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Lénárd Darázs[1]: Mehr Wettbewerb mit privatrechtlichen Mitteln Zur Öffnung des Privatrechts für ordnungspolitische Gedanken (Annales, 2009., 211-234. o.)

I. Einführung

Die durch die fortschreitende Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise verursachten wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen in den meisten Ländern zwangsläufig dazu, dass sich die Grundsätze und Strukturmechanismen eines demokratisch und marktwirtschaftlich organisierten Gesellschafts- und Wirtschaftssystems wieder vor Augen gehalten werden müssen. Die Suche nach diesen fundamentalen Werten scheint jedoch nicht einfach zu sein, da die modernen Staaten in der Regel mehreren gleichberechtigten Ordnungsprinzipien folgen, zwischen denen ein Prioritätsverhältnis nur schwer konzipiert werden kann. Indes kann festgehalten werden, dass die positive gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung in Europa seit den 1950-er Jahren vom Gedanken des Ordoliberalismus wesentlich geprägt war. Deshalb scheint es berechtigt, zu dessen Kern zurückzukehren und die vom Ordoliberalismus ausgearbeiteten Mechanismen neu zu überdenken und sogar wiederzubeleben. Diese Abhandlung[1] knüpft an diese wieder entstandene Diskussion über die Grundsätze und wirtschaftlichen Grundwerte des Kapitalismus, die gerade wegen der globalen Wirtschaftsprobleme bereits lange andauert, an.[2]

Die Gedanken des Ordoliberalismus haben einen bedeutenden Beitrag zur Entstehung und Ausarbeitung der ordnungspolitischen Grundprinzipien einer freien marktwirtschaftlichen Wirtschafts- und Rechtsordnung geleistet, wobei

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die menschliche und wirtschaftliche Freiheit sowie der Wettbewerb ganz im Mittelpunkt der Betrachtungsweise stehen. Diese grundsätzlich ökonomischen Theorien sind vor allem von Walter Eucken, durch die Freiburger Schule und deren Anhänger verbreitet worden.[3] Sie haben die ökonomischen und juristischen Grundlagen einer wettbewerbsorientierten Marktwirtschaft nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Staaten sowie die marktwirtschaftlichen Grundlagen der Europäischen Gemeinschaft wesentlich geprägt bzw. beeinflusst.

Die erneute Aktualität des Ordoliberalismus und die notwendigen Überlegungen der praktizierten "Ordnungspolitik in der sozialen Marktwirtschaft" sind aufgrund der wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Entwicklungen in letzter Zeit mindestens anhand von vier Gebieten festzumachen. Erstens bilden die Ausgestaltung steuerrechtlicher Regelungen und somit der Wettbewerb zwischen Gebietskörperschaften (bzw. Staaten) zweifellos einen aktuellen Bereich der ordnungspolitischen Überlegungen unserer Zeit.[4] Wegen der verbreiteten Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise steht leider zweitens die Notwendigkeit der Bewahrung des Wettbewerbs gegenüber wettbewerbsverzerrenden Maßnahmen einzelner Staaten und fragwürdigen Antikapitalismusgedanken im Brennpunkt der derzeitigen ordnungspolitischen Betrachtungen.[5] Drittens kommt die Frage nach den erlaubten und wünschenswerten Grenzen der staatlichen Interventionen (Staatsbeteiligungen an Unternehmen, Enteignungen, Regulierung) zum Zwecke der erhofften "Rettung" der Wirtschaftsbeziehungen und der Wirtschaft in Betracht.[6] Viertens darf man aber nicht vergessen, dass es derzeit auch eine mögliche wettbewerbsfördernde Entwicklung gibt, die eben eine erhebliche ordnungspolitische Relevanz hat. Es geht um die geplante stärkere Einbeziehung des Privatrechts in die Verfolgung der Wettbewerbsbeschränkungen,[7] die nicht nur eine intensivere privatrechtliche Durchsetzung der kartellrechtlichen Verbotsnormen mit sich bringt, sondern wahrscheinlich zu einer Neudefinition des Verhältnisses zwischen Privat- und Wettbewerbsrecht

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führt. Die breitere Anwendung privatrechtlicher Sanktionen gegen Wettbewerbsbeschränkungen kann den Wettbewerb einerseits sicherlich unterstützen, führt aber andererseits zwangsläufig zu einer Öffnung des Privatrechts für ordnungspolitische Gedanken. Diese Entwicklung bedeutet gleichzeitig sehr unterschiedliche und ganz neue Herausforderungen vor allem für die national und sehr traditionell geprägten Privatrechte. Aus diesen Überlegungen entstand die Themenwahl der vorliegenden Abhandlung: "Mehr Wettbewerb mit privatrechtlichen Mitteln? Zur Öffnung des Privatrechts für ordnungspolitische Gedanken".

In der vorliegenden Arbeit soll also der Frage nachgegangen werden, ob das Privatrecht bei der Verfolgung von Wettbewerbsbeschränkungen eine Rolle spielen und dadurch mehr Wettbewerb entstehen kann. Hierbei sollen drei Themenkreise geprüft werden. Zuerst empfiehlt es sich, einige grundlegende Bemerkungen zu System und Verhältnis zwischen Privat- und Wettbewerbsrecht zu formulieren (Ziffer II). Diese Untersuchung dient dem Zweck, die mögliche Rolle des Privatrechts bei der inhaltlichen Ausgestaltung von wettbewerbsrechtlichen Tatbeständen zu beschreiben. Anschließend wird die neuere Entwicklung dargestellt, die zum Ergebnis führen soll, dem Privatrecht eine bedeutendere Rolle beim Wettbewerbsschutz beizumessen (Ziffer III). Es geht dabei um die "Entdeckung" des Privatrechts als Sanktionsarsenal gegenüber Wettbewerbsverstößen. Schließlich werden einige Herausforderungen als Beispiele kurz hervorgehoben, mit denen sich das Privatrecht im Bereich der Nichtigkeitssanktion konfrontiert sieht, falls dem privatrechtlichen Sanktionsarsenal in der Verfolgung der Wettbewerbsbeschränkungen tatsächlich die geplante größere Bedeutung zukäme (Ziffer IV).

II. Grundlegende allgemeine Bemerkungen zum Verhältnis zwischen Wettbewerbs- und Privatrecht

1. Institutionsschutz und öffentlich-rechtlicher Charakter des Kartellrechts

Wenn man derzeit die konkreten Regelungen und Systemzusammenhänge des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen betrachtet, lassen sich die folgenden charakteristischen Eigenschaften ganz allgemein festhalten. Der Schutz des Wettbewerbs bildet den Kern der Wirtschaftsverfassung der einzelnen Staaten, wie auch der EU, und scheint eine komplexe Staatsaufgabe zu sein.[8] Die kar-

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teilrechtlichen Regelungen dienen vor allem dem Schutz des Wettbewerbs als einer Institution, wobei nur die wettbewerbsverzerrende Wirkung des Marktverhaltens eine Relevanz besitzt. Weder die individuellen Nachteile bei einem Marktteilnehmer noch die privatrechtlichen Eigenschaften der Unternehmenstätigkeit (wie Verschulden usw.) spielen eine Rolle. Aus dem Staatsaufgabencharakter des Wettbewerbsschutzes folgt, dass die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen überwiegend öffentlich-rechtlich durchgeführt wird. Es wurden Kartellbehörden als Verwaltungsorgane errichtet, die Verwaltungsverfahren durchführen und öffentlich-rechtliche Sanktionen gegen Wettbewerbsbeschränkungen verhängen. Die kartellrechtlichen Regelungen sind also in den modernen Rechtsordnungen überwiegend öffentlich-rechtlich geprägt, und der Wettbewerbsschutz ist nicht als Individuumsschutz, sondern als Institutionsschutz konzipiert.

2. Kurzer geschichtlicher und theoretischer Rückblick

Der eben geschilderte, scheinbar ausschließlich öffentlich-rechtliche Charakter des Wettbewerbsschutzes kann jedoch weder historisch noch theoretisch belegt werden. Diese Betrachtungsweise unterstützt eher die enge Verbundenheit von Privat- und Wirtschaftsrecht. Es dürfen nämlich die folgenden Tatsachen nicht verschwiegen werden.

Solange das Handeln im Wettbewerb und seine Wirkung gesetzlich nicht geregelt waren, wurden grundlegende Konflikte zuerst von der Rechtsprechung auf der Grundlage der privatrechtlichen Generalklauseln entschieden. Da der Wettbewerbsschutz anfangs sehr eng mit der privatrechtlichen Handlungs- und Vertragsfreiheit verbunden war, besitzt er im Allgemeinen eine starke Anbindung ans Privatrecht. Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen sind deshalb - geschichtlich betrachtet - anhand des Schutzzwecks der Wettbewerbsfreiheit für Wettbewerbsverhältnisse auf der Ebene des Privatrechts entwickelt worden.[9]

Wenn man die im Wesentlichen von Walter Eucken ausgearbeiteten und durch die Freiburger Schule weiterentwickelten ordnungspolitischen, theoretischen Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft betrachtet,[10] kommt man zu einem

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ähnlichen Ergebnis. Das Privatrecht und der Wettbewerbsschutz erschienen als gleichberechtigte Ordnungselemente einer marktwirtschaftlichen Ordnung, die gegenseitige Wirkungen hatten.[11] Der Wettbewerbsschutz diente ebenso den individuellen Interessen Privater wie den Allgemeininteressen der Wirtschaftsordnung. Es wurde in den theoretischen Grundlagenarbeiten des Ordoliberalismus deshalb mehrfach eindeutig festgelegt und betont, dass Wettbewerbspolitik Interessenkonflikte zwischen Privaten ebenso zum Gegenstand hat.

Die Institutionalisierung des Wettbewerbs als einer Institution des Privat- und Wirtschaftsrechts im Rahmen einer marktwirtschaftlichen Ordnung ist eine späte Rechtsentwicklung. Sie hängt mit der verfassungsrechtlichen Verankerung der Gewerbefreiheit zusammen, woraus ein Vorrang der Konkurrenzfreiheit vor dem Grundsatz der Vertragsfreiheit[12] und vor der allgemeinen zivilrechtlichen Handlungsfreiheit folgt.[13] Damit wurde aber die wechselseitige Bedingtheit des Privat- und Wettbewerbsrechts offensichtlich nicht beseitigt.

Die behördliche Zuständigkeit (public enforcement) für die Anwendung des Wettbewerbsrechts widerspricht der engen Verbundenheit von Privat- und Wettbewerbsrecht nicht. Ein gutes Beispiel dafür ist das deutsche Recht. Public enforcement als Ersatz und Ergänzung eines an das Privatrecht anknüpfenden Rechtssystems lagen dem deutschen GWB von Anfang an zugrunde. Da auch behördlich angewendetes Wettbewerbsrecht privatrechtliche Wettbewerbsverhältnisse zum Gegenstand hat, wird die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen des Bundeskartellamts (anders als z. B. in Ungarn)[14] von den Zivilgerichten, und nicht von den Verwaltungsgerichten überprüft. Deswegen bedarf es ferner keiner neuen Entwicklungen im deutschen Recht, um kartellrechtliche Streitigkeiten zu "privatisieren".[15] Seit Inkrafttreten des GWB sind die private Schadensersatz- und Unterlassungsklage sowie die Nichtigkeitssanktion im Zusammenhang mit einer Schutzgesetzesverletzung begründet.

Aufgrund dieser theoretischen und allgemeinen Bemerkungen kann festgehalten werden, dass es zwischen Privat- und Wettbewerbsrecht eine enge historische und dogmatische Verbundenheit gibt. Jetzt fragt sich aber, was diese

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dogmatische Verbindung tatsächlich und inhaltlich bedeutet. Es geht um die Frage, ob zwischen beiden Rechtsgebieten ein solches Verhältnis besteht, das sich auf die inhaltliche Beurteilung eines Unternehmensverhaltens auswirkt. Zur Klärung dieser Frage werden im Weiteren als Bezugspunkte immer zwei abstrakte Tatbestände vor Augen gehalten: ein hypothetischer Kartelltatbestand und ein Missbrauchsfall marktbeherrschender Stellung in einem Vertragsverhältnis.

3. Scheinbare Überlappungen

Wenn man die praktische Erscheinung der Sachverhalte oder die allgemeinen Zielsetzungen des Wettbewerbs- und Privatrechts betrachtet, kann eine scheinbare Überlappung zwischen beiden Rechtsgebieten beobachtet werden.

3.1. Gleichheit der Sachverhalte in der Praxis

Es ist unumstritten, dass ein privatrechtlicher Vertrag und eine kartellrechtliche Vereinbarung, oder eine privatrechtlich missbräuchliche Vertragsklausel und ein Missbrauch marktbeherrschender Stellung im Vertragsverhältnis in der gleichen Vertragsbeziehung, im gleichen Sachverhalt vorliegen können. Das marktbeherrschende Unternehmen verwendet die gleiche Vertragsklausel (als Allgemeine Geschäftsbedingung, oder vorformulierter Vertragsbestandteil), so dass dadurch sogar gleichzeitig (im gleichen Tatbestand) die sowohl privatrechtlichen als auch kartellrechtlichen gesetzlichen Regelbeispiele des Missbrauchs verwirklicht werden können. Diese praktische Überlappung kommt auch in Verbraucherverträgen vor, viel häufiger aber kann sie in den mit Nicht-Verbrauchern zu Stande gekommenen Vertragsbeziehungen des marktbeherrschenden Unternehmens (z.B. in Vertriebsbindungen) beobachtet werden. Ebenso kann eine kartellrechtlich verbotene Vereinbarung eines Vertrages gleichzeitig Gegenstand eines privatrechtlichen Rechtsinstituts (z.B. Nichtigkeit wegen Gesetzesverletzung oder Verstoß gegen Treu und Glauben) werden.

Die Feststellung der häufigen praktischen Gleichheit der Sachverhalte gehört aber eher der Fragestellung und nicht der Antwort an. Die Frage nach dem Inhalt und Unterschied des wettbewerbsrechtlichen und privatrechtlichen Missbrauchs oder der Vereinbarungen ergibt sich überwiegend aus der praktischen Überlappung der Sachverhalte. Im Ergebnis kann deshalb festgehalten werden, dass uns der bloße praktische Zusammenfall der Missbrauchs- bzw. Vereinbarungsfälle beider Rechtsgebiete keinen weiterführenden Hinweis zum Inhalt der Missbrauchsbegriffe oder der Vereinbarungsbegriffe liefert.

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3.2. Gleichheit in der allgemeinen theoretischen Zielsetzung beider Rechtsgebiete

Ähnliche scheinbare Überlappungen sind auch bezüglich der allgemeinen theoretischen Zielsetzung beider Rechtsgebiete auszumachen. Zweifellos bestehen nämlich Überschneidungen zwischen den ganz allgemeinen theoretischen Zielsetzungen des Privat- und Wirtschaftsrechts, und dadurch zwischen ihren Rechtsinstituten.

Bereits seit langem ist anerkannt, dass sich das Privatrecht nicht nur an einem, sondern an (mindestens) zwei Systemgedanken orientiert: an dem Ausbau und dem Schutz des Wirkungsbereichs der einzelnen Person durch die Zuteilung subjektiver Rechte (z.B. Vertragsfreiheit) einerseits und an der Entfaltung und Sicherung der sich durch gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben ziehenden Rechtsinstitute kraft objektiven Rechts andererseits.[16] In diesem Sinne dient das Privatrecht ebenso der Sicherung der auf dem Markt bestehenden Wettbewerbsbeziehungen. Diese allgemeine theoretische Wirkung auf das andere Rechtsgebiet ist seitens des Kartellrechts ebenso zu beobachten. Durch die Sicherung des zentralen Instituts einer marktwirtschaftlichen Ordnung (des Wettbewerbs) schützen die Wettbewerbsregeln mittelbar auch die wirtschaftsbezogenen Privatverhältnisse der Privatrechtssubjekte.[17] Auf der Ebene eines konkreten Rechtsinstituts erscheint diese ganz allgemeine theoretische Überschneidung ganz einfach z. B. dadurch, dass einerseits die privatrechtlichen Schutzvorschriften gegen missbräuchliche Vertragsklauseln oder gegen wegen Gesetzesverletzung nichtige Vereinbarungen über die Privatautonomie (Vertragsfreiheit) hinaus mittelbar auch den wirtschaftlichen Wettbewerb gewährleisten, während andererseits das kartellrechtliche Missbrauchsverbot marktbeherrschender Stellung oder das Kartellverbot mittelbar auch der Sicherung der Individualrechte der Vertragspartei und dadurch der Privatrechtsordnung dient. Diese allgemeinen theoretischen Zielüberschneidungen zwischen Privat- und Wettbewerbsrecht wirken sich auch auf den Verbraucherschutz, oder genauer formuliert, auf Schnittbereiche des Verbraucherschutzes des Privat- und Wettbewerbsrechts aus. Hierzu zählt z.B. die Frage der missbräuchlichen Klauseln marktbeherrschender Unternehmen in Verbraucherverträgen, wobei die erwähnte Zielwechselwirkung zwischen Privat- und Wettbewerbsrecht nur wie-

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derholt werden kann.[18] Die privatrechtliche Sicherung der Vertragsfreiheit durch das privatrechtliche Verbot missbräuchlicher Klauseln der Verbraucherverträge trägt zur "wirtschaftlichen Selbstbestimmung des Verbrauchers" und dadurch zum Schutz der Wettbewerbsordnung bei, weil missbräuchliche Klauseln der Verbraucherverträge als ein gleichzeitiges Versagen der Privatautonomie und der Wettbewerbsfreiheit zu wirken geeignet sind.[19] Umgekehrte Schutzwirkungen seitens des Kartellrechts lassen sich ebenso feststellen, da die Wettbewerbsregeln auch mittelbar den "Verbraucher" in zunehmendem Umfang zu schützen beabsichtigen,[20] so dass dadurch der Verbraucher nicht nur als Marktteilnehmer, sondern im Ergebnis auch als Subjekt eines Verbrauchervertragsverhältnisses gesichert wird.

4. Scharfe Trennung und Unterschiede zwischen den rechtlichen Inhalten und Beurteilungskriterien

4.1. Fragestellung

Aufgrund der erwähnten praktischen und zielgebundenen Überlappungen zwischen Privat- und Kartellrecht ergibt sich die folgende spannende Kernfrage: Was bedeuten die angesprochenen Überlappungen für den konkreten rechtlichen Inhalt und die Beurteilungskriterien eines Rechtsinstitutes? Können die kartellrechtlichen und privatrechtlichen Vereinbarungs- oder Missbrauchsbegriffe gemeinsam definiert und einheitlich verwendet werden, oder unterliegen sie doch unterschiedlichen Kriterien?

4.2. These: scharfe Trennung

Die These der vorliegenden Arbeit kann in dieser Frage wie folgt festgehalten werden: Bei der Festlegung der konkreten inhaltlichen rechtlichen Beurteilungskriterien der Missbrauchsbegriffe des Privat- und Wettbewerbsrechts ist weder aus der praktischen Überlappung des Sachverhaltes noch aus den Überschneidungen der allgemeinen dogmatischen Zielsetzungen beider Rechtsgebiete auszugehen.

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Die erörterten theoretischen Zielüberlappungen wirken sich auf den tatsächlichen rechtlichen Inhalt der Rechtsinstitute des jeweiligen Rechtsgebietes nicht aus, insoweit sind sie nur als scheinbare Überschneidung bei der inhaltlichen rechtlichen Beurteilung der missbräuchlichen Klauseln marktbeherrschender Unternehmen oder der Kartellvereinbarungen zu betrachten. Diese Gestaltungsprinzipien des Privat- und Wettbewerbsrechts ergänzen sich notwendig im Aufbau des gegebenen Rechtsgebietes, ja sie dringen vielfach in die Ordnung ein und desselben Lebensverhältnisses derart, dass sie wie nur verschiedene Aspekte dieser Ordnung erscheinen.[21] Diese dogmatischen allgemeinen Zielüberschneidungen fallen aber auf der Ebene des konkreten Sachverhaltes nicht (unbedingt und automatisch) zusammen, sondern lassen sich in ihren rechtlichen Konsequenzen unterscheiden. Daraus folgt, dass die allgemeinen dogmatischen Zielüberlappungen keine abschließende Antwort auf den rechtlichen Inhalt und die Feststellungskriterien der Kartellvereinbarungen oder der missbräuchlichen Klausel marktbeherrschender Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Privat- und Wettbewerbsrecht leisten können.

Für die inhaltlichen rechtlichen Beurteilungskriterien der Vereinbarungs- bzw. Missbrauchsbegriffe des Privat- und Wettbewerbsrechts in einem konkreten Tatbestand lassen sich eine scharfe und notwendige Trennung zwischen beiden Vereinbarungs- und Missbrauchsbegriffen feststellen. Trotz der Tatsache, dass sowohl die wettbewerbsrechtlichen als auch die privatrechtlichen Regelungen und Verbote "Vereinbarung" bzw. "missbräuchliche Klauseln" erwähnen, muss man zwischen diesen Begriffen einen deutlichen Unterschied machen. Nach der These dieser Arbeit existiert zwischen den zwei "Vereinbarungsbegriffen" bzw. "Missbrauchsbegriffen" keinerlei signifikante inhaltliche Überdeckung, der eine ist nicht durch den anderen zu erklären, die eine Feststellbarkeit ist von keinerlei Wirkung auf die entsprechende Feststellbarkeit von "Vereinbarung" bzw. "Missbrauch" in dem anderen Rechtsbereich. Der "Vereinbarungsbegriff" und der "Missbrauchsbegriff" des Privatrechts und des Wettbewerbsrechts folgen in einem konkreten Tatbestand überwiegend der inneren Werteordnung und dem Regelungszweck des gegebenen Rechtsbereiches, in dem die Gesichtspunkte des anderen Rechtsbereiches nur eine ganz untergeordnete und sekundäre Rolle spielen dürfen.

Die These der notwendigen und eindeutigen Trennung der Vereinbarungsbzw. Missbrauchsbegriffe voneinander kann mindestens mit zwei Argumentationskomplexen begründet werden: Erstens durch die begrifflichen Unterschiede und zweitens durch die unterschiedlichen inhaltlichen Anhaltspunkte.

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4.3. "Begriffliche" Unterschiede

Die inhaltliche Trennung der kartellrechtlichen von privatrechtlichen Rechtsinstituten kann bereits mit der eigenen Begriffsbildung des gegebenen Rechtsgebietes bewiesen werden. Diese, übrigens charakteristischen Begriffe sind nämlich für den anderen Rechtsbereich völlig unbekannt und sehr schwierig handhabbar. Diese Feststellung kann auch mit einfachen Beispielen untermauert werden.

Mit den meisten Kartellerscheinungsformen kann das Privatrecht gar nichts oder nur kaum etwas anfangen. Das "abgestimmte Verhalten" als bloßes wirtschaftliches Faktum[22] ist für das Privatrecht völlig irrelevant.[23] Die privatrechtliche Beurteilung der "Entscheidung von Unternehmensvereinigungen" richtet sich nach dem Organisationsrecht der gegebenen Unternehmensvereinigung. Die Entscheidung kann aber privatrechtlich nicht als Vereinbarung eingestuft werden, während sie im Kartellrecht als Vereinbarung gilt. Ebenso sind die Freistellungsmechanismen[24] und die ständig wechselnde Wirkung des Kartellverbots für das Privatrecht schwer handhabbar, womit das Privatrecht im Bereich der Nichtigkeitssanktion der Kartelle kaum etwas anfangen kann. Ein weiteres Beispiel ist das Missbrauchsverbot! Das Kartellrecht betrachtet den Missbrauch marktbeherrschender Stellung als unternehmerisches "Verhalten", während im Privatrecht der Begriff "Verhalten" ebenso irrelevant ist, wie für das kartellrechtliche Missbrauchsverbot die Eigenschaften eines Vertrages.

4.4. Unterschiedliche inhaltliche Anhaltspunkte

Die Trennung der privatrechtlichen und kartellrechtlichen Rechtsinstitute voneinander kann auch nach einigen ausgewählten Abgrenzungsmerkmalen von Kartell- bzw. Privatrechtsinstituten und den unterschiedlichen inhaltlichen Anhaltspunkten betrachtet werden.

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Auf Grund der Privatrechtsvorschriften kann eine konkrete Vertragsklausel in einem konkreten Vertragsverhältnis nur dann als missbräuchlich angesehen werden, wenn die aus dem Vertrag hervorgehenden Rechte und Pflichten einseitig und unbegründet einen vertraglichen Nachteil der sich mit dem Anwender der Vertragsbedingung vertraglich bindenden Partei begründen. Bei der Feststellung des privatrechtlich missbräuchlichen Charakters der Bedingung müssen alle bei Vertragsabschluss vorliegenden Umstände untersucht werden, die zum Abschluss des Vertrages führten, weiterhin das Wesen der vereinbarten Leistung, die Verbindung der betreffenden Bedingung mit den anderen Bedingungen des Vertrages oder mit anderen Verträgen.[25] Diese Konkretisierungsgesichtspunkte sind stets von dem inneren Zusammenhangssystem des privatrechtlichen Rechtsverhältnisses abzuleiten. Die missbräuchliche Klausel muss sich immer auf irgendein privatrechtliches Rechtsverhältnis beziehen, der Missbrauch wird im Interesse des Schutzes der Privatautonomie der Vertragspartei verboten. In diesem Sinne sichert das Verbot des Missbrauchs im Privatrecht im konkreten Tatbestand immer den individuellen Schutz irgendeiner konkreten Person. Diese Feststellung widerspricht der Möglichkeit der Verbandsklage keineswegs, weil diese technische Durchsetzung der privatrechtlichen Verbotsnormen immer noch zur Sicherung von Verbraucherinteressen, nicht von öffentlichen Interessen erfolgt. In der Beurteilung des privatrechtlichen Missbrauchs in einem konkreten Tatbestand spielen die außerhalb des Rechtsverhältnisses liegenden, von der Vertragsbeziehung unabhängigen Gesichtspunkte (z.B. der Schutz öffentlicher Interessen) gar keine oder nur eine rudimentäre[26] Rolle. Der zivilrechtliche Schutz gegen missbräuchliche Klauseln kann nur der Schutz des Individuums sein. Diese Überlegungen sind auch auf die Verträge oder die Rechtsgeschäfte übertragbar. Der Vertrag bedeutet privatrechtlich eine Vereinbarung in allen wesentlichen Umständen des Rechtsverhältnisses, wovon gegenseitige Rechte und Pflichten zwischen den Parteien abgeleitet werden können.

Dem Privatrecht gegenüber siedelt sich das wettbewerbsrechtliche Verbot der missbräuchlichen Vertragsklauseln oder das Verbot einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung auf einer anderen Grundlage an.

Das grundlegende und charakteristische Ziel der wettbewerbsrechtlichen Regelung ist im Bereich des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen der Schutz der öffentlichen Interessen. Die Verbotsregelungen des Rechts gegen

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Wettbewerbsbeschränkungen sind nicht anwendbar, wenn das öffentliche Interesse durch die Verzerrungen des institutionalisierten Wettbewerbs nicht verletzt wurde. Das Wettbewerbsrecht untersucht demzufolge nur die spürbare[27] Wirkung des gegebenen Verhaltens auf den Markt, in unserem Fall die Wirkung einer horizontalen oder vertikalen Vereinbarung, oder der Vertragsklausel des marktbeherrschenden Unternehmens auf den Markt. Diese ist ausschließlich dann von Relevanz, wenn die Vereinbarung bzw. die Vertragsklausel zur Verzerrung des Wettbewerbs geeignet ist. Wenn eine Vertragsklausel keine spürbare wettbewerbsverzerrende Wirkung hat (oder haben kann), dann ist das Kartell bzw. der Missbrauch gemäß der wettbewerbsrechtlichen Regelung in dem konkreten Tatbestand nicht gegeben. So werden die Vertragsklauseln dadurch wettbewerbsrechtlich relevant, wenn sie zur Verzerrung des institutionalisierten Wettbewerbs geeignet sind. Die Kartelleigenschaft oder der wettbewerbsrechtliche Missbrauch einer Vertragsklausel begründet demnach die wettbewerbsverzerrende Wirkung, nicht die individuelle Verletzung der Vertragsposition der anderen Vertragspartei.

Bezüglich des Missbrauchsverbots kann diese dargestellte Trennung noch plastischer formuliert werden. Die Tatsache, dass eine Vertragsklausel privatrechtlich missbräuchlich und deshalb ungültig ist, bedeutet nicht automatisch, dass sie auch wettbewerbsrechtlich als Missbrauch anzusehen ist.[28] Theoretisch ist das auch umgekehrt richtig, obwohl der umgekehrte Fall in der Praxis offenbar nur schwer vorstellbar ist. Das heißt, wenn eine Vertragsklausel wettbewerbsrechtlich als Missbrauch anzusehen ist, bedeutet das noch nicht automatisch auch deren zivilrechtliche Klassifizierung als Missbrauch. Die Feststellbarkeit des Missbrauchs marktbeherrschender Stellung ist aus den Schutzzwecken bzw. Schutzrichtungen der wettbewerbsrechtlichen Vorschrift der gegebenen Rechtsordnung zu verdeutlichen.[29] Durch die Schutzvorschriften des Missbrauchsverbots sollen erstens die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der Angehörigen der vor- und nachgelagerten Wirtschaftsstufen, zweitens die tatsächlichen Angehörigen der gleichen Wirtschaftsstufe (bestehende und potentielle Wettbewerber), drittens Akteure auf Drittmärkten geschützt werden. Dabei spielen separate individuelle Privatinteressen, also privatrechtliche Kriterien, wenn überhaupt, nur eine ganz rudimentäre und uncharakteristische Rolle.

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5. Zwischenergebnis

Nach den bisherigen Erörterungen lässt sich ein Zwischenergebnis für die weitere Untersuchung wie folgt feststellen: Obwohl zwischen Privatrecht und Wettbewerbsrecht eine geschichtliche und dogmatische Verbindung besteht, kann dies auf die konkreten Rechtsinstitute nicht ohne weiteres übertragen werden. Die auf der Ebene der praktischen Tatbestände und in den Zielsetzungen bestehenden Überlappungen können nur als scheinbare Überschneidungen betrachtet werden. Die konkreten inhaltlichen Beurteilungskriterien der einzelnen Rechtsinstitute richten sich nach den eigenen und inneren Kriterien des gegebenen Rechtsgebietes, wobei das andere Rechtsgebiet keinerlei Anhaltspunkte leisten kann. Insoweit besteht zwischen Privatrecht und Wettbewerbsrecht keine inhaltliche Gemeinsamkeit bei der Beurteilung der einzelnen Rechtsinstitute.

III. Wettbewerbsbezogene Sanktionsaufgabe des Privatrechts

1. Themenstellung

Zwischen Privat- und Kartellrecht gibt es einen wohl bekannten und breiten Berührungspunkt, nämlich die Sanktionierung der Wettbewerbsverstöße. Die zuvor dargestellten inhaltlichen Unterschiede der einzelnen Rechtsinstitute von Privat- und Kartellrecht bedeuten freilich nicht, dass sich das Privatrecht in den Wettbewerbsschutz gar nicht einschaltet. Bisher ging es in dieser Untersuchung auch darum, dass sich die inhaltliche Beurteilung der einzelnen Rechtsinstitute nach der inneren Werteordnung des gegebenen Rechtsgebietes richtet. Dies schließt aber nicht aus, dass das Privatrecht mit seinen eigenen Mitteln am Wettbewerbsschutz teilnimmt, und bei gleichzeitigem Verstoß eines Marktverhaltens gegen die Privatinteressen konkreter Marktteilnehmer und gegen die Allgemeininteressen sein eigenes Sanktionsarsenal zur Verfügung stellt. Dies folgt zwangsläufig sowohl aus der früher erwähnten geschichtlichen und theoretischen Verbundenheit, sowie aus den allgemeinen Zielüberlappungen des Wettbewerbs- und Privatrechts. Das Privatrecht gestaltet und beeinflusst also inhaltlich die kartellrechtlichen Rechtsinstitute (z.B. das Kartell- oder Missbrauchsverbot) gar nicht, sondern es erfüllt eine bestimmte Sanktionsaufgabe[30] im Laufe des Wettbewerbsschutzes.

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2. Unterschiedliche Annäherungsmethoden

Zur eindeutigen Klärung der tatsächlichen Natur und Bedeutung der privatrechtlichen Sanktionierung der Wettbewerbsbeschränkungen ist die angesprochene Sanktionsaufgabe des Privatrechts aus den Aspekten beider Rechtsgebiete zu definieren. Hier ergeben sich nämlich wiederum erhebliche Annäherungsunterschiede.

2.1. Privatrecht - Schutz des Individuums

Dieses Problem ist zunächst aus der Sicht des Privatrechts zu prüfen. Für das Privatrecht bedeutet die Sanktionierung der Wettbewerbsbeschränkungen nichts anderes als die Anwendung des allgemeinen privatrechtlichen Arsenals auf solche Fälle, in denen die privatrechtlich geschützten subjektiven Interessen konkreter Personen verletzt werden. Das Privatrecht schaltet sich also deswegen ein, weil seine eigenen Werte und Schutzgüter verletzt werden. Diese Sanktionen werden also im Rahmen der allgemeinen Rechtsanwendung gegen Verstöße subjektiver Rechte angewendet, wobei die Sanktionen sowie deren konkreter Inhalt und Funktionen unverändert bestehen bleiben. Dass die Anwendung der privatrechtlichen Sanktionen gleichzeitig den Wettbewerb unterstützt, und damit der Wettbewerbsschutz verstärkt werden kann, bleibt für das Privatrecht im Grunde irrelevant.

2.2. Wettbewerbsrecht - private enforcement

Demgegenüber betrachtet das Wettbewerbsrecht die privatrechtlichen Sanktionen selbstverständlich ganz anders. Für das Kartellrecht bedeuten die wettbewerbsbezogenen Sanktionen des Privatrechts eine Art von Durchsetzung kartellrechtlicher Verbote. In diesem Fall ist es kartellrechtlich nur von Relevanz, dass die kartellrechtlichen Verbotsnormen nicht von Amts wegen, sondern durch private Marktteilnehmer mit privatrechtlichen Mitteln durchgesetzt werden. Deswegen spricht man im Falle der Anwendung der privatrechtlichen Sanktionen im Wettbewerbsrecht von privater Durchsetzung des Kartellrechts, oder von "private enforcement". Die Tatsache, dass durch private Durchsetzung des Kartellverbots ebenso private (also privatrechtlich relevante) Interessenverletzungen ausgeglichen werden können, bleibt im Kartellrecht völlig irrelevant.

Aus dieser Situation und der privaten Durchsetzung des Kartellverbots ergab sich eine große, zentrale Frage, die auch im Titel dieser Arbeit gestellt wurde. Kann mehr Wettbewerb mit privatrechtlichen Mitteln, also durch private enforcement geschafft werden? Bedeutet die Anwendung der privatrechtlichen

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Sanktionen, dass mehr Wettbewerb auf dem Markt deswegen funktioniert, weil die Wettbewerbsbeschränkungen nicht nur öffentlich-rechtlich, sondern auch privatrechtlich verfolgt werden?

Diese Fragen können nach der hier vertretenen Auffassung zuerst und theoretisch nur bejaht werden, da die Erweiterung des Sanktionsarsenals zu einer erhöhten Drohung und effektiven Schutzwirkung gegen Wettbewerbsbeschränkungen führen kann. Dennoch ist es nicht so einfach, wie es unter Ziffer IV dieser Arbeit geschildert wird. Zunähst müssen aber die derzeitige Lage und die neueren Entwicklungen auf diesem Gebiet kurz untersucht werden.

3. Derzeitige Situation

Die meisten europäischen Rechtsordnungen verschließen sich nicht davor, privatrechtliche Sanktionen gegen Wettbewerbsbeschränkungen zur Verfügung zu stellen. In den europäischen Rechtsordnungen besteht zweifellos die Möglichkeit, die entsprechenden privatrechtlichen Sanktionen auch bei Wettbewerbsverstößen anzuwenden. Wenn man nur das deutsche und ungarische Recht betrachtet, lässt sich Folgendes feststellen. In beiden Rechtsordnungen sind sowohl die Kartelle als auch der Missbrauch marktbeherrschender Stellung in einem Vertragsverhältnis wegen Schutzgesetzesverletzung als nichtig zu betrachten.[31] Ebenso können Schadensersatzansprüche im Falle von Wettbewerbsbeschränkungen geltend gemacht werden.[32] Obwohl die traditionellen privatrechtlichen Sanktionen auch für Wettbewerbsbeschränkungen in den europäischen Rechtsordnungen vorhanden sind, wurden sie bisher in der Praxis kaum in Anspruch genommen. Es gibt in manchen Rechtsordnungen (wie z.B. in Deutschland) eine gewisse Rechtsprechung in der privaten Durchsetzung der Kartellverbote, bisher jedoch erlangten die privatrechtlichen Sanktionen keinen durchschlagenden Erfolg. Es ist anzumerken, dass private enforcement bisher nur in den USA in breiterem Umfang verbreitet worden ist.[33] In Europa kann eher von einer unterentwickelten Situation und einer rudimentären Anwen-

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dung, Rechtsprechung und Bedeutung gesprochen werden.[34] Diese Tatsache hängt über die unterschiedlichen Rechtskulturen hinaus sicherlich damit zusammen, dass die privatrechtlichen Sanktionen in ihren traditionellen Formen nicht ohne Weiteres mit Wettbewerbsverzerrungen kompatibel sind.

4. Neuere Entwicklungen und grundlegende Wendung

Diese dargestellte Situation wird aufgrund der neueren Entwicklungen in Europa sicherlich verändert werden. In der letzten Zeit sind nämlich in Europa intensive Bemühungen zu beobachten, die das Ziel vor Augen haben, die privatrechtliche Durchsetzung der Kartellverbote zu verstärken. Da diese Entwicklungen eine ganz neue Perspektive in der untersuchten Frage eröffnen können, müssen sie auch hier kurz geschildert werden. Diese Entwicklungen kristallisieren sich aus der europäischen Gesetzgebung, der Rechsprechung des EuGH und der Aktivität der Kommission heraus.

4.1. Gesetzgebung

Einen entscheidenden Vorstoß hat der Gedanke der privatrechtlichen Durchsetzung im Kartellrecht seitens der gemeinschaftsrechtlichen Gesetzgebung erhalten. Diesen Vorstoß leistete wahrscheinlich unbewusst und nicht vorausgeplant die Neuregelung der Verfahrens- und Durchführungsvorschriften des EU-Kartellrechts im Jahre 2003, als die Verordnung 1/2003 erlassen wurde.[35] Darüber hinaus, dass das europäische Kartellverfahren neu geregelt wurde, generierte die erwähnte Verordnung die Verstärkung der privatrechtlichen Durchsetzung des Kartellrechts aus zwei Gründen.

Die Verordnung schreibt erstens ausdrücklich eine dezentralisierte Rechtsanwendung der EU-Wettbewerbsvorschriften vor, wobei den Kartellbehörden und den Gerichten der Mitgliedstaaten eine größere Bedeutung beigemessen werden soll.[36] Unmittelbar vor Gericht werden naturgemäß in Europa die privatrechtlichen Sanktionen geltend gemacht.

Mit der Abschaffung der Möglichkeit der Einzelfreistellung erhöhen sich zweitens die Verantwortung und das Risiko der Unternehmen gegeneinander

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bei einer Fehlbeurteilung der gesetzlich festgelegten Freistellungstatbestandselemente. Dies betrifft sowohl die Gruppenfreistellungsverordnungen als auch die Freistellung nach Art. 81 Abs. 3 und deren nationalrechtlichen Erscheinungsformen.

4.2. Rechtsprechung - EuGH

Diese gesetzgeberisch begonnene Reform von private enforcement in Europa hat eine sehr überraschende, aber zweifellos entscheidende Unterstützung von der Rechtsprechung des EuGH bekommen. Bereits in dem EuGH-Urteil " Courage/Crehan"[37] in 2001 hat der EuGH festgelegt, dass die Verletzung der EU-Kartellvorschriften ohne Einschränkung seitens der geschädigten Drittpersonen, aber auch für die am Kartell betroffenen Unternehmen Schadensersatzforderungen begründen. Dieser Grundsatz ist im Vorabentscheidungsurteil " Manfredi"[38] im Jahre 2006 bestätigt, weiterentwickelt und präzisiert worden.

Die erwähnten Urteile besitzen dreifache Bedeutung. Erstens spricht der EuGH in der erwähnten Entscheidung explizit jeder privaten Person einen Schadensersatzanspruch auf der Grundlage des Art. 81 EGV zu, sofern zwischen dem Schaden und dem Wettbewerbsverstoß ein Kausalzusammenhang besteht. Der EuGH hat zweitens festgelegt, dass die Bestimmung der zuständigen Gerichte, die Ausgestaltung des Verfahrens, und nicht zuletzt die Sicherung des entsprechenden materiellen Rechts als Aufgabe der nationalen Rechtsordnungen zu betrachten sind. Schließlich ist es wortwörtlich vorgeschrieben worden, dass die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte durch die nationalen Rechte praktisch nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden darf.[39] Dies bedeutet, anders formuliert, dass die nationalen Privatrechte die Geltendmachung der privatrechtlichen Sanktionen gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit Berufung auf die Eigenschaften und Besonderheiten des eigenen Privatrechts nicht erschweren dürfen.

4.3. Kommission

Die Kommission hat den Gedanken der breiteren Anwendung der privatrechtlichen Sanktionen gegen Wettbewerbsverstöße so vehement in die Hand genommen, als ob " private enforcement" durch sie entdeckt worden wäre. Im

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Jahre 2005 ist ein Grünbuch,[40] und ganz rasch bereits 2008 ein Weißbuch über die Schadensersatzforderungen wegen Verletzung des EU-Kartellverbots veröffentlicht worden.[41] Wettbewerbspolitisch ist von der Kommission geplant, die angesprochene Frage so schnell wie möglich, eventuell schon im Jahr 2009 mit einem gesetzgeberischen Akt (eventuell mit einer Verordnung) zu regeln. Dieses "Eilverfahren" scheint durch das Parlament nur verlangsamt, nicht aber endgültig verhindert zu werden.[42]

5. Perspektiven

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich die Frage nach den möglichen Perspektiven im Bereich von "private enforcement in Europa. Es geht selbstverständlich nicht um eine futuristische Prophezeiung, sondern es fragt sich, ob einige feste Eckpunkte für die angestrebte privatrechtliche Durchsetzung bereits konstatiert werden können. Als solche Eckpunkte sind die folgenden fünf Feststellungen zu betrachten. Erstens: Das Gemeinschaftsrecht selbst beinhaltet (und wird beinhalten) keine eigene privatrechtliche Sanktion. Das heißt, dass die privatrechtlichen Sanktionen der Wettbewerbsbeschränkungen nationalrechtlich geregelt bleiben. Zweitens: Sowohl die Verbotsnormen als auch der Anspruch auf die privatrechtlichen Sanktionen ergeben sich aber aus dem EU-Recht oder dem EU-konformen nationalen Kartellrecht. Als bekannter Grundsatz gilt, dass das EU-Recht durch die nationalen Rechte oder die Rechtsprechung nicht überlagert werden darf. Daraus folgt drittens, dass die nationalen Privatrechte geeignet sein müssen, die privatrechtlichen Sanktionen gegen Wettbewerbsverstöße ohne Vorbehalt geltend zu machen. Dies kann und wird freilich zur Modifizierung der nationalen Privatrechte führen. Viertens: Die bisherigen Entwicklungen der privatrechtlichen Durchsetzung, die bezüglich der Schadensersatzforderungen entstanden und formuliert wurden, sind ebenfalls auf die Nichtigkeitssanktion der Wettbewerbsverstöße anzuwenden. Fünftens: Die den Schadensersatz und die Nichtigkeit betreffenden Entwicklungen der privatrechtlichen Durchsetzung, die bisher überwiegend nur auf die

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Kartellverstöße ausgearbeitet wurden, sind ebenfalls auf die Missbrauchsfälle marktbeherrschender Stellung entsprechend zu erweitern.

IV. Konkrete Regelungsdefizite und Rechtsanwendungsprobleme am Beispiel der Nichtigkeit

1. Themenstellung

Bei der Erfüllung der bisher analysierten wettbewerbsbezogenen Sanktionsaufgabe des Privatrechts könnten der Schadensersatz, die Nichtigkeit, die ungerechtfertigte Bereicherung sowie die parallelen Sanktionen des Lauterkeitsrechts in Betracht kommen. Mit allen kann sich diese Arbeit nicht beschäftigen. Da die Schadensersatzproblematik sowieso ein "Schlagerthema" geworden ist und sich damit viele Experten befassen,[43] bleibt sie in dieser Arbeit außer Acht. Hier werden deshalb einige ausgewählte Regelungsdefizite und Rechtsanwendungsprobleme aus dem Bereich der Nichtigkeitssanktion[44] herausgeschnitten und nach dem ungarischen Recht kurz bewertet.

2. Korrektionsmechanismen des Kartellrechts contra Nichtigkeit

2.1. Zeitpunkt des Eintritts der Nichtigkeit

Kartellrechtlich sind die Vereinbarungen nur dann verboten und damit nichtig, wenn das Kartellverbot tatsächlich gilt. Bekanntlich tritt das Kartellverbot ein, wenn die Vereinbarung keinem Korrektionstatbestand des Kartellverbots unterliegt, also wenn weder Freistellungsregelungen noch Ausnahmeregelungen (wie z.B. die Bagatellgrenze) angewendet werden können. Diese Kontrollmechanismen sind im Laufe des gesamten Vereinbarungslebens, also immer zu prüfen. Demgegenüber legt das Privatrecht fest, dass der Nichtigkeitsgrund beim Vertragsabschluss vorliegen muss. Wann tritt nach diesem Regelungszusammenhang die Nichtigkeit ein? Privatrechtlich beim Vertragsabschluss.

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Kartellrechtlich jederzeit, wenn die Korrektionsmechanismen nicht mehr wirken. Kartellrechtlich kann eine Vereinbarung nach Vertragsabschluss dem Kartellverbot unterliegen und damit nach Art. 81. Abs 2 nichtig werden, während es privatrechtlich nicht möglich ist. Ebenso kann eine bei Vertragsabschluss verbotene Vereinbarung später unter die Freistellung fallen, und kartellrechtlich nicht mehr verboten und nichtig sein. Privatrechtlich bleibt aber die beim Vertragabschluss nichtige Vereinbarung weiterhin nichtig. Aus den unterschiedlichen Betrachtungen des Nichtigkeitseintritts im Privat- und Kartellrecht ergeben sich zwei weitere Schwierigkeiten.

2.2. Ex tunc oder ex nunc Wirkung?

Das Kartellrecht geht von einer ex nunc Wirkung, oder einer Mischung von ex tunc und ex nunc Wirkungen der Nichtigkeit aus, während dem Privatrecht nur die ex tunc Wirkung bekannt und zugänglich ist.[45]

2.3. Wirksamwerden oder Heilung?

Die kartellrechtlich verankerte Nichtigkeitssanktion schreibt ein automatisches "Wirksamwerden" der Vereinbarung vor, sobald die Vereinbarung nicht mehr verboten ist. Demgegenüber kann eine nichtige Vereinbarung privatrechtlich nicht automatisch wirksam werden, sondern sie kann nach ungarischem Recht nur durch ein Gericht geheilt werden.[46] Die Heilung des Nichtigkeitsgrundes setzt ein Gerichtsverfahren und das Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandselemente voraus. In der kartellrechtlichen Nichtigkeit ist aber eine solche bürokratische und unsichere Einschaltung der Gerichte gar nicht vorgesehen.

Nach diesen Erörterungen kann zusammenfassend festgelegt werden, dass zwischen Privat- und Kartellrecht die Nichtigkeitssanktion betreffend aus dem dargelegten Aspekt ein schwerer Widerspruch besteht, der sicherlich nur durch Einschaltung des Gesetzgebers aufgelöst werden kann.

3. Das Problem der Nichtigkeit von Beschlüssen

Als weiteres Problem scheint die Problematik der Nichtigkeit von Beschlüssen im ungarischen Recht zu sein. Nach dem Kartellrecht können die Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen verboten und nichtig sein. Der Beschluss ist ein Organakt des gegebenen Rechtssubjekts. Nach dem ungarischen Recht können nur Verträge, oder unter bestimmten Umständen andere Verbindlich-

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keiten nichtig sein. Im ungarischen Recht richtet sich die Nichtigkeit der Beschlüsse nach dem Verbandsrecht,[47] nicht nach dem allgemeinen Zivilrecht. Daraus resultiert eine große Unsicherheit im ungarischen Privatrecht, ob und nach welchen Grundlagen die Nichtigkeit der Beschlüsse privatrechtlich festgelegt werden kann, obwohl dies kartellrechtlich eindeutig vorgeschrieben ist.[48]

4. Anspruchsberechtigte Personen

Eine solche Unsicherheit herrscht auch hinsichtlich des Kreises der anspruchsberechtigten Personen. Obwohl die Nichtigkeit gegenüber allen wirkt, versuchen die Gerichte, den Kreis der anspruchsberechtigten Personen einzugrenzen, und einen Anspruch nur derjenigen Personen zuzulassen, die ein rechtlich berechtigtes Interesse nachweisen können. Solche Einschränkungen kennt das Kartellrecht nicht, es strebt sogar eine breite Anwendung von Sammelklagen an. Es ist zweifelhaft, ob die ungarischen Gerichte eine Klage von denjenigen Personen akzeptieren würden, die durch ein Kartell mittelbar oder unmittelbar betroffen sind.

5. Rechtsfolgen der Nichtigkeit

Ein sehr komplexer, nur zum Schluss erwähnter Problemkreis sind die Rechtsfolgen der Nichtigkeit selbst. Über die angesprochenen Fragen des mangelnden Wirksamwerdens und der Heilung der Nichtigkeit hinaus bedeutet die Tatsache ein großes Problem im ungarischen Recht, dass die ungerechtfertigte Bereicherung nicht als Nichtigkeitssanktion konzipiert worden ist.[49] Es liegt nur ein in integrum restitutio Modell vor, das bei Kartellverstößen gar nicht oder nur sehr schwer handhabbar ist. Wie die deutsche Kartellrechtspraxis zeigt, kann die Nichtigkeitssanktion der Kartelle ohne Anspruch auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung nicht funktionieren.[50] Das geplante neue ungarische Zivilgesetzbuch[51] kann und wird - hoffentlich -dieses Problem beseitigen.[52]

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V. Schlussfolgerungen

Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung lassen sich in drei Punkten wie folgt zusammenfassen:

Bei der inhaltlichen Ausgestaltung der kartellrechtlichen Rechtsinstitute kann das Privatrecht keinerlei Hilfe leisten. Die konkreten inhaltlichen Beurteilungskriterien der einzelnen Rechtsinstitute richten sich nach den eigenen inneren Kriterien des jeweiligen Rechtsgebietes, wobei das andere Rechtsgebiet keinerlei Anhaltspunkte leisten kann. Aus diesem Aspekt kann das Privatrecht nicht mehr Wettbewerb schaffen.

Das Privatrecht kann aber eine sehr wichtige Sanktionsaufgabe bei der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen erfüllen. Die wettbewerbsbezogenen Sanktionen des Privatrechts leisten eine erhebliche Unterstützung für die Durchsetzung der kartellrechtlichen Verbotsnormen. Durch eine breitere privatrechtliche Durchsetzung des Kartellrechts kann mehr Wettbewerb entstehen.

Die konkreten Regelungen des Privatrechts sind derzeit kaum oder gar nicht geeignet, die durch das Kartellrecht vorgeschriebenen Sanktionsaufgaben zu erfüllen. Um durch die wettbewerbsbezogenen Sanktionen mehr Wettbewerb schaffen zu können, ist eine Öffnung des Privatrechts gegenüber dem Kartellrecht erforderlich. Eine Modifizierung des ungarischen (nationalen) Privatrechts scheint aber hierfür unumgänglich zu sein.

Resümee - Mehr Wettbewerb mit privatrechtlichen Mitteln? Zur Öffnung des Privatrechts für ordnungspolitische Gedanken

Der Schutz des Wettbewerbs erscheint in sämtlichen Rechtssystemen als eine zentrale staatliche Aufgabe. Deshalb hat das Auftreten gegen Wettbewerbsbeschränkungen grundlegend einen öffentlich-rechtlichen Charakter (public enforcement). Die Studie beschäftigt sich mit der Frage, ob es möglich ist, den Schutz des Wettbewerbs mit privatrechtlichen Mitteln zu stärken. Im Laufe dieser Untersuchung stehen zwei Themengebiete im Fokus der Analyse. Zuerst

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wird eine Antwort auf die Frage gesucht, ob bei der Bestimmung der einzelnen wettbewerbsrechtlichen Rechtsinstitutionen privatrechtlichen Aspekten eine Rolle zukommen darf. Es wird die Schlussfolgerung erreicht, dass sich die Rechtsinstitutionen des Privatrechts und des Wettbewerbsrechts inhaltlich gesehen stark voneinander unterscheiden. Die inhaltliche Bestimmung der einzelnen Rechtsinstitutionen kann nur auf Grund der inneren Werteordnung und der Zielsetzungen des gegebenen Rechtsgebietes erfolgen. Das zweite Themengebiet stellt die privatrechtliche Sanktionierung der Wettbewerbsbeschränkungen dar (private enforcement). In diesem Zusammenhang hat das Privatrecht eine Art Sanktionierungsaufgabe zum Schutz des Wettbewerbs. Das Privatrecht verschließt sich nämlich nicht davor, den privaten Akteuren des Vermögensverkehrs sein eigenes Sanktionierungsarsenal zur Verfügung zu stellen, um den Wettbewerb in indirekter Weise zu schützen. Auf diese Weise kann eine breitere Anwendung der privatrechtlichen Sanktionen zur Stärkung des Wettbewerbs und zu "mehr Wettbewerb" führen. Die Rechtsinstitutionen des Schadenersatzes und der Nichtigkeit zeigen aber klar, dass eine kleinere Modifizierung der klassischen privatrechtlichen Vorschriften und der diesbezüglichen Rechtsdogmatik notwendig ist, damit das Privatrecht in Zukunft effektiv dem Schutz des Wettbewerbs dienen kann.

Summary - More Competition through Private Law Instruments? Opening Private Law towards Regulative Ideas

Protecting competition is the duty of the state in every legal system. Hence action against restrictions of competition is mostly related to public enforcement. Analysing the question whether private enforcement can also strengthen the protection of competition, the author considers two issues. The first issue is whether instruments of private law may play a role in the operation of competition law institutions. It is concluded that the content of the legal institutions of private law and competition law are clearly different. The content of the various legal institutions can only be defined on the basis of the internal value system and aspirations of the legal field concerned. The second issue is the use of

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private enforcement in countering attempts at restricting competition. In this context private law can offer certain sanctions to protect competition. For private actors taking part in transactions it yields certain sanctions for the indirect protection of competition. That is why the wider deployment of private law sanctions may result in the strengthening of competition. Nevertheless, the legal institutions of tort and annulment clearly illustrate that there is a need for a certain modification of the classical rules of private law and related legal dogmatics in order to ensure that in the future private law could better serve the protection of competition law. ■

ANMERKUNGEN

[1] Grundlage dieser Abhandlung bildet der vom Verfasser am 2. Mai 2009 an der Tagung der Deutsch-Ungarischen Juristenvereinigung unter Schirmherrschaft des Walter Eucken-Instituts in Freiburg gehaltene Vortrag. Die Anfertigung der Arbeit hat die Alexander von Humboldt-Stiftung unterstützt.

[2] In der jüngsten Literatur siehe z.B. die Kontroverse zwischen Schmidtchen und Mestmäcker. Schmidtchen, Dieter: Wettbewerbsfreiheit oder Effizienz? Zur Zweisamkeit von Recht und Ökonomie im Bereich der Wettbewerbspolitik, ORDO Bd. 59 (2008), 144-184.; Mestmäcker, Ernts-Joachim: Wettbewerbsfreiheit und unternehmerische Effizienz. Eine Erwiderung auf Schmidtchen, ORDO Bd. 59 (2008), 185-208.

[3] Siehe dazu Goldschmidt, Nils: Entstehung und Vermächtnis ordoliberalen Denkens, LIT Verlag, Münster - Hamburg - London 2002.; Vanberg, Viktor J.: The Freiburg School. Walter Eucken and ordoliberalism, Walter-Eucken-Institut, Freiburg 2004.

[4] Vanberg, Viktor J.: Auch Staaten tut Wettbewerb gut. Eine Replik auf Paul Kirchhof, Walter-Eucken-Institut, Freiburg 2005.

[5] Heitzer, Bernhard: Ordnungspolitik in der Krise, WuW 4/2009, 359. Siehe noch: Wer stoppt den freien Fall des freien Marktes?, Der Spiegel Nr. 42/13.10.2008, 22-50.

[6] Hopt, Klaus J. / Fleckner, Andreas M. / Kumpan, Christoph / Steffek, Felix: Kontrollerlangung über systemrelevante Banken nach den Finanzmarktstabilisierungsgesetzen (FMStG/FMStErgG), Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM) 18/2009, 821-834.; Müller-Graff, Peter-Christian: Finanzmarktkrise und Wirtschaftsordnungsrecht: Aufwind für den "Regulierungsstaat"?, EWS 6/2009, 201-211.

[7] Aus dem reichen Schrifttum siehe Basedow, Jürgen (ed.): Private Enforcement of EC Competition Law, Kluwer Law International, The Netherlands 2007.

[8] Siehe vor allem Basedow, Jürgen: Von der deutschen zur europäischen Wirtschaftsverfassung, Mohr Verlag, Tübingen 1992, 8; Drexl, Josef: Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, Mohr Siebeck, Tübingen 1998, 218; Immenga, Ulrich / Mestmäcker, Ernst-Joachim: in: Immenga/Mestmäcker (Hg.): Wettbewerbsrecht, Band 1. EG/Teil 1. Kommentar zum Europäischen Kartellrecht, 4. Auflage, C.H. Beck, München 2007, Einleitung B.; Mestmäcker, Ernst-Joachim: Die Wirtschaftsverfassung in der Europäischen Union, Nomos Verlagsgesellschaft, Bonn 1993, 11; Müller-Graff, Peter-Christian: in: Dauses, Manfred A. (Hg.): Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 1, C.H. Beck, München 2008, A.I. Rn. 117, 129.

[9] Mestmäcker: Wettbewerbsfreiheit und unternehmerische Effizienz. Eine Erwiderung auf Schmidtchen, ORDO Bd. 59 (2008), 185. 194.

[10] Eucken, Walter: Die Grundlagen der Nationalökonomie, 8. Auflage, Springer, Berlin usw. 1965.; Külp, Bernhard (Hg.): Freiheit und wettbewerbliche Ordnung, Gedenkband zur Erinnerung an Walter Eucken, Haufe Verlag, Freiburg -Berlin - München 2000.

[11] Goldschmidt. Entstehung und Vermächtnis ordoliberalen Denkens, 133.

[12] Aus der ungarischen Literatur zum Verhältnis zwischen Wettbewerb und Vertragsfreiheit siehe Darázs, Lénárd. A szerződési szabadság és a verseny alkotmányos védelme (Vertragsfreiheit und der verfassungsrechtliche Schutz des Wettbewerbs), Acta Facultatis Politico-iuridicae Universitatis Budapestinensis XLIV (2007), ELTE Állam- és Jogtudományi Kar, Budapest 2008, 23-44.

[13] Mestmäcker. Wettbewerbsfreiheit und unternehmerische Effizienz. Eine Erwiderung auf Schmidtchen, ORDO Bd. 59 (2008), 185. 195.

[14] In Ungarn werden die Beschlüsse des Wettbewerbsamtes durch die Verwaltungsgerichte überprüft.

[15] Mestmäcker. Wettbewerbsfreiheit und unternehmerische Effizienz. Eine Erwiderung auf Schmidtchen, ORDO Bd. 59 (2008), 185. 195.

[16] Raiser, Ludwig: Rechtsschutz und Institutionenschutz im Privatrecht, in: Summum ius summa iniuria. Individualgerechtigkeit und der Schutz allgemeiner Werte im Rechtsleben, Mohr, Tübingen 1963, 145-167. 148.

[17] Mestmäcker, Ernst-Joachim: Über das Verhältnis des Rechts der Wettbewerbsbeschränkungen zum Privatrecht, AcP (168) 1968, 235-262.

[18] Darázs, Lénárd: Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen von marktbeherrschenden Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Privatrecht und Wettbewerbsrecht, in: Müller-Graff, H-Ch. / Vékás, L. (Hg.): Privatrechtsreform in Deutschland und Ungarn, Nomos, Baden-Baden 2009.

[19] Drexl: Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 296, 300-301.

[20] Emmerich, Völker: in: Dauses (Hg.): Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 2, (Fn. 14), H.I. § 1 Rn. 198; Eilmansberger, Thomas: in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht (Kartellrecht), Band 1 Europäisches Wettbewerbsrecht (MünchKommEuWettbR), C.H. Beck, München 2007, Art. 82 EG Rn. 10; Zimmer, Daniel: in: Immenga/Mestmäcker (Hg.): Wettbewerbsrecht, Band 2. GWB (Fn. 9), § 1 Rn. 16.

[21] Raiser: Rechtsschutz und Institutionenschutz im Privatrecht, in: Summum ius summa iniuria, 149.

[22] BELLAMY & CHILD European Community Law of Competition, (Roth, Peter / Rose, Vivien eds.), Sixth Edition, Oxford University Press, Oxford 2008, MünchKommEuWettbR / PASCHKE, Art. 81. Rn. 58-80. Aus der jüngsten Rechtsprechung des EuGH siehe das Vorabentscheidungsurteil in der Sache C-08/08 (T-Mobile Netherlands) vom 4. Juni 2009 unter http://curia.europa.eu/jurisp.

[23] Ein gutes Beispiel dazu, dass sich die Nichtigkeitssanktion des EG-Kartellverbots in Art. 81. Abs. 2 EGV auf das abgestimmte Verhalten nicht erstreckt.

[24] Unter "Freistellungsmechanismen" sind sowohl die Freistellung nach Art. 81. Abs. 3 EGV als auch die Gruppenfreistellung zu verstehen. Dem Gemeinschaftsrecht entsprechende Freistellungsmechanismen sind auch im mitgliedstaatlichen Recht etabliert. Siehe dazu §§ 16-17 des ungarischen Gesetzes Nr. LVII. aus dem Jahre 1996 über das Verbot des unlauteren Marktverhaltens und der Wettbewerbsbeschränkungen (Tpvt.).

[25] Diese Beurteilungsaspekte der privatrechtlichen Missbräuchlichkeit der Vertragsbedingungen sind auch in der Klauselrichtlinie verankert worden. Vgl. die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. 4. 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, Abl. EG Nr. L 95 vom 21. 4. 1993, 29.

[26] Zur Grenzen der Beachtung von Allgemeininteressen siehe Baetge, Dietmar: Allgemeininteressen in der Inhaltskontrolle, AcP 202 (2002), 972-993.

[27] Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die den Wettbewerb gemäß Artikel 81 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nicht spürbar beschränken (de minimis), Abl. 2001/C 368/07. Siehe noch zum ungarischen Recht § 13. Tptv.

[28] Eingehend dazu Darázs: Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen von marktbeherrschenden Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Privatrecht und Wettbewerbsrecht, o. Fn. 18.

[29] Emmerich: in: Dauses (Hg.): Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 2, H.I. § 1 Rn. 358359; Möschel, Wernhard: in: Immenga/Mestmäcker (Hg.): Wettbewerbsrecht, Band 2. GWB, § 19 Rn. 11.

[30] Steindorf, Ernst: EG-Vertrag und Privatrecht, Nomos, Baden-Baden 1996. 303-384.

[31] Zum deutschen Recht vgl. § 138 BGB, zum ungarischen Recht siehe § 11. Abs. 3 Tpvt. und § 200. Abs (2) ZGB.

[32] Der ungarische Gesetzgeber hat sogar im Jahre 2009 eine Sonderregelung für Schadensersatzklagen in Kartellsachen eingeführt. Nach § 88/C. Tpvt. ist eine Schadenshöhe von 10% in der Form einer widerlegbaren gesetzlichen Vermutung festgelegt worden.

[33] Buxbaum, Hannah L.: Private Enforcement of Competition Law in the United States - Of Optimal Deterrence and Social Costs, in: Basedow, Jürgen (ed.): Private Enforcement of EC Competition Law, Kluwer Law International, The Netherlands 2007, 41-60.; Jones, Clifford A.: Private Enforcement of Antitrust Law in the EU, UK and USA, Oxford University Press, Oxford 1999.

[34] Kokkoris, Ioannis (ed.): Competition Cases from the European Union. The ultimate guide to leading cases of the EU and all 27 Member States, Thomson Sweet & Maxwell, London 2008.

[35] Zu Detailfragen siehe Dalheimer, Dorothe / Feddersen, Christop / Miersch, Gerald: EU Kartellverfahrensverordnung, Kommentar zur VO 1/2003, C.H. Beck, München 2005.

[36] Komninos, Assimakis P: EC Private Antitrust Enforcement. Decentralised Application of EC Competition Law by National Courts, Hart Publishing, Oxford and Portland, Oregon 2008, 63-140.; aus dem früheren Schrifttum siehe Lässig, Peter: Dezentrale Anwendung des europäischen Kartellrechts, Heymann, Köln 1997, 39-40.

[37] EuGH: C-453/99 (2001), Courage/Crehan, ECR I-6297.

[38] EuGH: C-295-298/04 (2006), Manfredi, ECR I-6619.

[39] Aus der reichen Literatur siehe Wurmnest, Wolfgang: Private Durchsetzung des EG-Kartellverbots nach der Reform der VO Nr. 17, in: Europäisches Wettbewerbsrecht im Umbruch (Hg.: Peter Behrens/ Ellen Braun/ Carsten Nowak), Nomos, Baden-Baden 2004, 213249.

[40] Grünbuch der Kommission "Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts", KOM (2005) 672 endgültig. Siehe noch dazu Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen "Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts", SEC (2005) 1732.

[41] Weißbuch der Kommission "Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts", KOM (2008) 0165 endgültig. Siehe noch dazu Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen "Zusammenfassung des Folgenabschätzungsberichts - Weißbuch über Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts", SEC (2008) 0406 endgültig.

[42] Clausnitzer, Jochen: Experiment US-Sammelklagen - Brüsseler Podiumsdiskussion mit Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes, EuZW 2009, 169-172.; Clausnitzer, Jochen: Europäisches Parlament bremst Europäische Kommission - Sammelklagen im Kartellrecht, EuZW 2009, 233.

[43] Aus dem reichen Schrifttum siehe Basedow, Jürgen (ed.): Private Enforcement of EC Competition Law, Kluwer Law International, The Netherlands 2007.; Bulst, Friedrich Wenzel: Schadensersatzansprüche der Marktgegenseite im Kartellrecht, Nomos / C.H. Beck, Baden-Baden 2006. Hempel, Rolf: Privater Rechtsschutz im Kartellrecht, Nomos, Baden-Baden 2002.; Komninos, Assimakis P: EC Private Antitrust Enforcement. Decentralised Application of EC Competition Law by National Courts, Hart Publishing, Oxford and Portland, Oregon 2008.

[44] Die Nichtigkeit der Kartelle ist in Art 81. Abs. 2 EGV und im ungarischen Recht in § 11. Abs (3) Tpvt. ausdrücklich vorgeschrieben. Zu der umfassenden Aufarbeitung der Problematik siehe in dem ungarischen Schrifttum Darázs, Lénárd: A kartellek semmissége (Die Nichtigkeit der Kartelle), Complex, Budapest 2009.

[45] Die bisher nicht gelöste Problematik liegt auch im deutschen Recht vor. Siehe etwa Schmidt, Karsten: in: Immenga/Mestmäcker Wettbewerbsrecht, Band 1., Art. 81. Abs. 2. Rn. 17.

[46] Siehe § 237 Abs. 2 des ungarischen ZGB.

[47] So z.B. im Gesellschaftsrecht nach § 12. Abs. 3-6 des Gesetzes Nr. IV. aus dem Jahre 2006 über die Wirtschaftsgesellschaften. Siehe dazu Kisfaludi, András. Társasági jog (Gesellschaftsrecht), Complex, Budapest 2007, 115-118.

[48] Art. 81. Abs. 2 EGV und § 11. § Abs. 3 Tpvt.

[49] Dieses Regelungsmodell löste im ungarischen Recht wissenschaftliche Kontroversen aus, und wurde vor allem durch Vékás zu Recht kritisiert. Vékás, Lajos. Érvénytelen szerződés és jogalap nélküli gazdagodás (Ungültiger Vertrag und ungerechtfertigte Bereicherung), in. Liber Amicorum Studia E. Weiss dedicata, ELTE ÁJK Polgári Jogi Tanszék, Budapest 2002, 289-318.

[50] Fuchs, Klaus. Kartellvertrag und Bereicherung, C.F. Müller, Heidelberg 1990.

[51] Vékás, Lajos (Hg.). Szakértői Javaslat az új Polgári Törvénykönyv tervezetéhez (Expertenvorlage eines neuen Zivilgesetzbuches für Ungarn), Complex, Budapest 2008.

[52] Vékás, Lajos. Parerga. Dolgozatok az Új Polgári Törvénykönyv Tervezetéhez (Studien zum Entwurf des neuen Zivilgesetzbuches), HvgOrac, Budapest 2008, 200-209.

Lábjegyzetek:

[1] Lehrstuhl für Zivilrecht, Telefonnummer: (36-1) 411-6510, E-mail: darazs@ajk.elte.hu

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