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Prof. Dr. Dr. h. c. Heinrich Scholler[1]: Von der Kirche der "spaltigen Religion" des Augsburger Religionsfriedens zur modernen Garantie des Pluralismus von Religionsgesellschaften[1] (JURA, 2007/2., 155-162. o.)

I. Der Augsburger Religionsfrieden als Ausgangspunkt

1. Die Neupositionierung der Großkonfessionen

Der Autor hat sich wiederholt und eingehend mit Fragen der Konfliktbereiche zwischen der Zivilgesellschaft und dem Staat einerseits und den Trägern der Religionsgesellschaften andererseits beschäftigt.[2] Zurückblickend auf den Augsburger Religionsfrieden im Jahre 1555 und die 450 Jahre Kirchen- und Religionsgeschichte soll die Frage untersucht werden, welchen institutionellen Wandlungen die Kirche in und gegenüber der Gesellschaft unterworfen worden war. Mit diesem Thema soll nach einer Neupositionierung der Kirche in der Gesellschaft im Sinne der Zivilgesellschaft gefragt werden. Dabei werden die beiden Großkonfessionen, wie sie sich in Europa gebildet haben aus historischer und juristischer Sicht gleichwertig behandelt werden. Gleichzeitig knüpft diese Betrachtung an die Bedeutung des Augsburger Religionsfriedens an, der am 25.9.1555 für den deutschen Teilbereich des römischen Weltreiches in Augsburg geschlossen wurde und dessen 450. Wiederkehr in der gleichen Stadt Augsburg durch einen ökumenischen Gottesdienst, Ansprachen der führenden Vertreter der katholischen Bischöfe Deutschlands und der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) sowie des Deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler gefeiert wurde. Gleichzeitig gab in Augsburg eine umfangreiche Ausstellung ein einprägsames Bild der damaligen Vorgänge. Eine Reihe von wissenschaftlichen Veröffentlichungen[3] begleitete diese Ausstellung, wodurch ein neues Licht auf das so genannte lange 16.Jahrhundert[4] geworfen werden soll. Darunter versteht man die Periode vom 16.Jahrhundert bis weit hinein in das 17.Jahrhundert, eine Periode die man lange nur als Einschnitt, Bruch mit der Vergangenheit oder Begründung nationaler Neuanfänge gesehen hatte. Eine neuere gesamteuropäische Orientierung sieht in diesem langen 16.Jahrhundert etwas anderes, das man als ein Novum in der Geschichte bezeichnen könnte. Die drei neuen Richtungen[5] werden wie folgt charakterisiert: Die Ausweitung der Nationalgeschichte zu einer komparatistischen Geschichte des frühneuzeitlichen Europa, die Überwindung der konfessionellen Sicht durch eine vergleichende Konfessionalisierungsforschung und die Wende zur Kulturgeschichte. Diese kulturgeschichtliche Perspektive soll hier durch eine verstärkte Betonung einer gesellschaftswissenschaftlichen Betrachtung verstärkt werden. Dies folgt aus der Thematik: Will man die Kirche als Gesellschaft in der Gesellschaft behandeln muß man sich mit Soziologie und ihren kulturellen Attributen im langen 16.Jahrhundert befassen.

Für viele Menschen der Gegenwart war der Augsburger Religionsfrieden, ein wichtiger reichsrechtlicher Friedensschluß der neben der Goldenen Bulle und dem Westfälischen Frieden[6] von 1648 zu den fundamentalen Normen des Reiches gehörte[7], in Vergessenheit geraten, war er doch nach weniger als 70 Jahren vom 30jährigen Religionskrieg zerbrochen worden. Dennoch knüpfte auch der Westfälische Frieden an ihn an und führte eine staatsrechtliche und politische Situation herbei, die man mit Recht, wie ich glaube, als Beginn der Zivilgesellschaft bezeichnen darf. Um dies zu erhärten muß man sowohl die juristischen Instrumente als auch die theologischen Maxime darstellen, die zu dieser Friedensregelung führten. Zu den juristischen Rahmenbedingungen oder Instrumenten gehörte:

- Die Aufschiebung der Entscheidung religiöser Streitfragen der spaltigen Religion bis zu einer späteren endgültigen Bereinigung, so daß ein gewisses Zwischenreich oder ein Schwebezustand herbeigeführt wurde.

- Einführung juristischer Institutionen und Ver-fahrensweisen[8], die eine Streitregelung insbesondere auch durch Gerichtsentscheidungen herbeiführen sollte wenn in religiösen Fragen keine Lösung erzielbar war.

- Die Garantie eines ius emigrandi d.h. die Garantie des freien Abzuges mit der Familie und Hab und Gut im Fall der Ausübung des Religionswechsels des Landesfürsten

- Stärkung des Föderalismus durch Übertragung des ius reformandi auf die Landesherren

- Entstehung eines paritätischen Verhältnisses zwischen den beiden anerkannten Konfessionen (ohne Anerkennung der calvinistischen Konfession), so daß ein System gleicher Berechtigungen ohne Berücksichtung der religiösen Konfession entstand[9]

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Damit war die mittelalterliche Idee der universalen Religion und des Universalismus aufgegeben, der sich in der Formulierung ausdrückt: religio es vinculum societatis.

Der oben erwähnte Grundsatz des cuius regio eius religio, der sich im ius reformandi ausdrückte erhielt eine Abschwächung der grundsätzlich geforderten Gewissensfreiheit, die dem einzelnen Bürger nicht zustand und doch aber gleichzeitig eine Betonung der zivilgesellschaftlichen Ordnung, insofern als in den bekannten Reichsstädten wie Augsburg, Ulm, Kempten, Nürnberg, Regensburg, etc. dieses Recht nicht den Bürgervertretungen übertragen wurde. Hier entwickelte sich also innerhalb der Bürgerschaft unabhängig von staatlicher Steuerung die Religionszugehörigkeit nach rein subjektiver Gewissensfreiheit. Für die Entwicklung einer Zivilgesellschaft waren überall besonders aber auch im 16. Jahrhundert die fortschrittlichen Bürgerschaften größerer reichsunmittelbarer Städte von größter Bedeutung. Insofern ist es auch zutreffend, wenn moderne Theologen und Kirchenhistoriker im Augsburger Religionsfrieden den Ursprung der Ökumene heute[10 ]erkennen wollen. Der Zusammenhang zwischen Zivilgesellschaft und ökumenischer Entwicklung liegt auf der Hand. Betrachtet man die Situation in solchen Reichsstädten, die vor dem Augsburger Religionsfrieden die Frage der so genannten spaltigen Religion zu entscheiden hatten und dabei vom ius reformandi Gebrauch machten so sieht man deutlich daß dadurch nicht in gleicher Weise die Gleichberechtigung der beiden Konfessionen entstand sondern eine neue religiöse Bevormundung oder Unterdrückung zu befürchten war.

2. Das Beispiel Basel

Dies läßt sich am Beispiel der Stadt Basel gut zeigen. Dort hatte man zunächst bereits im Jahre 1518 Luthers Lehre in die Stadt und auf die Kanzel gebracht. 11 Jahre lang entwickelte sich eine heftige Auseinandersetzung auf den Kanzeln, im Rathaus und unter den Bürgern, bis schließlich auf Grund einer Großdemonstration am 8. Februar 1529 der Rat der Stadt die evangelische Konfession als verbindlich einführte. Damit war ein Religionswechsel vollzogen, nicht aber wie später auf Grund des Augsburger Religionsfrieden eine Parität der Religionsfreiheiten der Bürger der großen Städte erreicht. Die Entwicklung einer Zivilgesellschaft konnte das einseitige festlegen auf die alte oder neue Konfession der spaltigen Religion aber in keiner Weise hilfreich sein. Beachtlich ist natürlich am Beispiel Basels daß mit dem Auftreten der Religionsspaltung unter Notwendigkeit einer verantwortlichen Entscheidung durch den Rat der Stadt eine Demokratisierung des Wahlrechtes erfolgte. Eine Zivilgesellschaft kann nicht bei einer reinen Parität stehen bleiben sondern muß eine Demokratisierung gerade im Bereich der Repräsentation von Handwerkern und Bürgern zur Vorraussetzung haben und damit auch fordern. Die Regelung des Augsburger Religionsfriedens hatte die Gefahr einer radikalisierten populistischen Entscheidung durch demokratische Organe vor allem in den Städten im Auge, wenn diese semi-demokratischen oder patrizischen Vertretungsorgane das ius reformandi eben nicht erhalten sollten.[11]

II. Die zivilgesellschaftliche Diskussion

1. Leopold von Rankes traditionelle Betrachtung

So konnte in dem juristische Rahmen, welcher durch den Augsburger Religionsfrieden gegeben wurde und der von oben nach unten sich durchsetzen sollte, eine Bewegung von unten nach oben strömen, welche die juristischen Formen mit gelebtem Glauben ausfüllte. Der Nestor Leopold von Ranke hat dies in seiner Reformationsgeschichte noch nicht recht sehen können, obwohl gerade dieser Teil seiner Forschung zu seinem Hauptthema gehörte. Mit Recht stellt er die Aufhebung der geistlichen Gerichtsbarkeit in den Mittelpunkt der Auswirkungen des Augsburger Religionsfriedens, doch betont er daß die alten Gewalten nach wie vor Bestand hatten und ein vinculum religionis darstellten: "Noch bestanden aber die beiden Gewalten, von welchen man sich losriß. Noch lebte der Kaiser und war in der Nähe, der den Einrichtungen einen ganz anderen, einen dynastischen und religiösen Charakter zu geben gesucht hatte. Noch hielt das Papsttum alle seine Ansprüche fest und war mächtig genug, um sich nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Wir haben zu betrachten welches Verhältnis sich nach beiden Seiten hin in diesem Augenblick bildete."[12] Interessanterweise betrachtet von Ranke tatsächlich nur die beiden Seiten, nämlich die Katholische und die Protestantische in ihren vertraglichen und politischen Beziehungen, nicht aber das tertium, das sich zwischen den beiden als Zivilgesellschaft entwickelte. Er und seine Zeit hatten noch nicht das Auge für die religiöse und politische Soziologie, deren Bedeutung erst im letzten Jahrhundert auch durch Männer wie Ferdinand Tönnies, Max Weber und Ernst Tröltsch erkannt wurde.

In der Gegenwart ist erneut die Diskussion um das Verhältnis Religion und Zivilgesellschaft auf-

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gekommen[13]; allerdings wird die gegenwärtige Diskussion mehr unter dem Aspekt der Gefährlichkeit der Religion für die Zivilgesellschaft geführt, weil sie vorwiegend an den Phänomenen des religiösen Terrorismus anknüpft. Der Religionsfrieden von 1555 schloß sich ebenfalls an einen blutigen Religionskonflikt an, war aber in der Lage in Mitteleuropa (zumindest in Deutschland) für die nächsten 60Jah-re eine Friedensordnung herzustellen in der sich föderative rechtliche Elemente[14] mit theologischen Postulaten verbanden. Dem gegenüber entwickelte sich in Frankreich und in Holland ein blutiger Religionskrieg[15], so daß es dort erst später zu einer Aussöhnung und damit einer zivilgesellschaftlichen Ordnung kommen konnte.

2. Die Kommunikation in der Zivilgesellschaft

Wichtig für die Zivilgesellschaft in diesem langen 16.Jahrhundert war die Veränderung der Kommunikationstechnik und somit auch die Kommunikationsgeschwindigkeit. Die Kommunikationstechnik wurde durch Gutenbergs Buchdruck um 1450 entscheidend verändert, so daß in der Folge dieser neuen Technik auch die Kommunikationsgeschwindigkeit außerordentlich zunahm. Ob es darüber bereits eine Messungsmethode gibt ist mir nicht bekannt. Immerhin waren Flugblätter des Thesenanschlags von Luther vom 31.Oktober 1517 schon im Januar 1518 Diskussionsgegenstand in der Basler Öffentlichkeit[16]. Um 1500 war bereits ein Informationsträger entstanden den man als die Einblattzeitung[17] bezeichnet. Die Zunahme der Alphabetisierung im Zusammenhang mit der neuen Kommunikationstechnik ist ein weiterer wichtiger Faktor für das Funktionieren einer Zivilgesellschaft. Die Interaktion zwischen den Universitäten einerseits und den Kanzeln andererseits war ebenfalls sehr weit entwickelt worden, so daß der Übergang von der mittelalterlichen "Religionsgemeinschaft zur Religionsgesellschaft" sich langsam vollziehen konnte. Übrigens ist der Ausdruck "Religionsgesellschaft" später im evangelischen juristischen Sprachgebrauch die Bezeichnung für die Evangelische Kirche im Rechtssinne. Dies steht im Zusammenhang damit, daß Rudolph Sohm[18 ]schon im 19.Jahrhundert der Meinung war daß das weltliche Kirchenrecht für die Evangelische Kirche einen Widerspruch zur christlichen Natur der Kirche darstellen würde. Somit wurde an die Stelle einer Gemeinschaft religiöser Art die Kirche als Religionsgesellschaft konzipiert. Eine solche Religionsgesellschaft basiert aber, wenn wir den Kriterien von Ferdinand Tönnies folgen, nicht auf Gesetz sondern auf Vertrag, nicht auf Glaube sondern auf Meinung, nicht auf öffentlicher Konfession sondern auf der veröffentlichten und öffentlichen Meinung. Damit hat die Kirche aber einen sichtbaren rein gesellschaftlichen und nur einen unsichtbaren transzendenten Charakter, wenn man von der traditionellen evangelischen Rechtstheologie ausgeht. Diese Spannung hat das berühmte Buch meines verehrten Lehrers Johannes Heckel lex charitatis[19] zu überwinden versucht. Natürlich liegt im Begriff der lex und der charitas genau das was Tönnies[20] mit den Kategorien Gemeinschaft und Gesellschaft umschreibt.

Man muß erkennen, daß die Zivilgesellschaft sich pluralistisch zusammen setzt und zwar gehören dazu sowohl das bewußt gewordene Kirchenvolk beider Konfessionen, das nicht kirchlich gebunden ist, als auch jene Teile die von sich aus sagen würden nicht konfessionell gebunden zu sein. Ganz im Gegenteil partizipieren sie mit den Teilen der Zivilgesellschaft, die man als kirchlich nicht organisiert ansehen kann, die gleichen Grundwerte der Sozialität der Menschenwürde und der Toleranz. Der Hamburger CDU-Abgeordnete, der für die Anerkennung von Sterbehilfe eintritt oder der Katholik, der seit einem Jahrzehnt die Bewegung der Kirche von unten begründet und begleitet hat, gehören ebenso zur Zivilgesellschaft christlicher Prägung wie fern stehende Kreise. Denn in einer Zeit wo ein radikaler unmenschlicher Fundamentalismus weltweit nicht nur den Staat sondern auch die Zivilgesellschaft bedroht, gilt es zu verstehen und dafür zu arbeiten, daß die spaltige Zivilgesellschaft im Grunde genommen auf gemeinsamen historisch begründeten Wertentscheidungen beruht, die es gemeinsam zu verteidigen gilt.

III. Die Kirche als Gesellschaft in der Gesellschaft

Die Anwendung des Begriffes "Gesellschaft" auf das Phänomen der Kirche oder der Kirchen oder sonstigen religiösen Gruppierungen entspricht nicht einem modernen Bedürfnis nach soziologischer Klassifikation, wenn auch zugegeben werden muß, daß eine solche rein soziologische Begriffsfestlegung ihre eigenständige Bedeutung und ihren eigenen Erkenntniswert hat. Vielmehr geht die Anwendung des Begriffes Gesellschaft auf die oben erwähnten kirchlichen Phänomene auf das 18. Jahrhundert zurück, in welchem nicht nur die Hoffnung auf die Wiederherstellung der kirchlichen Einheit aufgegeben wurde, sondern auch der Pluralismus christlieher Konfessionen im Reich unter dem Einfluß der Aufklärung seine Anerkennung als Rechtszustand

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erhielt. Allerdings hatte sich diese Einstellung bereits mit dem "Westfälischen Frieden" aus den Jahren 1648 zu erkennen gegeben, weil dort im Instrumentum Pacis Osnabrugensis drei öffentlich anerkannte und, was von Bedeutung ist, paritätisch zu behandelnde christliche Konfessionen entstanden waren. Das "Religionsverfassungsrecht" - üblicherweise Staatskirchenrecht genannt - antwortete auf die entstandene Situation nicht mehr mit dem ursprünglichen Begriff einer "spaltigen Religion", wie das im 16. Jahrhundert und darüber hinaus die Regel war. In diesem Begriff einer "spaltigen Religion" liegt der Wunsch oder das politische oder religionspolitische Postulat, an der Einheit der Kirche weiter festzuhalten und den Zustand der konfessionellen Spaltung als einen nur vorübergehenden anzusehen. Dieses Religionsverfassungsrecht unterschied nach dem Instrumentum Pacis vier verschiedene Stufen der Religions- oder Konfessionsformen:

Die öffentlich aufgenommenen Kirchengesellschaften, die nur anerkannten konzessionierten Religionsgesellschaften sowie die geduldeten und die verbotenen Religionsgesellschaften.[21]

Die erstgenannte Gruppe hatte das Recht, den Namen "Kirche" zu führen und ihre Diener Pfarrer zu nennen. Selbstverständlich stand ihr auch das Recht des exercitium publicum religionis zu. Diese religiösen Feierlichkeiten konnten auch außerhalb des Kirchengebäudes öffentlich durchgeführt werden.

Demgegenüber genossen die "geduldeten Religionsgesellschaften" nur das Recht des exercitium privatum religionis, also der privaten Religionsausübung in Gebäuden, die keine typischen Kirchenbaulichkeiten wie Türme und ähnliches aufwiesen.

Von dieser privaten Religionsausübung unterschied sich die dritte Stufe der nur geduldeten Religionsgesellschaften dadurch, daß sie nur das Recht der devotio domestica, also der einfachen(simplex) oder qualifizierten(qualificata) Hausandacht hatten.[22 ](Für die jüdischen Religionsgesellschaften galten Sonderregelungen.)

Auch in der bayerischen Landesverfassung von 1946 findet sich als staatskirchenrechtliches Relikt im Rahmen der Religionsfreiheitsgarantie die Verbürgung der gemeinsamen Hausandacht[23 ]verankert. Auch die politischen und bürgerlichen Rechte waren von der Zugehörigkeit zur einen oder anderen Stufe der Religionsgesellschaften abhängig. Ähnliches galt für den Zugang zu öffentlichen Ämtern, sowie für das Recht des Grunderwerbes und des Gewerbebetriebes. Demnach bestand also eine klare Unterscheidung zwischen religiösen Gesellschaften, die als Kirchen öffentlich fungieren konnten und anderen religiösen Gruppierungen, die eben nur als Religionsgesellschaften eine Konzessionierung oder Duldung erfahren hatten. Der Toleranzgedanke, der vor allem in Preußen im 18. Jahrhundert seine stärkste Ausprägung fand, und die Aufklärung und ihre Verankerung im preußischen allgemeinen Landrecht[24] (1794) führten allmählich zu einer Beseitigung der Unterschiede zwischen den verschiedenen Stufen religionsgesellschaftlicher Gruppierungen. Im weiteren Verlauf der Aufklärung und der politischen und religiösen Toleranz wurde dann auch im 19. Jahrhundert vor allem aufgrund der "Paulskirchen-Verfassung"[25] ein größerer Begriff religiöser Freiheit und damit die Verwendung des allgemeinen Begriffes "Religionsgesellschaft" erreicht. So erfolgte eine Ausdehnung der Religionsfreiheit auch auf die Glaubens- und Kultusfreiheit der jüdischen Religion und mit der Weimarer Verfassung von 1919 die zusätzliche Erweiterung auch auf die Weltanschauung, also auf die nichtreligiöse oder areligiöse Gesellschaft.

So gebraucht die Weimarer Verfassung in ihren staatskirchenrechtlichen Bestimmungen als regulativen Zentralbegriff nur den der "Religionsgesellschaft" und nur dort, wo eine Abkehr vom traditionellen Staatskirchenrecht postuliert wird (Art. 137 Abs. 1 WRV) spricht sie von der Trennung von "Kirche" und "Staat". (Allerdings spricht Art. 137 Abs. 7 WRV von Vereinigungen, die sich die Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.) Absatz 3 S. 2 der gleichen Bestimmung handelt dagegen wiederum von den Religionsgemeinschaften. Dennoch ist der Zentralbegriff in Art. 136 WRV und in Art. 137 Abs. 2 WRV derjenige der Religionsgesellschaft. Während das Grundgesetz mit der Übernahme der entsprechenden Artikel der Weimarer Verfassung in Art. 140 GG den Begriff der Religionsgesellschaft aufrecht erhalten hat,[26] haben die Landesverfassungen in Deutschland nach 1945 und die Verfassungen der neuen Bundesländer nach 1990 den Begriff der Religionsgemeinschaft vorgezogen (dies hat auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 83, 341ff getan). Auch in der Kommentarliteratur zum deutschen Verfassungsrecht hat sich teilweise die Meinung gezeigt, den Begriff der Gemeinschaft, weil er als Begriff der Stiftung das Wesen der Religion deutlicher mache, dem der Gesellschaft vorzuziehen. Damit würde nunmehr der Begriff der Gemeinschaft oder Religionsgemeinschaft als Oberbegriff angesehen werden.

Für die soziologische Betrachtung allerdings dürfte dies keine entscheidende Rolle spielen, denn man wird hier nach Ferdinand Tönnies[27] keinen grundsätzlichen, sondern nur einen funktionellen Unterschied sehen. Während die Gemeinschaft sich an den Kategorien Gesetz, Institution und Weisung orientiert, lautet das entsprechende Begriffsfeld der

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Gesellschaft: Vertrag, Meinung, Selbstverpflichtung und Mitteilung. Das Recht den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu erlangen ist heute jeder Religionsgesellschaft oder Religionsgemeinschaft eingeräumt, was bereits in Art. 137 Abs. 5 S.2 WRV zum Ausdruck gebracht wurde. Diese Frage wurde auch vom BVerfG in der Entscheidung über den Status der Jehova-Zeugen bestätigt.[28]

Man hat auch gemeint den Unterschied zwischen Religionsgemeinschaften und Religionsgesellschaften darin zu sehen, daß letztere vor allem die neueren religiösen Gruppierungen, die man auch Minderheitenreligionen nennt, umfassen, weil diese im Gegensatz zu den Religionsgemeinschaften ein distanzierteres Verhältnis zum Staat zeigen würden. Ob damit den Großkirchen, die man auch gerne als geborene Körperschaften des öffentlichen Rechts bezeichnet, wirklich ein Gefallen getan wird, erscheint zweifelhaft. Denn die damit ausgesprochene Nähe der Institution Kirche als Religionsgemeinschaft zur Institution Staat als Bürgergemeinschaft wird gerade als Schwäche des Selbstverständnisses der Großkirchen verstanden und mit wachsender Distanzierung durch Loslösung oder Austritt dokumentiert.

IV. Vom Paritätsdenken zur Garantie des religiösen Pluralismus

1. Von der Religionszweiheit zum Religionspluralismus

Nicht zu Unrecht hat die Staatsrechtslehre des beginnenden 20. Jahrhunderts davon gesprochen, daß die deutsche Religionsverfassung vor der Weimarer Verfassungsgarantie nicht Glaubensfreiheit, sondern nur Glaubenszweiheit garantiert habe. In dem Begriff der Glaubenszweiheit scheint nochmals die Formulierung der "spaltigen Religion" auf. Die Weimarer Verfassung hat diesen Zustand beendet und das Grundgesetz tat einen weiteren Schritt. Sieht man andererseits den Unterschied zwischen den übernommenen Weimarer staatskirchenrechtlichen Artikeln und dem System der Religionsverfassung im Grundgesetz näher an, so stellt man fest, daß nicht mehr die Parität und Neutralität des Staates im Sinne einer hinkenden Trennung im Vordergrund steht, sondern die Öffnung der religiösen und weltanschaulichen Sphäre zugunsten des Pluralismus. Dies bedeutet eben gerade die Voranstellung des Art. 4 GG im Grundrechtsteil des Grundgesetzes und damit die Notwendigkeit die strukturellen Regelungen der übernommenen Weimarer staatskirchenrechtlichen Vorschriften in diesem Licht zu interpretieren. Dann ist es aber sinnvoller aus den verschiedenen Begriffen für die religiösen Gruppierungen, Gemeinschaften und Vereinigungen denjenigen der Religionsgesellschaften als Oberbegriff zu wählen. Damit rechtfertigt sich das Thema auch heute noch, oder gerade heute wieder, das auch die Großkirchen als solche als Gesellschaften in der Gesellschaft behandeln will.

Dieser Begriff ist auch insofern fruchtbar für die Erklärung eines allgemeinen innerkirchlichen Wandels, der auch die katholische Kirche betrifft. Die Kirche heute als Gesellschaft innerhalb der Gesellschaft gliedert sich weiterhin in innergesellschaftliche Einheiten oder Strömungen. So schreibt der Freiburger Soziologe Michael Ebertz von der modernen inner-kichlichen Strukturierung der katholischen Kirche wie folgt: "Wir haben ja faktisch innerhalb der Kirche verschiedene Kirchen, also Sozialform von Kirche, meine ich damit: Also wir haben die Kirche als Gnadenanstalt, ... , als Dienstleistungsbetrieb, ..., die pfarrgemeindliche Form des kirchlichen Lebens, ., andere kommuniale Formen, ., und wir haben die Kirche als Event, wo man nur zu Großereignissen geht und ... . Wir haben bereits Kirche im Plural."[29]

Die Bedeutung der Voranstellung des Art. 4 GG i.V.m. der Garantie der Menschenwürde und dem Religiösen Diskriminierungsverbot in Art. 3 Abs. 3 GG liegt gerade in der Öffnung zum Pluralismus: Trotz religiöser, weltanschaulicher oder ethischer Minoritäten kommt aber gerade auch in dem Schutz der Kriegsdienstverweigerer in Art. 4 Abs. 3 GG zum Ausdruck, daß sowohl die objektiven Strukturen der Religionsfreiheit als auch die Ausdeutung des Grundrechtsgehaltes müssen von dieser Positionierung des Grundrechtes in Art. 4 Abs. 1 ausgehen. Die in Art. 4 garantierte religiöse weltanschauliche Freiheit ist nicht mehr identisch hinsichtlich der Garantien der Weimarer Verfassung sondern wesentlich erweitert in Richtung auf Toleranz, Minderheitenschutz und Pluralismus. Nur durch eine solche Auslegung ist natürlich das sonst in einer traditionellen Interpretation verkrustete Grundrecht mit seinen objektiven Strukturen der Neutralität in Einklang zu bringen mit den neueren internationalen oder europäischen Grundrechtsgarantien. Dies gilt zunächst einmal in besonderer Weise für die europäische Grundrechtsgewährleistung durch die Europäische Charta der Menschenrechte aber auch für internationale menschenrechtliche Garantien des religiösen Schutzes des Individuums in Verbindung mit der Entwicklung objektiver Toleranzprinzipien. Auch im Grundrechtsteil des nicht Verfassungsrecht gewordenen Verfassungsvertrages[30], der aus der Grundrechtscharta stammt, ist der weite Begriff Religionsfreiheit im Sinne des Pluralismus rezipiert und garantiert worden.[31] Dies gilt für die Bundesrepublik

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dort wo sie solchen völkerrechtlichen Instrumenten beigetreten ist und diese inzwischen in Kraft gesetzt wurden. Weiterhin bedeutet die Vorwegnahme des Art. 4 Abs. 1 bis 3 GG und ihre Einbettung zwischen Meinungsfreiheit und Diskriminierungsverbot in Art. 5 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 3, daß auch die Toleranz gegenüber allen religiösen und weltanschaulichen Bewegungen und der religiöse Minderheitenschutz ein objektives Strukturelement des Verhältnisses Staat - Religion geworden sind. Das religiöse und weltanschauliche Diskriminierungsverbot in Art. 3 Abs. 3 entspricht der Reaktion gegen die nationalsozialistische Unterdrückung und Verfolgung bestimmter religiöser Minoritäten.

2. Neue Strukturelemente neben dem religiösen Individualismus

Trotz der starken Individualisierung des religiösen Lebens und des entwickelten religiösen Pluralismus sind Strukturelemente umformuliert oder auch neu begründet oder verstanden worden. Hierzu gehören das Toleranzprinzip und das Fairneßgebot auf der einen Seite, die partnerschaftliche Interpretation des Trennungsprinzipes (Nichtidentifikation) und ein institutionelles oder quasi-institutionelles Verständnis des religiösen Minderheitenschutzes. Für die Interpretation von Menschenrechten hat die moderne Rechtstheorie sowohl das Fairneßprinzip (John Rawls), als auch das Toleranzprinzip von Arthur Kaufmann[32] als defensive Interpretationshilfen angeboten. Beide Prinzipien können zusammengefaßt werden als Ausdruck des so genannten "negativen Utilitarismus". Das Fairneßprinzip bedeutet im Wesentlichen einen verstärkten Minderheitenschutz, weil die Vorteile und Nachteile einer intendierten Handlung gleich verteilt werden müssen. Es darf also nicht so gehandelt werden, daß alle Vorteile der Mehrheit und alle Nachteile der Minderheit aufgebürdet werden.

Das Toleranzprinzip versucht die Handlungsgrundsätze dahingehend auszugestalten, daß Nachteile, Leiden und Behinderungen auf den kleinst möglichen Kreis beschränkt werden. Beide Prinzipien, das Fairneßprinzip und das Toleranzprinzip bedeuten somit, daß die Grundrechte als Minderheitenschutz eine besondere Bedeutung auch dort haben, wo sie nicht ausdrücklich für Minderheiten konzipiert sind. Wie im nachstehenden noch zu zeigen ist, hat die Rechtsprechung des Bun-desverfassungsgerichts[33] diesen beiden tragenden Prinzipien in seiner Interpretation im wesentlichen entsprochen, indem aus dem Grundrecht sowohl der Minderheitenschutz, als auch das Toleranzprinzip herausgelesen wurde, indem das Gericht als objek-

tive Strukturen sowohl das Wohlwollensgebot, als auch die Toleranzpostulate betont hat.

Ob man nun das in der Bundesrepublik herrschende System der Trennung von Staat und Kirche ein hinkendes oder unvollständiges nennen will, immerhin ist hier ein Anliegen verwirklicht worden, das man mit dem von Herbert Krüger geprägten Ausdruck der "Nichtidentifikation"[34] bezeichnen darf. Auch die Ausprägung des Asylrechtes in Deutschland entspricht diesem Verständnis einer toleranten öffentlichen Gewalt.

Wenn man bestimmte Garantien, wie z. B. die der Kriegsdienstverweigerung in Art. 4 Abs. 3 GG näher untersucht, liegt in ihr auch eine sogenannte quasiinstitutionelle Garantie vor, welche durch die Schaffung eines staatlichen Apparates zur Erfassung und zum Einsatz der Kriegsdienstverweigerer deutlich in Erscheinung tritt. Auch das Postulat der schonenden Interpretation von Konflikten zwischen Gewissen und Gesetz, wie das vom Bundesverfassungsgericht formuliert wurde, ist im Ausdruck eines institutionellen Begreifens einer nicht nur individuell zu interpretierenden Gewissensverfassung.

V. Schlußbemerkung

Die Erinnerung an den Augsburger Religionsfrieden vor 450 Jahren ist nicht eine reine historische Reflexion entspringt auch mehr einem Bedürfnis geistige und religiöse Grundlagen für eine neue europäische Rechtsgemeinschaft und Staatsverfassung zu entwickeln. Nicht von ungefähr war der Streit um die Grundrechte der Verfassung der europäischen Union gerade mit Blick auf die Religionsfreiheit so politisch überzogen, weil hier immer wieder sich die alten Probleme mit neuen Fragen der Positionierung der Kirchen und der Religionsgesellschaften in Europa gestellt haben. Auch bei der Diskussion um die Neuformulierung des Grundgesetzes im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung hat die religiöse Frage eine besondere Rolle gespielt, weil die Bezugnahme auf Gott in der Formulierung "in der Verantwortung vor Gott..." aus rein laizistischer Sicht beseitigt werden sollte. Aber auch die Schaffung eines europäischen Friedenspreises in Erinnerung an den Westfälischen Frieden von 1648 und seine Verleihung im Jahre 2006 an den ehemaligen französischen Staatspräsidenten Giscard d'Estaing, den wesentlichen Mitgestalter des europäischen Verfassungsentwurfes sind deutliche Zeichen des Bewußtseins, daß das Ringen um religiöse Freiheit und um Vielgestaltigkeit des religiösen Lebens auch heute noch zentrale Anliegen des Staates und der öffentlichen Gewalt sind.

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Heute um so mehr muß man hinzufügen, weil eine wachsende religiöse Intoleranz durch den Terrorismus die errungene Freiheit zu bedrohen droht. Von außen gesehen wird die Kirche als Gesellschaft innerhalb der Gesellschaft eine bessere Position haben als wenn sie in eine Rolle der Konfrontation oder der Marginalisierung gedrängt würde. Ihr inneres Selbstverständnis als das ganz andere - um einen Begriff von Karl Bart auf die Kirche zu übertragen -ist von ihrer äußeren Rolle nicht berührt. ■

NOTEN

[1] Der Autor hat das Thema unter dem Titel "Die Kirche als Gesellschaft in der Gesellschaft" auf der Bozener Tagung des Rosmini-Institutes 2005 behandelt. In der Festschrift für Gerard Besier soll das Thema ebenfalls in erweiterter Form dargestellt werden.

[2] Siehe z. B. seinen Artikel "Ist ein "Lebensbewältigungshilfe-Gesetz" (LBewHG) nötig?" in: Die neuen Inquisitoren Religionsfreiheit und Glaubensneid Teil 1, Hg. Gerhard Besier/Erwin Scheuch.

[3] Als Frieden möglich war - 450 Jahre Augsburger Religionsfrieden (nachfolgend als Frieden zitiert), Augsburg 2005, Martin Heckel, Der Augsburger Religionsfriede in Juristen Zeitung 2005, (20), 961ff , Heinz Schilling, Der Augsburger Religionsfrieden als deutsches und europäisches Ereignis, Festvortrag, Augsburg 25.09.2005 (Manuskript), auch namhafte Zeitungen haben darüber berichtet: Dorothea Wendebourg, Der Augsburger Religionsfrieden in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt 24.09.2005, 9.

[4] Der Begriff stammt von Heinz Schilling, Das lange 16.Jahrhundert in Frieden, 19.

[5] Franz Brendle/Anton Schindling, Der Augsburger Religionsfrieden und die Germania Sacra in Frieden, 104ff; Heinz Schilling, Der Augsburger Religionsfrieden als deutsches und europäisches Ereignis, Festvortrag, Augsburg 25.09.2005 (Manuskript). Während Brendle und Schindling historisch analytisch das Problem beleuchten verlagert Schilling den Schwerpunkt seiner Untersuchung auf die Europäisierung des Ereignisses im Lichte der neueren und neusten Forschung.

[6] Obwohl dieser Friedensschluß der Entstehungsgrund des modernen Völkerrechts wurde.

[7] Siehe hierzu auch Michael Frisch, Das Restitutionsedikt Kaiser Ferdinands II. vom 6. März 1629, Tübingen 1992 20ff: Aus dem letzten Reichstag vor 1640 wurde wieder gefordert, daß keine Überstimmung in den Religionsfragen stattfinden solle. Die vorgesehene itio in partes, sollte wie in Augsburg schon angelegt durch eine amicabilis compositio überwunden werden. Der Augsburger Religionsfrieden hatte durch den geistigen Vorbehalt und seine unterschiedliche Interpretationen ein schweres Problem für die Religionsparteien hinterlassen. Umstritten blieb die ganze Zeit die Auslegung und die Gültigkeit des Geistlichen Vorbehaltes, Heike Ströle-Bühler, Das Restitutionsedikt von 1629 im Spannungsfeld zwischen Augsburger Religionsfrieden 1555 und dem Westfälischen Frieden 1648, Regensburg 1991, 24ff: Auch die heutigen Untersuchungen benutzen den Terminus des Untertan und nicht den des Bürgers oder den von Mitgliedern der Zivilgesellschaft, dennoch zeigt sich schon spätestens Anfang des 17. Jahrhunderts die Forderung nach Ausdehnung der gewährten Religionsfreiheit auf weitere Toleranz, z.B. der Evangelischen Predigt oder anderer Reformationsparteien (Calvinisten).

[8] Ursula Seiff hat sich dankenswerter Weise sehr interessant und erfolgreich mit der Darstellung des juristischen Instrumentariums beschäftigt, daß sowohl den religiösen Frieden sichern, als auch die zivilgesellschaftlichen Funktionen ausbauen sollte: Recht und Justizhoheit. Historische Grundlagen des gesetzlichen Richters in Deutschland, England und Frankreich, Berlin 2003, ead. Sur les origines de la garantie du "juge naturel" en dehors des théories de la séperation des pouvoirs 17 au 19 siècle, Rev, hist. Droit, 83 (2) avr.juin 2005.

[9] Martin Heckel (2), id. Die Menschenrechte im Spiegel der reformatorischen Theologie, Heidelberg 1987, id. Deutschland im konfessionellen Zeitalter, Göttingen 1983, 62. Heckel spricht in Bezug auf 1555 von einer Parität des Gesamtsystems in Bezug auf die beiden Konfessionen als Teilsysteme.

[10] Matthias Morgenroth, Geteilter Himmel, geteiltes Land 450 Jahre Augsburger Religionsfrieden - Eine Spurensuche in Ökumenische Perspektiven, Bayerischer Rundfunk 25.September 2005 (Manuskript 10ff): Morgenroth betont den Gleichheitsaspekt der Gläubigen und den direkten Zugang zu Gott als zentrale Elemente der Reformation. Zur Bedeutung des Augsburger Religionsfriedens für die Gegenwart insbesondere für die Ökumene siehe Hans Maier, Der Augsburger Religionsfrieden - ein Anfang, kein Ende in Frieden, 290ff.

[11] Die Gewalt in den Stadträten und ihren Versammlungen war offenbar nicht demokratisch und rechtstaatlich genug abgesichert, so daß die Gefahr bestand, daß das ius reformandi von Minderheiten intolerant ausgeübt werden könnte, René Teuteberg, Basler Geschichte, Basel 1988.

[12] Leopold von Ranke, Weltgeschichte/Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, Bd.5, Hamburg 1925, 341.

[13] Wolfgang Kinzig, Christentum und Zivilgesellschaft - (k)ein europäischer Tagtraum in, Religionen und Zivilgesellschaft Hg. Francesca Vidal, Mössingen-Talheim 2002, 80ff: Nach Kinzigs Meinung ist nicht nur das Christentum ein Teil der Zivilgesellschaft, sondern letztere verlangt auch die religiöse Verständigung unter den Religionen Europas, Hans Maier (5).

[14] Martin Heckel (2), Heinz Schilling (2).

[15] Dorothea Wendebourg, Der Augsburger Religionsfrieden in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt 24.09.2005, 9: Die Autorin betont die Bedeutung dieses ersten niedergeschriebenen verfassungsrechtlich verbürgten Grundrechtes im Gewande eines religiösen Freizügigkeitsrechts. Während sie zutreffend die lange Friedenszeit in Deutschland betont, die sich bis zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges erstreckte, sieht sie in den Französischen und Niederländischen religiösen Kriegen das Ergebnis einer mangelnden rechtlichen Garantie. Allerdings ist mehr als religiöse Freizügigkeit gewährt, denn die ganze Familie und das Fahrniseigentum waren mitgeschützt.

[16] René Teuteberg (7).

[17] Die Einblattzeitungen, auch Einblatt-Drucke genannt, wurden zeitlich nach den Flugblättern veröffentlicht, worauf Otto Groth in Die Geschichte der Deutschen Zeitungswissenschaft, München 1948, 197 hinweist. In dieser Form der Kommunikation muß ein wichtiges Element der werdenden Zivilgesellschaft gesehen werden.

[18] Rudolph Sohm, Kirchenrecht, I, Berlin 1970[3], 481.

[19] Dieses Werk wird zur Zeit an der größten Lutherischen Law School Valparaiso, Indiana ins Englische übersetzt

[20] Ferdinand Tönies, Gemeinschaft und Gesellschaft, Darmstadt 1991, Neudr. der 8. Aufl. von 1935, Erstauflage 1887; Lars Clausen / Carsten Schlüter[-Knauer] (Hgg.): Hundert Jahre "Gemeinschaft und Gesellschaft". Ferdinand Tönnies in der internationalen Diskussion, Opladen 1991. Im letzteren Werk wird die Religionssoziologie von Tönnies von Alexander Deichsel, Die Herausforderung der Öffentlichen Meinung durch die Religion Soziologische Überlegungen zur Massenpublizistik in Tönniesscher Ansicht, 405ff und Rainer Waßner, Tönnies' Religionssoziologie und di neuen religiösen Bewegungen Ein Stück angewandter Soziologie, 439ff behandelt. Danach soll der Schritt zur Gesellschaft weder vom Katholizismus noch von den neuen Religionen, sondern vom Protestantismus getan worden sein.

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[21] Heckel hat den modernen Begriff der Religionsgesellschaft auf die Entwicklung der Lehre von der zentralen Bedeutung der Konfession zurückgeführt, die ihre Bedeutung in der Verlesung der Confessio Augustana vor Kaiser und Reich 1830 erhielt. Johannes Heckel Melanchthon und das deutsche Staatskirchenrecht, Erich Kaufmann-FS, 83ff; Axel von Campenhausen weist darauf hin, daß über die Aufklärung, insbesondere die des Allgemeinen Preußischen Landrechtes, und über die Figur des Herrschaftsvertages der Begriff der Kirchengesellschaft Grundlage des modernen Staatskirchenrechtes geworden ist. Axel v. Campenhausen, Anm. C, II, 19 zu Art. 137 WRV (Art.140 GG) in Hermann von Mangoldt, Friedrich Klein, Christian Starck, Kommentar zum GG, Band 3, 5. Auflage 2005; ders. Staatskirchenrecht 18f, 129f.

[22] Heinrich Scholler, Die Freiheit des Gewissens, Berlin 1958, Nachdruck Berlin 2003, 53 f und 64 ff, wörtlich heißt es im Westfälischen Frieden V § 34 in Carl Mirbt Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen Katholizismus, 1911 ".. .patienter tolerentur et conscientia libera domi devotioni suae sine inquisitione aut turbatione privatim vacare, in vicinia vero ubi et quoties voluerint, publico religionis exercitio interesse vel liberos suos exteris suae religionis scholis aut privatis domi praeceptoribus instruendos committere non prohibeantur.".

[23] BVerf Art. 142 Abs 2 garantiert die gemeinsame Hausandacht, die eigentliche keine eigene Garantie mehr notwendig hatte, weil sie durch die private Kultusfreiheit geschützt war. Der Kommentar zur bayrischen Verfassung von Theodor Meder, Stuttgart 1992, verweist in Anmerkung B zu Art.142 auf die Entscheidung des BVerfG vom 5. 2. 1991 ohne sich näher mit dem Problem auseinander zu setzen. Zwei Entscheidungen des Bayer VGH v. 5.8. 1881 Entscheidungssammlung III, 222 und v. 16. 10. 1885 Entscheidungssammlung XVII, 72 hatten noch die Zulässigkeit der gemeinsamen Hausandacht verneint.

[24] Reinhart Koselleck: Preußen zwischen Reform und Revolution. Allgemeines Landrecht, Verwaltung und soziale Bewegung von 1791 bis 1848, Stuttgart 1987, z.B. 143 betont allerdings mehr die freigesetzte Dynamik des allgemeinen Landrechtes ohne die Aufklärungswirkung stärker zu betonen; immerhin erwähnt er die zugrunde liegende Idee des allgemeinen Landrechtes, die er in der Umsetzung der Reformation sieht; Hans Hattenhauer (Hg.): Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten von 1794, 1970, 18 mit einem ausführlichen Zitat aus Ernst Klein, Annalen, 4. Band, 2. Auflage, 334.

[25] Heinrich Scholler, Grundrechtsdiskussion in der Paulskirche. Eine Dokumentation, Darmstadt 1973, Darmstadt 1982.

[26] Axel v. Campenhausen, aaO. Anm. C, II, 20 zu Art. 137 WRV.

[27] Tönnies, aaO. ; Clausen / Schlüter[-Knauer] (Hgg.) aaO. .

[28] BVerfG, 2 BvR 1500/97 vom 19.12.2000.

[29] Michael Ebertz in der BR 2 Sendung Katholische Welt vom 8. 10. 06, Diagnose Milieuverengung von Hartmut Meesmann, Manuskript, 17.

[30] Artike 10 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sieht die übliche Garantie für Glaubens- Gewissensund Bekenntnisfreiheit vor. Der Streit ging mehr um die Frage der Einfügung einer sogenannten "invocatio dei", wie der fachlich nicht ganz korrekte Begriff in der Diskussion gebraucht wurde.

[31] Heinrich Scholler, Toleranz und Fairneß als objektiver Schutzgehalt der Religionsfreiheit, in: Die neuen Inquisitoren - Religionsfreiheit und Glaubensneid Teil I, Hgg: Gerhard Besier / Erwin K. Scheuch; Zürich 1999, 171.

[32] Arthur Kaufmann, Rechtsphilosophie, 2. Aufl. München 1997, S. 185 ff.; vgl. auch neuerdings, John Rawls, Politischer Liberalismus, Frankfurt 1998.

[33] BverfGE 102, 270ff; 105, 309ff.

[34] Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., Stuttgart 1966, S. 178, 528 und 542.

Lábjegyzetek:

[1] Der Autor ist Professor in München.

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