Megrendelés

Marianna Fazekas[1]: Gleichheiten und Verschiedenheiten bei der näheren Betrachtung von öffentlichen Körperschaften aus bürgerlichrechtlicher und verwaltungsrechtlicher Sicht (Annales, 2008., 409-418. o.)

I.

Die öffentliche Körperschaft als Organtyp wurde nach einer ca. 40jährigen Pause durch die Modifizierung des Ungarischen Zivilgesetzbuches (im Weiteren: UZGB) im Jahre 1993 in das ungarische Rechtssystem zurückgebracht. Der Zweck der Modifizierung war, die bürgerlichrechtliche Rechtspersönlichkeit einiger, öffentliche Aufgaben versehender Organisationen zu begründen. In diesem Sinne wurde der Kodex mit Regeln bezüglich öffentlicher Körperschaften, öffentlicher Stiftungen sowie gemeinnütziger Gesellschaften ergänzt.

Der Begriff der öffentlichen Körperschaft wird im UZGB unter den einzelnen Typen der juristischen Personen, in § 65 definiert. Vom Gesichtspunkt der bürgerlichrechtlichen Regelung sind wichtige Elemente dieser Definition, dass öffentliche Körperschaften auf Mitgliedschaft basierende Personenvereinigungen sind und eine bürgerlichrechtliche Rechtspersönlichkeit haben. Die anderen Bestimmungen enthalten öffentlich-rechtliche Charakteristika von öffentlichen Körperschaften: gesetzliche Gründung, öffentliche Aufgaben bezüglich der Mitglieder, zur Ausführung der öffentlichen Aufgaben nötige Lizenzen.

Die Modifizierung des UZGB hat nur die Festlegung von grundlegenden Status-Regeln vorgenommen, alles andere wurde in den Kreis der "besonderen" Regelungen bezüglich der Gründung von öffentlichen Körperschaften verwiesen. Der Umstand aber, dass die Institutionalisierung von öffentlichen Körperschaften in einem bürgerlichrechtlichen Kodex stattgefunden hat, hat zugleich die Gestaltung des öffentlich-körperschaftlichen Rechtsmaterials grundsätzlich beeinflusst. Von diesem Gesichtspunkt war es besonders wichtig, dass die Regelungen bezüglich öffentlicher Körperschaften in der Systematik des UZGB Platz bekommen haben. Der Gesetzgeber hat die öffentlichen Körperschaften

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mit den Vereinen unter einen gemeinsamen Subtitel gezogen und für sie die Regelung bezüglich der Vereine sogar als Subsidiärrecht vorgeschrieben. Das erweckte den Anschein, als ob die öffentliche Körperschaft irgendeine "Mutation" des Vereins wäre, obwohl die öffentliche Körperschaft sich in ihrer Bestimmung und in allen anderen Begriffselementen vom Verein grundsätzlich unterscheidet.

Der grundlegende Unterschied ist - es mag zwar trivial klingen - im "öffentlich-rechtlichen" Wesen von öffentlichen Körperschaften zu suchen. Prinzipiell erfüllt die öffentliche Körperschaft eine öffentliche Funktion, die mit der Interessenvertretung der Mitglieder ergänzt werden kann. Wäre aber nur die letztere ihre Funktion, dann wäre der Verein dazu vielmehr geeignet, weil dieser auf Grund der gemeinsamen Ziele seiner Mitglieder als Interessenvertretungsorgan, Bund, Gewerkschaft oder sonstige gesellschaftliche Organisation auftreten kann.

Es gibt einige Besonderheiten der öffentlichen Funktionen von öffentlichen Körperschaften, die diese Organisationen von den Vereinen grundsätzlich unterscheiden. So

wird eine öffentliche Körperschaft nie aufgrund der Entscheidung der Mitglieder, sondern aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift gegründet;

werden Ziele und öffentliche Aufgaben von öffentlichen Körperschaften auch nicht von den Mitgliedern, sondern vom Gesetzgeber bestimmt;

kann eine öffentliche Körperschaft gegenüber ihren Mitgliedern staatliche Rechte ausüben, wozu sie gesetzlich befugt ist.

Bei der Modifizierung des UZGB waren schon mehrere Gesetzesvorlagen über öffentliche Körperschaften vorbereitet, damit der allgemeine Rechtsbegriff der öffentlichen Körperschaft das Bürgerrecht erhält. So wurden noch im Jahre 1994 das Gesetz über die Wirtschaftskammern, das Gesetz über die Ungarische Ärztekammer, das Gesetz über die Ungarische Apothekerkammer sowie die Regelung bezüglich der Gerichtsvollzugskammern angenommen, und die Ungarische Akademie der Wissenschaften ist auch als öffentliche Körperschaft entstanden.

In den letzten zehn Jahren ist bis heute durch die Regelung von immer neueren öffentlichen Körperschaften ein umfangreiches öffentlich-körperschaftliches Rechtsmaterial entstanden, in dem schon die grundlegenden Arten von öffentlichen Körperschaften unterschieden werden können. Mit einer etwas willkürlichen Kategorisierung können öffentliche Körperschaften in die folgenden Gruppen eingeteilt werden:

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Kammern als öffentliche Körperschaften, unter ihnen:

a) Berufskammern, z.B. Anwaltskammer, Notarkammer, Ärztekammer, Apothekerkammer, Veterinärkammer, Architektenkammer, Wirtschaftsprüferkammer usw. Eine andere Gruppe der Kammern bilden die Wirtschaftskammern.

b) Einen besonderen Typ stellt die Ungarische Akademie der Wissenschaften mit zahlreichen Besonderheiten dar.

c) Zur dritten Gruppe gehören sonstige öffentliche Körperschaften des Wirtschaftslebens: Berggemeinden, sowie die Ungarische Normungskörperschaft und die Nationale Akkreditierungskörperschaft.

d) Öffentliche Körperschaften sind weiterhin freiwillige Feuerwehren, und auch auf dem Gebiet des Sports sind solche Organisationen wie z.B. das Ungarische Olympische Komitee tätig.

Die Gesetze, die die Arten von öffentlichen Körperschaften regeln, sind im Vergleich zum UZGB eher öffentlich-rechtlichen Charakters. Nach Regelungsthemenkreisen werden in ihnen jedoch die bürgerlichrechtlichen Regeln von Vereinen und die Regelung von öffentlich-rechtlichen Verwaltungen gemischt. Der innere Organisationsaufbau von öffentlichen Körperschaften ist z.B. dem Aufbau der Vereinen ähnlich. Das Modell der staatlichen Aufsicht wurde aber aus dem Gesetz über örtliche Kommunalverwaltungen übernommen. Dieser gemischte, öffentlich- und bürgerlichrechtliche Charakter der Regelung hat auch zahlreiche Verfassungsfragen aufgeworfen. Es bedeutete z.B. ein immer wieder zurückkehrendes Problem, dass die gesetzliche Gründung von öffentlichen Körperschaften und die Mitgliedschaftspflicht gegen das Vereinsrecht verstoßen. Das Verfassungsgericht hat während der Beurteilung dieser Frage seinen Standpunkt dargelegt, der den öffentlich-rechtlichen Charakter von öffentlichen Körperschaften bestätigte. Das Verfassungsgericht hat - hinweisend auch auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - mehrmals festgestellt, dass öffentliche Körperschaften keine Organisationen sind, die auf Grund des Vereinsrechts gegründet werden.

II.

Die Vermischung von öffentlich-rechtlichen und bürgerlichrechtlichen Elementen in der Rechtsregelung öffentlicher Körperschaften ist auf die bisherige Bestimmung von öffentlichen Körperschaften zurückzuführen. Nach der Bestimmung des UZGB hat eine öffentliche Körperschaft die Funktion, dass sie "eine mit ihrer Mitgliedschaft bzw. mit der von den Mitgliedern durchgeführten Tätigkeit verbundene "öffentliche Aufgabe" verfolgt, wozu sie "über gesetzlich festgelegte Lizenzen verfügt und diese durch ihre Selbstverwaltung geltend macht."

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Eine stark ausgeprägte Eigenschaft von öffentlichen Körperschaften ist also ihr Doppelcharakter, ihre zugleich bürgerliche und staatliche Qualität. Besonders auffallend ist dieser Doppelcharakter bei den Kammern. Kammernmitglieder erwarten von ihren Körperschaften, dass sie gegenüber dem Staat die Interessen deren vertreten, die die gegebenen Berufe ausüben. Der Staat erfordert aber von den Kammern, dass sie die Berufstätigkeit der Mitglieder regulieren und die Einhaltung der Regeln kontrollieren. Dieser Doppelcharakter hat bisher, im Zeitalter der Nationalstaaten, eine Vermittlerrolle zwischen den Organen des Staates und den Organisationen der Zivilgesellschaft bedeutet. Bei der Beurteilung der öffentlichen Körperschaft als Organtyp lohnt es sich einerseits zu untersuchen, warum es für den Staat vorteilhaft sein kann, die Institutionalisierung solcher Organisationen zu bevorzugen. Warum wollen die Interessenten andererseits, von Fall zu Fall, eine solche "halbstaatliche" Organisation gründen?

Was den Staat betrifft, soll man die Erklärung in der Veränderung der staatlichen Funktionen und Aufgaben suchen. Selbst das Erscheinen der öffentlichen Körperschaft als Organtyp war das Produkt eines eigenartigen historischen Zeitalters. Einige ihrer Arten haben Zivilorganisationen einer verspäteten bürgerlichen Entwicklung ersetzt, aber in einer eigenartigen Fehlform. In anderen Bereichen haben jedoch öffentliche Körperschaften in der Organisation von neuen staatlichen Aufgaben, z.B. in der Gesellschaftsversicherung, eine große Karriere gemacht. Die Zeit nach dem II. Weltkrieg, besonders seit den 60er Jahren, ist das Zeitalter der Herausbildung einer breiten "Mezzo"-Institutions-schicht zwischen Staat und Zivilgesellschaft. Zu dieser Zeit ist eine breite Skala von bürgerlichen bzw. halbstaatlichen Vermittlungsmechanismen zustande gekommen. In dieser Umgebung haben öffentliche Körperschaften ihren natürlichen Platz gefunden, aber offensichtlich unter Einfluss früherer öffentlichrechtlicher Traditionen.

Der Ausbau der "Mezzo-Sphäre" war mit ständigen Diskussionen über die Rolle des (National)Staates und mit der Frage nach der vom Neoliberalismus gedrängten "Entstaatlichung" verbunden. Das wurde sowohl als wirtschaftliche Notwendigkeit als auch als politische Erwartung formuliert, nicht nur in der Wirtschaftswelt, sondern auch auf dem Gebiet der Humandienstleistungen. Zur Jahrtausendwende wurde es aber auch klar, dass der Staat aus diesen Sphären nicht "ausziehen" kann. Es mussten Institutionen gefunden werden, die die Lasten des Staatsbudgets verringern, aber die Verantwortung des Staates im Gesundheitswesen, in der sozialen Versorgung, auf den Gebieten der Wissenschaft, der Bildung, des Sports usw. nicht aufheben. Die öffentliche Körperschaft hat eine von diesen Institutionen verkörpert.

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Seitens der betroffenen gesellschaftlichen Gruppen wird das Misstrauen gegenüber den staatlichen Organen oft im Bedürfnis nach der Gründung von öffentlichen Körperschaften ausgedrückt. In den Diskussionen über öffentliche Körperschaften wurde häufig die Meinung vertreten, dass die Interessenten die auf sie selbst bezogenen Verwaltungsaufgaben in ihren Selbstverwaltungen viel erfolgreicher ausführen könnten. Das Bedürfnis nach dem "Auszug" des Staates wurde also oft von den Betroffenen selbst formuliert. Das ist aber meistens damit einhergegangen, dass die neuen Korporationen alle aus dem Rechtsstand der öffentlichen Körperschaft stammenden behördlichen Lizenzen und Privilegien - von der selbstständigen Normgestaltung bis zur staatlichen Unterstützung - besitzen wollten.

Im Vergleich zu klassischen Zivilorganisationen kann die Form der öffentlichen Körperschaft für den Staat auch deshalb günstiger sein, weil sie die Integration der betroffenen gesellschaftlichen Gruppen und eine stärkere staatliche Kontrolle garantiert. Bezüglich dieser Integrations- und Kontrollfunktion ist die Einstellung der "Interessenten" ambivalent. Was die staatliche Aufsicht von öffentlichen Körperschaften betrifft, wird die Erkämpfung der minimalen Abhängigkeit von den staatlichen Organen und der maximalen Freiheit als Ziel gesetzt. Zugleich strebt die herrschende Interessengruppe einer öffentlichen Körperschaft ein möglichst vollständiges Machtmonopol gegenüber ihrer Mitgliedschaft an.

Der Doppelcharakter von öffentlichen Körperschaften bedeutet sowohl für den Staat als auch für die Leiter von öffentlichen Körperschaften eine bedeutende Legitimation. Die relative Unabhängigkeit vom Staat und die Mitwirkung der Mitglieder erwecken unter den Betroffenen die Vorstellung, dass die Verwaltungsentscheidungen von öffentlichen Körperschaften neutral und beruflich fundiert sind. Daher tragen Organisationsstruktur und Entscheidungsmechanismus von öffentlichen Körperschaften die Möglichkeit der demokratischen Legitimation in sich. Parallel damit besteht aber auch die Gefahr, dass eine Interessengruppe die öffentliche Machtausübung ergreift und dadurch eine monopolistische Macht besitzt.

Die Abschaffung des Doppelcharakters von öffentlichen Körperschaften schafft auch die Existenz von öffentlichen Körperschaften ab. Aus der Organisation wird entweder ein einfacher bürgerlichrechtlicher Vertrag, oder aber geht die öffentliche Körperschaft in der Staatsorganisation auf.

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III.

Ungarns Beitritt zur Europäischen Union hat auch die Regelung von öffentlichen Körperschaften nicht unangetastet gelassen. Einige der oben angeführten öffentlichen Körperschaften wurden von vornherein mit dem Ziel der Rechtsharmonisierung zustande gebracht, so z.B. die Normungskörperschaft und die Nationale Akkreditierungskörperschaft. Nach dem EU-Beitritt ist aber die größte Wendung in der Beurteilung der bisherigen regulierenden und kontrollierenden Rolle von Berufskammern erfolgt.

Die Notwendigkeit der Überprüfung von Dienstleistungsmärkten wurde seit den 90er Jahren - im Interesse der Erweiterung des globalen Wettbewerbs - in zahlreichen internationalen Organisationen und an internationalen Foren ausgedrückt. Das Ziel ist die Minimalisierung von staatlichen Eingriffen, die durch eine immer vollständigere Entfaltung von Deregulierung, Selbstregelung und vom Wettbewerb auf dem Markt verwirklicht werden kann. Dieser Vorgang hat auch die Märkte von freien Berufen und Dienstleistungen betroffen. Die Europäische Kommission hat seit 2002 die Fragen des Wettbewerbsrechts von sogenannten freiberuflichen Dienstleistungen (professional services) mehrmals untersucht.

Nach der Feststellung der Kommission dienen die Regeln der freiberuflichen Dienstleistungen der Dienstleistungsqualität, den Fachkenntnissen der Dienstleister und dem Vertrauen der Kunden, außerdem tragen sie zur Beseitigung von Problemen des Wettbewerbs auf dem Markt bei. Zur gleichen Zeit hat die Kommission gefunden, dass die Selbstregelungen von Kammern in einigen Fragen den Wettbewerb unangemessen einschränken. Nach dem Urteil der Kommission ist eine berufliche Regelung dann angemessen, wenn sie einem genau bestimmten Ziel öffentlichen Interesses dient, und keine zu große Einschränkung bedeutet. Regelungen, die den Wettbewerb einschränken, entstehen gewöhnlich in den folgenden Fragen: obligatorische oder empfohlene Tarifregeln, Werbungseinschränkungen, Einschränkungen des Eintritts auf den Markt, Organisationsfragen von Tätigkeiten und damit verbundene Disziplinarverfahren. Die Kommission hat die Mitgliedstaaten auf die Überprüfung dieser Regelungen aufmerksam gemacht und sie hat die nationalen Wettbewerbsbehörden extra aufgerufen, die Regelungstätigkeit von verschiedenen Berufskammern zu verfolgen.

Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Kammerregelungen wird seit dem EU-Beitritt auch in Ungarn durch die in den 90er Jahren eingeführte Praxis des Europäischen Gerichtshofs bestimmt. Der Europäische Gerichtshof hat die bei der Abgrenzung von staatlichen und unternehmerischen Entscheidungen maßgebenden Analysekriterien in den Fällen Reiff, Delta, Wouters sowie CNDS

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und Arduino ausgearbeitet. Der Europäische Gerichtshof hat zur Entscheidung der Frage, ob eine Kammerregelung einen staatlichen oder unternehmerischen Charakter hat, ein System mit drei Kriterien erarbeitet:

1. Es muss geprüft werden, wer an der Entscheidungsfindung teilnimmt, wer die Mitglieder von Entscheidungsorganen delegiert/wählt und wie unabhängig die Mitglieder von ihren Delegierenden/Wählern sind. Bei der Feststellung, ob eine Entscheidung staatlichen Charakter hat, muss nachdrücklich geprüft werden, ob die staatlichen Organe - direkt oder durch ihre Delegierten - einen Einfluss auf die Entscheidungsfindung ausüben können, und, wenn ja, wie groß ihr Einfluss ist.

2. In welchem Maße wird die Entscheidungsfindung vom öffentlichen Interesse beeinflusst, genauer gesagt, ob eine Kammer verpflichtet ist, öffentliche Interessen bei ihrer Entscheidung in Betracht zu ziehen, oder, ob es genug ist, nur die Interessen ihrer Mitglieder vor Augen zu halten?

3. Schließlich ist es ein wichtiges Kriterium, inwiefern die staatliche Kontrolle über eine Entscheidung zur Geltung kommt? Eine Entscheidung kann als staatlich betrachtet werden, wenn der Staat selbst, oder einer seiner Vertreter am Entscheidungsprozess teilnehmen und ihren Inhalt beeinflussen, oder irgendein Staatsorgan das Recht hat, die Entscheidung der Partner durch seine eigene zu ersetzen, wenn diese dem öffentlichen Interesse nicht entspricht.

Auf Grund dieser Kriterien hat die ungarische Wettbewerbsbehörde sowohl die Anwaltskammer als auch die Wirtschaftsprüferkammer verurteilt, weil - nach der Entscheidung der Behörde - in ihren disziplinar-ethischen Regelungen einige Regeln vorgeschrieben waren, die den Wettbewerb einschränkten. Nach der Feststellung der Wettbewerbsbehörde

- haben von den Mitgliedern frei gewählte Organe der Kammern die Entscheidung getroffen, werden Mitglieder vom Staat in die Entscheidungskörperschaften nicht delegiert, und die Entscheidungsfindung wird vom Staat auf keine sonstige Art beeinflusst;

- wird zwar in Gesetzen, die die Kammern zur Regelung berechtigen, in der Beschreibung der allgemeinen Anforderungen gegenüber Berufen im Allgemeinen auf das öffentliche Interesse hingewiesen, aber in keinem von diesen Gesetzen werden die Kriterien des öffentlichen Interesses genau angegeben; und

- hat die Legalitätsaufsicht über die Kammern nur eng begrenzte Lizenzen, sie beurteilt die Entscheidungen nur aus der Sicht der Legalität. Das Recht der Entscheidungsveränderung steht keinem einzigen Staatsorgan zu, also kann kein einziges Staatsorgan die Entscheidung der Kammern durch seine eigene ersetzen.

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Auf dieser Grundlage wurde die Konsequenz gezogen, dass diese Kammerregelungen keine staatlichen Akte verkörpern, sondern "Vereinbarungen von Unternehmenspartnerschaften" sind, die unter die Verordnungen des Wettbewerbsrechts gezogen werden sollen, und deren wettbewerbseinschränkender Charakter entsprechend bewertet werden soll.

Die obige wettbewerbsrechtliche Beurteilung hat in der Beziehung der ungarischen Berufskammern zum Staat eine sonderbare Wendung gebracht. Bei der Ausarbeitung von Kammergesetzen hatten die Vertreter von einzelnen Berufen vor allem das Bestreben, eine möglichst große Unabhängigkeit vom Staat zu erringen, die Autonomie maximal zu verteidigen und diese garantiert zu regeln. Unter "Staat" hat man zu dieser Zeit den für die Legalitätsaufsicht zuständigen Minister verstanden, und man hat auch die gesetzlichen Garantien der Selbstverwaltung von Kammern vor allem mit einer starken Einschränkung dieser Legalitätsaufsicht festgelegt. Diese Bestrebungen haben einen so großen Erfolg gebracht, dass die Regelungskompetenz der Kammern von der Legalitätsaufsicht wirklich nicht eingeschränkt wird. Da wurde aber die Überprüfung von Kammertätigkeiten von einer anderen Seite, und zwar von anderen Staatsorganen in ihren Zuständigkeitsbereich gezogen, so wurde das, was gegenüber der Legalitätsaufsicht ein Vorteil war, hier zum Nachteil. Gerade durch ihre autonome Tätigkeit werden nämlich öffentliche Körperschaften vom wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkt als privatrechtliche Organisationen qualifiziert, und Kammerregelungen werden als Vereinbarungen zwischen Unternehmern betrachtet.

IV.

Die wettbewerbsrechtlichen Probleme der korporativen Regelung werfen schon zum zweiten Mal in der Geschichte der Neuzeit die Frage auf, ob öffentliche Körperschaften überhaupt nötig sind. Es stellt sich die Frage, ob ihr besonderer Doppelcharakter und ihre Vermittlerrolle, mit denen sie die Privatsphäre mit der öffentlichen Sphäre verbinden, erhalten werden können. Ihr Doppelcharakter wurde schon einmal zwischen den beiden Weltkriegen durch den Einfluss der politischen Macht und des Staates - in Mittel- und Osteuropa - dadurch abgeschafft, dass öffentliche Körperschaften in Organisationen verwandelt wurden, die ihren Mitgliedern den Willen des Staates vermittelten. Jetzt stellt sich die Frage, ob das Bestreben nach der maximalen Freiheit und nach der Entfaltung der globalen Kapitalbewegungen und des Wettbewerbs auf dem Markt diese Korporationen als die freie Bewegung des Kapitals begrenzende Organisationen zerstören wird.

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Wie alle Elemente des Systems von Verwaltungsinstitutionen im Nationalstaat sollen auch das Wesen und die Rolle von öffentlichen Körperschaften in einem Zeitalter ermessen werden, das man als das Zeitalter des Schwindens der Nationalstaaten zu bezeichnen pflegt. Mit dem Vergehen des zweipoligen Weltsystems ist nämlich auch die Existenzgrundlage der auf territoriale Souveränität gebauten Nationalstaaten verschwunden, die in den Jahrzehnten der Konjunktur nach dem zweiten Weltkrieg im Zeichen der Suche nach gesellschaftlichem Konsens noch danach strebten, dass das System der Wohlfahrtsinstitutionen des "sozialen Staates" ausgebaut wird und erhalten bleibt. Die Tatsache, dass die Regelungstätigkeit des Staates infolge der Globalisierung immer eingeschränkter wird, wirkt sich offensichtlich auch auf die traditionelle Vermittlerrolle von öffentlichen Körperschaften aus. Die Regelungssouveränität wird auch auf der Ebene der Nationalstaaten immer mehr in Frage gestellt. Parallel damit wird die Chance immer kleiner, dass einzelne Berufsgruppen, Interessenvertretungen oder Kammern usw. ausschließlich anhand ihrer nationalen Verhandlungsstärke günstigere, von den internationalen (regionalen) Trends bedeutend abweichende Positionen oder eine Regelungsautonomie "erkämpfen" können.

Im Gegensatz zum obigen - aus der Sicht der öffentlichen Körperschaften eher negativen - Zukunftsbild gibt es auch andere Dimensionen der wirtschaftlichen Globalisierung, die vor allem bei der Neugestaltung der zukünftigen Funktionen und der Arbeitsverteilung von Kammern eine eher positive, motivierende Herausforderung bedeuten können. So wird z.B. auch die Vermittlungstätigkeit der "Mezzo-Sphäre" durch die Verlegung eines Großteils der Regelungsthemenkreise auf EU-Ebene sowie durch das Bedürfnis nach der Beeinflussung der Regelung in großem Maße erweitert und umgestaltet. Es ist bekannt, dass die Vertiefung der Integration und das Erscheinen von immer neueren Gemeinschaftspolitiken auch den Prozess der Gemeinschaftsgesetzgebung immer mehr zergliedert. All das geht notwendigerweise mit dem permanenten Anstieg des Bedürfnisses nach Expertenkapazitäten einher, was die Mitwirkung von wirtschaftlichen, beruflichen Interessenvertretungen, z.B. von Berufskammern in den europäischen Entscheidungsprozessen verstärkt. Dazu sind Institutionen der "Mezzo-Sphäre" auf europäischer Ebene schon längst zustande gekommen, und sie üben eine intensive Tätigkeit aus (siehe z.B. Interessenvertretungsorgane der Kammern von Wirtschaftsprüfern bzw. von Anwälten auf EU-Ebene).

Ein weiterer Wirkungskreis für öffentliche Körperschaften könnte die Mitwirkung bei der Kontrolle der Ausführung des Gemeinschaftsrechts sein. Auf Grund dessen ist es zweckmäßig, die zukünftige Rolle und die Konzeption der Neuregelung von öffentlichen Körperschaften in das System der EU-Entscheidungsfindung und ins Ausführungssystem der Mitgliedstaaten integriert zu

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planen. Für diesen neuen Wirkungskreis sollen die neuen Proportionen von öffentlichem Recht und Privatrecht in der zu erneuernden Regelung von öffentlichen Körperschaften gestaltet werden. ■

Lábjegyzetek:

[1] Lehrstul für Verwaltungsrecht, Telefonnummer: (36-1) 411-6519, E-mail: fazekasm@ajk.elte.hu

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