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Tamás Nótári[1]: Antrittsvortrag von Prof. Gábor Hamza an der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (Annales, 2005., 439-442. o.)

Am 6. Oktober 2004 hielt Prof. Gábor Hamza, Leiter des Instituts für Römisches Recht an der Budapester Eötvös Loránd Universität und korrespondierendes Mitglied der Akademie, im Vortragssaal der Ungarischen Akademie der Wissenschaften seinen Antrittsvortrag mit dem Titel "Die Untergliederung der modernen nationalen Rechtsordnungen in Rechtsgebiete (bzw. Rechtszweige) im Lichte der römischrechtlichen Tradition". Die Sitzung wurde von Prof. Ádám Török, dem Vorsitzenden der Sektion für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften der Akademie eröffnet. Ádám Török stellte nach Begrüßung der Anwesenden die wichtigsten Stationen der Laufbahn von Prof. Hamza vor, wies auf seine einzigartig reiche und weitverzweigte Verfasser- und Redaktionstätigkeit auf dem Gebiet des römischen Rechts, der Rechtsgeschichte und der Rechtsvergleichung, auf seine Mitwirkung in in- und ausländischen Organisationen, sowie seine Anerkennungen im Ausland hin. Als Ausgangspunkt des Vortrags von Gábor Hamza diente der Gedanke, laut dessen die römischrechtliche Tradition im weiteren Sinne der Gliederung der modernen Rechtssysteme zugrunde liegen kann. Zugleich ist dennoch festzustellen, daß die innere Gliederung des römischen Rechtssystems bzw. die Idee seiner wissenschaftlichen Klassifikation griechischen Ursprungs ist, und die Partition des ius civile nicht mit der Gliederung des Rechtssystems in Rechtszweige im heutigen Sinne gleichzusetzen ist. Der Begriff ius civile hat mehrere Bedeutungsschichten, denn das ius civile regelt sämtliche Lebensbereiche des civis Romanus sowohl dem römischen Staat, als auch seinen Mitbürgern gegenüber (Cf. Gai. inst. 1,1 Omnes populi, qui legibus et moribus reguntur, partim suo proprio, partim communi omnium hominum iure utuntur. Nam quod quisque populus ipse sibi ius constituit, id ipsius proprium est vocaturque ius civile, quasi ius proprium civitatis). In der späten Republik wurde das ius civile vor allem dem ius praetorium gegenübergestellt. Prof. Hamza berief sich auf Cicero, bei wem Zivilrecht und das Recht des praetor den gleichen Status erlangen (Caecin. 34 ex iure civili ac praetorio).

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Ius civile und ius praetorium verschmolzen bis zur Zeit des Prinzipates, nachdem das ius praetorium seine innovative Rolle hinsichtlich des ius civile verloren hatte. Eine Unterscheidung zwischen diesen Kategorien wurde nur noch aufgrund ihrer Herkunft aufrechterhalten. Seitdem war das ius civile als Synonym des ius privatum zu verstehen, das die persönlichen, familiären Verhältnisse und Vermögensfragen der Bürger geregelt hatte. Als Gegenteil des ius civile war das ius publicum zu verstehen, das "in sacris, in sacerdotibus, in magistratibus" zum Vorschein kam (Ulpianus, D. 1,1,1,2). Diese Differenzierung ist in erster Linie bei der iurisprudentia von Belang, die eher als eine Art Klassifikation und weniger als Definition zu betrachten ist. (Cf. Ulp. D. 1,1,1,2 Huius studii duae sunt positiones: publicum et privatum. Publicum ius est, quod ad statum rei Romanae spectat, privatum, quod ad singulorum utilitatem; sunt enim quaedam publice utilia, quaedam privatium) Wie Prof. Hamza hervorhebt, sind das ius publicum nicht mit dem modernen öffentlichen Rechtsbegriff und das ius privatum nicht mit dem modernen Privatrecht zu identifizieren, da diese Rechtsbegriffe in einem völlig anderen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Milieu entstanden. Demnach stellte Gábor Hamza fest, daß die Trennung der Rechtszweige keine praktische Bedeutung für die römischen Rechtsgelehrten hatte, indem sie lediglich als eine Form der wissenschaftlichen Klassifikation erschien. Als Beispiel dafür erwähnte er den Erwerb von Eigentum: die Art und Weise, wie sich Staat und Bürger Eigentum erwarben, unterschieden sich voneinander. Der Staat brauchte zum Eigentumserwerb weder Manzipation noch Tradition. Im Gegensatz zum römischen Rechtssystem kann der Staat im modernen Privatrecht Subjekt privatrechtlicher Verhältnisse sein. Das ius privatum bezog sich nicht auf den römischen Staat. Prof. Hamza stellte ferner fest, daß während der eine Teil des römischen "Strafrechtes" - crimen -zum ius publicum, der andere Teil - delictum - zum ius privatum gehörten, wird das moderne Strafrecht im wesentlichen als Teil des öffentlichen Rechts betrachtet. Dies kann allerdings nicht verallgemeinert werden, da das Strafrecht z.B. im französischen Recht einen Teil des Privatrechtes bildet. Wie oben bereits angedeutet, stellte Gabor Hamza fest, daß die Trennung der Rechtszweige für die römischen Rechtsgelehrten keine praktische Bedeutung hatte. Die von Ulpian formulierte Distinktion ist nicht technischer Art, sondern dient der allgemeinen Klassifizierung, die im griechischen Denken wurzelt. Um das Fortleben des Begriffes zu illustrieren hob Prof. Hamza den berühmten Streit zwischen Placentin, dem Schüler von Bulgarus, und Azo Portius hervor: laut Placentin, der als erster die Trennung der Rechtszweige formuliert hatte, gelten das ius publicum und das ius privatum als duae res, und bilden somit zwei separate Gegenstände des studium iuris. Dagegen war Azo um die Einheit des Rechtssystems besorgt, und sah lediglich eine methodologische Orientation zwischen dem ius publicum und dem ius privatum, wobei er eine diversitas rerum vel personarum abgelehnt hatte.

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Im nächsten Teil seines Vortrages machte Prof. Hamza darauf aufmerksam, daß die Tres libri, die letzten drei Bücher des Codex Iustinianus ausschließlich Regeln des öffentlichen Rechtes enthielten, welcher Umstand jedoch keine Schwierigkeiten für die weitere Entwicklung des öffentlichen Rechts mit sich brachte. Zu diesen Büchern schrieb Andrea Bonello da Barletta (1190-1273), ein ausgezeichneter Schüler der Bologneser Schule und Professor der von Friedrich II. 1224 gegründeten Universität von Neapel, Kommentare. Prof. Hamza hat außerdem die von Marino da Caramanico zwischen 1270 und 1278 geschriebenen Glossen erwähnt, die sich mit den Tres libri befassen. Bartolus de Saxoferrato (1313/14-1357) kommentierte in einigen seiner Traktate (Tractatus repraesaliarum, Tractatus de tyrannia, Tractatus de regimine civitatis, Tractatus de statutis) sämtliche Teile des Corpus Iustinianus und behandelte zahlreiche Fragen des öffentlichen Rechts, sowie die Problematik der weltlichen und kirchlichen Macht, des imperium und des sacerdotium.

Im nächsten Abschnitt seines Vortrags betonte Gábor Hamza, daß das Fehlen einer Gliederung des Rechtssystems in Rechtszweige in Rom der Entwicklung von ius publicum nicht hinderlich war. Er betonte, daß die Rechtsgelehrten -besonders in Deutschland - die Dogmatik und Terminologie des ius privatum als Ersatz verwendeten. Hierbei sollte man an Paul Laband und Georg Jellinek denken, die in beiden Rechtszweigen - im öffentlichen Recht und im Privatrecht - gleichmäßig sachkundig waren. Diejenigen, die die Dogmatik des öffentlichen Rechts in der deutschen Rechtswissenschaft des 19. Jhs. ausgearbeitet hatten, waren in erster Linie Experten des Privatrechts (so auch Georg Jellinek), dementsprechend näherten sie sich den Institutionen des öffentlichen Rechts eher von der Seite des Privatrechtes an, d.h. mit dessen Auffassungen und Terminologie. In Verbindung mit der englischen Rechtswissenschaft berief sich Gábor Hamza auf Sir Thomas Erskine Holland, der in seinem "Elements of Jurisprudence", veröffentlicht in den 1880er Jahren, betont, daß "the only typicallyperfect law" nichts anderes sei als private law. An dieser Stelle bezog sich der Vortragende auf das Werk " Constitutional History of England " von Frederic William Maitland (1908 erschienen), in dem der Autor die Bedeutung des Privatrechts betonend wie folgt formuliert: " Our whole Constitutional law seems at times to be but an appendix to the law of real property". Die Auffassung von Sir John Salmond, einem anerkannten Rechtsanwalt in Neuseeland, ähnelt der von Ulpian, laut wem public law vor allem Regeln hat, die "in sacris, in sacerdotibus, in magistratibus" zum Vorschein kommen. Gleichwohl ist das Begriffspaar public law - private law in den Rechtssystemen von common law bis zum heutigen Tag nicht gleich einer Trennung der Rechtszweige. In der französischen Doktrin bestritt Léon Duguit in seinem Werk " Traité de droit constitutionnel" die Gültigkeit der Trennung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht nach griechisch-römischem Muster, und behauptete, daß diese Unterscheidung nur klassifizierenden Charakter hat.

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Der Vortragende hat anhand von zahlreichen weiteren Beispielen gezeigt, daß das römische Recht die Abgrenzung des öffentlichen Rechtes vom Privatrecht im heutigen Sinne nicht kannte, und wies - wie auch Azo - auf die möglichen Gefahren dieser Gliederung hin. Diese meist künstlich vorgenommene Untergliederung des Rechtssystems wirkt auf die Rechtsentwicklung nicht unbedingt förderlich, indem sie die Gefahr der Aufhebung der Einheit des Rechtssystems in sich trägt.

Mit Hinblick auf das universitäre Iurastudium hat der Vortragende besonders die, 1694 an der Universität von Halle errichteten vier Professuren (nämlich Decretalis, Codex, Pandectae, Institutiones) als richtungsweisend hervorgehoben, die nicht nach Rechtszweigen, sondern nach zu erforschenden und zu unterrichtenden Quellen (fontes iuris) organisiert wurden.

Am Ende der Sitzung überreichte der Vorsitzende Ádám Török Prof. Gábor Hamza die Urkunde über die korrespondierende Mitgliedschaft in der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. ■

Lábjegyzetek:

[1] Károli Gáspár Reformierte Universität, Telefonnummer: (36-1) 370-8601, e-mail: tamasnotari@yahoo.de

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