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Barna Mezey[1]: Anfänge der Wissenschaftlichkeit des Gefängniswesens in Ungarn (Annales, 2010.)

Da die Literatur über das Gefängniswesen ein Zweig der wissenschaftlichen Bearbeitung des Rechts ist, ist ihre Entfaltung nur gleichzeitig mit der Verbreitung der rechtlichen Wissenschaftlichkeit (darin der theoretischen strafrechtlichen Tätigkeit) zu erwarten. Betrachtet man lediglich das Recht und die Rechtswissenschaft, müssen der Analyse von Fragen des Gefängniswesens mindestens zwei erhebliche Änderungen vorausgehen. Einerseits muss sich das bereits als Rechtszweig anerkannte Strafrecht vom verflochtenen Gewebe der öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Regelung abheben und sich verstärken. Andererseits muss nach der Trennung des Strafrechts von der ungeordneten Masse der Rechtsnormen das Bedürfnis nach der Kompilation und anschließend der Kodifikation des Rechts entstehen, um die zur Rechtsetzung Berufenen zum Überblick des Rechts des Landes und der Rechtszweige, sowie zum Systemdenken zu zwingen. Im ungarischen Recht kam es um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert zu diesem Prozess, der sich in den darauf folgenden Jahrzehnten entfaltete.

Das Verlangen nach einem selbstständigen Strafrecht wurde in Ungarn im 18. und 19. Jh. immer stärker, und danach entwickelte sich langsam die Strafrechtswissenschaft. Die ersten systematisierenden Arbeiten wollten den Anforderungen der Praxis gerecht werden, aber sie werden von der Fachliteratur noch nicht als Produkte von wissenschaftlichem Wert angesehen. So z. B. die Jurisprudentia practica von Stephanus Huszty, die Praxis Criminalis von Gabriel Gochetz, und die Jurisprudentia Criminalis von Mathias Bodó (1745, 1746, 1751). Der Entwurf zum Strafgesetz 1712, das Elaborat von 1795 und die überarbeitete Version von 1827 wurden von den Arbeiten von Raphael Nell, Iosephus Huszty, Josephus Várady-Szakmáry, Andreas Cházár und Nicolaus Kraller begleitet.[1] Die Epoche war nicht nur durch das Scheitern der Entwürfe, sondern auch durch das langwierige, zögernde Entstehen von Facharbeiten gekennzeichnet. Obwohl die große und ziemlich schwierige Aufgabe, einen selbstständigen Rechtszweig zu schaffen, eine theoretische Annäherung auf hohem Niveau verlangte, zwangen die verständlichen Bedürfnisse von Lehre und Praxis die Autoren zur Durchsetzung von größtenteils praktischen Gesichtspunkten. Die ersten Monografien und Lehrbücher lagen zwischen den Mühlsteinen Theorie und Praxis. Weder die Arbeit von Pál Szlemenics noch diese von Fabriczy kann als ein Handbuch des Strafrechts von wissenschaftlichem Wert angesehen werden.[2] Die Fachliteratur[3] hält bis heute das Handbuch von Mátyás Vuchetich mit dem Titel Institutiones juris criminalis für die erste Schwalbe der Strafrechtswissenschaft.[4] Er war der Erste, der die Grenzen der von der Praxis befruchteten Kommentarliteratur überschritt und mit einem Werk an die Öffentlichkeit trat, das wissenschaftlich bereits zu schätzen war, systematisierte, und theoretisch genug war.[5]

Die Entstehung der Strafrechtswissenschaft ist für das Gefängniswesen von besonderer Bedeutung. Die Kerkerstrafe und ihre Vollziehung stellten nämlich so lange, bis sie nicht auch theoretisch den Zwecken des Strafrechts untergeordnet wurden, für die Behörden einfache Verwaltungsaufgaben dar. Es gab keine Maschinerie des Strafvollzugs, und die Kerker und Arreste funktionierten ausgeliefert den zufälligen Überlegungen, noch eher den täglichen wirtschaftlichen Möglichkeiten der Verwaltungs- und der damit verflochtenen Justizbehörden. In der Art und Weise des Strafvollzugs spielten die theoretischen Überlegungen keine Rolle, nur die praktische Anforderung der sicheren Verwahrung des Häftlings. Um den Strafvollzug aus dieser Lage herauszuholen, waren vor allem neue Zweckbestimmungen notwendig, die die ganze Auffassung von der Strafe umgestalteten. Es ist leicht einzusehen, dass bis zu diesem Ereignis niemand ein Interesse daran hatte, die Kerkerverhältnisse zu ändern.

Aber allein das wissenschaftliche Betreiben des Strafrechts (insbesondere theoretisch und wissenschaftlich) ergab im Gefängniswesen noch keine Wende. Die Strafrechtler waren nämlich vorerst damit beschäftigt, die Strafrechtsnormen vor allem vom Privatrecht abzutrennen, sie suchten nach einem System im Strafrecht, und versuchten, allgemeine Grundsätze herauszufinden. Während dieser Arbeit schenkten sie dem Strafvollzug spürbar wenig Beachtung. Am ehesten waren noch die Betrachtungen über die Strafen, die eine Wirkung auf die Praxis der Vollziehung von Kerkerstrafen ausübten. Die Revolutionierung deren war aber bei Weitem keine Systemfrage: hier war eine Erneuerung von den Wurzeln auf notwendig, und die Akzeptierung der neuen, der alten scharf gegenüber stehenden Qualität der Strafauffassung.

Zur Wende im Gefängniswesen kam es in den 30-40-er Jahren. Der Anstoß zur Entstehung dieser Bewegung kam jedoch nicht von offiziellen Persönlichkeiten des Strafrechts, sondern aus den Sphären der Politik. Die Beschäftigung mit dem Strafrecht teilte sich - die Sache jetzt etwas vereinfacht - in drei Zweige. Die Fachleute der Rechtsprechung versuchten, die tagtägliche Praxis zu gestalten, natürlich an Hand der konkreten Probleme von konkreten Fällen. Mit ihnen zusammen schritt die Wissenschaft der Rechtsakademien und der Katheder der Universität voran. Die Hochschulen unterlagen im Kampf mit der praktischen juristischen Ausbildung. Der Wettbewerb zwischen den theoretischen Wissenschaften und den tagtäglichen rechtstechnischen Kenntnissen ging zu Gunsten der Letzteren aus, denn die Juristengesellschaft erwartete von der Ausbildung leicht anwendbares, praktisches Wissen, das man sich nur in den Ämtern des Komitats, neben den Anwälten und den Notaren, in den Büros der Landesdikasterien erwerben konnte.[6] Und auch die Massen der Schicht des niederen Adels, die in diesem Bereich tätig werden wollten, verlangten diese Art der Ausbildung.[7] In den Vorlesungen der Universität schrieben einige Dutzend Hörer die diktierten Erörterungen mit, die Vortragenden waren gezwungen, das materielle Recht zusammenzufassen und systematisch darzustellen.[8] Die Wissenschaft auf den Kathedern ging eher in Richtung Systematisierung und Ausgestaltung der Rechtszweige.[9]

Der dritte Zweig der Beschäftigung mit dem Strafrecht entsprang den Bestrebungen der ungarischen Liberalen, der Anhänger einer neuen ideologischen Richtung. Die Besonderheit dieser Strömung lag darin, dass ihre Anhänger meistens keine Berufsjuristen im herkömmlichen Sinne waren, den überwiegenden Teil ihrer Tätigkeit machte das Politisieren aus. Da aber der Humanismus und die Forderung der Gleichheit unter den Menschen auch die Humanisierung des Strafrechts in den Bereich der Reformgedanken zur Umgestaltung der Gesellschaft einbezogen, erstreckten sich ihre Anschauungen notwendigerweise auf die Durchsetzung des Strafrechts, vor allem auf die Institution, die sich am unmittelbarsten auf die Untertanen auswirkt, auf die Strafe.

Das Ideensystem des Liberalismus fand in Ungarn in der ersten Hälfte des 19. Jh. Anhänger, die so genannte erste liberale Generation. Die freigesinnte Ideologie als "Produkt" Westeuropas des 18. Jh., ist das Ideensystem des Bürgertums, das das Ständewesen und die Vorrechte des Adels angriff, und sie erfuhr im ersten Drittel des darauf folgenden Jahrhunderts allgemeine Akzeptanz. Der in der gedanklichen Achse des Liberalismus stehende, fast unbegrenzte Freiheitsbegriff stand dem Polizeistaat des Absolutismus gegenüber, der alles einschränkte und knebelte. Sinngemäß wurden auch die Richtungen der liberalen Bestrebungen durch konkrete politische Aufgaben und Zielsetzungen eingegrenzt. Das Wesentliche am Bild des neuen Staatsmodells, das der Allmacht des absolutistischen Staates gegenüber stand, ist das System eines verfassungsmäßigen Status, und seine wichtigsten Elemente sind die Einschränkung der königlichen Macht, die Durchsetzung des Parlamentarismus im bürgerlichen Sinne, und das Einzwängen der Staatstätigkeit in kontrollierbare Rahmen. Die bitteren Erfahrungen der alltäglichen Kämpfe, das ohne Auswahl angewandte strafrechtliche Arsenal der feudalen Macht, die Strafprozesse, ohne Verfahren erfolgte Festnahmen, und die Nichtbeachtung der Freiheit der Untertanen verliehen der Forderung der Freiheitsrechte noch mehr Nachdruck. Da zum Auftritt gegen die bürgerlichen Bewegungen die polizeilich-richterliche Willkür am ehesten auf der Hand lag, spielte das Strafrecht in diesem Kreis eine hervorgehobene Rolle. Im Hintergrund der allgemein politischen Bürgerbewegungen stand freilich die Befreiung der Wirtschaft. Von den Forderungen des Liberalismus konnte der Bürger vor allem die Änderung im Umfang der Freiheitsrechte, bzw. ihrer Durchsetzung spüren.

Die Verwirklichung des Liberalismus in der Wirtschaft war für die Sphäre der Ökonomie von entscheidender Bedeutung, aber auf die breiten Massen der Bevölkerung hatte sie nur eine ziemlich schwache spontane Auswirkung. Demgegenüber waren Gleichheit, Gesetzmäßigkeit und die statt Privilegien frei auszuübenden allgemeinen Freiheitsrechte für die Bürger des Staates unmittelbar spürbar, so wurde für sie die Gesellschaft nur mit Hilfe dieser Rechte so wirklich zugänglich. Es ist also kein Zufall, dass den wichtigsten Platz im Wörterbuch der Politiker die Freiheitsrechte einnahmen. Dazu kam noch, dass in Ostmitteleuropa, so auch in Ungarn, die unentwickelte Industrie, das verkümmerte Bürgertum und die Nachhilferolle des Adels in der Anführung der bürgerlichen Umwälzung einen besonderen Akzent auf die verfassungsmäßige Regierung und auf die Erarbeitung der Verfassungsgarantien legten. Diese Gedanken wurden zum zentralen Element des Programms der ersten liberalen Generation.[10]

In den dreißiger Jahren füllt die Literatur des Liberalismus bereits eine ganze Bibliothek. Die Werke von Mignet, Thiers, Michelet und Tocqueville, die aus den Traditionen, Ideen und Erfahrungen der französischen Revolution schöpften, die Werke von Rotteck und Welcker, Dahlmann und Gervinus, die den Liberalismus aus Sicht des Verfassungsrechts bewerteten, waren in ganz Europa viel gelesene Lektüren. Die ideelle Entfaltung des ungarischen Liberalismus ist nicht in geringem Maße diesen Werken zu verdanken. Die jungen Freigesinnten, die Vorkämpfer der späteren Reformpartei, eigneten sich die Ideen des Liberalismus durch die Lektüre dieser Werke an, und ihre ersten Schritte in der Politik wurden von diesen Werken begleitet. In großem Maße wurde die Wirkung des Liberalismus durch die Tatsache verstärkt, schrieb Gyula Szekfű, dass "die Vertreter der Literatur, die sich zu den liberalen Grundsätzen bekannten, wie Lamennais, Thiers, Mignet, sowie Heine, Burne, Byron, später Victor Hugo und Lamartine, samt und sonders große Schriftsteller waren, die spielend das Herz und die Emotionen der Leser eroberten."[11] Liberalismus und Romantik brachen gleichzeitig in das ungarische öffentliche Denken ein. Die Freigesinnung verbreitete sich anfangs vor Allem durch die schöngeistige Literatur und durch die Gefühle. "Die meistgelesenen politischen Werke behandelten statt der Prinzipien die in einem Nationalkörper aktualisierten Erscheinungen des Liberalismus, und zwar meist in ihrem noch nicht gefestigten Aggregatzustand nach einem revolutionären Ausbruch".[12]

Die ungarische Freigesinnung der Reformzeit hatte in Folge der mitteleuropäischen Umstände zahlreiche Besonderheiten, von denen die gesellschaftliche Stellung der Vertreter und Verbreiter der liberalen Ideen die wichtigste zu sein schien. Während in Westeuropa die liberale Ideologie vom Bürgertum und von Revolutionen geschaffen wurde, entstanden die Politikergeneration einer zukünftigen bürgerlichen Umwälzung, die freigesinnte Strömung im mittleren Adel - der das Bürgertum ersetzte -, sogar letztendlich selbst die Wende von 1848, durch die vom Westen angekommene Ideologie. Die gegen den Absolutismus gerichteten Ideen fielen beim ungarischen Adel auf nahrhaften Boden, denn der Adel bezog Stellung gegenüber dem Hof, der die absolutistischen Vorstellungen der Habsburger durchsetzen wollte. Die liberalen Lehren wurden teils von den im Westen studierten Protestanten, Geistlichen und Lehrern vermittelt, teils von den Teilnehmern der großen Reisewelle nach der französischen Konsolidierung verbreitet. Im Ungarn der dreißiger Jahre wurde üblich, die entwickelten westeuropäischen Länder zu bereisen, die Reiseziele waren vor allem London, Paris und die deutschen Staaten, aber einige gelangten sogar in die Vereinigten Staaten. Zur Laufbahn der Söhne hochadeliger Familien gehörte ein Auslandsaufenthalt von 1-2 Jahren. (So lernten Graf István Széchenyi, Baron József Eötvös oder Baron Miklós Wesselényi England kennen, aber auch die Sprösslinge zahlreicher Familien des mittleren Adels sammelten Erfahrungen im Westen, wie zum Beispiel Sándor Bölöni Farkas oder Bertalan Szemere.)

Da der Liberalismus nicht aus ungarischem Boden hervorging, bedarf er zur Verbreitung ständiger Vergleiche: zwischen der bürgerlichen und der ständischen Gesellschaft, zwischen Industrie in Fabriken und in Zünften, zwischen Fortschritt und Rückständigkeit, zwischen Freiheit und Unterdrückung. Dieser Vergleich ergab die ungarische Auslegung und Adaptation der Freigesinnung. Die Forderungen bezüglich Verfassungsmäßigkeit verkörperten sich im Bedürfnis nach Ordnung im Verhältnis zwischen Ungarn und den Habsburgern. Die Wirtschaftsfragen wurden im Angriff auf die vor dem produzierenden mittleren Adel stehenden ständischen Hindernisse, und der Begriffskreis der Freiheitsrechte in der Aufhebung der Leibeigenschaft formuliert. In der Freigesinnung der ungarischen Reformzeit waren die modernen bürgerlichen Ideen des kapitalisierten Westens mit der Wirklichkeit (und den Wünschen) der rückständigen, eines Bürgertums entbehrenden, und durch das System einer zweiten Leibeigenschaft belasteten ungarischen Gesellschaft auf eine besondere Weise vermischt.[13]

In Ungarn blieben die Ansichten des Liberalismus über den freien Wettbewerb im Hintergrund, oder sie beschränkten sich auf die Aufhebung einiger Institutionen des Feudalismus, z. B. der Avitizität. Für die adeligen Schichten, die die Notwendigkeit der wirtschaftlichen Änderungen in sich trugen und vor allem an der landwirtschaftlichen Warenproduktion interessiert waren, war die bürgerliche Auffassung des freien Wettbewerbs fremd, und blieb sie auch fremd. Die beiden anderen Forderungsgruppen, die Verfassungsmäßigkeit und die Freiheitsrechte erschienen demgegenüber verstärkt. In der Bereinigung der öffentlichrechtlichen Verhältnisse verkörperte sich nicht nur die Opposition gegen den Absolutismus, sondern auch der Gedanke der ungarischen Unabhängigkeit, der die Kämpfe möglicherweise noch heftiger machte. Das Verlangen nach den Freiheitsrechten forderte den Aufstieg der breitesten Gesellschaftsschichten, und so gewann es eine bedingungslose Unterstützung von ihrer Seite.

Deshalb hatte das Programm der ungarischen verfassungsmäßigen Opposition (die Partei der Liberalen) zwei Pfeiler: die Verstärkung der Verfassungsgarantien und die Ausweitung der persönlichen Freiheit. Den Ausbau der Verfassungsgarantien plante man durch die Verantwortlichkeit der Regierung, den Parlamentarismus, die verstärkte Öffentlichkeit und durch Durchsetzung der Pressefreiheit, sowie im Wege der Mehrung der Freiheitsrechte und der Ausweitung ehemaliger ständischer Vorrechte zu erreichen. So "vertraten die ungarischen Liberalen ... in ihrem durchdachten, praktischen und taktisch portionierten Programm die Perspektive der Verallgemeinerung der gemeinschaftlichen und individuellen Selbstbestimmung, der Menschenwürde, genau so wie die akzeptablen und zu akzeptierenden Traditionen der Vergangenheit "[14] Demgegenüber meinte Gyula Szekfű: "Der politische Liberalismus war bei uns, wie auch anderswo, in erster Linie eine herrschende Stimmung in der Öffentlichkeit, ein Geschöpf der Sinne, das sich herzlich wenig um Prinzipien, um die Details der gegebenen politischen Verhältnisse und um positive Reformen kümmerte."[15] Iván Zoltán Dénes vertritt das andere Extrem. Er ist der Meinung, dass "sich die ungarischen Liberalen von den Traditionen des ungarischen politischen Denkens derjenigen Linie anschlossen, die das Wesentliche sah und mit der Wirklichkeit rechnete, während sich die Konservativen unter dem Titel Realpolitik mit dem Zwang der Festhaltung an der Macht identifizierten und ihn dadurch verinnerlichten, und deshalb gehörten sie zur Strömung derjenigen, die sowohl ihr Realitätsgefühl als auch den Sinn für das Wesentliche ablehnten und verloren."[16] Beide Behauptungen können ja auch als wahr angenommen werden, in einem gewissen Sinne. Angesichts dessen, dass die ungarischen Liberalen mit den Traditionen der Habsburg-gegnerischen Bewegungen verbunden waren, waren ihre Forderungen entscheidend von der antihöfischen Gesinnung und der oppositionellen Haltung aus Beleidigung beeinflusst.[17] So konnten sie die Vertretung eines Teils der ungarischen Wirklichkeit ihr eigen wissen. Es wäre verfehlt, die sich darin manifestierende Realität zu leugnen. Zugleich aber nahmen sich die ungarischen Liberalen über den Unabhängigkeitsforderungen hinaus auch zahlreicher irreal scheinender Zielsetzungen an. Diese sind nicht so sehr in den programmatischen Devisen anzutreffen, sondern in den dahinter steckenden Handlungsvorstellungen, die die Prinzipien umsetzen sollten. So schien zum Beispiel die durch Ausweitung der ständischen Vorrechte zu erreichende Rechtsgleichheit theoretisch, in einem optimalen Fall zu verwirklichen, was aber die konkrete Realisierung betrifft, schon weniger. Als Beispiel soll hier der Fall des Entwurfs eines Strafprozesskodexes vor der Landesversammlung 1843/44 stehen. Er wurde von den Liberalen entworfen, und die konservativen Politiker konnten sie an der Durchsetzung ihres Plans einfach nicht hindern, so legten sie der Landesversammlung ein wirklich modernes prozessrechtliches Planum von europäischem Niveau vor. Es war ein großartiges Elaborat, das sich im bürgerlichen Europa unbedingt bewährt hätte, aber auf keinen Fall im ständischen Ungarn. Als Grundlagen wurden die modernsten bürgerlichen Entwürfe und Strafgesetzbücher genommen, und die gesellschaftsorganisierenden Prinzipien der am meisten entwickelten westlichen Staaten wurden als Beispiel angesehen. Sie erstellten auf diesen Grundlagen einen verfahrensrechtlichen Entwurf, der entwickelte bürgerliche Ideen widerspiegelte - aber in einem Land, wo die Prozesse noch im Geiste des "finstersten" Mittelalters verliefen, wo die richterliche Gewalt in den Händen des konservativ gesinnten Adels konzentriert war, wo die Freiheit keinerlei Wert besaß.[18] Und sie glaubten daran, dass die im Vergleich zu Früher zwar radikaler, jedoch immer noch traditionell adelige Landesversammlung diesen gesellschaftsfremden Gesetzesentwurf billigen werde, und dieser dann in die ungarische Rechtspraxis eingeführt werden könne. Dem wurde es aber - wie bekannt - nicht so. Die Realitäten widerlegten die Illusionen.[19]

Wenn wir die Geschehnisse der Reformzeit um den Strafvollzug herum bewerten, können wir diese Erscheinung nicht außer Acht lassen, denn das Terrain der Gefängnisverbesserung war genauso ein eigenartiges Gemisch von Illusionen und Realitäten, wie auch zahlreiche Bestrebungen der Reformzeit. Was natürlich weder den Ruhm der freigesinnten Generation der Reformzeit schmälert, noch die insgesamt positive Bewertung der Kämpfe der Reformzeit verschlechtert.

Würden wir eine Liste der Forderungen (und der Ergebnisse) zusammenstellen, die ausschließlich zu den Forderungen der Liberalen gehörten, stünde die Sache der Gefängnisverbesserung ohne Zweifel darauf. Daraus folgt, dass die Motivation derjenigen, die sich der Angelegenheit der Gefängnisverbesserung annahmen, fast rein ideell ist. Im Land gibt es nämlich keine Kriminalstatistiken,[20] ausgenommen gewisser Aufstellungen des Statthalterrates über die schwerwiegenderen Sachen,[21] und insbesondere gibt es keine Nachweise über die Wirksamkeit der Gefängnisse. Nichts ist zu wissen über die Rolle des Kerkers, es fehlen Informationen über den Rückfall, es gibt keine Angaben bezüglich der Besserung. Die Feststellungen der späteren Arbeiten zum Gefängniswesen sind lediglich logische Folgerungen, und sie entstanden durch Übernahme von Feststellungen aus der westlichen Fachliteratur. Im ständischen Ungarn, wo alle Aufmerksamkeit auf die Kämpfe in der Landesversammlung gerichtet war, wo das Gesprächs- und Diskussionsthema die Umgestaltung der Jahrhunderte alten Beziehungen zu den Habsburgern war, wo die radikale Opposition traditionelle Rechtsinstitutionen bombardierte (wie z. B. die Avitizität, die ewige Leibeigenschaft, oder die Steuerfreiheit der Adeligen), wo Széchenyi sein Werk "Hitel" (Kredit) veröffentlichte, das das ungarische öffentliche politische Denken revolutionierte, dort konnte das Gefängniswesen kaum mit Interesse rechnen. An und für sich gab es nichts, was das Interesse am Schicksal der in Kerker gesteckten Verbrecher, insbesondere an ihren Lebensverhältnissen erweckt hätte. Und das Gefängniswesen erhielt den Impuls wirklich nicht von "innen", vom Fach, aus der Richtung der Strafrechtswissenschaft, sondern aus externen Quellen, aus der Sphäre der Politik.

"... nur dann kann über einem beliebigen Mitglied einer Gemeinschaft gegen seinen Willen rechtmäßig Macht ausgeübt werden, wenn dadurch die Gemeinschaft vor einem Übel verschont werden kann."[22] Dieser Satz von John Stuart Mill widerspiegelt getreu das Wesen der Forderungen der Freigesinnten bezüglich des Individuums. "Der Liberalismus verkündete die absolute Freiheit und Selbstständigkeit der Persönlichkeit, sowohl im Verhältnis zur Religion, als auch zum Staat und zur Gesellschaft... aus der Freiheit des Individuums folgt ein ganzes System der Freiheitsrechte: die persönliche Freiheit, die auch die letzten Reste des Feudalismus, des Ständewesens und der Leibeigenschaft vernichtet..."[23] Eine der schwersten Beeinträchtigungen der persönlichen Freiheit durch den Staat ist, jemanden einem Strafprozess zu unterziehen, ihm die persönliche Freiheit zu nehmen, ihn in Untersuchungshaft zu nehmen, oder der Strafvollzug auf Grund eines gerichtlichen Urteils. Der Freigesinnte kann aber auch hier nicht auf den Schutz der Menschenwürde, auf die -natürlich gewissermaßen eingeschränkte - Wahrung und Ausübung des Humanismus verzichten. Er kann also auch die Forderung einer Revision des feudalen Strafvollzugs in der Praxis nicht umgehen. Das kann aber auch einen gewissen Schutz für die liberalen Kräfte bedeuten, die gegen die absolute Macht und für das Bürgertum kämpfen, denn die richterliche Strafgewalt, die Hinrichtungsstätten und die Kerker sind die unmittelbarsten Mittel (und so auch Symbole) des Absolutismus. Sie zwingen die Freigesinnten also nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch zum

Auftritt. Das bisher Gesagte wird noch durch die nicht abzuschätzende, oben bereits erwähnte Tatsache ergänzt, dass der Liberalismus die Jugend Europas, Hand in Hand mit der Romantik, erobert hat. Zum Nähren der flammenden Emotionen boten sich wenige solcher Institutionen an, wie der an das Mittelalter erinnernde Kerker. Die aasigen unterirdischen Gruben, der Anblick von zu Skeletten gedörrten und von Epidemien geschwächten Häftlingen, das zum Abschrecken zum Spazieren Ausführen von durch das Gefängnis kreierten menschlichen Wracks und ihr Schlagen vor der Öffentlichkeit, wurden zu schwerwiegenden Argumenten in der Argumentierung der liberalen Politiker. Zu einem der Zielpunkte der Freigesinnten, die Freiheit und Menschenwürde an ihre Fahne hängten, wurde in Ungarn der Kerker.

Die Verbreitung der Freiheitsstrafe ist eine Erscheinung der bürgerlichen Gesellschaft. Es ist fast ein Gemeinplatz, wenn die Pönologie feststellt, dass jede Ebene der gesellschaftlich-wirtschaftlichen Entwicklung ihre am häufigsten angewendete und anwendbare Strafart besitzt, die den Untertanen, den Bürgern am gegebenen Ort und zur gegebenen Zeit tatsächliche und empfindliche Nachteile und Verluste verursacht. Da die Strafe nichts anderes als der Entzug allgemein anerkannter Werte oder ihre Beschränkung ist, können Gesetzgeber und Gesetzanwender den Änderungen des Wertesystems in einer Gesellschaft folgen: sie können den Kreis der angewandten Sanktionen im Einklang mit den Änderungen erweitern, einschränken oder verändern. Bezogen auf die untersuchte Epoche bedeutet das Folgendes: obwohl carcer und arestum schon in der Strafpraxis der ständischen Gesellschaft vorhanden waren, kann man von ihrer allgemeinen Anwendung vor dem 19. Jh. noch nicht sprechen. Weder das auf den Vorrechten der Stände aufgebaute System, noch die praktischen Überlegungen gegenüber den unteren Gesellschaftsschichten ermöglichten das. Adelige wurden sogar für die schwersten Verbrechen nur selten in den dehonestierenden Kerker geschlossen, eine Ausnahme davon bildete vielleicht nur die politische Haft. Eine Freiheitsstrafe für Adelige begann erst gegen Ende des 18. Jh. zu Praxis zu werden, jedoch bei viel Widerstand und wie üblich, sehr schwerfällig.[24] Bei Leibeigenen wurde sie nicht gerne angewendet, sie schien eine milde Alternative zu den Stockhieben zu sein, die schneller und wirksamer waren, und die Leibeigenen nur einige Tage von der Arbeit abhielten.[25]

Dabei fehlten auch die finanziellen Voraussetzungen zum Ausbau eines Gefängnisnetzes im heutigen Sinn. Zur wirklich allgemeinen Verbreitung der Strafart Freiheitsstrafe bedarf es eines grundlegenden Wandels. "Entweder muss das Recht devalviert werden, oder die Pflicht muss höher gehoben werden. Ich will von meinen Rechten nichts abgeben, sondern ich will an den Pflichten beteiligt sein ... Die Voraussetzung der Entstehung eines einheitlichen Strafrechts ist die Rechtsgleichheit... Was ist das große Opfer, das wir zu diesem Augenblick vom Adel erwarten? Folgendes: Was Strafen betrifft, soll er keine Vorrechte besitzen. Dass er, der die Gesetze selbst gegeben hat, unter den Gesetzen stehen soll, die er geschaffen hat. Dass sein adeliges Vorrecht gleichzeitig kein Vorrecht dazu sein soll, üble Taten begehen zu dürfen, und dass die Straftat nicht, oder spät bestraft werde"[26], hielt József Eötvös in seiner Programmerklärung in der Reformzeit fest. In diesem Lichte betrachtet ist kein Zufall, dass der Gedanke über ein allgemeines, auch den Adel umfassendes Strafsystem auch die Erörterung der Fragen des Gefängniswesens zu einem Teil der allgemeinen Polemik zur Vorbereitung der bürgerlichen Umwälzung machte. Der Kerker wurde ein Symbol der Rechtsgleichheit, und die Modernisierung des Gefängniswesens bedeutete einen Schritt in Richtung Bürgertum. Dabei war die Auslegung des Gefängnissystems das Alpha der immer dringender werdenden Frage der Kodifizierung des Strafrechts.

Die Entfaltung der Wissenschaftlichkeit des Gefängniswesens in Ungarn ist etwa bei den 30-er Jahren des 19. Jh. anzusetzen. Die Fachliteratur hält Sándor Bölöni Farkas für den Bahnbrecher der Gefängnisverbesserer. Er schrieb seine Gedanken zwar nicht als eingeweihter Fachmann nieder (er verfügte über theologische und philosophische Ausbildung, absolvierte einen zweijährigen juristischen Kurs, aber seine Rechtskenntnisse verwendete er nur als Schreiber im Regierungsstuhl), kam aber mit dem Strafrecht und dem Gefängniswesen in ein näheres Verhältnis. [27] Er veröffentlichte sein Tagebuch über seine Reisen in Nordamerika, und in einigen Kapiteln beschrieb er auch die Zustände in den besuchten amerikanischen Gefängnissen. Er schrieb über die Besuche: " ... ich befand mich in dem qualvollen Zustand, entweder über die Sachen in meiner Heimat nichts zu wissen, oder zu lügen, oder vor einem Amerikaner zu erröten ... ".[28] In seiner Arbeit stellte er die Stufen der Humanisierung des amerikanischen Strafsystems dar und hob die Entwicklungstendenz hervor, wie Körperstrafen zu Erinnerungen an die Vergangenheit und durch Häftlingsarbeit ersetzt wurden. Er schrieb auch über die wissenschaftlichen Polemiken um die Effizienz der Strafen, über die in Amerika kämpfenden humanitären Bewegungen, und schließlich auch über das Ergebnis der Diskussionen über die entstandenen Gefängnissysteme und über das pennsylvanische und das Auburn-Regime. Er stellte begeistert dar, welche Verhältnisse er in den Gefängnissen antraf: Versorgung der Gefangenen, reichliche Mahlzeiten, Sauberkeit, Gesundheitsfürsorge, moderne Bauweise. Er berichtete auch über die völlige Abschaffung des Fußeisens und der Leibesstrafen, und dass ins Zentrum des Vollzugssystems die Erziehung gestellt wurde. Seiner Meinung nach sei das Unterpfand der Verbesserung von Straftätern die Isolierung, das Arbeiten, die Gewährleistung des einsamen Nachdenkens, und die seelische Betreuung. Unser Reisender erinnerte sich mit Bedauern auch daran, dass bei seinen Besuchen in den Strafvollzugsanstalten die amerikanischen Fachleute lebhaft nach den ungarischen Verhältnissen fragten. "..Auch sie wollten mit großer Neugier wissen, auf welchem System denn unsere Gefängnisse beruhen? Und welche namhafteren Institutionen es zur Förderung der Menschheit und der nationalen Kultur gäbe. ..." Es war nicht genug, dass er solche Institutionen nicht nennen konnte, er musste die Bilder der ungarischen Kerker mit Schaudern wieder heraufbeschwören. "Bei uns sind die Zuchthäuser Müllhäuser der verdorbenen Sitten."[29]

Das schriftliche Festhalten dieser Konfrontation ist das erste Zeugnis von der Bewegung, die von den ungarischen Gefängnisverbesserern ins Leben gerufen wurde, und in knapp zehn Jahren eine neue Idee in der öffentlichen Meinung Wurzeln schlagen ließ. Als Ergebnis ihrer Tätigkeit wurden der Zustand der Gefängnisse und die Gefängnisverbesserung im Laufe eines Jahrzehnts zu einer öffentlichen Angelegenheit.

Bertalan Szemere erlebte ähnliche Erschütterungen bei seinen Reisen im westlichen Teil Europas, wie Bölöni Farkas. Die Kontraste waren zwar nicht so scharf, doch sprach er sehr verzweifelt über unsere Kerker.[30] Während seiner Reise im Jahre 1837 hatte er die Möglichkeit, die modernsten Strafvollzugsanstalten des Kontinents zu besuchen. Er war in den Gefängnissen von Paris, London, Edinburgh und Glasgow, sowie in den modernen preußischen Strafvollzugsanstalten. Die Beschreibung seiner Erlebnisse in den Gefängnissen und seine Erörterungen bezüglich des Strafvollzugs bilden zwar nur einen verschwindend kleinen Teil seines zweibändigen Werkes, betrachten es die Forscher der Wissenschaftlichkeit des Gefängniswesens und die Anhänger der Gefängnisverbesserung bis heute als ihre wichtigste Quelle. Nimmt man den Band in die Hand, erhält man ein genaues, gelegentlich mit statistischen Daten ergänztes, sachliches Bild und eine lebensnahe Beschreibung von Szemere. Bei der Reise in Preußen war er am stärksten von der "Anstalt für moralisch abartige Kinder" hingerissen. Die von Privaten gegründete Anstalt hatte zwei Funktionen: sie war einerseits eine Verbesserungsanstalt für "Lausbuben" von 6-16 Jahren, andererseits ein Züchtigungshaus für Minderjährige, die wegen einer Straftat verurteilt worden sind. Hier waren Jugendliche inhaftiert, die sonst in ein Zuchthaus oder Gefängnis hätten eingewiesen werden, damit sie " in den Zuchthäusern durch unverbesserliche Bösewichter nicht verdorben werden".[31] Neben der Trennung von jugendlichen Verurteilten lobte er auch die Grundsätze der Anstalt: den Glauben an die Verbesserung und das wichtigste Ziel, die Umerziehung der Insassen. Kinder und Heranwachsende konnten sich hier in etwa drei Jahren bei täglich vier Stunden Lernen und sechs Stunden Arbeit die Grundelemente der Allgemeinbildung aneignen, und mit der Freilassung erhielten sie auch einen Beruf in die Hand. "So eine Anstalt ist Staatsbedarf[32] hielt der Verfasser fest.

In Paris besuchte er neun Kerker und zwei Armenhäuser (hospice), und auf Grund seiner Erfahrungen typisierte er die Anstalten. Mit der Terminologie geriet er in Schwierigkeiten, denn unter den ungarischen Wörtern: Verbesserungshaus, Arbeitshaus für Sträflinge, Haftanstalt, Zuchthaus, Arrest und Kerker fand er kein geeignetes Wort zu seiner Erzählung. Weil die ungarische Terminologie des Gefängniswesens unentwickelt war, verwendete er diese Wörter systemlos als Synonyme. Aufjeden Fall begrüßte er begeistert, dass es Anstalten gibt (Angeklagtenhäuser), "in denen die noch nicht Abgeurteilten untergebracht sind, und die kraft neuerer Gesetze nicht Kerker, weil diese Bezeichnung brandmarkt, sondern nur »Häuser« genannt werden."[33] Das Maison de depot, das Maison d'arret und das Maison de justice waren eine Gruppe der so genannten "züchtigenden" Gefangenenhäuser. Zu einer anderen Gruppe gehörten die Gefängnisse der Verurteilten, für Kinder das in der Roquette Straße, für Frauen das Saint-Lazarre und für Männer das Sainte-Pelagie. In der französischen Hauptstadt widmete er aber den von ihm "bürgerliche Gefangenenhäuser" genannten Anstalten, dem "Schuldnergefängnis", dem "Haus für vom Vater Misshandelte" und dem Irrenhaus mehr Aufmerksamkeit. (Der damalige Zeitgeist widerspiegelt sich darin, dass Szemere ohne nachzudenken zur Kenntnis nimmt, dass Gebäude, in denen Irren verwahrt werden, zur Kategorie der Gefängnisse gehören.)

Szemere besuchte mehrere Städte auch in England. Hier, wie auch später in Ungarn, nutzte er die Dissonanz zwischen den Regionen der Praxis aus: er malte mit romantischer Hitze den Kerker der Verhafteten in London aus[34]; das war für ihn ein ausgezeichnetes Kontrastmittel zu den modernen Anstalten. Er veröffentlichte eine Statistik aus unsicherer Quelle über das Verhältnis zwischen der Zahl der Verhafteten und der schließlich Verurteilten. Damit wollte er unterstreichen, wie wichtig es ist, Verdächtige unter menschlichen Verhältnissen in Haft zu halten. Laut diesen Daten aus dem Jahre 1837 (Zahlen wahrscheinlich auf Grund der Vorjahreszahlen) lauten die Verhältniszahlen zwischen Verhafteten und tatsächlich Verurteilten: in den Vereinigten Staaten 80%, in England 20%, in Frankreich 55%, in Ungarn 90%.

"... Mein Freund, überlief dich der Schauder angesichts dieses Bildes? Wenn ja, das freut mich. Aber du irrst dich, wenn du das Original des Bildes in England suchst: schau dich um, und du erkennst, dass ich hier ein Bild von den ungarischen Kerkern gemalt habe." So bejammert er die Kerkerverhältnisse in London.[35] Newgate, Westminster, Bridewell, Millbank und Coldbath-fields ernteten bei ihm großes Lob. Er war begeistert von den modernen Prinzipien der Regimes, und vom deklarierten Einzelsystem. Er gibt zu, dass bei keinem der Regimes eine vollkommene Trennung der Häftlinge möglich ist, weil die Kriminalität immer neu entsteht, trotzdem beschreibt er dieses System als das Zweckmäßigste. Da er wegen der angespannten Gefangenenzahlen die Anwendung einer Mischung des Schweige- und des Einzelsystems antraf, konnte er seinen Lesern mittelbar auch über das Auburner System berichten, mit all seinen Vor- und Nachteilen.[36] Er konnte persönliche Erfahrungen machen über die Atmosphäre des bekannten, 1797 erbauten Gefängnisses von Bentham in Edinburgh, in dem die Zellen in einem halbrunden Gebäude angeordnet waren, aber auch im modernen Gefängnis neben Glasgow, in dem - nach seiner Meinung - das pennsylvanische System in seiner ganzen Klarheit in ganz England nur hier umgesetzt wurde.[37]

Der Name von Lőrinc Tóth wurde eigentlich nicht in der Reformzeit bekannt. Zu dieser Zeit veröffentlichte er seine ersten Studien als Anhänger des pennsylvanischen Systems, als Kritiker der erbauten "Mustergefängnisse". Nach dem Besuch Englands Anstalten, besonders im Hinblick auf das Zuchthaus von Coldbats-fields, berichtete er verbittert über die Auburner Lösung. "Es tut weh, so viel Kraftvergeuden ohne Erfolg zu sehen..." Dann machte er einen heftigen Ausfall gegen das Schweigesystem. " Wer würde dort eine Verbesserung von Grund auf suchen, wo die Hausdisziplin mit Peitsche und Hungern aufrechterhalten wird?" Auch die Wirksamkeit des Gefängnisses mit den Einzelzellen verbindet er mit einer guten Bauweise, indem er sagt: " Wo das Gebäude nicht zweckmäßig ist und keine gesunde Lage hat, ... dort bedeckt finstere Melancholie die Seele der Gefangenen."[38] István Gorove veröffentlichte einen beschreibenden Bericht über das Gefängnis in Linz. Hier arbeiteten 2025 Personen zusammen und spazierten in völliger Verschwiegenheit. Auch die Schlafräume waren für diese Gruppenstärke konzipiert. Er bezog eigentlich keine Stellung in der Diskussion über die Gefängnissysteme, er bedauerte nur die ausgelieferte Lage der Verurteilten.

Die Anfänge der ungarischen Fachliteratur über das Gefängniswesen begannen sich in zwei Richtungen zu entfalten. Einige Werke erörterten die Erfahrungen aus dem Studieren der nordamerikanischen und der westeuropäischen Gefängnissysteme und Zuchtanstalten. Das waren, wie bereits oben genannt, die anfänglichen Arbeiten unter anderen von Bölöni Farkas, Gorove, Szemere und Lőrinc Tóth. Diese Werke kamen aber nicht weiter als die Darstellung der Symptome. Als ihre Verfasser in Kenntnis über die modernen Gefängniskonzepte mit den ungarischen Verhältnissen konfrontiert wurden, konnten sie nicht mehr, als eine Reproduktion des abschreckenden Bildes geben. Diejenigen, die sich den politischen Strömungen der Reformbewegung anschlossen und das Problem aus Sicht des Liberalismus betrachteten, sind weiter gekommen. Károly Balla, József Eötvös, Móric Lukács, und später auch Szemere, suchten schon nach Lösungen und nach Auswegen. Sie fanden sich einer anderen Schwierigkeit gegenüber: schier unermessliche Schwierigkeiten hinderten die Entfaltung der Gefängnisverbesserung. Vielleicht kam es auch deshalb zu einem spektakulären Auseinanderdriften der fachlichen und der theoretischen Diskussion in der immer heftigeren Polemik um diese Frage. Die Neuerer, denen der Mangel an finanziellen Voraussetzungen klar geworden ist, wählten häufig den leichteren Weg: sie legten ihre Theorien zur Strafe und Gefängnis frei dar, und versuchten, die Schranken der Möglichkeiten zu ignorieren.

Bertalan Szemere war vom Brodeln der Bewegung um das Gefängniswesen Westeuropas und vom Versuchsgeist auf dem ganzen Kontinent so sehr hingerissen, dass er kurz nach seiner Rückkehr von seiner Rundreise in Europa (sogar noch vor Erscheinung seiner Reisebeschreibung) ein Grundwerk zur Gefängnisverbesserung veröffentlichte.[39] Im Zentrum seiner Betrachtungen steht die Analyse der beiden Systeme in der europäischen Polemik, er beurteilt das pennsylvanische und das Auburner Regime. Er stimmte unmissverständlich für das Einzelsystem. Das Schweigesystem "gebietet Schweigen, aber es kann die Seele nicht isolieren, und so kann es sie vor den Gefahren der Gemeinschaft und der Erkenntnis nicht beschützen."[40] Seiner Meinung nach sei die Isolierung einfach unmöglich, und dabei gebe es keine Möglichkeit, ein gleichmäßiges Niveau sicherzustellen. Die Disziplin hänge nämlich sowohl vom Aufseher als auch von der Anstalt ab. Leibesstrafen und Peitsche seien notwendig, denn mit etwas anderem könnten die zusammen arbeitenden Sträflinge nicht gezügelt werden. Wenn sich nämlich bei einem inhaftierten Verdächtigten herausstelle, dass er unschuldig ist, sei eine Rehabilitation nach dem Auburner System viel schwieriger, weil die Haft in diesem System in jedem Fall als eine schwere Bestrafung gelte. Bei der Isolierung, wo der Häftling in einer Zelle allein verwahrt wird, sei die Demütigung weniger merkbar.[41]

Er erörterte architektonische Fragen des von ihm für ideal gehaltenen Gefängnisses genauso, wie die einzuführenden Verwaltungsschritte oder die Erhaltungskosten eines Gefängnisses. Nach den Erfahrungen von Millbank und Pittsburgh sieht er die Vorstellungen von den halbrund, rund oder im Rotundensystem gebauten Anstalten dementiert, und statt dieser empfiehlt er die strahlenförmige Bauweise. "Bei Auswahl des Baugrundes für einen Kerker ist daraufzu achten, dass die Lage gesund und trocken ist", empfiehlt er. Bezüglich des Personals ist er optimistisch und meint, die Sache sei viel leichter und mit weniger Leuten zu lösen, als beim Auburner System. Er würde den Kerkerverwalter ("Burgvogt") durch die Komitatsversammlung wählen lassen und so lange im Amt belassen, wie er die Erwartungen erfülle. Ebenfalls die Komitatsversammlung solle den dreiköpfigen Ausschuss der "Kerkerbeurteiler" wählen, die sogar über dem Burgvogt Kontrolle ausüben. Das ganze Personal solle der Direktor der Anstalt auf eigene Verantwortung beschäftigen. Er schlägt auch vor, einen Verein für Häftlingshilfe einzurichten. Die Baukosten des Gefängnisses sollten von den Adeligen getragen werden, entweder als freiwillige Spenden oder als Steuer an das Komitat, und die Betriebskosten - und hier zitiert er das Beispiel von Cherry-hill -könnten von der an Unternehmen verkauften Häftlingsarbeit bestritten werden.

In einem späteren Werk sprach Szemere erneut für das Einzelsystem.[42] Durch Analyse und Kritik der Straftheorien kam er zur Aufstellung einer These, welche die auf Nutzen, Interesse und absoluter Gerechtigkeit aufgebaute Denkweise ablehnte. Nach seiner Ansicht sei Strafe notwendig, um wohltuende Wirkungen auszuüben: sie soll lehren, erziehen, durch Angst und Abschreckung von Straftaten abhalten, sowie das Gefühl der Genugtuung über den Sieg der Gerechtigkeit geben.[43] Mit diesem Konzept war von den damals bekannten Straftheorien allein die philadelphische Methode vereinbar.[44]

Das Werk von Szemere über das Verbesserungsgefängnis erlebte mehrere Angriffe. Die gröbste Kritik kam von Lajos Kossuth, der in der Zeitung Pesti Hírlap dem Plan vorwarf, die speziellen ungarischen Verhältnisse nicht beachtet zu haben, und er rief den Verfasser schlicht auf, einen neuen Plan zu erarbeiten.[45] József Eötvös und Móric Lukács bezweifelten den Grundgedanken der Arbeit und votierten für das Auburner System.[46] Károly Balla zog gewisse Feststellungen des Buches in Zweifel, und beanstandete vor allem die zu theoretische Annäherung an die Frage. Trotz alldem wurde das Buch zum grundlegenden Werk der Fachliteratur über das ungarische Gefängniswesen.

Károly Balla veröffentlichte sein Werk über die Umgestaltung und Verbesserung der Freiheitsstrafen als Polizeihauptmann des Komitats Pest.[47] Es folgt aus seiner Stellung, dass er nicht von den westlichen Beispielen, sondern von der ungarischen Praxis ausging, und seine Vorschläge auf Grund seiner alltäglichen Erfahrungen unterbreitete. Als Grundprinzip hielt er fest: " Von der Zweckmäßigkeit der Strafgesetze hängen Sicherheit der Bürger und der Vermögen ab, und von der Qualität der Strafmittel der Erfolg der Strafen."[48] Dadurch stellte er den Strafvollzug in das Zentrum des ganzen Strafrechts. Auch er - wie alle Fachleute vor ihm, die sich Gedanken über das Strafrecht machten - ging von der theoretischen Abgrenzung der Strafe aus, und kam nach Erörterung der Praxis der "Strafarten" schließlich zur Freiheitsstrafe zurück. Zuerst stellt er seine eigene Meinung über die zwei Verbesserungssysteme dar. Das Auburner System lehnt er schon wegen der Anwendung von Körperstrafen als Disziplinarmaßnahmen ab. In seinem Buch griff er die Stockhiebe sehr scharf an. "Der Stock wurde durch Gesetz aufgehoben, und als Surrogat dafür bekamen die Aufseher die Peitsche in die Hand, und zwar bei voller Macht, damit sie die Ungehorsamen so lange schlagen können, bis sie es für notwendig halten."[49] ... "Ich höre nicht auf darüber zu staunen, wie alle Gelehrten das Auburner Strafsystem, das schon auf den ersten Blick unzweckmäßig und verwerflich erscheint, zum Vergleich heranziehen konnten![50] ... obwohl dasjenige die Folge eines ungeschickten Anfangs ist, während das hier die Verbesserung der Folgen darstellt. Und jetzt beschäftigen sich alle Gelehrten, die versuchen, eine bessere Zweckmäßigkeit der Strafarten zu verstehen und anderen auch näher zu bringen, doch mit dem Durchsieben dieser zweierlei Arten der Bestrafung."[51] Er schreibt, dass Zweck der Strafen das Verhüten und Heilen, also Vergeltung, Drohung und Schadensersatz, Vorbeugung und Verbesserung seien. " ... das zweckmäßige Erreichen einer Verbesserung ist wahrhaftig eine der wichtigsten Aufgaben der Strafe."[52] Eine Eigenschaft der zweckmäßigen Strafe sei die Trennung der Straftäter von einander, ihr Quälen (aber nicht durch Drangsalieren des Körpers), und das Belohnen ihres positiven Verhaltens in der Hoffnung auf Verbesserung. Seiner Meinung nach könne man diese Ziele am besten durch die Freiheitsstrafe erreichen, sein Wesen liege also im Einsperren und Arbeitenlassen. Er hält die Klassifizierung der Häftlinge auf jeden Fall für notwendig, was für ihn eine Trennung der zur Untersuchung Inhaftierten von den Sträflingen bedeutet. Für die Untersuchungshäftlinge würde er Haftanstalten, für die Verbrecher aber Strafhäuser einrichten lassen. Er hält es für unerlässlich, die Häftlinge seelisch zu erziehen, sie in Schreiben und Rechnen zu unterrichten, sowie ihnen ein Handwerk beizubringen.

Károly Balla stellt sich mehrere Modelle von Strafvollzugsanstalten vor. Seiner Meinung nach sei für die Verbrecher ein Gefängnis notwendig. Er hält, dass die aus gebildeten, reicheren Schichten stammenden Häftlinge getrennt untergebracht und privilegiert versorgt werden sollten: diese würde er unter besseren Verhältnissen, in einer so genannten Haftanstalt unterbringen. In diese Gruppe würde er auch diejenigen einordnen, die "vom Richter wegen sehr zweifelhafter Umstände zwar nicht schuldig gesprochen werden können, aber er kann sie auch nicht frei herumlaufen lassen, deshalb ist er gezwungen, sie in Haft zu nehmen."(!) (Hier sehen wir eine frühe Formulierung der Sicherungsmaßnahmen.) Und schließlich würde er die Landstreicher als "gemeinnützige Diener" einsammeln und in Arbeitshäuser sperren lassen.[53]

Wie Szemere, schlägt sich auch Balla mit der mangelhaften Terminologie herum. Er schlägt vor, gewisse Wörter zu verwenden. "Das alles bringe ich nur im Vergleich zum Plan vor, in Erwartung auf eine bessere Bedeutungsgebung. " Er unterscheidet zwei Gruppen der Verurteilten: die Schuldigen (Sträflinge, die im Gefängnis - carcer - eingeschlossen sind) und die Sünder ("Mangelhafte", die als Häftlinge in die Haftanstalt kommen.) Er lehnte das panoptische Baumodell von Bentham ab (sowohl das kreis- als auch das sternförmige), und stattdessen empfahl er seinen eigenen Plan, " dem weder englische, noch nordamerikanische Muster zu Grunde liegen, und so der einfachste un- garischePlan ist".[54] In seinem Planum steht ein fünfstöckiges, viereckiges Gebäude mit einer Länge von 45 Zellen. Solche Gebäude schlägt er zum Bau als Komitats- bzw. Kreisgefängnisse vor. Um die Kosten zu decken, plant er eine vom Staat allen Staatsbürgern per Gesetz aufzuerlegende Steuer, sowie ein Lotteriespiel, dessen Einnahmen zu diesem Zweck verwendet werden könnten. Es ist beachtenswert, dass gemäß seinem Plan auch eine zentrale Bank eingerichtet werden sollte, die sich mit Unterstützung der Gefangenen nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis beschäftigt. Den Ton von Balla beeinflussen sowohl praktische Erfahrungen als auch leidenschaftliches Engagement. Manchmal lässt er sich vom romantischen Feuer hinreißen, manchmal versucht er es mit kleinlicher Argumentation. Seine Arbeit ist ein Grundlagenwerk.

Die dritte maßgebende Persönlichkeit des Gefängniswesens der Epoche ist der Baron József Eötvös, der außer seinen Diskussionsbeiträgen und Parlamentsreden zwei stattliche Bücher in Sachen Gefängnisverbesserung veröffentlichte. Das eine Werk ist von ihm allein gezeichnet[55], während er das Zweite mit Móric Lukács zusammen verfasste.[56] Sein Werk aus dem Jahr 1838 ist das große Werk der Humanität, eine Proklamation der menschenwürdigen Strafe. Was seinen Stil betrifft, lässt er nichts zu wünschen übrig, er ist schwungvoll mitreißend. Das Werk widerspiegelt genau die Fachliteratur, und bringt die Überzeugung des großen Denkers getreu zum Ausdruck. Auch Eötvös wählte den Weg der Kritik, er näherte sich dem gewünschten Zustand vom bestehenden System her. "Der größte Teil unserer Institutionen sind Geschöpfe des Mittelalters, und es schuf sie in seiner dunklen, damaligen Not, oder geleitet von einigen Aufregungen und Leidenschaften; die darauf folgenden Jahrhunderte ließen sie unangetastet, und so besitzen wir sie auch heute."[57] Nach Darstellung der Kerker hierzulande begründet er eingehend, warum es falsch sei, die als Verdächtig inhaftierten Menschenmassen (seiner Meinung nach sind 40% von ihnen unschuldig) mit den Sträflingen zusammen in einem Gefängnis zu unterbringen. Wo er über die Strafvollzugsanstalt selbst spricht, greift er außerordentlich vehement diejenigen an, die nur in romantischem Aufflammen und durch plötzliches Aufglühen zur Idee der Gefängnisverbesserung gelangt sind. Nach ihm brauche man zur Gefängnisverbesserung ein kühles und menschliches Überlegen. Nicht die Symptome, wie "Schwere der Ketten", "Dunkelheit des Gefängnisses", "Ungeheuer der Einsamkeit" oder "Grobheit der Speisen" seien zu heilen, sondern die Lösung sei bei den Wurzeln zu suchen: das ganze System müsse geändert werden! Was das System betrifft, ist er für das Schweigesystem. Er zählt Gefängnisse in Amerika auf, in denen - seiner Meinung nach - die pennsylvanische Vorstellung bereits gestürzt ist, und er beruft sich auf die riesigen Baukosten bei Gefängnissen mit Einzelzellen. Das Einzelsystem empfiehlt er - aus der gleichen Überzeugung wie Balla - nur für nicht verurteilte Häftlinge. "Ansonsten stimme ich voll für das Auburner, weil ich davon überzeugt bin, dass es, nicht nur, weil seine Baukosten niedriger und der von den Häftlingen erarbeitete Erwerb, der größtenteils für ihren Unterhalt verwendet wird, höher ist und deshalb wegen seiner Billigkeit empfehlenswerter ist, sondern es ist auch für unser Land zweckmäßiger, denn unsere an Müßiggang gewöhnten Hirten, die größtenteils unsere Gefängnisse füllen, im Arbeitszwang eine größere Strafe finden, als in der philadelphischen Einsamkeit, an die sie, zwar unter Gottes freiem Himmel, aber bereits lange gewöhnt sind..."[58] Auch sonst hält er viel auf die Volkseigenschaften. Wenn er zum Beispiel Ausführungen zur zweckmäßigen Gefängnisstrafe macht, geht er grundsätzlich davon aus, dass Dieb-, Räuber- und Gaunergewalt im Kreise des ungarischen Volkes populär sei, und so seien die Gefängnisinsassen von Seiten des Volkes nicht geächtet, ihre Courage verleihe ihnen beim Volke noch mehr Ansehen. Deshalb sollten in die Gefangenhaltung "ehrenrührende" Momente eingebaut werden, die dieses Ansehen brechen: Hungern, abrasierter Bart, Sträflingskleidung und Frauenarbeit.

Er hält es für sehr wichtig, die Gesichtspunkte der Architektur durchzusetzen, wenn die Wirksamkeit der Strafe gesichert sein soll. Er stellt zwei Bedingungen: das Gebäude soll grundsätzlich für Benutzung als Gefängnis bestimmt sein, und dabei soll es eine Abwandlung der Bentham'schen panoptischen Vorstellung darstellen. Seines Erachtens dürfe die Haltung der Gefangenen nicht auf einem höheren Niveau erfolgen, als das Lebensniveau eines armen Bauernknechts ist, aber dabei dürften die Einschränkungen der Ernährung den Körper nicht gefährden. Er hält auch die Entziehung gewisser "materieller Vergnügen", wie Getränke, gewisse Speisen, Bequemlichkeiten usw., für unerlässlich. Diese Entziehungen ließen die Strafe gewissermaßen "härter" werden. Auch bei Eötvös widerspiegelt sich die zeitgenössische Meinung: das Einsperren an und für sich wird als Ersatz für die körperliche Züchtigung nicht für hart genug erachtet.

Im System von Eötvös sind einerseits eine anständige Versorgung, und andererseits die Arbeit die Voraussetzung einer wirksamen Freiheitsstrafe. In der Arbeit sieht er das Mittel der Verbesserung, und deshalb bezeichnet er sie auch als einen Zweck der Gefängnisstrafe. Ihm ist es klar, dass der Gefängnisbau horrender finanzieller Investitionen bedürfe; diese könne aber der Adel nicht einmal für die Haftanstalten der Komitate aufbringen, meint er. Deshalb schlägt er vor, die Schwerverbrecher vorläufig unter den alten Verhältnissen zu belassen, und Vollzugsanstalten im modernen Sinne nur für Verbesserungsfähige zu bauen.[59] Die Klassifizierung der Gefangenen hält er nach den Genfer Versuchen für durchsetzbar, denn er ist gegen eine Kategorisierung durch den Richter. Seines Erachtens könne der Richter die begangene Tat beurteilen, zur Untersuchung der Persönlichkeit habe er jedoch keine ausreichenden Möglichkeiten. In den langen Gefängnisjahren zeigten sich aber Charakter und Verderbnis eines jeden Menschen.[60] Zur Deckung der Kosten empfiehlt er die Vermietung, die sich hie und da bereits bewährt hat: die Unternehmer sollten die Versorgung der Gefangenen als Gegenleistung für die gemietete Arbeitskraft übernehmen.

Die mit Móric Lukács zusammen veröffentlichte Arbeit ist im Wesentlichen eine reicher illustrierte und erklärte Version des oben dargestellten Büchleins. Auch hier wird das Schweigesystem für das "zweckmäßigste Gefängnis" gehalten.[61] Sie empfehlen ebenfalls die Einführung der Bentham'schen Bauweise und sind der Meinung, dass Zweck der Strafe "Repression und Verbesserung" des Verurteilten sei.[62] Näher beschreiben sie zahlreiche Momente der imaginären Gefängnisdirektion, außerdem die interne Verwaltung, wie auch die Zustände im Gefängnis, die sich durch gesunde Verhältnisse beschreiben lassen (Sauberkeit, Bad, Spazierhöfe). Wie 1838, so dachte Eötvös auch 1841 an den entlassenen Gefangenen: es sollen ihm die Chancen einer anständigen Lebensführung gewährt werden; der seelisch geschulte und mit Arbeit "versehene" Entlassene solle auch mit Geld ausgestattet werden.[63]

Móricz Lukács, der auf diese Weise an der Seite von József Eötvös eine der wirksamsten Arbeiten der Reformzeit über die Gefängnisse schrieb, befasste sich in seinen anderen Werken viel weniger mit der Freiheitsstrafe. Als Berichterstatter der Augsburger Allgemeinen Zeitung in Ungarn, berichtete er regelmäßig über die Beratungen der ungarischen Landesversammlung, und widmete dem Gefängniswesen und der Darstellung der Polemik über die Gefängnisverbesserung mehrere selbstständige Artikel.[64] In einer großen, selbstständigen Studie fasste er in den vierziger Jahren seine Meinung über die Strafrechtstheorien, bzw. über das Wesen und den Zweck der Strafe zusammen. In der überaus gründlichen Arbeit gab er detaillierte Informationen über die Straftheorien, und lieferte den Denkern durch die Kritik an der Abschreckungs- und Vergeltungsauffassung der gängigen feudalen Praxis gute Grundlagen. Nach Darstellung der Ziele der Arbeit teilt er seine Stellung kurz mit. Er trifft keine Wahl zwischen "Vergeltung", "Entschädigung", "Vorbeugung", "Verbesserung", "Drohung" und "Erledigung", sondern er empfiehlt wohl überlegt eine zum Anlass passende Mischung von ihnen. "Die Strafe kann also die Anforderungen der Gemeinnützlichkeit gänzlich nur erfüllen, wenn ... sie die bürgerliche oder sittliche Verbesserung deren (d. h. der Straftäter) auch durch religiöse Schulung, aber vor allem mittels Gewöhnung an die Arbeit durchsetzt ..."[65] József Lugossy meditierte von den Methoden der Gefängnisstrafe. "Dem Kerker stand keine andere Richtung zur Verfügung, als die unmenschliche Grobheit der Strafe zu mildern, darauf waren auch die Bestrebungen einiger Weisen und Altruisten bis zu den letzten Zeiten ausgerichtet; aber dem Kerker die Richtung des durch Strafe zu Verbesserns, und dadurch die elenden Häftlinge der öffentlichen Hilfestellung teilhaftig werden zu lassen, dies war die hohe und edle Gesinnung, die unsere Zeit kennzeichnet, während sie die höchste Stufe der menschlichen, bürgerlichen und christlichen Kultur erreicht."[66]

Bezüglich Gefängniswesen, Freiheitsstrafe oder Gefängnissysteme äußerten sich nicht nur Fachleute des Gefängniswesens, sondern auch Strafrechtler und Verfahrensrechtler. Ignác Zsoldos sprach sich 1838 für das Einzelsystem aus,[67] indem er die damaligen überfüllten Gefängnisse und das Ausgeliefertsein der Insassen ablehnte. Mit Empörung berichtete er über die Praxis, dass Aufseher und Beamte im Gefängnis Frauen", die sich vor Peitsche und Qualen fürchteten, häufig "schwängerten".[68] Sogar in seinen Studien zum Verwaltungsrecht bezog er Stellung für die Verbesserung der Gefängnisse. Er brandmarkte die Praxis, welche die Verdächtigten zwang, unter den verurteilten Verbrechern zu leben, als unrechtmäßig, gesetzwidrig, menschenfeindlich und unzweckmäßig.[69] Seiner Ansicht nach müssten Verhaftete und zur Gefängnisstrafe Verurteilte ganz un- terschiedlich behandelt werden. Von den Verhafteten hielt er fest: "Auch Häftlinge sind Menschen, für deren gebührlichen Unterbringung, saubere Kleidung und bescheidene, aber ausreichende Verpflegung zu sorgen ist."[70] Wo er nur konnte, sprach er sich für die philadelphische Lösung aus: der Häftling soll "... an einem genügend gesicherten, aber gebührenden Ort, einsam untergebracht werden".[71]

Pál Nyáry, Obernotär, später Vizegespan des Komitats Pest war ein Mann der Praxis. Seine beiden Hauptwerke beruhten auf alltäglichen Erfahrungen der Komitatsverwaltung. Er wollte durch sie die gewöhnliche Praxis verbessern, insbesondere auf den zwei Gebieten, wo sie die Gesellschaft des Komitats am meisten berührte: bei der Rechtsprechung[72] und bei der Verwaltung.[73] Obwohl keines der beiden Werke unmittelbar das Gefängniswesen zum Gegenstand hatte, nahm er die Möglichkeit wahr, seine Meinung festzuhalten. In seinem Wortgebrauch bedeutet "Häftling" eindeutig sowohl den vor der Aburteilung Stehenden, als auch den bereits Verurteilten, genauso wie das Gefängnis, das bei ihm gleichwohl die Anstalt zur Verwahrung von U-Häftlingen und von bereits Verurteilten bedeutet. Die Isolierung erfasste Nyáry über das Verfahren. In seiner Vorlage schrieb er vor, dass über die Lebensumstände der U-Häftlinge der Amtsanwalt, während über die der Sträflinge der Richter (bzw. das Urteil) zu verfügen habe. Ansonsten seien die beiden gleich zu beurteilen. (!) Zahlreiche Maßnahmen in seinem Planum zeugen von Erscheinung der neuen, humanitären Ideen. Er verpflichtete den Vizegespan, auf die inhaftierten Häftlinge ständig zu achten, und dafür zu sorgen, dass sie so bald wie möglich ihrem Richter vorgeführt werden. Er akzeptiert sowohl das gemeinsame als auch das Isolierungssystem. (Darüber solle entweder der Staatsanwalt oder das Urteil entscheiden.) Im Sinne seiner Vorstellungen hätte der Komitatshauptmann zweimal die Woche die Haftanstalten und Häftlingskrankenhäuser zu prüfen und die Beschwerden zu untersuchen. Medizinische Kontrolle und Speisen von guter Qualität sind für ihn Selbstverständlichkeiten. Auch die Häftlingsarbeit akzeptiert er, aber nur im Kreis der Versorgung und der Instandhaltung des Komitatshauses. Bei alldem konstatiert er mit absoluter Ruhe den Gedanken der Körperstrafen, er nimmt ihn auch in sein Planum auf, und das Verbot von Alkoholkonsum hält er für eine schwere Strafe.

Jakab Sárváry, Generalanwalt der Ländereien des Herzogs Pál Eszterházy in Derecske und Tafelrichter des Komitats Bihar wurde durch die Ausschreibung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften inspiriert. Seine Arbeit ist eher eine Synthese als ein selbstständiges Werk.[74] Seine Kenntnisse in der Fachliteratur sind aber außerordentlich groß, er bewegt sich augenscheinlich sicher im großen Angebot der ausländischen Fachliteratur, aber er las auch die ungarischen Arbeiten. Seine eigene Meinung bringt er nur selten zum Ausdruck -vielleicht wurde die Arbeit deswegen als "zweitrangige" Preisschrift bei der Bewertung eingestuft. Mit Hilfe der Arbeiten von Montesquieu, Beccaria und Bentham stellt er die fünf Strafprinzipien auf. Keine Strafe ohne Schuld. Verhältnismäßigkeit zwischen Strafe und Schuld. Der Richter hat die Schuld abzuurteilen und die Strafe zuzumessen. Die Strafe soll nach Möglichkeit mit Verbesserung verbunden sein. Und schließlich soll der Strafvollzug mit dem Stand der Allgemeinbildung Schritt halten. Die Wirksamkeit der Strafe knüpft er an zwei wichtige Faktoren: der Täter soll erzogen werden (von den Gelegenheiten zur Begehung von Straftaten ferngehalten), der Straftäter soll nicht in eine Lage gebracht werden, aus der er nicht mehr in die Gesellschaft zurückkehren kann ("... wie soll einer ein bisschen sittliche Ehre erlangen, der wie ein Vieh schmählich geschlagen und gepeitscht wird?").[75] Interessanterweise stellt er die Gefängnissysteme jeweils nur in einem Absatz dar, aber im Gegensatz zu anderen Werken beschreibt er schon ziemlich eingehend auch das so genannte Genfer System. Auch Sárváry legt eine Lanze für das pennsylvanische System ein. "Es soll mir erlaubet sein, meine Überzeugung bezüglich der größten Heilsamkeit des Einzelsystems zum Ausdruck zu bringen, wobei ich die Dauer der Haft so kurz wie möglich fassen würde, damit der unglückliche Häftling - was bei einer sehr langen Einzelhaft zu befürchten ist -nicht der vollkommenen Lethargie oder Geisterstörung verfällt."[76]

Die Strafrechtslehre von István Szokolay erschien im Jahr der Revolution als eine Ausgabe von Heckenast.[77] Getreu dem vollständigen Titel des Bandes gibt er den Ermittlungsrichtern und Beamten, sowie den Anwälten der Verteidigung detaillierte praktische Ratschläge. Er analysiert zum Beispiel eingehend die Umstände der Vernehmung, die taktischen Griffe des Richters, und die zur Verfügung stehenden Mittel. Die Arbeit ist durchdrungen vom Geist der Gesetzlichkeit, und wurde inmitten der Reformgedanken über die Kodifizierung geschrieben. Im Einklang mit den Erwartungen, die an ein mit Garantien versehenes Strafgesetzbuch der Zeit gestellt wurden, ist er der Meinung: "Die echte Gerechtigkeit würde verlangen, dass niemand, bevor er wegen einer Straftat verurteilt wird, in Haft genommen werde; denn ohne Nachweis der Schuld, zu dem es vor einem Urteil nicht kommen konnte, darf niemand bestraft werden."[78] Gezwungenermaßen räumt er ein, dass dieses Prinzip in der ungarischen Inhaftierungspraxis bei Weitem nicht zur Geltung kommt. Einerseits sind nämlich Gesetze in Kraft, die Prärogative für Adelige garantieren (ein Adeliger darf vor einem Urteil nur beim Ertapptweden verhaftet werden); andererseits verlangen auch die Interessen des Strafverfahrens, dass Verdächtigte in Sicherheit gebracht werden. Als Lösung des Problems empfiehlt er die Anwendung der im 18. Jh. gut bewährten Institution der Kaution. "Der Verwahrungsort derjenigen, die vor einem Urteil inhaftiert wurden, ist vom Gefängnis der zur Freiheitsstrafe verurteilten Häftlinge zu unterscheiden; die Trennung ist nicht nur wegen des Verkehrs notwendig, sondern auch die Rechtmäßigkeit verlangt es, denn sie wurden nur zur Verwahrung und Sicherung verhaftet, und fallen nicht unter Strafe; vor einem Urteil darf niemand bestraft werden, deshalb sollen sie an einem ordentlichen und bequemen Ort untergebracht werden; obwohl die heutige Bildung dies auch bei den Verurteilten verlangt; aber in unserer Heimat - oh weh! - schmachten nicht nur diese an sehr traurigen Orten, sondern auch die wegen bloßen Verdachts Inhaftierten werden in Löchern gequält, gemischt mit jungen, alten, mit großen und kleinen Straftätern, Verdächtigten und Verurteilten."[79] Neben der Isolierung hielte er die Einrichtung von Haftanstalten für richtig, in denen die Verwahrungssicherheit die Schellen überflüssig macht, denn "sie allein stellen schon eine Strafe dar" .

Unsere Rundschau wäre nicht vollständig, wenn wir hier den Namen von Pál Szlemenics nicht erwähnen würden. Er war nämlich der Verfasser des am häufigsten herausgegebenen Lehrbuchs bei den Anfängen unserer Strafrechtswissenschaft. Die maßgebende Richtung der Rechtsgeschichte hält Szlemenics für einen Verfasser, der nicht einmal in der sprudelnden Gedankenwelt der Reformzeit im Stande war, die Sichtweise der ständisch-geschichtlichen Schule loszuwerden. In gewisser Hinsicht baute aber sogar er die fortschrittlichen Ideen in sein Werk ein.[80] Auch er gibt es zu, dass das Gefängnis vor einer Verurteilung nur als Ort der sicheren Verwahrung zu betrachten sei. "Dem Gerichtsstuhl obliegt es, sorgfältig darauf zu achten, dass die Haft weder wegen der Fehler am Gebäude noch wegen Faulheit oder grausamen Umgangs der Schergen zu einer Strafe wird."[81] An einer anderen Stelle hält er aber für natürlich, dass der Richter die Haft gegenüber einem Verdächtigten in U-Haft als ein Mittel der Vernehmung einsetzt: "Allerdings ist es nirgendwo verboten, dass der verhörende Richter die Sturheit des Häftlings, der nicht antworten will, der Zorn vorspielt, mit seinen Antworten Mutwillen treibt, oder die Widersprüche in seinen Aussagen nicht auflöst, durch strengeren Kerker oder durch mäßige Schläge zügelt."[82] Bei Darstellung der Freiheitsstrafe gab er nicht mehr, als einen kurzen Umriss der in der Praxis angewandten Gefängnisarten, und auch in der Frage des Vollzugsmodells nahm er keine Stellung. Als Anforderung stellte er - im Gegensatz zum feudalen Kerker - nur eine zweckmäßige Trennung der Häftlinge von einander, um dadurch die Übergabe von Erfahrungen zu verhindern.[83]

Der Vollständigkeit halber ist hier auch eine politische Polemik zu erwähnen, in der nicht die Fachleute des Gefängniswesens für oder gegen das Gefängniswesen argumentierten. In der heftigen Debatte, die nach dem polemischen Buch von István Széchenyi "Volk des Ostens" benannt wurde, und neben vielen anderen auch die Fragen des Zustandes der Kerker und der Gefängnisverbesserung berührte, nahmen in der Frage des Gefängniswesens größtenteils Laien Stellung. Auch deshalb waren die Argumente weniger fachlich, vielmehr auf die öffentliche Meinung ausgerichtet und politisch. Eine besondere Bedeutung wird dieser Polemik dadurch verliehen, dass über die Frage des Strafvollzugs schließlich in den wenigsten Fällen Fachleute entschieden haben: die Wahl liegt meistens in den Händen von Politikern, Abgeordneten oder Regierungsbeamten, die ihre Meinung größtenteils unter dem Druck der öffentlichen Meinung heranreifen lassen.

Wie bekannt, erhielt Lajos Kossuth, die maßgebende Persönlichkeit der Opposition, im Jahre 1841 die Möglichkeit, nach seinem eigenen Konzept ein selbstständiges Blatt zur Verkündung der Reformideen herauszugeben. Das Pester Nachrichtenblatt (Pesti Hírlap) steckte alle politisch-rechtlichen Zielsetzungen auf seine Fahne, die auch von beliebigen peripherischen Strömungen der Reformbewegung im Zeichen der bürgerlichen Umwälzung als Kritik der feudalen Zustände verkündet wurden. Neben vielen anderen Sachen kam auf diese Weise auch das Gefängniswesen zur Feder von Kossuth. Graf István Széchenyi stellte sich schon vor der Erscheinung des Blattes auf die Hinterbeine gegen den Radikalismus von Kossuth, und er beschloss sofort nach der Erscheinung der ersten Mitteilungen auf den Straßen, das Nachrichtenblatt in ähnlicher Form anzugreifen. Die Zeitung gelangte am 3. Januar von der Druckmaschine in die Hände der Leser, und schon am 1. Februar teilte der Graf Ferenc Deák seine Absicht mit: er wolle ein Buch gegen Kossuth und das Pester Nachrichtenblatt schreiben.[84] Sein publiziertes Werk sorgte für großen Aufruhr: eine Reihe von "Antworten" entstand nach Erscheinung der Arbeit "Volk des Ostens" im Juni. Obwohl Széchenyi von vielen gewarnt wurde, erwartete man keinen Widerstand in diesen Ausmaßen.[85] Schon im August wurden die Kampfschriften von József Eötvös, Alajos Záborszky und András Fáy gedruckt, im September erschien die "Antwort" von Kossuth, und im Dezember veröffentlichte Lajos Pongrácz eine polemische Studie. Angefangen von Aurél Desewffy bis Mihály Vörösmarty haben alle die Notwendigkeit gefühlt, ihre Stimme in der Diskussion hören zu lassen.

István Széchenyi analysierte spöttisch alle erschienenen Nummern des Nachrichtenblatts, von Nummer zu Nummer, von Artikel zu Artikel. Sein Buch umfasste viel mehr Seiten, als alle bis dahin erschienenen Zeitungsnummern zusammen. Einige Themen hob er als Zielpunkte seiner Attacken besonders hervor, die seiner Meinung nach für den hingerissenen Idealismus von Kossuth kennzeichnend waren. Diese waren: die "Kinderhorte", die in den Dienst der Volkserziehung gestellt werden sollten, die Frage, ob die Helden der Nation als Statuen aufgestellt werden sollten, die Gründung von Vereinen "zur Verbreitung von gemeinnützigen Kenntnissen", und das Gefängniswesen. Zu dieser letzten Frage äußerte sich das Pester Nachrichtenblatt sogar mehrere Male. Es soll aber darauf hingewiesen sein, dass dies in der ersten Hälfte von 1841 nicht als ein selbstständiges Thema aufgegriffen wurde, sondern in Verbindung mit Fragen wie Öffentlichkeit, Garantien des Strafverfahrens und der Aufhebung der Prügelstrafe. Am 23. Januar schrieb er zum Beispiel von den Strafen, die auch bei der Gefängnisstrafe Anwendung fanden (z.B. Prügel, Knebeln).[86] Einige Tage später befasste er sich mit der Lage der Verdächtigen, und sprach empört über die Zustände in Verliesen, in denen möglicherweise unschuldige Menschen inhaftiert waren.[87] Anfang März griff er das Berufungsverfahren an, und so kam er auch auf die Freiheitsstrafe.[88] Am Ende des Monats veröffentlichte er einen Bericht über den Markt in Pécs / Fünfkirchen, wo an den Häftlingen des Komitatsgefäng- nisses die Prügelstrafe öffentlich vollzogen wurde, und er ließ sich auch die Darstellung der Zustände in den Verliesen nicht nehmen. [89] Bis Kossuth zu einer Zusammenfassung gelangt[90], ist das Werk von Széchenyi bereits in der Druckerei. "Da wir das Gefühl haben, dass das Gefängniswesen schlechter als die schlechtesten Vorstellungen ist, gehören die Verbesserungshäuser zweifellos zu den dringendsten Nöten des Landes", hielt der Herausgeber fest.

Der Graf nahm die Idee der Gefängnisverbesserung von mehreren Seiten unter Feuer. Er beanstandete die Idee selbst: "Eine grundsätzliche Erledigung der Verliese und ihr Verzaubern von Höhlen in Verbesserungsanstalten - weil sterbliche Menschen nur von der Nemesis bestraft werden sollen, und Mensch den anderen Menschen ausschließlich verbessern soll, und wenn er dies nicht vollkommen vermag zu tun, dürfe er ihm lediglich der allgemeinen Sicherheit und des Beispiels willen eine Strafe auferlegen -, oh welch ein herzerfreuender Vorschlag! Und wer wäre das Ungeheuer, der sich nicht nach dem baldmöglichsten Anbruch des Tages sehnte, an dem die von tierischen Trieben besessenen Menschen - wie die Wölfe in Britannien - bis auf den Letzten ausgerottet wären, und wenn ein Wort der Billigkeit, der Ehre und der Tugend schwerer ins Gewicht fiele als Gefängnis, Prügel und sogar Tod! Wie schön wäre das Dasein, wenn wie anstatt der jetzigen, manchmal noch überaus notwendigen fünfundzwanzig Schläge - die einigen schlecht bekommen, anderen wiederum durchaus nützlich sind - allen Mitmenschen, die sie verdient hätten, lieber je fünfundzwanzig klingende Münzen in die Hand drücken könnten ..."[91] An einer anderen Stelle bestreitet er die wirtschaftlichen Möglichkeiten, indem er sagt, man solle an Gefängnisverbesserung erst denken, wenn man genügend Einnahmen habe, wenn die Wirtschaftsverhältnisse dazu geeignet seien.[92] An einer anderen Stelle gibt er jedoch - bereits etwas nüchterner - zu, dass die Gefängnisse in einem grausamen Zustand seien und Verbesserung nötig sei, nur er hält es für verfrüht, sich jetzt damit zu beschäftigen und "dadurch die überaus spärliche öffentliche Kraft zu zerstückeln".[93] Auch bei ihm erscheint das Argument der zeitgenössischen öffentlichen Meinung: im Gefängnis dürfe der verurteilte Verbrecher nicht besser leben als ein arbeitsamer Bauer.[94] Quasi als Zusammenfassung brandmarkt er die Anhänger des Gefängniswesens als "weichherzige Träumer", und ihre Vorstellungen als unter den Verhältnissen der damaligen Zeit undurchführbar.[95]

In seiner Antwort nutzte Kossuth die erneute Möglichkeit, das Strafsystem zu kritisieren. Er lehnte "das düstere System der Strenge und der Abschreckung" ab,[96] stellte die Unhaltbarkeit des Gefängnissystems und die Unbrauchbarkeit des herrschenden Strafsystems fest.[97] Im Gegensatz zu Széchenyi hält er die Aufrechterhaltung dieser Zustände nicht einmal provisorisch und unter Berufung auf finanzielle Schwierigkeiten für möglich. Vielmehr, schreibt er, " vollbringt der freie Geist Wunder auch an der Materie. Dieser Weg ist zwar schwieriger und holperiger, erweckt Leidenschaften und Eifersucht gegen uns, aber das Recht selbst fällt nicht zum Opfer..."[98] Grundsätzlich hält er fest, dass bei Kodifikation des Strafrechts eine Klärung der Grundsätze des Gefängniswesens nicht umgangen werden dürfe, denn wenn bei Aufstellung einer Norm das Prinzip nicht eindeutig sei, würde dies die Effizienz des Gesetzes langfristig beeinträchtigen, und im Nachhinein sei es schwieriger, daran herum zu flicken, als jetzt ein anständiges Fundament für das Gebäude zu legen.[99]

Die gründlichste und würdigste Antwort auf die Fragen zur Sache kam - nicht zufällig - von József Eötvös,[100] dessen Ansichten oben bereits dargestellt wurden. András Fáy tangierte das Werk "A' Kelet Népe" (Volk des Ostens) in seinen Grundsätzen, und statt Fragen des Gefängniswesens zerlegte er Wirtschaftsfragen.[101] Aurél Desewffy qualifizierte den Angriff Széchenyi's auf das Nachrichtenblatt in Fragen der Gefängnisverbesserung als unvernünftig.[102] Mihály Vörösmarty (unter dem Pseudonym Gábor Hazay) ist damit nicht einverstanden, dass Széchenyi statt einer grundsätzlichen Änderung nur herumbasteln will.[103] Wir könnten hier weitere Verfasser nennen, aber sie haben im Vergleich zu den oben dargestellten Meinungen keine neuen Gedanken in die Diskussion eingebracht.

"... In einem Lande, wo nicht einmal die Großen geschützt sind, und wegen dieses Mangels Gott weiß, was in unserem Lande aus vielen noch so sein wird, und insbesondere aus unseren »in Verfall geratenen, einst« wunderbaren Komitaten; wo - vom Meer des moralischen Unflats hier ganz zu schweigen - auf den schönsten Marktplätzen unserer schönsten Städte so viel Staub und Dreck liegt, und so viel Sumpf und Wüste allüberall, wenn die eines Besseren gewohnten Leute, denen es in der Macht stünde abzuziehen und etwas Anderes zu wählen, nicht fliehen angesichts des kurzen Menschenlebens - denn viele Menschen können sich an Vieles nie gewöhnen -, ist wahrlich eine seltene Tat, wie es auch der jetzige Zustand zeigt, ist eine wirklich sehr seltene Tat, denn wo finden wir unzählige Söhne unserer Heimat? Wo es Hospitäler, Arbeitshäuser und derlei fast kaum gibt, Irrenhäuser und Findelhäuser geradezu keine, und wo ein sehr großer Teil der ehrlichsten Einheimischen nur ein ziemlich knappes Leben führt, und wo schließlich der größte Teil der Menschen des Lesens, Schreibens, Rechnens und nicht einmal des Buch- stabierens mächtig ist, und der größte Teil keinen Fußbreit Land besitzt; dass in einem Land, wo das so und nicht anders ist, und wo fast alles andere etwa auf dieser Stufe und in dieser Farbe steht, dass dem ganzen Land aufgezwungene ... nach amerikanischem Muster eingerichtete, bequemer als abertausende Kurien von Adeligen; Gefängnisse, oder eher Fürsorgeanstalten ... in allen Ehren, aber die Wahrheit! -solange glaube ich es nicht, und es wird auch niemand glauben, dem die Diagnose unserer Heimat auch nur halbwegs vor den Augen steht.., "[104] Die Worte des großen Reformers, István Széchenyi, beleuchten einen der wichtigsten Widersprüche der Bestrebungen der ungarischen liberalen Bewegung und der Gefängnisverbesserung: dass nämlich das Alltagsleben und die Ideen sehr weit voneinander entfernt sind. Man kann es auch so formulieren, dass sie einem die tiefe Kluft zwischen den ungarischen Zuständen und der westlichen Praxis vor Augen führen. Darauf wies 1842 schon auch Mihály Horváth hin, als er den Liberalismus bewertete: "Obwohl sich die Betrachtung über die Wirklichkeit erhob, entstammte diese der Letzteren, und blieb von ihr nicht nur beim Angriff auf sie, sondern auch bei ihrem Fortschritt gewissermaßen abhängig."[105]

Das Rückgrat der Forderungen der Gefängnisverbesserer bildete die menschenwürdige Unterbringung der Gefangenen. Die Gefängnisverbesserer abhandelten das Verlagern des Strafvollzugs aus unmenschlichen Verhältnissen in (so wenig wie möglich) humanisierte Gefängnisse. "Der besseren Klarheit wegen können wir die Ordnungsregeln der »poenitentiara« übrigens in zwei Gruppen teilen: in diejenigen, welche das körperliche Wohlbefinden der Gefangenen betreffen, und in solche, welche auf die Verhinderung eines größeren seelischen Verderbs oder auf die Erziehung ihres Anstands abzielen. Zur ersten Gruppe gehören all die Regeln, welche Sauberkeit und Lüftung des Gefängnisses, Quantität und Qualität der Speisen für die Gefangenen, und schließlich die besondere Abteilung für Kranke betreffen."[106]

Diese Anforderungen, also eine gesunde Unterbringung, Sauberkeit (sowohl in den Zellen als auch in anderen Räumlichkeiten und am Körper der Gefangenen), gesunde und angemessene Ernährung, Versorgung der Kranken und eine Gesundheitsaufsicht sind normale Begleiter einer geschlossenen Gemeinschaft, in der das Wesen der Strafe nicht in der körperlichen Misshandlung besteht. Das Gefängnis ist eine universale Anstalt, "die ihren Insassen verbietet, mit anderen Institutionen in Kontakt zu kommen, und die verlangt, alle Aspekte des Lebens an einem Ort, im Rahmen der Anstalt und auf die von ihr bestimmte Art auszuführen. Zum Schutze der Gesellschaft isoliert sie die Gesellschaft der Insassen von der Außenwelt, und sie verhindert mit allen möglichen Mitteln, dass die Außenwelt mit der Gefangenengesellschaft in Berührung kommt."[107] Diese geschlossene Welt hat ihre eigenen internen Gesetze, und natürlich muss sie sich vor den ihrer Welt drohenden Gefahren, so auch vor Epidemien schützen. Die gesunde Versorgung ist nicht lediglich eine Wohltat, sondern ein Mittel zur Aufrechterhaltung des internen Gleichgewichts. Diese, nach den eigenen Gesetzen nun als natürlich wirkende Forderung stand jedoch in krassem Gegensatz zu den Lebensverhältnissen und zur allgemeinen Auffassung der Zeit. Mit Fug und Recht berief sich der Graf darauf, dass die Idee schön sei und die Vorstellung, wenn man sich die Verhältnisse wegdenke, zu bejahen sei. Aber wie könnte sich das Land erlauben, dass seine Verbrecher, und zwar die schwersten Verbrecher, weil sich bei den geltenden Körperstrafen kleinere Sachen mit einer Rute und mit Geld erledigen lassen, in bequemere Lebensverhältnisse kommen, als Häusler oder Leibeigene, die von früh bis spät arbeiten, häufig auch selbst in Hütten wohnen und Schwierigkeiten mit der Besorgung des täglichen Brots haben. Dabei gehörte zum Wesen des ins ständische Strafrechtssystem gefügten Gefängnisses, neben der Tatsache der Freiheitsentziehung, wie oben bereits beschrieben, auch die körperliche Misshandlung. Diese hätte im modernen Gefängnis verschwinden müssen, was wiederum zu einem erneuten Dilemma geführt hätte, bezüglich seiner Einordnung.

Es ist kein Zufall, dass im Laufe der Kämpfe vor der bürgerlichen Umwälzung eine der schärfsten Polemiken gerade in der Gefängnisfrage entfachte, und sie wechselte den Kurs zusehends vom Fachlichen zum Politischen. Und obwohl das "Volk des Ostens" die Idee und die Kritik der Gefängnisverbesserung nur peripherisch tangiert, fühlten sich die Vorkämpfer der Bewegung angegriffen, und betraten den Ring auf der Seite Kossuths. Möglicherweise ist es auch diesem Umstand zu verdanken, dass die Argumentation des Grafen nicht ins Ziel traf, und die von ihm so heftig abgelehnte Vorlage über die Einrichtung von zehn Bezirksgefängnissen im Land im von der Landesversammlung eingerichteten Fachausschuss ohne Widerstand angenommen wurde. Der Gefängnisbau war schon zu jener Zeit kein billiges Unterfangen, aber die Stände scherten sich noch lange Zeit nicht um den finanziellen Hintergrund.

Ich glaube, dieses Beispiel lässt sehr gut die Atmosphäre und das Umfeld sehen, in dem die Bewegung der ungarischen Gefängnisverbesserer zur Welt kam und die Vorlage über das Gefängniswesen 1843 entstand. Wie bereits erwähnt, standen den Gefängnisverbesserern hierzulande keine positiven Erfahrungen zur Verfügung. Der überwiegende Teil der Arbeit hatte also kritischen und enthüllenden Charakter. Es ging in ihnen vielmehr um die Darstellung der feudalen Zustände als um neue Konzepte. Dies ist ja logisch: dem Aufbau von etwas Neuem muss die Kritik am Alten vorausgehen. Das abschreckende

Bild vom Bestehenden half ohnehin sehr viel beim Werben um neue Anhänger. Dazu kam noch, dass so lange, bis es hierzulande keine Versuche gab, die positiven Vorschläge in den genannten Werken und die möglichen Antworten auf die aufgeworfenen Fragen lediglich eine Adaptation der kennengelernten westeuropäischen und amerikanischen Wissenschaftlichkeit waren. Damit lässt sich auch erklären, dass die fachlichen Werke in erster Linie nicht von Polemik gekennzeichnet sind. Die Verfasser verbanden die eigenen kleinen und größeren Erfahrungen mit der Darstellung der "westlichen" Modelle, indem sie kleinere Vorschläge machten, wie der Vollzug hierzulande aussehen könnte. In den Fachdiskussionen kämpften eigentlich nur die ungarischen Anhänger des Schweigesystems und des Einzelsystems, indem sie die Argumente ausländischer Arbeiten wiederholten. Trotz der oben dargestellten Anschauung erreichte diese Bewegung die Übernahme mehrerer neuer Ideen, wie zum Beispiel auch die allgemeine Akzeptanz der Gefangenenarbeit und die Verpflichtung dazu.

Der Kampf der Prominenten der Bewegung für die Gefängnisverbesserung dauerte nicht lang. Ágost Pulszky und Emil Tauffer stellten in ihrer Studie, die die zweite große Periode der Literatur über das Gefängniswesen eröffnete, fest: "Seit Erscheinung (1842) der Arbeit von József Eötvös und Móricz Lukács wurde kein Buch herausgegeben, das sich eingehend mit dem Gefängniswesen befasst hätte."[108] Die erste Welle der Wissenschaftlichkeit im ungarischen Gefängniswesen wurde also durch die Polemik über die Kodifikation 1843/44 ausgelöscht, in der die unterschiedlichen Ansichten ein letztes Mal aufeinanderprallten. Danach aber wurde die Aufmerksamkeit unserer Politiker und der Munizipien durch andere, viel wichtigere Fragen gefesselt.

Das so genannte Planum zum Gefängniswesen 1843 war die natürliche Fortsetzung, das Produkt der Bewegung um die Gefängnisverbesserung, ein klarer Beweis für den Erfolg von József Eötvös und seinen Ideenfreunden, und für die Entfaltung der Wissenschaftlichkeit im ungarischen Gefängniswesen.

Summary - Early Attempts to Modernize Prisons in Hungary

Not until the turn of the 18th and 19th centuries were prisons the object of scholarly study in Hungary. Before that date neither Austrian nor Hungarian authorities found time critically to examine prison conditions, let alone reform them. Apart from a short-lived attempt to set up houses of correction (domus correctoria) at Szempc (today Senec in Slovakia), Tallos (today Tomasikovo in Slovakia) and in Szeged, in Hungary modernizing prisons was not an issue. Then in the first half of the 19th century Hungarian liberals included that matter in their political programme. Prison improvement became a part of a movement to reform criminal law, criminal procedure and other vestiges of feudalism. The Hungarian liberal Opposition to the absolutist government in Vienna sought to improve prison conditions as a part of a broad package to modernize the country. The critics contrasted Hungary's dirty and fetid underground prisons with news of enviable prison conditions in Western Europe and North America.

The essay offers an account of the stages in the political struggle to modernize prisons in Hungary, how the related literature supported that process and how Hungarian legal terminology evolved. The author writes about the efforts to popularize enlightened European ideas on prisons and, eventually the drafting of the first modern bill on prisons, which was a part of a criminal law package, introduced to the Diet in 1843-1844.

Resümee - Anfänge der Wissenschaftlichkeit des Gefängniswesens in Ungarn

Die Geschichte der modernen ungarischen Wissenschaftlichkeit des Gefängniswesens nahm um die Wende des 18-19. Jahrhunderts ihren Anfang. Bis dahin zeigte sich weder seitens der

österreichischen Regierung, noch seitens der ungarischen Behörden ein Bedürfnis, in fachlichem Sinne den Strafvollzug neu zu durchdenken, oder gar diesen zu reformieren. In Ungarn erschienen - abgesehen von einem zögerlichen, scheiternden Versuch (Domus Correctoria, Szempc-Tallos-Szeged) - nicht einmal die Ideen des zeitgemäßen Gefängniswesens. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts änderte sich die Situation grundlegend, als sich die ungarischen Liberalen die Änderung der Kerkerverhältnisse auf ihre Fahne schrieben und diese zu einer politischen Angelegenheit machten. Die Zielsetzungen der sogenannten "Bewegung der Gefängnisverbesserung", die sich nach den Reformbestrebungen des Strafrechts und des Strafprozessrechts, den zivilen Bestrebungen richtete, wurden zu politischen Zielen. Die ungarische liberal gesinnte Opposition, die gegen die absolutistische Regierung Wiens gerichtet war, verband den Kampf um die Verbesserung der Gefängnisse mit dem großen Programm der Modernisierung. Die Welt der verschmutzten, stinkenden Kerker unter der Erde, die die ständischen Verhältnisse widerspiegelte, wurde von der ideellen Zeichnung der westeuropäischen und amerikanischen Gefängnismodelle hervorragend kontrapunktiert. Die Studie fasst die politischen Stationen des Kampfes um die Herausbildung des ungarischen zivilen Gefängniswesens, den Prozess der Erscheinung der wissenschaftlichen Fachliteratur und die Kämpfe um die Herausbildung der ungarischen Rechtsterminologie zusammen. Sie stellt die Bestrebungen vor, die zeitgemäßen europäischen Ideen im Land zu verbreiten; diese führten schließlich zu einem legendären Gesetzesentwurf der ungarischen Gesetzgebung, dem Entwurf eines Strafprozesskodex, der auf der Landesversammlung 1843/44 vorgestellt wurde, und genauer zum bedeutendsten Vorschlag, nämlich der ersten Vorlage über das Gefängniswesen. ■

ANMERKUNGEN

[1] Pál Angyal: A magyar büntetőjog tankönyve (Lehrbuch des ungarischen Strafrechts), Budapest, 1909, S. 33.

[2] Ferenc Finkey: A magyar büntetőjog tankönyve (Lehrbuch des ungarischen Strafrechts), Budapest 1909, S. 86.

[3] Tibor Király: Fejezetek a magyar büntető eljárásjog tudományának történetéből (Kapitel aus der Wissenschaft des ungarischen Strafverfahrensrechts), Budapest, 1977, S. 139.

[4] Barna Mezey: Az Institutiones iuris criminalis Hungarici első része (Erster Teil der Institutiones iuris criminalis Hungarici). In: Mátyás Vuchetich: A magyar büntetőjog rendszere I. könyv. Elméleti büntetőjog (System des ungarischen Strafrechts I. Theorie des Strafrechts). Budapest, 2010, S. 7-16.

[5] Büntető eljárásjog-tudományi szemelvény gyűjtemény I (Textsammlung zur Wissenschaft des Strafverfahrens I.). 18191867. (Hrsg. Révész T. Mihály) Budapest, 1990, S. 305.

[6] György Antalffy: Szalay László, a reformkor politikai-jogi gondolkodója (László Szalay, ein Denker der Politik und des Rechts in der Reformzeit), Budapest, 1983, S. 25. György Bónis: Középkori jogunk elmei (Elemente unseres mittelalterlichen Rechts), Budapest, 1972, S. 281. Domokos Kosáry: Művelődés a XVIII. századi Magyarországon (Bildung im Ungarn des XVIII. Jh.), Budapest, 1983, S. 158. Barna Mezey: A Rákóczi-kor műveltsége (Bildung der Rákóczi-Ára), In: Acta Fac. Pol. et Jur. Univ. Sci. Budapest 1985. Tom. XXVII, S. 133-152.

[7] Andor Csizmadia: A magyar felsőoktatás fejlődése (Entwicklung des ungarischen Hochschulwesens), In: Felsőoktatási szemle 1969, S. 577.

[8] Kálmán Kovács: A büntetőjog oktatása a nagyszombati egyetem jogi karán 1687-1777 (Lehre des Strafrechts an der juristischen Fakultät der Universität zu Tyrnau 1687-1777), In: A magyar állam- és jog fejlődése, Budapest, 1981, S. 201. Tivadar Pauler: A budapesti Magyar. Kir. Tudományegyetem története (Geschichte der Ungarischen Königlichen Universität der Wissenschaften zu Budapest), Budapest, 1880, S. 20.

[9] Mihály Révész T. : A büntetőjog oktatása karunkon (Lehre des Strafrechts an unserer Fakultät), In: Budapesti Joghallgatók Dolgozatai I., Budapest, 1970, S. 407.

[10] Iván Zoltán Dénes: Konzervatív és liberális program 1846-47 (Konservatives und liberales Programm 1846-47). In: A magyar polgári átalakulás kérdései, Budapest 1984, S. 256.

[11] Gyula Szekfű: Kossuth és a negyvenes évek (Kossuth und die vierziger Jahre); In: Hóman Bálint - Szekfű Gyula: Magyar Történet 5 (Ungarische Geschichte 5), Budapest, 1943, S. 307.

[12] Szekfű 1943, S. 311.

[13] Vgl. László Tőkeczki: A magyar liberalizmusról (Über den ungarischen Liberalismus). In: A magyar liberalizmus, Budapest, 1993, S. 514.

[14] Dénes 1984, S. 276.

[15] Gyula Szekfű: Három nemzedék és ami utána következik (Drei Generationen, und was danach folgt), Budapest, 1934, S. 96.

[16] Dénes 1984, S. 276.

[17] Dénes 1984, S. 21.

[18] Az 1840. évi V. törvényczikkely által a büntető törvénykönyvvel válhatatlan kapcsolatban lévő büntető és javító rendszer behozása iránt kimerítő véleményadás végett kiküldött országos bizottmány jelentése. B. A büntető eljárásról. (Bericht des durch Gesetz V/1840 eingesetzten Landeausschusses zur Abgabe einer ausführlichen Gutachtung bezüglich der Einführung eines mit dem Strafgesetzbuch untrennbar verbundenen Straf- und Verbesserungssystems. B. Vom Strafverfahren.) Pest, 1843.

[19] László Fayer: Az 1843.-iki büntetőjogi javaslatok anyaggyűjteménye (Materialien zu den Vorlagen zum Strafrecht 1843). Budapest, 1896 - 1902. IV. S. 183.

[20] Ágost Pulszky-Emil Tauffer: A börtönügy múltja, elmélete, jelen állása különös tekintettel Magyarországra (Vergangenheit, Theorie und jetziger Zustand des Gefängniswesens, mit besonderem Hinblick auf Ungarn). Pest, 1868, S. 268.

[21] Lajos Hajdú: Bűntett és büntetés Magyarországon a XVII. század utolsó harmadában (Straftat und Strafe in Ungarn im letzten Drittel des 17. Jh.), Budapest, 1985, S. 11.

[22] John Stewart Mill: A szabadságról (Über die Freiheit), Pest, 1867, S. 18.

[23] Szekfű 1943, S. 304.

[24] Lajos Hajdú: Bűnözés és büntetésbíráskodás a XVIII. század hetvenes éveinek Magyarországában (Kriminalität und Strafgerichtsbarkeit im Ungarn der 70-er Jahre des 18. Jh.), Budapest, 1996, S. 158.

[25] István Kállay: Úriszéki bíráskodás a XVIII-XIX. században (Patrimonialgerichtsbarkeit in den 18-19. Jh.), Budapest, 1985, S. 299.

[26] Eötvös József beszédei (Die Reden von József Eötvös), Budapest, 1886, S. 202.

[27] Lajos Tardi: Kis magyar történetek (Kleine ungarische Geschichten), Budapest, 1986, S. 196.

[28] Sándor Bölöni Farkas: Utazás Észak-Amerikában 1834 (Reisen in Nordamerika, 1834), Cluj, 1935, S. 62.

[29] Bölöni Farkas 1834, S. 61.

[30] Bertalan Szemere: Utazás külföldön I-II. (Reisen im Ausland I-II), Budapest, 1840.

[31] Szemere 1840, I. S. 73.

[32] Szemere 1840, I. S. 75.

[33] Szemere 1840, I. S. 259.

[34] Szemere 1840, II. S. 68.

[35] Szemere 1840, II. S. 69.

[36] Szemere 1840, II. S. 87.

[37] Szemere 1840, II. S. 173.

[38] Lőrinc Tóth: Angol börtönök ,s a' pentonvillei mintafogház (Englische Gefängnisse und die Musterhaftanstalt zu Pentonville). Atheneum 1839. II. S. 1.

[39] Bertalan Szemere: Terve egy építendő javító-fogháznak a magány rendszer elvei szerint (Plan eine zu erbauenden Verbesserungshaftanstalt gemäß den Prinzipien des Einzelsystems.) Kassa, 1838.

[40] Szemere 1838, S. 27.

[41] Szemere 1838, S. 56.

[42] Bertalan Szemere: A büntetésről ,s különösebben a halálbüntetésről. Koszorúzott pályamunka. (Von der Strafe und insbesondere von der Todesstrafe. Preisgekrönte Arbeit.) Buda, 1841.

[43] Szemere 1841, S. 25.

[44] Szemere 1841, S. 92.

[45] Fogházjavítás (Gefängnisverbesserung). In: Pesti Hírlap 14. August 1842.

[46] József Eötvös - Móric Lukács: Fogházjavítás (Gefängnisverbesserung), Pest, 1842.

[47] Károly Balla: Vélemény A' büntetésmód javítása iránt (Gutachten bezüglich der Verbesserung des Strafens), Pest, 1841.

[48] Balla 1841, VI.

[49] Balla 1841, S. 11.

[50] An dieser Stelle spielt Balla offensichtlich auf das 1838 herausgegebene Werk von József Eötvös an, in dem der Verfasser für das Auburner System argumentierte.

[51] Balla 1841, S. 13.

[52] Balla 1841, S. 19.

[53] Balla 1841, S. 68 ff.

[54] Balla 1841, S. 135.

[55] József Eötvös: Vélemény a fogházjavítás ügyében, Ns. Borsod vármegye' ebbeli küldöttségéhez. (Gutachten in Sachen der Gefängnisverbesserung, an den diesbezüglichen Ausschuss des adeligen Komitates Borsod.) Pest, 1838.

[56] Eötvös-Lukács 1842.

[57] Eötvös 1838, S. 4.

[58] Eötvös 1838, S. 26.

[59] Eötvös 1838, S. 29.

[60] Eötvös 1838, S. 42.

[61] Eötvös-Lukács 1842, S. 313.

[62] Eötvös-Lukács 1842, S. 70-76.

[63] Eötvös-Lukács 1842, S. 253.

[64] Lukács Móric munkái (Die Arbeiten von m. Lukács). Összegyűjtötte (gesammelt von:) Gyulay Pál. Kiadta a (herausgegeben von der:) Kisfaludy társaság. Második kötet (Band II). Buda-Pest, 1894, S. 143, 149 usw.

[65] Móric Lukács: Büntetőjogi theoriák (Strafrechtstheorien) s. oben, Band I.

[66] József Lugossy: Függelék a' fogházjavítás tárgyához (Anhang zur Sache der Gefängnisverbesserung), Atheneum 1839, II. S. 97.

[67] Ignác Zsoldos: Néhány szó a' honi közbátorságról (Einige Worte über die öffentliche Sicherheit hierzulande), Pest, 1838, S. 88-97.

[68] Zsoldos 1838, S. 80.

[69] Ignác Zsoldos: A' szolgabírói hivatal (Das Stuhlrichteramt), Pápa, 1842, S. 238.

[70] Zsoldos 1842, S. 265.

[71] Zsoldos 1842, S. 244.

[72] Pál Nyáry: Indítvány a megyei bűnvádi eljárás lehető javítása iránt (Initiative zur möglichen Verbesserung des Strafverfahrens im Komitat). Pest, 1841.

[73] Pál Nyáry: Javallat Pest megye közigazgatási rendszere iránt. Készíté egykebelbeli küldöttség, szerkeszté Nyáry Pál (Vorschlag zum Verwaltungssystem des Komitats Pest. Erstellt von einem Ausschuss, herausgegeben von Pál Nyáry). Pest, 1840.

[74] Jakab Sárváry: A' büntetésről, ,s különösebben a' halál büntetésről (Von der Strafe und insbesondere von der Todesstrafe). Pest, 1844.

[75] Sárváry 1844, S. 63.

[76] Sárváry 1844, S. 87.

[77] István Szokolay: Büntető jogtan a' Codificatio és Tudomány legújabb elvei szerint bíráink' s ügyvédeink számára (Seine Strafrechtslehre nach den neuesten Theorien der Codificatio und der Wissenschaft für unsere Richter und Rechtsanwälte), Pest, 1848.

[78] Szokolay 1848, S. 584.

[79] Szokolay 1848, S. 387 ff

[80] Pál Szlemenics: Fenyítő törvényszéki magyar törvény (Ungarisches Gesetz über die Disziplinargerichte). Buda, 1836.

[81] Szlemenics 1836, S. 187.

[82] Szlemenics 1836, S. 178.

[83] Szlemenics 1836, S. 186.

[84] István Széchenyi: Napló (Tagebuch), 1918, S.1390.

[85] Diesbezügliche Einträge im Tagebuch von Széchenyi: "Lajos Batthyány sagt, ich solle nicht schreiben." (S. 938) "Ich bekomme einen Brief von Károly Andrássy und Pepi Eötvös - ich solle nicht gegen Kossuth schreiben." (S. 938) "Pulszky besuch mich auf dem Weg aus England nach Hause. Sie greifen in einen heißen Topf." (S. 940)

[86] Szelíd tortúra Sanfte Tortur). Pesti Hírlap (I) 1841, Nr. 7, 23. Januar.

[87] Nyilvánosság (Öffentlichkeit). Pesti Hírlap (I) 1841, Nr. 8, 27. Januar.

[88] Bűnper (Strafprozess). Pesti Hírlap (I) 1841, Nr. 20, 10. März.

[89] Bot, vessző, korbács (Stock, Rute, Geißel). Pesti Hírlap (I) 1841, Nr. 26, 31. März.

[90] Büntetőjog (Strafrecht). Pesti Hírlap (I) 1841, Nr. 45, 5. Juni.

[91] István Széchenyi: A' Kelet Népe (Volkdes Ostens). Pest,1841, S. 195.

[92] Széchenyi 1841, S. 198.

[93] Széchenyi 1841, S. 199.

[94] Széchenyi 1841, S. 196.

[95] Széchenyi 1841, S. 357.

[96] Lajos Kossuth: Felelet gróf Széchenyi Istvánnak (Antwort an den Grafen István Széchenyi). Pest, 1841.

[97] Kossuth 1841, S. 167 ff., 172 ff.

[98] Kossuth 1841, S. 24.

[99] Kossuth 1841, S. 164.

[100] József Eötvös: Kelet Népe és a Pesti Hírlap (Volk des Ostens und das Pester Nachrichtenblatt). Pest. Gedruckt von Landerer und Heckenast. 1841.

[101] András Fáy: Kelet' Népe nyugaton (Das Volk des Ostens im Westen). Buda. M.DCCC.XLI. (1841)

[102] X.Y.Z. (Dessewffy Aurél): Pesti Hírlap és Keletnépe közti vitály, négy Czikkben (Die Diskussion zwischen dem Pester Nachrichtenblatt und dem Volk des Ostens in vier Artikeln). Világ, 1841, Nr. 76-79.

[103] Gábor Hazay: A' Kelet Népe 1841-ben (Volkdes Ostens im Jahr 1841). Atheneum (5) 1841. II. Nr. 39-45.

[104] Széchenyi 1841, S. 196-191.

[105] Mihály Horváth: Polgárosodás, liberalizmus, függetlenségi harc (Verbürgerlichung, Liberalismus, Unabhängigkeitskampf), Budapest, 1986, S. 65.

[106] Eötvös 1838, S. 34.

[107] Tibor Lukács: Szervezett dillemánk: a börtön (Unser organisiertes Dilemma: das Gefängnis), Budapest, 1987, S. 38-39.

[108] Pulszky-Tauffer 1868, S. 268.

Lábjegyzetek:

[1] Lehrstuhl für Ungarische Rechtsgeschichte, Telefonnummer: (36-1) 411-6518, E-mail: mezeyb@ajk.elte.hu

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