht werden kann, kann und muss er bei der zuständigen kirchlichen Behörde angezeigt werden. Wenn jemand einem anderen bei Geheimhaltung sagt, dass er einen Mord begangen hat, und der Verdacht auf denjenigen gelenkt wird, dem er den Mord unter Verpflichtung der Geheimhaltung mitgeteilt hat, wenn es keinen anderen Weg gibt, darf der Verdächtigte den Mörder sogar in dem Falle enthüllen, wenn das zur Folge hat, dass der Mörder hingerichtet wird. Denn auf Kosten eines so grossen Opfers sind wir nicht verpflichtet, das Geheimnis zu übernehmen und zu halten. Wenn jemand unter Verpflichtung der Geheimhaltung von der das Geheimnis mitteilenden Partei erfährt, dass er einen unschuldigen Menschen ermordern will, nicht nur darf sondern muss er auch das Geheimnis in einem solchen Masse aufdecken, dass er diese drohenden Gefahr von seinem unschuldigen Mitmenschen abwendet, beziehungsweise dass die gedrohte Partei die nötigen Vorsichtsmassnahmen ergreifen kann. Falls einem ein begangener Mord unter Verpflichtung der Geheimhaltung zur Kenntnis gelangt, und für den Mörder eine andere, unschuldige Person zum Tode verurteilt wird, muss der Mörder seine Tat nach allgemeiner Auffassung wegen der ihm ganz unmittelbar drohende Lebensgefahr nicht verraten, und darum hat er scheinbar auch das Recht, dass das Geheimnis nicht einmal von der zur Geheimhaltung verpflichteten Partei verletzt wird. Diese letztere These scheint jedoch nicht genug bewiesen zu sein; obwohl der Mörder selbst nicht verpflichtet ist, sich selbst zu verraten, denn er liebt sein eigenes Leben eher, als das Leben eines anderen, daraus folgt aber nicht, dass der Besitzer des Geheimnisses den Täter auch nicht enthüllen darf, um das Leben des unschuldigen Menschen zu retten. Hier geht es nämlich um zwei gefährdete Leben: um das Leben eines unschuldigen und um das eines schuldigen Menschen. Bei gleichen Bedingungen und Umständen muss eher das Leben des unschuldigen Menschen gerettet werden, denn die schuldige Partei kann, wenn es nüchtern beurteilt wird, die Bestrebung nicht missbilligen, das Leben der unschuldigen Partei sogar um den Preis der Enthüllung des Geheimnisses zu retten".[64] Dazu kann auch hinzufügt werden, dass 3) die Verpflichtung der Geheimhaltung auch in dem Falle erlischt, wenn dessen Aufdeckung für alle Betroffenen ein grösseres Wohl mit sich bringt (bonum proprium manifestantis).[65] Zum Schluss 4) kann das Wohl des Betroffenen selbst die Enthüllung des Geheimnisses verlangen, was bezüglich der Minderjährigen meistens eine pädagogische Rolle hat.[66]
Die Würde der menschlichen Person wird auch durch das Gesetz des Staates geschützt. Die Straftatbestände bezüglich des Wahrheitssagens beziehungsweise der Ehre der menschlichen Person sind im ungarischen staatlichen Strafrecht die folgenden: Verletzung des Privatgeheimnisses, Missbrauch einer persönlichen Angabe oder einer
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Angabe von allgemeinem Interesse, Verletzung des Briefgeheimnisses, ungerechtes Kennenlernen eines Privatgeheimnisses, Verleumdung, Ehrenbeleidigung und Pietätlosigkeit.[67]
Der Frieden der Gesellschaft hängt heute stärker als je vom richtigen Funktionieren der Massenkommunikationsmittel, das heisst von der Durchsetzung des Rechtes ab, die Menschen entsprechend zu informieren und die Informationen entsprechend zu erwerben.[68] Auch hier reichen die fachethischen Kodexe nicht aus, sondern man braucht die fachgemässe Tätigkeit von Menschen mit wahrer Seele, die im allgemeinen wissen und konkret auch feststellen können, wo die Grenze zwischen dem Wahrheitssagen und der Lüge liegt, wo sich die Verpflichtung des Wahrheitssagens und der Geheimhaltung kreuzen. Falls die Massenkommunikation ihre ethischen Grundlagen verliert, wird die Macht zu einem brutalen Mittel und zum Hauptmittel der Manipulation, was eine entfremdendere Tatsache als je sowohl für das Individuum als auch für die Gesellschaft ist, es konserviert ja eine virtuelle Welt und treibt die Menschen in Illusionen.[69] In unseren Tagen wird durch die technischen Mittel ermöglicht, beinahe alle Geheimnisse des Menschen zu erforschen. Dessen kontinuierliche Verletzung und seine Enthüllung vor der Gesellschaft ist eine schwere Sünde, und sein Name ist das befestigte und institutionierte Erzeugen von Skandalen. Darum sind heute bezüglich der Geheimhaltung sogar neue Rechte entstanden, so das Verschaffen und Löschen der Beobachtungs- und Behandlungsdaten.[70] Dazu müssen wir auch die Rechtsinstitution der Verjährung zählen. Das ist berufen, die Täter der Verbrecher zu rechter Zeit zur Verantwortung zu ziehen und dass die Betroffenen rechtzeitig eine Anzeige erstatten, andererseits ist es nicht gut, die in Vergessenheit geratenen Angelegenheiten wieder zum Gegenstand des Skandals zu machen. Das ist nicht nur dem guten Ruf des Betroffenen sondern auch der Gesellschaft schädlich.
Heute sind nicht nur die Pädagogen[71] sondern auch die Eltern gezwungen, diese Gelegenheit zu ergreifen. Denken wir nur an ihre drogenabhängigen Kinder, ihre Schutzbefohlenen, vor denen vieles verheimlicht werden soll, damit sie nicht wieder
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Zugang zur Droge erhalten.[72] Die Kinderpsychologie macht einen darauf aufmerksam, dass sich ein klares Unterscheiden zwischen der Wirklichkeit und der Phantasie im Kind nur allmählich entwickelt, beziehungsweise dass das Kind durch eine unwahre Behauptung versucht, sich von der schmerzvollen Strafe zu befreien. Dahinter kann die durch die übertriebene Strenge und grausame körperliche Züchtigung verursachte Angst und Beklemmung stecken. Das muss im Laufe der Erziehung geklärt werden.
Für den Arzt besteht das Dilemma der Aufrichtigkeit hauptsächlich darin, dass er einerseits den anderen die Wahrheit verschweigen soll, andererseits muss er den Kranken und seine Familienmitglieder über dessen Zustand aufrichtig aufklären.[73] Der Arzt kann das Vertrauen nur unter Berücksichtigung und Durchsetzung von diesen zwei Kriterien behalten. Das verlangt ein feines Taktgefühl und eine grosse Menschenkenntnis, weil es sich der Aufnahmefähigkeit des Kranken und seiner Angehörigen anpassen soll. Hier kann also die Enthüllung der Wahrheit direkt, indirekt, stufenweise beziehungsweise verschoben sein.
Aufrichtigkeit im politischen Leben: Der gute Ruf von den am öffentlichen Leben Beteiligten muss geschützt werden, wenn sie jedoch ein schweres Ärgernis erregen oder Verbrechen begehen, beziehungsweise wenn ihre politische Verantwortlichkeit bewiesen ist, müssen sie sich von dem Posten oder im äussersten Fall von dem beruflichen politischen Leben zurückziehen. Die Politiker sollen ebenfalls viele politische Geheimnisse behalten, deren Hüten vor der sensationslüsternen Presse und der öffentlichen Meinung eine grosse Herausforderung ist. Es gibt Informationen, die in sich genommen wahr sind, trotzdem können sie die Menschen schockieren, lahm legen oder sogar aufhetzen. Ohne einen rechten Grund darf das friedliche Alltagsleben der Gesellschaft nicht gestört werden. Dabei ist auch die Verantwortung der Reporter und Journalisten gross: sie dürften keine gegenstandsfremden und keine solchen Fragen stellen, die die befragte Person wegen der Verpflichtung der Geheimhaltung des öffentlichen Lebens in eine unangenehme Lage bringen würden. Nicht einmal solche Fragen dürfen sie stellen, die nicht befriedigend und ausreichend beantwortet werden können und die den Mitgliedern der Gesellschaft eine unbegründete Unruhe stiften würden. Sowohl die Kultur des Fragens als auch die auf die Fragen gegebenen Antworten sollen innerhalb der Grenze des Ethikums und Anstands bleiben. Wir können dementsprechend auch keine übertriebenen Erwartungen gegenüber den Teilnehmern am öffentlichen Leben haben.
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Im allgemeinen dienen alle Personen und Körperschaften, die Amtsgeheimnisse kennenlernen beziehungsweise hüten, so die Offiziere, die Polizei, die Arbeiter bei den Sicherheitsdiensten, die Mitarbeiter der Gerichtsbarkeit, die Geistlichen und Priester richtig ihre Heimat und derreligiösen Gemeinschaft, wenn sie die Amtsgeheimnisse treu wahren. Ohne dieses Vertrauen wäre das Leben in der Gesellschaft nicht zu ertragen.
Das Problem der Lüge und der Rechtschaffenheit ist auch im weiteren eine magna questio, sie ist jedoch heute nicht dermassen ein theoretisches sondern eher ein praktisches Problem.
Die Rechtschaffenheit bedeutet die Treue zu unseren Prinzipien im allgemeinen und in konkreten Situationen, und das kommt dadurch zum Ausdruck, dass wir den anderen unsere Kenntnisse mit einem gehörigen Taktgefühl mitteilen. Dagegen können wir durch Worte, Taten und durch eine vorgetäuschte Lebensführung sündigen.
Das Zeugnisablegen über den Glauben wurzelt nicht nur in der richtigen Rede sondern auch im rechten Wesen des Charakters. Eine der wichtigsten Garantien der Glaubwürdigkeit des Geistlichen ist es, wenn er seine Erfahrungen mit den Gläubigen und mit allen Menschen von gutem Willen aufrichtig teilt. Er erzieht sie zu den Tugenden des Wahrheitssagens und der Rechtschaffenheit. Er erzieht sie auch zum Anstand des Verschaffens und Hütens der Informationen. Der gute Hirt hört keine unwahre Rede, er sitzt dem Gerede nicht auf und verrät kein Geheimnis, was den Frieden der Gläubigen oder der Siedlung stören würde. Zur gleichen Zeit enthüllt der gute Seelsorger in seinen Reden die Missstände des öffentlichen Lebens. Das wird gerade durch sein rechtes Wesen, durch den aufrichtigen Glauben und durch die aufrichtige Liebe wirksam. Die Kleriker sind nicht nur mit dem Recht der Taufe oder der Firmung sondern auch mit dem Recht der Weihe zum heiligen Leben verpflichtet, und eine der grundlegendsten Dimensionen von dem ist bezüglich der Wirksamkeit des seelsorgerischen Dienstes die liebevolle Pflicht des Wahrheitssagens.■
JEGYZETEK
[1] Diese Studie wurde durch das Forschungsprogramm von OTKA Nr. K 76782 gefördert.
[2] Vgl. Karinthy, F.: Hetedik nagyhatalom [Siebte Grossmacht]. In Karinthy, F.: Krisztus és Barabbás (Háború és béke) [Christus und Barabbas (Krieg und Frieden). Budapest, 1918. 77.
[3] Vgl. Weber, H.: Speciális erkölcsteológia. (Szent István Kézikönyvek 4) [Spezielle Moraltheologie (Handbücher Szent István 4)] Budapest, 2001. 35.
[4] Vgl. Hanauer, Á. I.: Hol kezdődik a hazugság? [Wo beginnt die Lüge?] Bölcseleti Folyóirat [Zeitschrift für Philosophie] 17 (1902), 258.
[5] Vgl. Szabó, I.: Az igazmondás feltétlen kötelességéről. Ethikai tanulmány. [Von der unbedingten Pflicht des Wahrheitssagens. Eine ethische Studie] Bölcseleti Folyóirat [Zeitschrift für Philosophie] 10 (1895), 446-447.
[6] Vgl. E. Schockenhoff: Zur Lüge verdammt? Politik, Justiz, Kunst, Medien, Medizin, Wissenschaft und die Ethik der Wahrheit. Freiburg-Basel-Wien, 2005.
[7] Vgl. Weber aaO. 35.
[8] Vgl. M. Cozzoli: Verita e veracita. In F. Compagnoni - G. Piana - S. Privitera (a cura di): Nuovo Dizionario di Teologia Morale. Milano, Cinisello Balsamo, 1990. 1444-1449.
[9] Unsere Argumentierung basiert hauptsächlich auf der Studie von Hanauer aaO. 258-290.
[10] Vgl. M. Cozzoli: Bugia. In Compagnoni-Piana-Privitera aaO. 105.
[11] Vgl. Cozzoli (1990a) In Compagnoni-Piana-Privitera aaO. 1436.
[12] Vgl. Evetovics, K.: Katolikus erkölcstan II. [Katholische Ethik II] Budapest, 1940. 238.
[13] Zu dieser nuancierten Sichtweise hat Arturus Vermeersch am Anfang des 20. Jahrhunderts in bedeutendem Masse beigetragen. Vgl. A. Vermeersch: De mendatio et necessitatibus commercii humani. Gregorianum, 1 (1920), 11-40.; 279-285.; 425-474.
[14] In sechs Fällen ist nach ihm die unwahre Rede erlässlich, sie gilt also keine Lüge: 1) "Es ist erlaubt, bei den unreifen Kindern falsiloqium zu verwenden, bei denen es an dem freien Urteilsvermögen fehlt. 2) Es ist erlaubt, Unwahres zu sagen, wenn der Angesprochene dadurch nicht in Irrtum gerät, obwohl ein Dritter, der unsere falsche Rede auslauscht, irregeleitet wird. 3) Es ist erlaubt, eine unwahre Rede zu gebrauchen, wenn der Angesprochene sein Irreführen aus irgendeinem Grunde, zum Beispiel dass es zwischen dem Lügen (also einen anderen absichtlich und auf eine sündliche Weise Irreführen) und zwischen dem Unwahrsagen einen Unterschied gibt. Er sagt, dass jede Rede, die den Gedanken des Menschen widerspricht, falsiloquium ist, sie ist aber doch nicht per definitionem eine Lüge, denn zur Lüge wird sie nur dann, wenn sie das Recht zur Wahrheit von jemandem verletzt. Es kann also eine erlaubte und eine nicht erlaubte unwahre Behauptung geben. Nach István Hanauer hat der katholische Berardi bei der Klärung der Lösung des Problems des Wortes falsiloquium eine bahnbrechende Arbeit geleistet, und die Moralisten haben die Gegenargumente aus der Heiligen Schrift, aus den Pflichten des Menschen sich selbst gegenüber und 3) gegenüber den Mitmenschen sowie gegenüber der ganzen Gesellschaft geschöpft.wegen des davon stammenden Nutzens für ihn mit Freude erleidet. 4) Auch die Vorgesetzten dürfen für den Wohlstand ihrer Untertanen falsiloqium verwenden, denn der Vorgesetzte besitzt ein höheres Verfügungsrecht (jus supereminens) über allen Rechten seiner Untertanen. 5) Es ist erlaubt, Unwahres zu sprechen, wenn wir das gefährdete Leben oder anderes Gut des Unschuldigen nur dadurch retten können oder jemanden bei der Durchführung einer entschlossenen bösen Tat nur durch unwahre Rede verhindern können. 6) Zum Schluss hält Grotius das falsiloqium sogar gegenüber dem Feind für erlaubt". Vgl. Szabó aaO. 454-455.
[15] Vgl. Hanauer aaO. 278-279.
[16] Vgl. ibid. 281.
[17] Vgl. Hanauer aaO. 281.
[18] Vgl. ibid. 286.
[19] Vgl. Hanauer aaO. 287-290. Wir denken, dass die Erwähnung der Verpflichtung des Geheimnishaltens genügend ist, wenn wir auf die Legitimierung des Verwendens der unwahren Rede abzielen, denn der Schutz des guten Rufes des anderen und die Warnung der Gesellschaft vor einem grossen Schaden in groben Linien zu einer Verpflichtung des Geheimnishaltens gehört.
[20] Vgl. Szabó aaO. 463.
[21] Vgl. ibid. 462.
[22] Vgl. Kiss, J.: Az igazmondás feltétlen kötelezettségéről. [Von der unbedingten Verpflichtung des Wahrheitssagens] Religio 85 (1926), 141.
[23] Vgl. Weber aaO. 47.
[24] Vgl. K-H. Peschke: Christliche Ethik. Spezielle Moraltheologie. Trier, 1995. 402-405.
[25] Vgl. B. Häring: Liberi e fedeli in Cristo. Teologia morale per preti e laici 2. Roma, 1980. 68-73.
[26] Vgl. Cozzoli (1990b) aaO. 107.
[27] Vgl. A. Royo Marin: Teologia della perfezione cristiana. Milano, Cinselo Balsamo, 2003. 697.
[28] Dieses Kapitel basiert hauptsächlich auf den Erwägungen bezüglich des achten Gebotes von Evetovics aaO. 237-265.
[29] Vgl. D. Prümer: Manuale Theologiae Moralis II. Barcinone - Friburgi Brisg. - Romae, 1961. 153.
[30] Vgl. Cathrein, V.: Erkölcsbölcselet II. [Moralphilosophie II] Temesvár, 74.
[31] Vgl. A. Benigar: Theologia Spiritualis. Roma, 1964. 228-241.
[32] Die Prinzipienfestigkeit darf keine Starrheit bedeuten, also die Erweiterung der Kenntnisse und die Reife der Persönlichkeit bringt die Überprüfung und Revidierung der früheren Ansichten mit sich. In diesem Fall kann nicht über Treulosigkeit gesprochen werden.
[33] Vgl. Müller, E.: Katolikus erkölcstan II. [Katholische Ethik II] Budapest, 1877, 337.
[34] Vgl. Häring aaO. 60.
[35] Vgl. ibid. 63.
[36] Vgl. KKK 2488.
[37] Vgl. Smiles (nach ihm wurde es für die ungarischen Verhältnisse bearbeitet von Könyves Tóth K.,), Kötelesség jellemrajzokban s példákban. [Pflicht in Charakterskizzen und Beispielen] Budapest, 1905. 43.
[38] Vgl. Weber aaO. 50-51.
[39] Vgl Häring aaO. 99.
[40] Vgl. KKK 2464.
[41] Vgl. A. Feuillet - P. Grelot: Szó (emberi szó). [Wort (menschliches Wort)] In X. Léon-Dufour (red.): Biblikus Teológiai Szótár. [Biblisches Theologisches Wörterbuch] Roma, 1976. 1221.
[42] Vgl. Evetovics aaO. 238.
[43] Vgl. KKK 2476.
[44] Vgl. Evetovics aaO. 243.
[45] Vgl. A. Van Kol: Theologia Moralis I. Barcinone-Friburgi Brisgoviae-Romae-Neo-Eboraci, 1968. 705.
[46] Vgl. Evetovics aaO. 244-245.
[47] Vgl. Häring aaO. 121.
[48] Vgl. ibid. 123.
[49] Die Person kann zur gleichen Zeit die Ehre verlieren, was schwere rechtliche Folgen haben kann (die rechtliche Deklarierung der tatsächlichen Unehrlichkeit, die Rechtsehrlosigkeit, die die Pforte von vielen Möglichkeiten des gesellschaftlichen Lebens für die betroffene Person versperrt). Die Ehre kann jedoch wiedererworben werden, im äussersten Fall sogar durch den würdigen Empfang und durch das würdige Ertragen der schwersten Strafe.
[50] Diese Schäden sind a) das Traurigmachen des Mitmenschen, b) die Beeinträchtigung des Ruhmes des Mittmenschen vor den anderen Menschen, c) bei der Verrichtung der Arbeit die Beschädigung der Verlässigkeit und Glaubwürdigkeit des Menschen. Vgl. A. Tanquerey: A tökéletes élet. Aszkétika és Misztika. [Das vollkommene Leben. Askese und Mystik] Tatabánya, Faksimileausgabe, 2000. 665-666.
[51] Die Sünden können im allgemeinen auf drei Arten bestimmt werden: von der Seite des Gegenstandes, des verletzten Gesetzes und der Tugend, gegen die die gegebene Sünde verstösst.
[52] Vgl. Häring aaO. 128.
[53] Vgl. Evetovics aaO. 251.
[54] Vgl. Evetovics aaO. 252-253. Im Laufe der Wahlen ist die Presse sogar verpflichtet, die Wähler über die Tauglichkeit und Ehre der Kandidaten objektiv zu informieren. Vgl. Häring aaO. 126.
[55] Vgl. Häring aaO. 128.
[56] Vgl. Müller aaO. 435.
[57] Vgl. Müller aaO. 444. Es ist zu bemerken, dass sich der gesunde Humor vom Spott und von der Ironie unterscheidet, er kann nicht als Sünde sondern vielmehr als das Gewürze des Lebens betrachtet werden. Vgl. Noszlopi, L.: Világnézetek lélektana. [Psychologie der Weltanschauungen] Budapest, 1937. 181-190.
[58] Vgl. Evetovics aaO. 259.
[59] Vgl. ibid. 260.
[60] Vgl. ibid.261.
[61] Vgl. Müller aaO. 445.
[62] Vgl. L. Padovese: Segreto. In Compagnoni-Piana-Privitera aaO. 1206.
[63] Vgl. Evetovics aaO. 261.
[64] Vgl. Evetovics aaO. 264-265.
[65] Vgl. Häring aaO. 78.
[66] Vgl. Van Kol aaO. 712.
[67] Vgl. Belovics, E. - Molnár, G. - Sinku, P.: Büntetőjog. Különös rész. [Strafrecht. Besonderer Teil] Budapest, 2008. 163-182.
[68] Vgl. Peschke aaO. 425-434.
[69] Vgl. Cozzoli (1990b) aaO. 111.
[70] Vgl. Padovese aaO. 1210-1211.
[71] Für die grossen Pädagogen ist die Beschreibung von Antal Schütz auch noch in unseren Tagen gültig: "Auch der Erzieher soll sich neben seinen Schüler hinhocken, mit dem Kleinen soll er auch klein werden, ohne aufzuhören, gross zu bleiben. Nur so kann der Erzieher den Schüler auf ein höheres Niveau des Lebens erheben, wenn, wie das Kamel, auch er sich niederkniet, wenn er die Last übernimmt, und dann erhebt er sich und gleichzeitig erhebt er auch seine Last immer höher. Der Erzieher soll klein werden wie ein kleiner Samen; wie ein Lebenssamen soll er sich in seinen Schüler hineinschmiegen und hineinwurzeln, so soll er danach die in ihm spannende Lebenskraft entfalten und mit sich selbst auch seinen Schüler zu Lebensvollkommenheit reissen. Der Erzieher soll fähig sein, mit seiner Persönlichkeit in bedeutendem Masse in den Hintergrund ziehen, oft sogar in grösserem Masse als das mit der Treue sich selbst in Einklang zu bringen ist. In vielen Fällen kann er nicht gleich alles aufrichtig sagen, er soll oft über Verdienst loben, er muss oft über die Hoffnung hinaus ermutigen und vertrauen, er darf nicht bis zur Grenze der Missbilligung tadeln. Er darf viele Sachen nicht bemerken; was er nur in Keim und Möglichkeit sieht, muss er oft so behandeln, als ob das schon völlig reif geworden wäre, er muss also verstehen, was im Lateinischen so lautet: dissimulare. Der unparteiliche Beobachter ist sogar manchmal zur Frage bewegt, ob es hier schon vielleicht simulare das heisst eine Schauspielerei gibt". Vgl. Schütz, A.: Pedagógia. [Pädagogik] Budapest, 2010. 41-42.
[72] Vgl. Cozzoli (1990b) aaO. 108.
[73] Vgl. Weber aaO. 59-61.
Lábjegyzetek:
[1] A szerző universitätsprofessor (PPKE HTK und KJPI)
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