Megrendelés

Andreas Wiebe[1]: Verbandsklagen und Wettbewerbsrecht - Sammelklage "österreichischer Prägung" und Gewinnabschöpfungsanspruch § 10 d UWG (Annales, 2018., 27-42. o.)

https://doi.org/10.56749/annales.elteajk.2018.lvii.3.27

Abstract

The compensation for small damages still poses considerable problems in terms of procedural instruments in European countries. While no collective claims comparable to the U.S. class action exist two examples to cope with the market failures in this area are elaborated in this article. The collective claim "Austrian way" has been developed by practice and is discussed in more detail and compared to the class action. It includes several advantages. The legislator, however, could not be convinced to enact this model into law.

Germany introduced a collective claim to absorb damages from unfair commercial practices in 2010 into the Statute Against Unfair Competition (UWG). It was brought forward mostly by consumer associations but is fraud with several shortcomings in its design which severely limited its practical effectiveness. Nevertheless, both models may form interesting alternatives to an introduction of a model of class action that is increasingly discussed on a European level to cope with the "rational disinterest" of consumers to claim damages.

Keywords: Collective claim "Austrian way", profit absorption in German unfair competition law, small and distributed damages, comparison to U.S. class action, consumer protection

I. Sammelklage "österreichischer Prägung"

1. Entwicklung

Wer einmal einige Zeit in Österreich verbracht hat, weiss, was eine "österreichische Lösung" ist. Eine solche österreichische Lösung findet sich auch im Wettbewerbsrecht

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und heißt dort "österreichische Prägung", nämlich "Sammelklage österreichischer Prägung". Sie ist eine interessante Erscheinung, die zeigt, dass einerseits ein Bedürfnis für eine Sammelklage im Lauterkeitsrecht besteht, andererseits der Gesetzgeber diesem Bedürfnis nicht gerecht wird und daher die Judikatur in die Bresche springen muss.

Das jüngste Beispiel betrifft den leidlichen VW-Skandal. Der VKI (Verein für Konsumenteninformation) prüft eine Sammelklage gegen VW wegen der manipulierten Abgaswerte. Anknüpfungspunkt ist eine "Irreführung" durch falsche Emissionswerte in Fernsehspots und Broschüren. Aus diesem Grund hat der VKI eine Sammelaktion ins Leben gerufen: Autohalter, die vermuten, betroffen zu sein, können sich mittels einem online-Formular auf der Website des VKI mit ihren Daten eintragen und erfassen lassen, um sowohl technische als auch rechtliche Updates zu den Fällen zu erhalten, und für den Fall, dass geklagt wird, rechtlich vertreten zu werden. Im nächsten Schritt wollen die EU-Verbraucherschutzorganisationen dann vereint als eine Partei gegenüber VW auftreten und für Schadenersatz eintreten. "Es kann nicht sein, dass amerikanische Bürger hier [hinsichtlich Schadenersatzanspruch] bevorzugt behandelt werden", sagte Peter Kolba, Vertreter des VKI.

Was steckt dahinter? Ende der Neunziger erkrankten hunderte österreichische Touristen in einem Clubhotel. Doch ein echtes, auf Leistung gerichtetes kollektives Rechtsschutzinstrument fehlte. Das rief den Verein für Konsumenteninformation (VKI) auf den Plan. Er ließ sich die Ansprüche aller Urlauber, die das wollten, abtreten, machte sie in einer Klage gegen die Hotelbetreiber gebündelt geltend und schaffte es, Prozessfinanzierer ins Boot zu holen, die bei Unterliegen des Klägers die Verfahrenskosten schultern würden. Die "Sammelklage österreichischer Prägung" war geboren. Mehr als 15 Jahre nach dem Reiseschadensfall hat sich im Rechtsbestand der Alpenrepublik nichts geändert.

2. Ausgestaltung und Zulässigkeit

Nun kennt auch das österreichische Recht die Verbandsklage, die im KSchG und im UWG geregelt ist und dem Verband die Möglichkeit gibt, gegen unlautere Werbung oder die Verwendung unfairer Vertragsklauseln auf Unterlassung zu klagen.[1] Daneben gibt es die Verbands-Musterklage, die bereits ein Vorläufer der Sammelklage österreichischer Prägung ist. Danach wird ein Anspruch an den Verband abgetreten, der diesen dann einklagt. Unabhängig vom Streitwert kann der OGH angerufen werden, und dessen Entscheidung entfaltet dann zumindest defacto eine Bindungswirkung gegenüber

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allen gleichgelagerten Fällen. Der Nachteil hier ist, dass in jeden einzelnen Fall eine Klage angestrengt werden muss.

Daraus entstand die Idee, die Ansprüche zu bündeln. Bei der Sammelklage "österreichischer Prägung" werden die Ansprüche im Wege der Inkassozession an einen Verband abgetreten, der diese dann einklagt.[2] Die Sammelklage kann von jedermann erhoben werden, in der Praxis tritt aber vor allem der VKI als Kläger auf.[3]

Es gibt eine Reihe von Unterschieden zur class action. Es tritt nur der Zessionar als Kläger auf, nicht die Gruppe von Betroffenen. Die Wirkung des Urteils trifft nur die Anspruchsinhaber, die ihre Ansprüche abgetreten haben. Es gilt das opt-in-Prinzip.

Kennzeichnend ist auch die Einschaltung von Prozessfinanzierern. Diese erhalten im Erfolgsfall eine Beteiligung und müssen bei Verlust des Prozesses die gesamten Prozesskosten tragen.[4] Allerdings enthält § 879 Abs. 2 Zi. 2 ABGB das Verbot, sich einen bestimmten Teil des Betrags versprechend zu lassen, der der Partei zu erkannt wird. Dies entspricht dem Verbot eines Erfolgshonorars, das auf die erstrittene Summe im Unterschied zum Streitwert bezogen ist. Nun gilt dies Verbot für "Rechtsfreunde", was sich vor allem auf Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bezieht. Die überwiegende Meinung sieht auch Prozessfinanzierer in der gleichen Situation, weil sie auch besser den Prozessausgang abschätzen und Einfluss auf die Prozessführung nehmen können, so dass entsprechende Vereinbarungen über die Prozessfinanzierung unwirksam wären.[5] Das soll allerdings anders sein, wenn sich der Finanzierung auf die reine Finanzierungsfunktion beschränkt. Jedenfalls wird die Prozessfinanzierung überwiegend als positiv für die Herstellung von Waffengleichheit angesehen. Für den Beklagten kann etwa die Einbringung der Prozesskosten erleichtert werden.[6]

Sucht man nun nach gesetzlichen Grundlagen, so stösst man auf § 227 öZPO, nämlich die objektive Klagenhäufung. Danach können mehrere Ansprüche gegen denselben Beklagten in einer Klage geltend gemacht werden, vorausgesetzt das gleiche Gericht ist zuständig und die gleiche Verfahrensart einschlägig. Ein Teil der Lehre will

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zusätzlich die Voraussetzungen der Streitgenossenschaft anwenden (§ 11 Zi. 2 öZPO), um deren Umgehung zu vermeiden.[7] Danach muss es sich auch um gleichartige und auf im wesentlichen gleichartigem rechtlichen Grund beruhende Ansprüche handeln. Damit will man auch vermeiden, dass unterschiedliche Beweisverfahren notwendig würden.

Der OGH hat die Zulässigkeit der Sammelklage "österreichischer Prägung" anerkannt und hinsichtlich der Zulässigkeitsvoraussetzungen eine vermittelnde Linie vertreten.[8] Danach muss zwar nicht die Identität des rechtserzeugenden Sachverhalts gegeben ist, wohl aber "ein im Wesentlichen gleichartiger Anspruchsgrund (maßgebliche gemeinsame Grundlage) vorliegen. Darüber hinaus müssen im Wesentlichen gleiche Fragen tatsächlicher oder rechtlicher Natur, die die Hauptfrage oder eine ganz maßgebliche Vorfrage aller Ansprüche betreffen, zu beurteilen sein".

In dem einschlägigen Verfahren ging es um gesetzwidrige Zinsanpassungsklauseln von Banken. Es lagen unterschiedliche Kreditverträge vor, die bei unterschiedlichen Filialen geschlossen waren, so dass eine Streitgenossenschaft wohl nicht vorlag. Der OGH bejahte jedoch die Zulässigkeit einer Sammelklage, da bei der Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen wegen zuviel gezahlter Zinsen durch mehrere Kreditnehmer ein "im Wesentlichen gleichartiger Anspruchsgrund geltend gemacht werde, nämlich Bereicherungs- und/oder Schadensersatzansprüche aufgrund unwirksamer Zinsanpassungsklauseln eines bestimmten Kreditinstituts". Zudem mussten gleiche Fragen tatsächlicher oder rechtlicher Natur gelöst werden, was sich darauf bezog, dass die Bank die Verjährung der Zinsansprüche eingewendet hatte.

3. Beispiel Nazar/Brech-Durchfall

Nun bringt das Modell dieser Sammelklage auch einige Nachteile mit sich. Zum einen ist es bei weiterer Verbreitung fraglich, ob die Verbände die Vielzahl von Klagen stemmen können. Zum anderen ergeben sich Probleme bei der grenzüberschreitenden Geltendmachung von Ansprüchen Dies wurde deutlich im Fall Nazar. Dabei ging es um folgenden Sachverhalt.

Im Sommer 2004 erkrankten Pauschalreisende in einem türkischen All-Inclusive-Club Reisende an zum Teil schwerem Brech-Durchfall. Ein Privatgutachten eines medizinischen Sachverständigen legte nahe, dass verdorbenes Essen oder verunreinigte Getränke die Hauptursache für die Explosiv-Epidemie waren; bei einigen Erkrankten wurden sogar

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Salmonellen als Erreger diagnostiziert. Der VKI ließ sich die Schadenersatzansprüche von 37 geschädigten Verbrauchern (von insgesamt 60 Betroffenen) abtreten und machte deren Ansprüche gesammelt mit zwei Sammelklagen nach österreichischem Recht geltend, und zwar gegen den österreichischen Reiseveranstalter und gegen sein Schweizer Tochterunternehmen. Der Gesamtschaden betrug etwa 54,000 €.

Problematisch war in diesem Fall der grenzüberschreitende Aspekt. 15 Geschädigte aus Vorarlberg hatten bei der Schweizer Tochtergesellschaft des Reiseveranstalters gebucht. Daher war für diese Geschädigten die Klage gegen ein ausländisches Unternehmen zu richten. Der OGH stellte fest, dass sich der VKI nicht auf den Verbrauchergerichtsstand des Art14 LGVÜ berufen könne, weil es sich um abgetretene Forderungen handelte, die der VKI in seinem Namen einklagte.[9] Der OGH berief sich hier auf eine Entscheidung des EuGH, die in solchen Fällen festgestellt hatte, dass der Verbrauchergerichtsstand nach Art 15 EuGVVO bzw. nach Art 13ff LGVÜ durch die Abtretung an den VKI verloren gehe.[10] Dadurch wurde allerdings die Abtretung an den VKI mit einem kommerziellen Inkassobüro (Shearson/Hutton-Entscheidung) gleichgestellt. Erst der Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung mit der Schweizer Beklagten konnte die Zuständigkeit begründen. Im Ergebnis wurden dann durch Entscheidung des BGHS Wien fast 100% der Forderungen gewährt. In einem parallel durchgeführten Individualprozess lagen die Prozesskosten um mindestens das Dreifache höher.

4. Bewertung durch VKI

Der VKI selbst beurteilt die Möglichkeiten der Sammelklage positiv.[11] Zu den Vorteilen gehören:

1. Die Sammelklage dient der Prozessökonomie bei Massenschäden. Ein Richter entscheidet, er hört ein und denselben Sachverständigen und es gibt ein Urteil und nicht mehrere u.U. gegenläufige Entscheidungen, was zur Rechtssicherheit beiträgt.

2. Die Sammelklage verhindert, dass die Ansprüche der Geschädigten verjähren können, wie es bei einem Musterprozess der Fall sein kann.

3. Die Sammelklage führt zu einem hohen Streitwert, was die Anwaltskosten reduziert.

4. Die Sammelklage macht Einzelansprüche unter 50,000 Euro durch Zusammenrechnung der Streitwerte durch Prozesskostenfinanzierer finanzierbar. Das führt dazu, dass sich Geschädigte ohne Kostenrisiko an der Klage beteiligen können.

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5. Die Sammelklage fördert den Abschluss eines Vergleichs.

Eine Studie des VKI zeigt aber auch Defizite auf:

1. Viele Verbraucher sehen die Notwendigkeit, Ihre Ansprüche an den Sammelkläger abzutreten als Hindernis.

2. Der Sammelkläger ist der primäre Schuldner der Prozesskosten, was zu hohen Risiken führen kann.

3. Die Organisationskosten einer Sammelklage sind erheblich.

4. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung drohen aufwendige Zwischenstreitigkeiten über die Zulässigkeit der Klage.

5. Bei grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten nimmt die Abtretung der Ansprüche auf Verbraucherseite die Möglichkeit, sich auf den Verbrauchergerichtsstand der Art. 15 ff EuGVVO zu berufen.[12]

Insgesamt werden danach die Chancen deutlich erhöht, dass es im Verfahren zu einem für den Verbraucher günstigen Vergleich kommt und die Gerichte entlastet werden. Allerdings. Besteht auch ein gewisses Risiko, da der Verband primärer Schuldner des Kostenersatzes ist und muss versuchen, sich gegen das Risiko einer Insolvenz des Prozesskostenfinanzierers abzusichern. Daher befürwortet der VKI die Einführung einer echten Gruppenklage.

5. Legislatorische Bemühungen

Auch wenn ein permanentes Durchlavieren durchaus seinen Charme haben kann, so erging doch 2004 der Auftrag an die zuständige Ministerin durch das Parlament, für eine gesetzliche Grundlage zu sorgen. Der Ministerialentwurf für eine ZivilverfahrensNovelle für Gruppenverfahren lag seit 2007 vor.[13]

Voraussetzung für das Einreichen einer Gruppenklage soll danach sein, dass mehrere Personen eine große Anzahl von Ansprüchen geltend machen, die gegen dieselben Personen gerichtet ist und die gleiche Tat- und Rechtsfragen aufwerfen.[14] Außerdem muss die gemeinsame Behandlung aller Voraussicht nach einfacher und billiger sein als die Durchführung entsprechender Einzelverfahren. Wird die Klage vom zuständigen Gericht erster Instanz für zulässig erklärt, muss sie öffentlich bekannt gemacht werden. 90 Tage nach Bekanntmachung ergeht dann die Entscheidung über die Durchführung. Eine Abtretung der Ansprüche ist nicht erforderlich, ein Beitritt ist bis zu sechs Monaten möglich, ein Austritt bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung.

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Ein Gruppenvertreter ist danach Ansprechpartner für den Prozessvertreter und soll die Interessen der Gruppenkläger vertreten und die prozessualen Rechte und Pflichten der Gruppenkläger wahrnehmen. Er muss nicht aus dem Kreis der Kläger kommen.

Das Gruppenverfahren dient nur der Klärung der Tat- und Rechtsfragen und endet mit einem entsprechenden Urteil. Die Ansprüche selbst müssen dann durch die Kläger jeweils in Einzelverfahren binnen drei Monaten nach Veröffentlichung der Beendigung des Gruppenverfahrens geltend gemacht werden.

Zu einer Verabschiedung ist es bisher wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen Justiz- und Verbraucherschutzministerium nicht gekommen. Einer der Streitpunkte ist die Mindestanzahl der Kläger, die mit 100 angesetzt ist sowie die Höhe des Mindeststreitwerts. Trotzdem betonen alle Beteiligten, dass die Gruppenklage kommen werde.

6. Fazit

Der VKI hat interessanterweise auch eine Umfrage unter Verbrauchern sowie den Teilnehmern von Sammelklagen durchgeführt.[15] Sie zeigte, dass mit ihnen die Erwartung verbunden ist, leichter, schneller und mit weniger Risiko zu seinem Recht zu kommen. Es ergab sich auch, dass mehr Verbraucher klagen würden, wenn sie dies gemeinsam mit anderen Verbrauchern tun könnten. Was die Verbraucher von Klagen abhält, ist vor allem der Aufwand für den Einzelnen und das Prozesskostenrisiko. Dadurch wird ein Ungleichgewicht zugunsten der Unternehmen geschaffen. Dieses kann durch Sammelklagen abgebaut werden. Die Teilnehmer an einer Sammelklage beurteilten diese sehr positiv hinsichtlich Vorbereitung, Durchführung und Betreuung. Auch ergibt sich aus der Umfrage, dass grenzüberschreitender Verbraucherschutz für die Verbraucher immer noch kaum existent ist.

Insgesamt kann man feststellen, dass die Sammelklage gerade bei kleineren Schäden ein Fortschritt gegenüber Individualklagen darstellt, aber gegenüber einer "echten" Sammelklage immer noch relevante Nachteile hat. Dazu gehört das Opt-in-Prinzip, dass wohl zu hohen Transaktionskosten führt, gerade wenn die individuellen Schäden gering sind. Demgegenüber ist aus ökonomischer Sicht bei einem Opt-Out-Prinzip die "Divide et Impera" - Strategie möglich, bei welcher der Beschuldigte einigen Geschädigten eine außergerichtliche Einigung anbietet, um die Anzahl der an einer möglichen Kollektivaktion Teilnehmenden hinreichend klein zu halten. Der daraus entstehende Wettbewerb um den Vergleich ermöglicht es dem Schädiger, die Gesamtkompensation geringer zu halten. Daher wäre eine optimale Internalisierung der Kosten wohl bei einer verpflichtenden Zugehörigkeit zur "Class" gegeben.[16]

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II. Gewinnabschöpfung nach § 10 dUWG

Zu den in Österreich gemachten Erfahrungen gehört auch, dass für Streu- und Bagatellschäden ein wirksames Mittel der Generalprävention fehlt. Unternehmer können damit rechnen, die Gewinne aus Verstößen behalten zu können, da es an effektiven Möglichkeiten der Gewinnabschöpfung fehlt. Daher ist im zweiten Teil ein Blick auf § 10 des deutschen UWG interessant, der genau diese Möglichkeit der Gewinnabschöpfung geschaffen hat. Dabei handelt es sich sozusagen um eine Weiterentwicklung der Möglichkeit der Sammelklage.

1. Zweck der Norm und zugrundeliegendes Problem

Gerade im Wettbewerbsrecht wurden Durchsetzungsdefizite bei den sog. Streuschäden stark wahrgenommen. Ein Rechtsdurchsetzungsdefizit ergibt sich in derartigen Fällen daraus, dass die Betroffenen grundsätzlich von einer Durchsetzung der ihnen zustehenden Rechte und Ansprüche aus verschiedenen Gründen absehen. Unterlassungsansprüche sind häufig wenig wirksam, wenn Unternehmen ihre Werbung nur geringfügig abändern oder abgemahnte Firmen schon an der einmaligen Werbeaktion erheblich profitiert haben. Zusätzlich bestand das Problem, dass Verbraucher nach deutschem UWG kein eigenes Klagerecht haben, also auch Schadensersatzansprüche nicht selbst einklagen können.[17] Dieses ist immer wieder rechtspolitisch diskutiert worden, man hat aber wegen der Befürchtung einer angeblichen Überlastung der Gerichte und den sonstigen zivilrechtlichen Klagemöglichkeiten bis heute davon abgesehen. Auch Schadensersatzklagen von Mitbewerbern sind aber problematisch, da in solchen Fällen entweder kein Schaden entstanden ist oder entsprechende Ansprüche nicht durchsetzbar sind, weshalb der Zuwiderhandelnde den rechtswidrig erzielten Gewinn behalten kann.

Der Gesetzgeber hat bei der Novelle 2004 § 10 dUWG eingeführt, wonach durch Verbände ein Gewinnabschöpfungsanspruch geltend gemacht werden kann. Dieser dient nicht so sehr dem Interessenausgleich zwischen Verletzer und Verbraucher, sondern der zivilrechtlichen Prävention von schwerwiegenden Wettbewerbsverstößen, die vorsätzlich begangen wurden und sich gegen eine Vielzahl von Abnehmern richten. Die Vorschrift hat insoweit generalpräventiven Charakter.[18] Sie hat Bedeutung auch und gerade für die Fälle, in denen der Verletzer noch keine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung eingegangen ist und demgemäß bei Zuwiderhandlungen keine

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Vertragsstrafe (§§ 339 ff BGB) zu befürchten hat. Ebenso wie die Vertragsstrafe stellt auch § 10 nach wohl h.M. keine "verkappte Strafvorschrift" dar.[19] Die Vorschrift erschöpft sich in der wirtschaftlichen Neutralisierung von schwerwiegenden Wettbewerbsverstößen und bleibt insoweit hinter einer Vertragsstrafe zurück.

Der Gewinnherausgabeanspruch gem. § 10 UWG hat vor allem die Funktion, das bereits beschriebene Marktversagen zu korrigieren. Trotz bestehender zivilrechtlicher Ansprüche bemerken Abnehmer oft gar nicht, dass sie übervorteilt worden sind, oder sie vermeiden die Kosten und Mühen einer Durchsetzung ihrer Ansprüche ("rationales Desinteresse"). Die bestehenden Verbandsklagemöglichkeiten beschränken sich auf Unterlassungsansprüche. Dem Verletzer verbleibt daher in der Regel der auf unlautere Weise erzielte Gewinn.

Der Gewinnabschöpfungsanspruch ist die erste Verbandsklage im deutschen Recht, die sich nicht mehr auf den negatorischen Rechtsschutz beschränkt, sondern auf einen Leistungsanspruch richtet. Er hat keine unmittelbare Entsprechung in anderen Rechtssystemen im internationalen Vergleich.

2. Eckpunkte der Norm

Der Gewinnherausgabeanspruch gem. § 10 UWG ist seiner Rechtsnatur nach weder ein Schadensersatzanspruch noch ein Bereicherungsanspruch, sondern ein Anspruch eigener Art ("sui generis").[20] Am ehesten ist der Gewinnherausgabeanspruch noch mit dem Herausgabeanspruch aus § 852 BGB vergleichbar, der ebenfalls im Tatbestand eine unerlaubte Handlung voraussetzt, in der Rechtsfolge aber auf Herausgabe des auf Kosten des Verletzten Erlangten gerichtet ist. Er beruht auf dem Gedanken des "Fruchtziehungsverbotes".[21]

a) Tatbestandsvoraussetzungen

Es muss zunächst eine unlautere geschäftliche Handlung nach 3 oder § 7 UWG vorliegen. Diese muss vorsätzlich begangen worden sein. Vorsätzlich handelt dabei bereits,

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wer eine von der eigenen Einschätzung abweichende rechtliche Beurteilung in Betracht zieht, gleichwohl jedoch die fragliche geschäftliche Handlung vornimmt.

Herauszugeben ist nur der Gewinn, der zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern erzielt worden ist, nicht dagegen zu Lasten von Lieferanten und Mitbewerbern. Im Einzelnen ist hier vieles umstritten.[22] So ist etwa streitig, ob dem Gewinn unmittelbar ein Vermögensnachteil der Abnehmer gegenüber stehen muss.[23] "Zu Lasten" der Abnehmer ist der Gewinn etwa nach Ansicht von Köhler nur dann erzielt, wenn den Abnehmern auf Grund des Geschäfts, das für den Verletzer einen Gewinn abwerfe, an sich bürgerlich-rechtliche Rechte oder Ansprüche zur Sicherung ihrer Vermögensinteressen gegen den Verletzer zustünden. Eine nur mittelbare Benachteiligung der Abnehmer, wie etwa bei Kartellverstößen auf einer vorgelagerten Marktstufe, reiche dementsprechend nicht aus.[24] Teilweise wird vertreten, das Merkmal sei bereits dann erfüllt, wenn durch den Lauterkeitsverstoß die Abnehmerinteressen verletzt wurden.[25] Andere halten eine wirtschaftliche Schlechterstellung der Abnehmer für erforderlich, die aber schon im Abschluss des ungewollten Vertrags liegen könne.[26]

Eine Vielzahl an Abnehmern soll jedenfalls dann vorliegen, wenn der Verstoß seiner Art nach Breitenwirkung besitzt.[27] Die untere Grenze wird bei drei Abnehmern gesehen.[28] Ausgeschlossen sind aber nach allen Ansichten solche Wettbewerbsverstöße, die gegenüber einem einzelnen Abnehmer begangen wurden.

b) Rechtsfolgen

Eines der wesentlichen Merkmale des Anspruchs aus § 10 Abs. 1 UWG ist, dass er auf Herausgabe des (verbliebenen) Gewinns an den Bundeshaushalt geht. Wegen des generalpräventiven Charakters ist es letztlich egal, wem der abgeschöpfte Gewinn zufließt.

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Man wollte diesen aber auch nicht bei klagenden Verband belassen, um die Gefahr einer missbräuchlichen Geltendmachung des Anspruchs zum Zweck der bloßen Einnahmen-erzielung zu vermeiden. Andere Modelle, zB Abführung an eine Stiftung, wurden im Gesetzgebungsverfahren erwogen, aber verworfen.[29]

Der Anspruch aus § 10 wird in der Regel mit der Leistungsklage durchgesetzt. Der Kläger kann die Feststellungsklage mit einer Auskunftsklage verknüpfen. In der Regel wird der Anspruchsberechtigte den Anspruch nicht beziffern können, da er die Betriebsinterna des Zuwiderhandelnden nicht kennt. Ihm steht aber nach allgemeinen Grundsätzen ein Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch zu. Der Anspruchsberechtigte kann daher im Wege der Stufenklage gem. § 254 ZPO auf Auskunft oder Rechnungslegung und Leistung klagen.

Leistungen, die der Schuldner bereits an Dritte oder den Staat getätigt hat, können nach § 10 Abs. 2 S. 1 UW abgezogen werden. Außerdem kann der Verband seine eigenen Aufwendungen erstattet verlangen, soweit diese durch den abgeführten Gewinn abgedeckt sind (§ 10 Abs. 4 S. 3 UWG).

3. Erfahrungen und praktische Wirksamkeit

a) Rechtsprechungspraxis

Der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. hat den Gewinnabschöpfungsanspruch bis Ende 2013 insgesamt 24-mal geltend gemacht.[30] Die bisher ergangenen Entscheidungen bewegen sich im einstelligen Bereich. Sie spiegeln zugleich die inhaltlich kritischen Elemente des Anspruchs wider.

Dies betrifft zum einen den notwendigen Vorsatz. In einer Entscheidung des OLG Frankfurt ging es um das Anbieten von Grafiken zum Download im Internet bzw. den Zugang zu 2000 Gedichten, wobei die Entgeltlichkeit des Angebots verschleiert wurde.[31] Das OLG bejahte einen Verstoß gegen die PAngV iVm § 4 Nr. 11 UWG a.F. sowie eine irreführende Werbung nach den §§ 3, 5 UWG. Der Vorsatz sei gegeben, da die Beklagte zumindest billigend in Kauf genommen habe, dass ihr Verhalten die Abnehmer täuschen könnte: "Es gibt keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Beklagte zu 1 ein auf Täuschung und wirtschaftliche Schädigung von Verbrauchern angelegtes Verhalten für rechtlich zulässig gehalten haben könnte".

Beliebter Gegenstand solcher Verfahren ist das Werben mit einem überholten und deshalb irreführenden Testergebnis. Das OLG Stuttgart bejahte in einem solchen Fall den Vorsatz, "da dieser schon gegeben sei, wer sein wettbewerbsrelevantes Verhalten

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fortsetzt, obgleich er sich auf Grund der ihm bekannten Tatsachen nicht der Einsicht verschließen kann, dass dieses unlauter ist".[32] Bei einem sechs Jahre alten Testergebnis hätte sich der Verdacht der Überholtheit aufdrängen müssen und spätestens nach Abmahnung hätte man die Tatsachen überprüfen müssen.

In einer weiteren Entscheidung nahm das OLG Frankfurt Vorsatz auch dann an, wenn der vom Beklagten beauftragte Rechtsanwalt nach Abmahnung die Zulässigkeit bejaht.[33] Spätestens nach Abmahnung handele derjenige, der es auf einen Wettbewerbsverstoß ankommen lasse, vorsätzlich.

Das OLG Schleswig relativiert dies in einer neueren Entscheidung zur Verwendung unwirksamer AGB.[34] Dabei ging es um die Forderung einer Nichtnutzungsgebühr durch einen Mobilfunkanbieter. Das Gericht gesteht zu, dass eine Abmahnung auch unberechtigt sein könne. Wenn der Klauselverwender in derartigen Fällen bei ebenfalls sorgfältiger Prüfung und unter Berücksichtigung der Argumentation der abmahnenden Institution zu dem Ergebnis komme, dass die Klausel wirksam sei, könne er sie während des laufenden Abmahnverfahrens und eines anschließenden Rechtsstreits weiter verwenden, ohne das zusätzliche Risiko der Gewinnabschöpfung zu tragen. Die vorliegende Klausel, mit der eine zusätzliche Gebühr ohne Gegenleistung gefordert werde, sei aber evident unwirksam, was sich dem Beklagten auch aufdrängen musste.[35]

Hinsichtlich des zweiten kritischen Merkmals des abzuschöpfenden Gewinns handelte es sich hier um einen typischen Streuschaden. Die Beklagte hatte die entsprechenden "Nichtnutzungsgebühren" in Höhe von € 4,95 über ein Jahr von den Kunden vereinnahmt. Damit war für das Gericht jedenfalls die Grundlage für einen Auskunftsanspruch gegeben. Die Beklagte musste dann Auskunft über die Einnahmen und Ausgaben geben, so dass der Verband in der Lage war, den Gewinn zu berechnen und dessen Herausgabe zu fordern. Das Gericht lehnte die Aufnahme eines Wirtschaftsprüfervorbehalts ab.

Nach Ansicht des OLG Stuttgart bedürfe es nicht des Nachweises eines Schadens der Kunden iSv § 249 BGB, weil im Gesetzgebungsverfahren die Wörter "auf Kosten" durch die Wörter "zu Lasten" ersetzt worden seien, um sicherzustellen, dass es für den Gewinnabführungsanspruch keines den Unternehmergewinn kongruenten Schaden der

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Abnehmer bedürfe.[36] Nach Ansicht des LG München I soll ein Gewinn bereits dann angenommen werden, wenn ein Beitrag zur Deckung der Fixkosten (Kostendeckungsbeitrag) erzielt wurde.[37] Kein Gewinn liege dagegen bei sonstigen wirtschaftlichen Vorteilen (Verbesserung der Marktposition) vor. Bietet ein Unternehmer im Wettbewerb dagegen Produkte bzw. Dienstleistungen derart unter Wert an, dass dies nicht einmal für die Deckung der eigenen Fixkosten ausreicht, erzielt er keinen abschöpfbaren Gewinn. Ferner verlangt § 10 UWG, dass der erzielte Gewinn unmittelbar auf dem Wettbewerbsverstoß beruht. Das bloße "Anlocken" von Kunden mit dem Ziel, weitere Umsätze - unabhängig von den konkret beworbenen Waren oder Dienstleistungen - zu generieren, ist kein solcher Gewinn. Damit sind die Grenzen des Anspruchs nach § 10 UWG aufgezeigt.

b) Rechtspolitische Diskussion

Von Seiten der Verbraucherverbände wurde bereits früh eingewandt, der Gewinnabschöpfungsanspruch sei an derart enge Voraussetzungen gebunden, dass er in der Praxis kaum Wirkung zeigen werde[38] Leider hat sich diese Einschätzung bestätigt. Die Regelung leidet an vielen Konstruktionsfehlern, so dass sich die damit verbundenen Hoffnungen bisher nicht erfüllt haben. Die zumeist von Verbraucherorganisationen bzw. vom Dachverband der Verbraucherverbände auf der Grundlage von § 10 UWG bislang erhobenen Klagen dürften sich im zweistelligen Bereich bewegen. Nach Alexander gibt es zu der Vorschrift mehr wissenschaftliche Abhandlungen als Gerichtsentscheidungen. Hauptprobleme sind fehlende Anreize durch die Pflicht zum Abführen an den Bundeshaushalt sowie der Nachweis vorsätzlichen Verletzerhandelns.

Diese Meinung wird auch von Teilen der Literatur geteilt.[39] Fezer etwa sieht die Hauptursache des Gesetzesversagens in der Vermischung verschiedener dogmatischer Kategorien, nämlich der (deliktischen) Schadensersatzhaftung und der Haftung wegen ungerechtfertigter Bereicherung.[40] Trotzdem hält ein großer Teil der Literatur den Grundgedanken im Sinne der Stärkung des Verbraucherschutzes und Entgegenwirken eines Marktversagens nach wie vor für richtig.[41] Umstritten ist, ob sich bereits aus Art. 13 UGP-RL eine Pflicht zur effizienteren Ausgestaltung des Anspruchs ergibt.[42]

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In der Literatur wird deshalb auch immer wieder angeregt, den Tatbestand auf grobe Fahrlässigkeit zu erweitern, eine Kausalitätsvermutung beim Gewinn einzuführen und die eingezogenen Beträge den Klägern zugutekommen zu lassen. Fezer schlägt vor, die Abschöpfung rechtswidrig erlangter Erlöse als Geltendmachung eines "Verbraucherkollektivschadens" aus den abzuschöpfenden Unrechtserlösen und Verbraucheranteilen an Kartellbußen ein zweckgebundenes Sondervermögen des Bundes zur Finanzierung der Verbraucherarbeit einzurichten und damit die Arbeit der Verbraucherschutzorganisationen zu verbessern.[43] Auf das Erfordernis eines Verschuldens soll entweder komplett verzichtet oder eine Beweislastumkehr festgeschrieben werden, die dem Verletzer bei nicht schuldhaftem Verhalten eine Entlastungsmöglichkeit eröffnet.[44] Eine Gewinnerzielung zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern ist nicht mehr vorgesehen. Herauszugeben ist der durch einen Verstoß gegen § 3 oder § 7 UWG erzielte rechtswidrige Erlös, dessen Höhe gemäß § 287 ZPO zu schätzen sei.[45] Damit würden den teils unüberwindbaren Beweisschwierigkeiten Rechnung getragen.

Eine solche Ausgestaltung hätte den zusätzlichen Vorteil, dass die Verbraucherverbände, die wohl am ehesten auf der Grundlage von § 10 UWG tätig werden, auch bei umstrittenen Fallgestaltungen und schwieriger rechtlicher Bewertung genügend Ressourcen für kostspieligere Gerichtsverfahren hätten.[46] Weiter sollen flankierend weitere zivilprozessuale Maßnahmen eingeführt werden, etwa Musterfeststellungsklage und Gruppenklage. Kurzfristig könnte Abhilfe schon durch eine relativ kleine Änderung geschaffen werden, nämlich Zuführung des eingezogenen Unrechtsgewinns an die Verbände zur zweckgebundenen Verwendung, damit § 10 UWG an Effizienz gewinnen kann.[47]

Schließlich wird der bisherige Mißerfolg der Regelung auch zum Anlass genommen, die Diskussion über individuelle Ansprüche der Verbraucher im UWG wieder aufzunehmen, die schon seit den Siebzigerjahren immer wieder geführt wird.[48] Die gegen eine solche Klageberechtigung angeführten Gründe sind letztlich nicht stichhaltig.

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4. Fazit

Der Gewinnabschöpfungsanspruch betritt Neuland, scheint aber gerade bei kleinteiligen Streuschäden ein adäquates Mittel zur Herstellung von Parität und zur Überwindung des "rationalen Desinteresses" der betroffenen Verbraucher. Auch aufgrund der Verwässerung im Gesetzgebungsverfahren leidet er an einer Reihe von Konstruktionsfehlern. Die Rechtsprechung bemüht sich zunehmend, im Rahmen des Möglichen diese auszugleichen. Daher erscheint die vorherrschende grundsätzlich negative Bewertung des Anspruchs nicht gerechtfertigt. Allerdings sollte der Gesetzgeber im Lichte der praktischen Erfahrungen nachsteuern.[49] Diese betrifft vor allem drei Punkte: Entschärfung des Vorsatzerfordernisses, Beweiserleichterungen beim Gewinnnachweis, Verwendung der eingezogenen Gewinne für Verbraucherschutzorganisationen oder Verbraucherschutzzwecke.

Bedenken hinsichtlich eines Missbrauchs, etwa durch "Gewinnabschöpfungsvereine", kann man relativ schnell entkräften.[50] Hier kann man zunächst verweisen auf die besonderen Anforderungen an die anspruchsberechtigten Einrichtungen gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 UWG. Weiterhin ist eine missbräuchliche Geltendmachung nach § 8 Abs. 4 UWG unzulässig, was auch gegenüber einem Abschöpfungsanspruch Sperrwirkung entfaltet. Schließlich gelten auch die allgemeinen Grundsätze der §§ 226, 242 BGB. Darüber hinaus könnte man eine zweckgebundene Verwendung vorschreiben, die durch spezielle Kontrollrechte des Bundesamtes für Justiz abgesichert werden könnte. Zu diskutieren wäre dann, inwieweit eine Begrenzung auf Härtefälle erfolgen sollte, wie es mit dem Merkmal des Vorsatzes beabsichtigt war.[51] Da subjektive Elemente im UWG keine Rolle spielen, ist dieses Element zumindest systemfremd.

III. Resume

Das ohne Zweifel bestehende Marktversagen bei der Geltendmachung von Schäden im UWG und auch in anderen Bereichen kann durch kollektive Instrumente ausgeglichen werden. Die Sammelklage und der Gewinnabschöpfungsanspruch sind dabei zwei unterschiedliche Instrumente, deren grundsätzliche Eignung zur Herstellung eines Gleichgewichts der Kräfte anzuerkennen ist. Dabei können sich beide ergänzen, wobei der Gewinnabschöpfungsanspruch für Streuschäden mit geringem Schaden besonders geeignet ist, während der Sammelklage für größere, eher bezifferbare Schäden

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mit Breitenwirkung nützlich sein kann. Die existierenden Formen haben noch großes Verbesserungspotenzial, wie die dargestellten Reformüberlegungen deutlich machen.

Wegen der verschiedenen mit einer Class Action amerikanischen Stils verbundenen Probleme (Ermittlung der Schadenshöhe und individuellen Anteile, punitive damages)[52] mag ein Opt-in Prinzip bei der Gruppenklage sinnvoller sein,[53] wirft aber die bereits angesprochenen strategischen Probleme auf, die eher in Richtung auf ein Opt-Out-Prinzip weisen. Als "Unterfütterung" sollten auch für das deutsche UWG individuelle Ansprüche der Verbraucher auf Schadensersatz endlich anerkannt werden.[54] Der Gewinnabschöpfungsanspruch bedarf noch erleichterter Durchsetzungsmöglichkeiten sowie veränderter Anreize bei der Zuordnung abgeschöpfter Gewinne.

Insgesamt erscheinen effektiver und abgestuft ausgestaltete Gruppenklagen und Verbandsleistungsklagen[55] aber als notwendige Ergänzungen zu den bereits vorhandenen Instrumenten der kollektiven Unterlassungsklagen, da sie sowohl der Notwendigkeit einer Generalprävention als auch dem Gesichtspunkt der "Unrechtsgewinnabschöpfung" Rechnung tragen.[56] Die dadurch entstehende Bandbreite von "public" und "private enforcement" kann dazu dienen, die im Verbrauchergeschäft entstandenen Ungleichgewichte auszugleichen und die Funktion von Schadensersatzansprüchen in diesem Bereich wiederherzustellen. ■

ANMERKUNGEN

[1] Vgl. den Überblick bei B. Pirker-Hörmann, P. Kolba, Österreich: Von der Verbandsklage zur Sammelklage, in Internationales Symposium " Verbraucherpolitik: Kollektive Rechtsdurchsetzung - Chancen undRisken" AG 4 - Europäische Perspektiven zur Durchsetzung von Verbraucherrechten, https://verbraucherrecht.at/system/files/typo3/Kolba_Pirker_Bamberg.pdf (Last accessed: 31 December 2018).

[2] Vgl. den Überblick bei G. Huber, C. Grabmair, Sammelklagen auch in Österreich?, (2010) (2) PHi, 42. ff.; A. Klauser, Von der "Sammelklage nach österreichischem Recht" zur echten Gruppenklage, (2005) (10) ecolex, 744.; G. E. Kodek, Die "Sammelklage nach österreichischem Recht", (2004) (8) ÖBA, 615.; Pirker-Hörmann, Kolba, Österreich: Von der Verbandsklage zur Sammelklage, 5 ff.; W. H. Rechberger, Prozessrechtliche Aspekte von Kumul- und Großschäden, (2003) (1-2) VR, 15.

[3] Der VKI ist zwar privatrechtlich organisiert, Mitglieder sind aber die Sozialpartner sowie das Konsumentenschutzministerium, Verbandsklagen finden nur im Auftrag und auf Finanzierung durch das Ministerium bzw. von Arbeiterkammern statt; daher wird die Verbandsklage letztlich auch als staatliche Rechtsdurchsetzung bewertet, vgl. P. Kolba, U. Docekal, M. Nuncic, Sammelklagen in Österreich. Praktische Erfahrungen - Ökonomische Analyse - Meinungsumfrage, https://verbraucherrecht.at/system/files/typo3/VKI_Studie_Sammelklage.pdf (Last accessed: 31 December 2018) 15. f., 215.

[4] A. Klauser, "Sammelklage" und Prozessfinanzierung gegen Erfolgsbeteiligung auf dem Prüfstand, (2002) (11) ecolex, 805.

[5] Vgl. Huber, Grabmair, Sammelklagen auch in Österreich?, 42., 45.

[6] Vgl. a.a.O.

[7] R. Madl, Ausgewählte Rechtsfragen zur Rückforderung zuviel bezahlter Zinsen bei mangelnder Bestimmtheit einer Zinsanpassungsklausel, (2003) (10) ÖBA, 722.; a.A. U. Frauenberger-Pfeiler, Zur Zuständigkeit für Sammelklagen, (2009) (12) ecolex, 1041.

[8] OGH, 4 Ob 116/05 w, 12.7.2005. Vgl. auch S. Kalss, Massenverfahren im Kapitalmarktrecht, (2005) (5) ÖBA, 322.

[9] Beschluss vom 4.3.2005 zu 9 Nc 4/05w.

[10] EuGH 19.1.1993, C-89/91, Shearson Hutton/TVB und Rs C - 167/00 VKI/Henkel.

[11] Pirker-Hörmann, Kolba, Österreich: Von der Verbandsklage zur Sammelklage, 8 ff. Vgl. auch die Auswertung von 30 Fällen in Kolba, Docekal, Nuncic, Sammelklagen in Österreich, 8. ff.

[12] Kolba, Docekal, Nuncic, Sammelklagen in Österreich, 15. f.

[13] Vgl. dazu Nowak, Das Gruppenverfahren nach dem Ministerialentwurf der Zivilverfahrens-Novelle 2007, 2012.

[14] Vgl. Kloiber, Reiter, Haller, Ein Überblick über den Ministerialentwurf einer Zivilverfahrens-Novelle 2007, (2007) 334 (10) Zak, 183.; Huber, Grabmair, Sammelklagen auch in Österreich?, 42., 46. f.

[15] Kolba, Docekal, Nuncic, Sammelklagen in Österreich, 277. ff.

[16] Kolba, Docekal, Nuncic, Sammelklagen in Österreich, 17.

[17] C. Alexander, Nutzen und Zukunft der Gewinnabschöpfung in der Diskussion, (2012) WRP, 1190-1197. Vgl. auch BGH 1974 - Prüfzeichen.

[18] Zu deren Zulässigkeit im Rahmen der zivilrechtlichen Systematik vgl. von Braunmühl, in K.-H. Fezer, W. Büscher, E. I. Obergfell, UWG. Kommentar zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 3. Aufl. (Verlag C.H. Beck, München, 2016) § 10 Rn. 114. ff.

[19] H. Köhler, J. Bornkamm, UWG. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 34. Aufl. (Verlag C.H. Beck, München, 2016) § 10 Rn. 3.; Lettl, UWG, Rn 672., 283; a.A. aber R. Sack, Der Gewinnabschöpfungsanspruch von Verbänden in der geplanten UWG - Novelle, (2003) WRP, (549-558) 552.; S. Engels, T. H. Salomon, Vom Lauterkeitsrecht zum Verbraucherschutz: UWG-Reform 2003, (2004) WRP, (32-44) 42.; S. Wimmer-Leonhardt, UWG-Reform und Gewinnabschöpfungsanspruch oder "Die Wiederkehr der Drachen", (2004) (12) GRUR, 16. ff.

[20] Vgl. Köhler, Bornkamm, UWG, § 10 Rn. 5; Goldmann, in H. Harte-Bavendamm, F. HenningBodewig, UWG, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 4. Aufl. (C.H. Beck, München, 2016) § 10 Rn. 20.; F. Henning-Bodewig, Die Gewinnabschöpfung nach § 10 UWG - ein Flop?, (2015) 117 (8) GRUR, (731-739) 733.

[21] von Braunmühl, in Fezer, Büscher, Obergfell, UWG, § 10 Rn. 3.

[22] Vgl. OLG Frankfurt a. M., GRUR-RR 2010, 482 - heute gratis.

[23] Köhler, Bornkamm, UWG, § 10 Rn. 9 mit Verweis auf BGH GRUR 2008, 818 Rn. 135 - Strafbare Werbung im Versandhandel; A. Ohly, O. Sosnitza, UWG, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 7. Aufl. (C.H. Beck, München, 2016) § 10 Rn. 8 f.; G. Pokrant, Zum Verhältnis von Gewinnabschöpfung gemäß § 10 und Schadensersatz nach § 9 UWG, in H.-J. Ahrens, J. Bornkamm, H. P. Kunz-Hallstein (Hrsg.), Festschrift für Eike Ulimann, (juris GmbH, Saarbrücken, 2006, 813-824) 816.

[24] Goldmann, in Harte, Henning, UWG, § 10 Rn. 101; H. W. Micklitz, in MüKoUWG§ 10 Rn. 121. Im Falle einer Lieferkette kann der Anspruch aus § 10 UWG nur in Bezug auf das jeweilige Vertragsverhältnis (Hersteller/Händler; Händler/Verbraucher) geltend gemacht werden, vgl. BGH WRP 2008, 1071 Rn. 135.

[25] Vgl. O. Gärtner, Der Gewinnabschöpfungsanspruch gemäß § 10 UWG - Leitfaden für eine effektive Anwendung in der Praxis, (2008) GRUR Int, 817., 820. f.

[26] Vgl. OLG Stuttgart, (2007) GRUR, 435., 437.; Ohly, Sosnitza, UWG, § 10 Rn. 8 f.

[27] Vgl. OLG Frankfurt, (2009) GRUR-RR, 265., 267. Nach Begr RegE UWG 2004 zu § 10 Abs 1, BT-Drs 15/1487 S. 24 muss es sich um einen "größeren Personenkreis" handeln.

[28] BGH NJW 2002, 138., 139; Köhler, Bornkamm, UWG, § 10 Rn. 12; von Braunmühl, in Fezer, Büscher, Obergfell, UWG, § 10 Rn. 210.; Enger H. W. Micklitz, A. Stadler, Unrechtsgewinnabschöpfung, (Nomos, 2003), 2002, die diese Grenze bei 15-30 Personen ansetzen; Goldmann, in Harte, Henning, UWG, § 10 Rn. 99: 50 Personen als Regelfall.

[29] Vgl. Begr RegE UWG 2004 zu § 10 Abs 4, BT-Drs 15/1487 S 25.

[30] Vgl. von Braunmühl, in Fezer, Büscher, Obergfell, UWG, § 10 Rn. 158.

[31] OLG Frankfurt, (2009) GRUR-RR, 265. - Abo-Fallen.

[32] OLG Stuttgart, (2007) GRUR, 435. - Veralteter Matratzentest.

[33] OLG Frankfurt a. M., (2010) GRUR-RR, 482. - heute gratis.

[34] OLG Schleswig, Urt. v. 19.03.2015 - 2 U 6/14.

[35] OLG Schleswig, Urt. v. 19.03.2015 - 2 U 6/14, Rz. 107: "Wenn die Beklagte sich darauf beruft, dass sie die betroffene Klausel durch ihre Konzernrechtsabteilung habe prüfen lassen, spricht dies jedenfalls nicht gegen ihren Vorsatz, sondern eindeutig dafür. Dass die formularmäßige Erhebung einer zusätzlichen Gebühr für die Nichtinanspruchnahme einer Leistung gegen grundlegende zivilrechtliche Prinzipien verstößt, kann keinem Juristen entgangen sein." Vgl. auch OLG Schleswig, (2013) MMR, 579., wonach man bei einem Großunternehmen mit Milliardenumsatz davon auszugehen habe, dass die Rechtsabteilung die einschlägige Rechtsprechung beobachtet und für die eigenen Handlungsweisen auswertet.

[36] OLG Stuttgart, (2007) GRUR, 435. - Veralteter Matratzentest.

[37] LG München I, Urteil vom 17.9.2014 - 37 O 16359/13.

[38] Stellungnahme der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. zum Regierungsentwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. Mai 2003.

[39] Goldmann, in Harte, Henning, UWG, § 10 Rn. 5 ist § 10 UWG: praktisch "totes Recht".

[40] K.-H. Fezer, Zweckgebundene Verwendung von Unrechtserlösen und Kartellbußen zur Finanzierung der Verbraucherarbeit, abrufbar unter https://kops.uni-konstanz.de/bitstream/handle/123456789/23103/zweckgebundene%20Verwendung%20von%20unrechtserl%C3%B6sen.pdf?sequence=2 (Last accessed: 31 December 2018) 25., 30.

[41] Henning-Bodewig, Die Gewinnabschöpfung nach § 10 UWG - ein Flop?, 731.

[42] Danach müssen die Sanktionen "wirksam, verhältnismäßig und abschreckend" sein; vgl. dazu von Braunmühl, in Fezer, Büscher, Obergfell, UWG, § 10 Rn. 159 ff.

[43] Fezer, Zweckgebundene Verwendung..., 25., 30. Vgl. auch Alexander, Nutzen und Zukunft der Gewinnabschöpfung in der Diskussion, 1190.

[44] Gegen Verzicht auf Verschulden Alexander, Nutzen und Zukunft der Gewinnabschöpfung in der Diskussion, 1190.

[45] Vgl. auch A. van Raay, Gewinnabschöpfung als Präventionsinstrument im Lauterkeitsrecht, Diss., (KIT Scientific Publishing, 2012) abrufbar unter http://www.ksp.kit.edu/9783866448117 (Last accessed: 31 December 2018). Nach von Braunmühl, in Fezer, Büscher, Obergfell, UWG, § 10 Rn. 329, ist die Schätzung schon de lege lata möglich.

[46] Henning-Bodewig, Die Gewinnabschöpfung nach § 10 UWG - ein Flop?, 731.

[47] A.a.O.

[48] Henning-Bodewig, Die Gewinnabschöpfung nach § 10 UWG - ein Flop?, 731.; R. Sack, BB 2003, 1073, 1080 f.

[49] Vgl. auch Bundesrat, Stellungnahme zum RegE UWG-Reform 2015, BR-Drs. 26/15, S. 4

[50] Vgl. zum Folgenden Alexander, Nutzen und Zukunft der Gewinnabschöpfung in der Diskussion, 1190. ff. Vgl. auch von Braunmühl, in Fezer, Büscher, Obergfell, UWG, § 10 Rn. 110. Kritisch zu Kollektivklagen Stellungnahme der GRUR, (2010) GRUR, 120 f.

[51] Vgl. von Braunmühl, in Fezer, Büscher, Obergfell, UWG, § 10 Rn. 170.

[52] Vgl. von Braunmühl, in Fezer, Büscher, Obergfell, UWG, § 10 Rn. 46.

[53] Vgl. auch Empfehlung der Kommission v. 11.6.2013, ABl. L 201 v. 26.7.2013, 60 ("Gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren bei Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten").

[54] Dazu Henning-Bodewig, Die Gewinnabschöpfung nach § 10 UWG - ein Flop?, 731-739.

[55] Vgl., wo eine Untergrenze von € 500 für Gruppenklagen diskutiert aber letztlich abgelehnt wird, da sich der Markt hier selbst reguliere.

[56] Vgl. bereits die Gutachten von A. Stadler, Bündelung von Verbraucherinteressen im Zivilprozess, in T. Brönneke (Hrsg.), Kollektiver Rechtschutz im Zivilprozess, (Nomos, 2001) 1, 3 ff.; dies., Verbandsklagen auf Schadensersatz bzw. Gewinnabschöpfung, Gutachten im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv), 2002, S. 4 ff.; sowie Micklitz, Stadler, Unrechtsgewinnabschöpfung, 25. ff.

Lábjegyzetek:

[1] The Author is Prof. Dr., LL.M. (Virginia), Chair for Civil Law, Intellectual Property Law, Media and Information Law, University of Göttingen, Germany.

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