Die zwei großen rechtshistorischen Werke von Ferenc Deák sind einerseits der Ausgleich im Terrain des öffentlichen Rechts und andererseits die Kodifikation des Strafrechts (die strafrechtlichen Entwürfe von 1843, die Verordnungen des Justizministers, das Verfahren des Presseschwurgerichts und das Notstandsgesetz). Diese zwei Werke der Rechtswissenschaft gehören zu zwei verschiedenen Epochen von Deák. Das eine ist eng mit seiner staatsmännischen Tätigkeit verbunden, das andere ist ein Werk des Juristen Deák. Das Deáksche Antlitz in der Reformzeit ist eher das eines Juristen als eines Staatsmannes, aber Deák der Staatsmann hätte sich ohne die Vorübungen des praktischen Juristen nicht entfalten können, wie auch der Politiker ohne die Erfahrungen im Munizipium. Die besonnene Mentalität des Kodifikators war die Grundlage für die Gestalt des Staatsmannes, der in den Ausgleichsverhandlungen ruhig nach Kompromissen suchte und sie auch fand. Indem Gyula Wlassics das Deáksche politische Modell analysiert, schreibt er: "Für den Staatsmann Deák ist kluge Vorsicht kennzeichnend. In seinem Gehirn entstehen keine wagemutigen politischen Pläne. ... mit allen Gedanken seines Gehirns und mit allen Gefühlen seiner Seele ist er ein Mann der Rechtsordnung... Den zuverlässigen Lotsen suchte er während seiner Tätigkeit als Staatsmann in der ruhigen Besinnung, die alle wichtigen Umstände auf die Waage legt... Er stellte sich mit gefasster Entschlossenheit, fest und mit dem Mut eines Staatsmannes auf die Grundlage der Rechtskontinuität. ... Er war vom Gedanken beherrscht, daß man nur auf der Grundlage des Gesetzes und mit Ausdauer obsiegen könne. Die Ausdauer kann durch keine andere Tugend ersetzt werden. . Seine geistige und seelische Art war das Gegenteil eines Revolutionärs..."[1] Die staatsmännischen Tugenden von Ferenc Deák sind zugleich die Werte des kodifizierenden Juristen: er besitzt die Eigenschaften eines überlegten, besonnenen und gelehrten Kodifikators, der die Gesetze in Ehren hält.
- 49/50 -
Für die Geschichtsschreibung war Ferenc Deák als Schöpfer des Ausgleichs das aufregendste Forschungsthema; dem Gesetzgeber, dem Kodifikator wurde weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Es ist verständlich, wenn der Rechtshistoriker den Juristen Deák, diese maßgebende Persönlichkeit der Gesetzgebung und Justizverwaltung der Reformzeit, mit größerer Begeisterung untersucht.
Die Kodifikation ist nicht einfach Rechtsetzungstätigkeit, sondern eine höhere, edlere und unvergleichlich kompliziertere Ebene der Regelung des Rechts. Bei der Kodifikation entsteht kein Gesetz, das nur eine Teilfrage löst, sondern es entsteht ein Gesetzbuch, ein Kodex, der ein ganzes Rechtsgebiet, einen ganzen Rechtszweig umfassend regelt. Die Kodifikation ist also eine tief greifende, systematische und eingehende Regelung eines zusammenhängenden, strukturell von den anderen Terrains abgrenzbaren Ausschnittes der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Diese Art der Regelung setzt nicht nur gründliches juristisches Wissen und die genaue Kenntnis der Regeln und der juristischen Praxis (Rechtsanwendung in der Verwaltung und Rechtsprechung) voraus, sondern auch einen weitsichtigen, gebildeten, wissenschaftlich vorbereiteten kombinativen Geist, der über umfassendes Wissen verfügt und zu vergleichenden Analysen fähig ist. Ein guter Kodifikator muß also über eine praktische juristische Fachausbildung, über rechtswissenschaftliche Kenntnisse, Erfahrungen in der Gesetzgebung, aber vor allem über eine Kodifikationsmentalität verfügen.
Ferenc Deák, wie die meisten seiner adeligen Zeitgenossen, studierte von 1817 bis 1821 in Győr (Raab) an der königlichen Rechtsakademie.[2] Dann erwarb er 1823 in Pest das Diplom als Rechtsanwalt, und anschließend trat er im Komitat Zala in den Dienst des Komitats. (Er war als ehrenamtlicher Fiskal, als Schreiber des Waisenstuhls und später als Tafelrichter tätig.) Den ersten, entscheidenden Abschnitt seines Lebens verbrachte er im Komitat als dessen Beamter, im Rahmen der Munizipalverwaltung. Als Staatsanwalt bewegte er sich in den verschiedensten Bereichen des öffentlichen Lebens im Munizipium, angefangen von der Anklagevertretung in Prozessen und der Position eines bestellten Verteidigers bis hin zur Verwaltung im Waisenwesen. Besonders häufig begegneten ihm die verschiedensten Fragen des Strafrechts. Ab 1824, als er ehrenamtlich das Amt des Unterfiskals antrat, war er hauptsächlich auf zwei Gebieten tätig: er vertrat die Sachen der Steuerzahler und der Waisen, außerdem
- 50/51 -
erfüllte er Aufgaben im Bereich der Strafrechtsprechung.[3] Seine Aufgabe war es, die Prüfberichte der Stuhlrichter zu begutachten, die Anklageerhebung vorzubereiten, im Prozeß die Anklage zu vertreten, Repliken, Plädoyers und Rechtsmittel abzufassen, sie vorzutragen und zu erledigen. Er hatte für die Vollziehung der Urteile, für die Aufsicht des Strafvollzugs und die Erstellung von Gefangenenlisten zu sorgen, und er nahm auch an der Untersuchung der Kerker teil.
"Er kannte die ungarische Rechtswissenschaft, die ungarische und die Weltgeschichte sehr gründlich. Das beschränkte sich aber nicht nur auf die Kenntnis des Corpus Juris, der Ausgangssituation in der Landesversammlung oder der Geschichte. Seine Riesenlogik und sein großer Verstand erhoben sein juristisches Wissen in die höchsten Kreise des Wissens", schrieb der spätere Biograph von Deák.[4] Legenden wurden über den Juristen der Reformzeit erzählt. Sein riesengroßes Gedächtnis und scharfer Verstand erhoben ihn auch mit wenig Lernen zu den Besten. Der junge Mann, der in den zwanziger Jahren Jura studierte, begegnete mit großer Begeisterung den Ideen der französischen Revolution und den Boten der Aufklärung. Der Geist der durch die Namen Beccaria, Filangieri und Howard geprägten humanistischen Bewegungen ergriff ihn. " Wir haben völlig zuverlässige Angaben darüber, daß er die grundlegenden staats- und volkswirtschaftswissenschaftlichen Werke des europäischen Rechts kannte. Die deutschen im Original, die in anderen europäischen Sprachen erschienenen in Übersetzung. ... Es ist allgemein bekannt, daß seine Lieblingsschriftsteller Rotteck, Welcker und Schlosser waren."[5] Über Széchenyi wurde aufgezeichnet, daß er befürchtete, Deák könne durch seinen übermäßigen Informationsdurst den Theorien der deutschen Wissenschaftler verfallen. Es ist bereits bekannt, daß die Befürchtungen von Széchenyi nicht berechtigt waren. Die Denkweise von Deák, die ein breites Spektrum hatte, und sein selbständiges juristisches Gedankengut unterwarfen ihn nicht der Wissenschaftlichkeit von Europa, sondern sie bearbeiteten diese. Es zeigt sich in der Kodifikation von 1841-1843, daß Deák die neuesten Ergebnisse in den Entwürfen der Gesetzbücher aktiv verwendete und verarbeitete, sein Werk wurde jedoch zu einem selbständigen, in ganz Europa anerkannten Unikum.
- 51/52 -
Ferenc Deák wurde 1832 zum Vizegespan gewählt, was eine Anerkennung des hervorragenden Juristen durch das Komitat bedeutete, aber gleichzeitig auch seine Orientierung auf das öffentliche Leben des Komitats. Und ein Jahr darauf betrat er tatsächlich das Feld der Politik: von 1833 an vertrat er (in der LandesVersammlung 1832-1836) sein Komitat als Gesandter des Komitats. Von 1839 an finden wir ihn wieder in der Landesversammlung vor, wo er sich auf der liberalen Seite immer mehr Ansehen erwirbt (1839-1840). Die Vertretung des Munizipiums erweist sich als eine ausgezeichnete Möglichkeit, die FingerÜbungen in der Gesetzgebung zu machen, sich die Technik der politischen Argumentation anzueignen und die Gesetzgebungsmechanismen in ihrer ganzen Tiefe kennen zu lernen. Die Tätigkeit von Deák in der Landesversammlung war durchdrungen vom Respekt vor dem Recht, den er aus den Komitaten Győr (Raab) und Zala mitbrachte. Sein Ziel und seine Methode war es, die durch die bestmögliche Ausnutzung der Tätigkeit der Landesversammlung und des traditionellen Rechts erreichten Ergebnisse in Artikel umzusetzen. Er wollte keine politischen Explosionen verursachen, sondern er wollte die rechtlichen Möglichkeiten nutzen. Er wählte einen viel schwierigeren Weg, als die mit einer flammenden Proklamation revolutionäre Stimmung schaffenden Redner, die durch das Hochheben ihrer Fackel Begeisterung auslösen. Die Arbeit der Gesetzgebung ist eine kleinliche Arbeit, die große Geduld und Rechtskenntnisse voraussetzt, sie bedeutet die Suche nach den Ermächtigungen oder gegebenenfalls nach den Lücken der ungarischen verfassungsmäßigen Normen, des Gewohnheitsrechts und des gesetzten Rechts, sowie ihre Nutzung im Interesse der Änderungen. Während andere im öffentlichen Leben des Landes oder des Komitats den Boden für die gesellschaftlichen Änderungen vorbereiteten, Manifeste abfassten oder Vereine gründeten, machte er die rechtlichen Schritte - sowohl in der Landesversammlung als auch in den von ihr eingesetzten Ausschüssen oder Unterausschüssen. "Einen anderen Weg geht er nicht, nur den Weg des Rechts und der Gesetzlichkeit. Der Gedanke der Allgemeingültigkeit des Rechts beherrschte nie stärker die Tätigkeit eines Staatsmannes, als die seine. Niemand verstand und spürte die unwiderlegbare Richtigkeit der These stärker als er, daß morgen ein anderes Recht für ungültig erklärt wird, wenn wir heute den Angriff auf ein Recht dulden. Dieser Gedanke der Solidarität des Rechts steuerte sein staatsmännisches Tun vom ersten Tag seiner Laufbahn in der Öffentlichkeit. In den großen politischen Kämpfen flößt er einem Mut ein, indem er sagt, daß unsere sichersten Verbündeten Recht und Gesetzlichkeit seien."[6]
- 52/53 -
1831 und 1832 berieten im ganzen Land die Komitatsversammlungen die Vorschläge der regelmäßigen Ausschüsse, welche für Behandlung in der LandesVersammlung vorgesehen waren. Das vierte Kapitel der Vorschläge, der Gegenstand Rechtsprechung (Justizarbeit) verlangte in vier Bereichen eine Stellungnahme von den Komitaten. Neben der Justizorganisation, dem ordentlichen streitigen Verfahren und den Zivilgesetzen schlug die Landeskommission auch die gekürzte Version des Strafkodexes von 1795 mit dem Titel "Gesetzbuch über die Straftaten und Strafen" zur Debatte vor. Es schien selbstverständlich, daß das Komitat Deák mit dem Erstellen des Gutachtens beauftragte. Beim Lesen des Textes können wir die Gedanken des 28-jährigen Deák kennenlernen.[7] Im Stoff zeichnen sich die unerbittliche Logik seiner Argumentationstechnik und sein klares, übersichtliches Bezugssystem ab. Das Gutachten ist - genau so wie dies bei seinen einzelnen Anklageschriften oder Plädoyers der Verteidigung der Fall ist - ein komplettes kleines wissenschaftliches Werk. Seine weit von der ständischen Rechtswelt stehenden aufgeklärten Thesen, die These über die Unschuld ("Eine Schuld soll lieber unbestraft bleiben, bevor einem vielleicht unschuldigen Bürger ein ungerechter Schaden zugefügt wird."[8]), über die öffentliche Vollstreckung der Todesstrafe (die "allgemeine Erfahrung" zeigt, daß die öffentliche Vollstreckung /vor allem der Hinrichtung/ im Zuschauer eher Bedauern und Mitleid erweckt, keine Gedanken jedoch über die starke Zusammengehörigkeit von Schuld und Strafe.), über den Zustand der Gefängnisse und die Haltung der Gefangenen ließen mindestens so stark revolutionäre Früchte reifen wie die politische Agitation anderer. Deák fordert in der Formulierung der Entwürfe nichts Neues, er baut die Forderungen der Jahrhundertwende (18-19. Jh.) und der europäischen Wissenschaftlichkeit in die allgemeine ungarische juristische Denkweise ein. Seine Entwürfe sind durchdrungen vom Deákschen Geist: " Viel Altes aufheben, viel Neues schaffen und vieles verbessernd ändern."[9] Wie er sich aber der gegenständlichen Frage nähert, stellt die Wahrheit der Aussage von Gábor Béli, dem Rechtshistoriker unter Beweis, daß nämlich die Anmerkungen des Komitats Zala zu den regelmäßigen Arbeiten der Landeskommission von einem "ausgezeichnet vorbereiteten, in der Rechtswissenschaft und Rechtspraxis bewanderten, mit kodifikatorischer Begabung gesegneten Redakteur" erarbeitet wurden.[10]
- 53/54 -
Zwischen 1841 und 1843 war Ferenc Deák Vorsitzender des zur Kodifikation des Strafrechts, des Strafprozeßrechts und des Gefängniswesens eingerichteten Ausschusses. Ihm war die Möglichkeit gegönnt, seine in der Gesetzgebung erworbenen Erfahrungen auf dem Gebiet der Kodifikation in ein bleibendes Werk umzumünzen. ("Schon in den dreißiger Jahren wurde seine hervorragende, sich in den Einzelheiten vertiefende Begabung zur Abfassung von Gesetzen mit großer Achtung erwähnt. ... Das Geheimnis des großen Erfolgs des gegenständlichen Kodifikationswerks [1843/44] liegt darin, daß sich so ein großer Geist wie Deák auch mit den Detailfragen des Strafrechts beschäftigte. ... So viel Weisheit und Vorsicht, wie Deák hatte, wirkte nirgends bei der codificatio des Strafrechts im Dienste der Detailarbeit mit."[11]) Das im Parlament eingebrachte sog. '43-er Entwurfspaket ist ein Unikum in der ungarischen Rechtsgeschichte.[12] Die Schöpfer der '43-er Entwürfe (insbesondere die des Entwurfes über das Gefängniswesen) waren weder durch die für die früheren Gesetzentwürfe (1795-er oder 1829-er) kennzeichnende ständische Sichtweise noch durch den Regelungszwang des bürgerlichen Staates gebunden, der nach Antworten auf die Herausforderungen der Realität und des sich entfaltenden Kapitalismus suchte. Im Unterausschuß für Gefängniswesen war zum Beispiel weder ein Rechtsanwalt, noch ein Richter, noch ein Lehrer einer Universität oder einer Rechtsakademie tätig. Der größtenteils aus Politikern und Publizisten bestehende Unterausschuß arbeitete daran, die Grundlagen eines bis dahin eigentlich nicht einmal in Spuren existierenden Systems zu schaffen, nicht ohne Illusionen, Kompromißlosigkeit, reine Ideen und reformsuchendes Feuer. Deshalb konnte die Schaffung einer konsequenten Strafvollzugsterminologie gelingen, was die Voraussetzung für die Erfüllung der alten Forderung war, die vor dem Urteil Stehenden von den bereits Verurteilten, und die für kleinere bzw. schwerere Straftaten Verurteilten von einander zu trennen. Der Entwurf behält die Garantien zum Schutze der Verurteilten und der Verhafteten sowie den humanen Umgang mit den Verurteilten vom Anfang bis zum Ende vor Augen. Die liberalen Politiker schlugen eine für das ganze Land geltende einheitliche Regelung und Praxis vor, mit dem Schutz der Gleichheit und gewissermaßen der menschlichen Freiheit.[13]
- 54/55 -
Für die Erarbeitung der Entwürfe war die Methode von Deák kennzeichnend. Vor der Formulierung der einzelnen Gesetzstellen und strafrechtlichen Tatbestände wurden die einschlägigen Stellen der geltenden europäischen Gesetze und Kodizes, sowie die wissenschaftlichen Standpunkte dargestellt, und erst danach kam es zur Formulierung des Textes. Den in der Debatte entstandenen Text übersetzte Ferenc Pulszky ins Deutsche, die Übersetzung wurde Professor Mittermaier nach Heidelberg geschickt, dessen Antwort bei der endgültigen Fassung berücksichtigt wurde. Diese Gewohnheit behielt er auch später als Justizminister, denn wie bekannt, ließ er die Entwürfe bzw. die erlassenen Verordnungen László Szalay zukommen, der sie dann nach der Übersetzung ins Deutsche an den Professor zur Stellungnahme weiterleitete.[14]
Der Kodifikator rüstet sich nicht für plötzliche politische Änderungen, sondern er erarbeitet Normen, welche Jahrzehnte, im besten Falle Jahrhunderte währen werden und die Grundlagen für das Recht schaffen. Diese Arbeit kann nicht mit revolutionärem Feuer sondern nur mit ruhiger, umfassender Überlegung verrichtet werden. Kodifikationsarbeit kann in einer aufgeregten, sich Tag für Tag ändernden Atmosphäre nicht geleistet werden, denn das Endergebnis wird durch die in der Landesversammlung versammelten Abgeordneten gebilligt, der Text des Gesetzbuches hängt von der dort herrschenden Einheit oder Hader, von der Begeisterung und der Ausrichtung der Aufmerksamkeit der Anwesenden ab.
Diese Art des Kodifikators geriet 1848 in Konflikt mit den politischen Umständen. Er zögerte schon bei der Annahme des Postens des Justizministers. Als Justizminister war er gezwungen, ständig Wortgefechte wegen der beleidigenden Beschuldigungen bezüglich der Tätigkeit des Ministeriums auszutragen. Die ruhige Mentalität des Kodifikators prallte ständig auf politische Aufregung, auf radikale "Fassreden" und hinterlistige politische Angriffe. Äußerst schwer konnte er die gemeinen Attacken vertragen, wie die zum Beispiel von Madarász. Am 8. Juli 1848 kam es zu einem scharfen Wortgefecht, weil der Abgeordnete sagte: "Seit der letzten Landesversammlung verfiel die ihm anvertraute Vertretung des Landes größtenteils der List."[15] Deák wurde dessen müde. Er sprach mehrere Male davon, daß er für diese Rolle nicht geeignet sei. Zu dieser Zeit obsiegte noch der Jurist über dem Staatsmann.
- 55/56 -
Dazu oblag dem Portefeuille des Justizministers die Kodifikationstätigkeit als eine schwierige Aufgabe, von der auf einen Teil bereits die Aprilgesetze hinwiesen. Unter Zeitdruck im März und im April und mehrmals in spürbarer Ermangelung an überlegten Entwürfen verabschiedete die Landesversammlung größtenteils Gesetze, die aus Sicht der Verfassung deklarativ waren. Im größten Teil der achtundvierziger Artikel kam es zur rechtlichen Formulierung einzelner politischer Zielsetzungen, zur erklärungsartigen Abfassung von fachlichen Bestrebungen des Rechts, für deren tatsächliche Realisierung und inhaltliche Auslegung die Kodifikatoren der letzten ständischen Landesversammlung die späteren Landesversammlungen verantwortlich machten. (Der Artikel über die Vereinigung von Ungarn und Siebenbürgen bezeichnete als zukünftige Aufgabe der vereinten Gesetzgebung, die detaillierten Regeln der Vereinigung auszuarbeiten.[16] Der Artikel über die allgemeine Steuerpflicht übertrug die Ausarbeitung der konkreten Form der allgemeinen Steuerpflicht und des Steuersystems dem Ministerium.[17] Über die Aufgaben in Verbindung mit der Aufhebung der Urbariallasten und der Entschädigung der privaten Grundherren werde das Ministerium "der nächsten Landesversammlung einen noch eingehend auszuarbeitenden Gesetzentwurf unterbreiten", verspricht der Gesetzestext.[18] Ebenso über die eingehende Regelung der Umgestaltung der aufgehobenen Urbarialeinnahmen der privaten Grundherren in Statusschulden.[19] In der Verordnung bezüglich Zusammenrechnung, Weidentrennung und Holzung verpflichtete die Landesversammlung das Ministerium ebenfalls zur Vorlage eines eingehenden Gesetzentwurfs.[20] Die Formulierung der Deklaration des kirchlichen Zehnten als Gesetzestext wurde ebenfalls auf die nächste Landesversammlung verschoben und dem Ministerium als Aufgabe übertragen.[21] Die Grundsätze der Kreditinstitute und die Regeln der Beschaffung und Verwaltung des zur Tätigkeit notwendigen Kapitals sollten ebenfalls als Ergebnis der Tätigkeit des Ministers erscheinen.[22] Der Gesetzesartikel über die Aufhebung der Avitizität erlegte dem Ministerium schlechthin die Pflicht der Erarbeitung eines Bürgerlichen Gesetzbuches auf.[23] Die Komitatsbehörden, die Komitatsratswahlen, die Wahlen in den freien königlichen Städten und in den Gemeinden, die Organisation und Funktionieren der Bezirke Jász-Kun und Hajdú wurden ebenfalls nur vorläufig, insoweit geregelt, bis die "in der nächsten Landes-
- 56/57 -
versammlung zu ergreifenden Maßnahmen nicht entstehen."[24] Die Regelung der ungarischen Universitäten wurde der nächsten Landesversammlung zugeschoben, über die nationale Schutzarmee verfügen die Stände nur solange, bis "die nächste Landesversammlung erschöpfend verfüge."[25]) Und diese Gesetze enthielten bei Weitem nicht den großen Plan der Modernisierung der Rechtsprechung, die teils als Forderung der bürgerlichen Umwälzung formuliert wurde, teils die Erhebung der sog. 43-er Entwürfe, eines der glänzendsten Stücke des Deákschen Lebenswerks in Gesetzesrang bedeutet hätte: die Kodifizierung des materiellen Strafrechts (Schaffung des Strafgesetzbuches), die Abfassung der Strafprozeßordnung in einem Gesetz, die Reform des Gefängniswesens, die bürgerliche Umgestaltung der Rechtsprechung, Deklaration der richterlichen Unabhängigkeit und Ausbau ihrer Garantien.
Deák spürte diesen unglaublichen Druck, in seinen Entscheidungen war jedoch die Mentalität des besonnenen Kodifikators, der jede Eile ablehnt, stärker als der Wille des Revolutionärs, der sofort etwas Neues schaffen will. Als Inhaber des Portefeuilles des Justizministers widerstand er den Absichten, das Strafgesetzbuch neu zu fassen und zu beschließen. Der Kodifikator, der die rechtliche Revolution der Reformzeit vorbereitete und auskämpfte, der einer der typischsten Vertreter der Rechtskontinuität war, der Anhänger der Gesetzlichkeit, der mit präziser Genauigkeit alle Details ausarbeitete, wurde in der immer heftigeren radikalen Atmosphäre unsicher. Er fühlte, daß das politische Umfeld die Kodifikation nicht begünstigt. Zu Beginn der Debatte über das Notstandsgesetz erklärte er:
"... und die jetzigen Umstände in unserem Land, und die Stimmung, in der wir uns zurzeit befinden, halte ich nicht für geeignet, ein Gesetz zu beraten, das der absoluten Besonnenheit bedarf. Wenn so ein Gesetz entstehen soll, müssen Leidenschaft, Ängste, Besorgnis und Zorn fern bleiben; Ich liege nicht falsch, wenn ich behaupte, daß wir unter den jetzigen Umständen diesbezüglich nicht in derjenigen Stimmung sind."[26]
* * *
Da er diese Haltung bis zum Schluß beibehalten konnte, und weil er seinem kompromißsuchenden, auf die Rechtskontinuität bestehenden Konzept immer treu blieb, konnte er eines der größten Werke der Geschichte des 19. Jahrhunderts schaffen. Dazu wurde er durch seine kodifikatorische Anschauungsweise prädestiniert. Den geschichtlichen Prozessen und den ungarischen verfas-
- 57/58 -
sungsmäßigen Traditionen (auch wenn das lodernde Feuer von März 1848 dem widersprechen scheint) entsprach die Rechtskontinuität am meisten. Das war auch die Devise von Deák. Das Freilegen der geschichtlichen Wurzeln des Ausgleichs, das Erarbeiten der rechtlichen Möglichkeiten, das Suchen nach den Möglichkeiten von ruhigen Kompromissen im Einklang mit dem ungarischen Recht - das alles machte die Konstruktion des ungarischen Ausgleichs möglich und akzeptabel. Die auf der Rechtskontinuität basierende Anschauungsweise half zu zeigen, was kein Gegenstand von Verhandlungen sein kann, und wo die Möglichkeiten zu weiteren Schritten nach vorne bestehen. Das Prinzip der Gesetzlichkeit war das moralische Verbindungsglied, das die Verpflichtung gegenüber dem ungarischen traditionellen Recht, die Achtung der Gesetze und der ungarischen Verfassung mit der Loyalität gegenüber dem Herrscher in Einklang zu bringen und die Realitäten zu akzeptieren vermochte.
The greatest Hungarian jurist of the 19th century Ferenc Deák is the author of two significant pieces of work that earned him a well-deserved position in Hungarian legal history. In one of them, he elaborated the public law arrangement and accomplished the agreement concerning the 1867 Austrian-Hungarian Compromise. The other one encompassed the codification of criminal law between 1843 and 1849. These two works of jurisprudence belong to two different periods of Deák. One is related to Deák's activity as a statesman, whereas the other is a piece by Deák the jurist. Deák's profile in the Reform Age reveals more of the jurist than of the statesman; however, the statesman could not have evolved without the practising lawyer's prior experience, neither could the politician without the experience gained with public authority. The poised mentality of the codifier laid the foundations for the character of the statesman seeking and accomplishing serene compromises. When analysing the political model set up by Ferenc Deák, author Gyula Wlassics writes: 'Deák the statesman is characterised by prudent caution. No bold political plans are conceived in his mind. ...he is a man of legal order with every thought of his mind and every sentiment of his soul... His reliable guide in career as a statesman was the calm consideration of all circumstances... ...His principal thought sug-
- 58/59 -
gested that the only way leading to triumph was to be persistent and stand on a legal basis. Persistence can be replaced by no other virtue... his intellectual and spiritual character was the opposite of the revolutionary man..' Deák's virtues as a statesman agree with those of the codifying jurist: he shows the features of a prudent, poised, law-abiding and scholarly legislator. In history (and for foreign audiences), the Deák Ferenc that achieved the compromise was the preferred research topic; less attention has been paid to the legislator, Deák the codifier. This is what the author of this study does: he writes about Deák's legal studies (at the Academy of Law in Győr), his experience in legal practice (as the prosecutor officer in Zala county), and analyses Deák's way to codification while speaking about his determinant role in the feudal diet. Then he describes the goals reached within a period as short as six years: the work of the codification committee of criminal law, which, lead by Deák, developed drafts pertaining to criminal substantive law, procedural law and penology in 1843, which earned him great recognition throughout Europe; his first steps of coding as the country's first minister of justice (about the procedure of the 'press jury' and the decree of penology dated 1848), and finally about the 'emergency act' initiated by Deák during the Freedom War against the Habsburgs. The author evaluates Deák's habitude of legislation, and depicts the professional and human requirements embodied in him, characteristic of a true codifier, which are a prerequisite to the arrangement of laws, an activity more elevated, noble and incomparably more complicated than legislation. In addition to a meticulous knowledge of law, close familiarity with rules and legal practice, codification also presupposes a learned, combinatorial mind of wide grasp, which is ready for comparative analyses based on comprehensive scientific knowledge. A good codifier needs to have a practical legal background, knowledge of jurisprudence, experience in legislation, and first and foremost, the mentality of a codifier. The kind of mentality that Ferenc Deák described in 1849, depicting his own situation: '...I do not think that the present circumstances of this nation and the present atmosphere are suitable to discuss such an act that would require utmost serenity. When such an act is passed, emotions, fear, worries and anger need to be done away with; and I am not mistaken to say that under the present circumstances we are not in that mood in this respect.' What a codifier prepares for is not abrupt political changes but the creation of legal rules that stay in force for decades or preferably for centuries, and serve as the foundation of law. This work cannot be carried out with revolutionary zeal, only by serene evaluative consideration. ■
ANMERKUNGEN
[1] Wlassics, Gy. Deák Ferencz Munkáiból [Aus den Werken von Ferenc Deák] Budapest, o.Jh. S.48-50.
[2] Vgl. Molnár, A.: A fiatal Deák Ferenc. A felkészülés és a zalai pályakezdet évei 1803-1833, [Der junge Ferenc Deák. Die Jahren der Vorbereitungen und des Lebensbanhbeginns im Komitat Zala] Budapest, 2003.
[3] Deák Ferenc ügyészi iratai 1824-1831 [Staatsanwaltsdokumente von Ferenc Deák]. Hrsg. Molnár András. Zalaegerszeg, 1995. S.11-14.
[4] Wlassics a.a. O.S.22.
[5] Wlassics a.a. O. S. 23.
[6] Wlassics a.a. O.S. 6-7.
[7] "Javítva változtatni" Deák Ferenc és Zala megye 1832. évi reformjavaslatai, ["...Verbessernd ändern". Reformvorschläge von Deák Ferenc und Komitat Zala] Hrsg. Molnár, A. Zalaegerszeg, 2000. S.9.
[8] "Verbessernd ändern" a.a. O. S.177.
[9] "Verbessernd ändern"a.a. O. S.184
[10] Béli, G. : Zala vármegye Deák Ferenc által megfogalmazott észrevételei a jogügyi munkálatról. [Entwürfe des Komitats Zala über die Arbeit für Rechtsfragen in der Formulierung von Ferenc Deák] In: "Verbessernd ändern" a.a. O. S. 305.
[11] Wlassics a.a. O.65.
[12] Az országos bizottmány jegyzőkönyvei 1843. [Die Protokolle des Landesausschusses vom Jahr 1843] In: Az 1843-iki büntetőjogi javaslatok anyaggyűjteménye. [Materialsammlung der strafrechtlichen Entwürfe aus dem Jahr 1843.] Hrsg. Fayer L. I.-IV. Budapest 1896-1902. Bd. IV. 202-203.
[13] Über die Entwürfe vom Jahr 1843/44: Balogh, E.: Die Dogmatik des materiellen Strafrechts (Entwicklungsgeschichtlicher Überblick mit besonderer Hinsicht auf dem Gesetzesvorschlag 1843/44 und Mezey, B.: Eine Gesetzvorlage über Gefängniswesen im Jahr 1843 in Ungarn In: Die Entwicklung der österreichisch-ungarischen Strafrechtskodifikation im XIX-XX. Jahrhundert. Hrsg. Ogris, W - Máthé G., Budapest, 1996., S. 181, 203.
[14] Györgyi, K.: Die Rolle Mittermeiers bei der Ausarbeitung des Strafgesetzentwurfes vom Jahr 1843, In: Strafrechtsgeschichte an der Grenze des nächsten Jahrtausendes (hrsg. Mezey, B.) Budapest, 2003., S. 39.
[15] Deák Ferencz beszédei (Die Rede von Ferenc Deák) Hrsg. Kónyi, M. Budapest, 1886., Bd. 2. S. 67, 90
[16] Gesetzartikel 7 vom 1848
[17] Gesetzartikel 8 vom 1848
[18] Gesetzartikel 2 vom 1848
[19] Gesetzartikel 12 vom 1848
[20] Gesetzartikel 10 vom 1848
[21] Gesetzartikel 13 vom 1848
[22] Gesetzartikel vom 1848
[23] Gesetzartikel 14. vom 1848
[24] Gesetzartikel 16, 17, 23, 24, 25, 26 vom 1848
[25] Gesetzartikel 19 vom 1848
[26] Kónyi a.a. O.Bd. 2. S.99
Lábjegyzetek:
[1] Lehrstuhl für Ungarische Rechtsgeschichte, Telephonnummer: (36-1) 411-6518, e-mail: mbarna@ajk.elte.hu
Visszaugrás