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Ágnes Zsidai[1]: Das Problem der Überbrüekbarkeit von Sein und Sollen in der synoptischen Rechtstheorie (Annales, 2006., 423-426. o.)

Es ist unbestreitbar, dass Barna Horváth einer der ausgezeichnetesten, auch vom europäischen wissenschaftlichen Leben anerkannten Figuren der ungarischen Rechtswissenschaft im XX. Jahrhundert war. Die erkenntnistheoretischen, methodologischen, wissenschafstheoretischen Probleme seiner Zeit wollte er im Rahmen seiner sog. synoptischen Rechtstheorie lösen und sie mit den ontologischen und axiologischen Problemen des Rechts zusammenknüpfen. In diesem Aufsatz möchte ich den Kern seiner Auffassung aufgrund seiner eigenen Voraussetzungen, in seinem immanenten Bezugsrahmen erklären und thesengemäß zusammenfassen.

Horváth konzipiert die rechtsphilosophische Fragestellung: - was ist das Recht, - auf neuartiger Weise, indem das auf der Trennung von Sein und Sollen und der Methodenreinheit beruhende neukantianische Paradigma von ihm erhalten bleibt und radikalisiert wird. In seiner Auffassung müssen alle, durch eine zwischen Sein und Sollen gesetzte, dritte Gegenständlichkeit vermittelnde Überbrückungsversuche als irgendeine Manifestation eines Methodensynkretismus bezeichnet und abgelehnt werden. Andererseits wird seine Lehre auch auf die angelsächsische juristische Betrachtungsweise vom pragmatisch-empirischen, prozessualen Zuschnitt gegründet.

Der Wissenschaftslehre von Barna Horváth liegt im Allgemeinen eine dualistische Wissenschaftsauffassung zugrunde, nach der zwischen Natur- und Sozialwissenschaften streng unterschieden werden muss. Er hält die Soziologie als Sozialwissenschaft für keine sog. kausale Wissenschaft, kein Fachgebiet der Naturwissenschaft. Wenn man das Recht als ein Teil der Gesellschaft auffasst, wird die Rechtssoziologie im weiteren Sinne als eine auf das Recht angewandte Gesellschaftstheorie bestimmt. Wenn aber das Erkenntnisziel der Rechtssoziologie in der Erfassung der Dynamik der Rechtsentwicklung besteht, muss die Rechtssoziologie als ein Teil der Rechtstheorie angesehen werden. Das ist die engere Fassung der Rechtssoziologie.

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Beim Behandeln der Grundlagen des Rechts geht Horväth aus dem menschlichen Verhalten aus. Unter Verhalten versteht Horváth nur solches Benehmen, das "der Akteur gemäß seiner Einsicht und spontaner Entscheidung kontrollieren und dirigieren kann." Die Konstruktion der Definition der Gesellschaft verlangt den Bereich des menschlichen Verhaltens einzuengen. Er identifiziert sie mit der intersubjektiven Gesamtheit deren Verhalten, dessen Bedingungen einander berühren.

Das Funktionieren einer Gesellschaft zeigt typische und untypische Handlungen vor. Es kann behauptet werden, dass die Regelmäßigkeit und die Reguliertheit die Voraussetzung der Entfaltung der gesellschaftlichen Ordnung bilden. Die einzelnen Objektivationen der gesellschaftlichen Ordnung - die Wirtschaft, der Kampf, die Macht, das Wissen (Kultur) und das Verfahren - werden von Horváth aus dem Bereich der gesellschaftlichen Erscheinungen als dem Recht zugrundlegende Tatsachen herausgehoben, und er untersucht ihre funktionellen Zusammenhänge mit der historischen Wirklichkeit des Rechts. Die Analyse der Grundlagen des Rechts wird mit den vier, auf Zusammenhänge der Gesellschaft und des Rechts angewandten Entwicklungstypen: das Wachstum, die Wirksamkeit, die Freiheit und die Gegenseitigkeit zusammengeknüpft. Barna Horváth stellt fest, dass ein abnehmender Leistungszusammenhang in den Zwischenbeziehungen der vier verschiedenen Entwicklungstypen einerseits, und zwischen der Wirtschaft, der Macht, dem Kampf und dem Wissen als Seinsobjektivationen und dem Recht andererseits, existiert. Nur zwischen den Entwicklungen des Verfahrens und des Rechts gibt es ein direkter Leistungszusammenhang. Infolge der prozessualen Rechtsauffassung von Horváth findet man im Verfahren die originellsten unmittelbarsten Tatsachen des Rechts. Das Recht bedeutet die jeweilig entwickeltste Form des Verfahrens in den historischen Gesellschaften. Das Verfahren sei also genus proximum des Rechts, und das Recht sei der Superlativ des Verfahrens.

Das gesellschaftliche Verfahren (von den einfachsten und ältesten Bräuchen und Sitten, durch die Sprache und die Konvention, bis das entwickeltste Verfahren: Wirtschaft, Kampf, Macht, Wissen, Verfahren) wird als eine ideelle Gedankenverbindung eines vorausbestimmten (geltenden) Handlungsmusters und des es nachahmenden, sich darauf orientierenden, konkreten faktischen Verhaltens aufgefasst. (Das Verfahren wird in einem synoptischen Gedankengefüge konstruiert: es ist kein bloßer Wert, und nicht nur ein Fakt.) Es ist die gleichzeitige (synoptische) Anschauungseinheit, die Gedankenverbindung im Hinblick aufeinander selektierten Tatsachen und Werte der beiden.

Die methodologische Bedeutung der synoptischen Rechtsauffassung von Horváth liegt darin, dass das Recht dadurch in elementaren Rechtslagen, in der Reihe der einfachsten Tatsachen und Wertelemente aufgelöst, bzw. aus ihnen

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aufgebaut werden kann. Der Zusammenhang der Tatsache (Sein) und des Wertes (Sollen) ist aber keine zweigliedrige, sondern eine dreigliedrige Verbindung. Das Sein und Sollen können nur durch die "Vermittlungsrolle" des Subjektes in synoptische Verbindung kommen.

Wegen der einheitlichen Natur der Rechtserkenntnis ist der Geltungsbereich der Synopsis universal: von synoptischer Natur sind 1. die juristische Methode von Justiz, jeder juristische Beruf; 2. alle Verfahren und auch das Recht selbst; 3. alle Rechtswissenschaften (Jurisprudenz, Rechtsphilosophie, Rechtslehre, Rechtssoziologie usw.); 5. die zwischen der Natur und den Werten existierende Gesellschaft.

Horváth behandelt die Synopsis auf den zwei analytischen Ebenen der Rechtspraxis und der Rechtstheorie. Auf der Ebene der Rechtspraxis besteht das grundlegende juristische Dilemma in der unüberbrückbaren Kluft zwischen dem Allgemeinen (Rechtssatz) und dem Konkreten (Rechtsfall). Die Aufgabe des Juristen bedeutet, zwischen den gegenseitigen Standpunkten das Optimum durch ständiges Vergleichen und Selektion, d.h. durch die Synopsis des Rechtssatzes und des Tatbestandes zu finden. Die (theoretische und praktische) Rechtslücke, diese Leerheit wird also durch die synoptische Betrachtung ausgefüllt. An diesem Punkt kommen in den Gedankengang von Horváth die Momente der aus der juristischen Denkweise unausrottbaren Freiheit und des Irrationalismus, d.h. die Erfahrungs- oder Bewertungselemente hinein. Obwohl das entscheidende Moment der Subsumtion nach Horváth irrational ist, kann diese Irrationalität rational beschränkt werden. Dieser Prozess verläuft durch die Bewertung des Juristen mit Hilfe ständiger Distinktion, stetiger hypothetischen Urteilsbildung, permanenter Fragen und Antworten, also in der gegenseitigen Selektion, in der Zusammenschau (Synopsis) des Rechtssatzes und Rechtsfalles. Ist die Rechtslücke und das irrationale Element nicht immer spürbar, das zeigt, dass man mit der Identifikation des Rechtsfalles und Rechtssatzes einverstanden ist, und es wäre in den Weiteren unpraktisch, die Richtigkeit der irrationalen Erfahrung (Erlebnis) in Frage zu stellen. In der Synopsis wird also die Irrationalität der Subsumtion bis zur Grenze der Unpraktizität des Zweifelns zurückgedrängt.

Im Laufe der rechtsphilosophischen Analyse der Synopsis geht Horváth aus den sich einander ausgeschlossenen logischen, kontradiktorischen Gegensatz der Natur (Sein) und der Norm (Sollen) aus. Er stellt fest, dass die Verbindung des Seins und Sollens infolge ihres logischen Gegensatzes keinen selbständigen (dritten) Gegenstand und keine selbständige (dritte) Gesetzlichkeit darstellen kann. Ein Erkenntnisgegenstand kann entweder Natur oder Wert sein, seine Selbstgesetzlichkeit ist entweder die Kausalität, oder die Normlogik.

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Die synoptische Wissenschaft beschäftigt sich nicht nur mit einem, sondern mit zwei Erkenntnisgegenständen. Die Verknüpfung der Norm und der Wirklichkeit ist nur als ein reflexives Denkgebilde, in Sicht vorzustellen. Deshalb kann der Gegenstand des Rechts nur als ein Denkgegenstand, und die Methode seiner Erkenntnis als "bloße" Denkmethode, und nicht als gegenstanderzeugende Methode aufgefasst werden. Die Beharrlichkeit auf die Methodenreinheit degradiert zweifellos den Kenntnisanspruch der Rechtssoziologie. Die Methode der Rechtssoziologie ist also bloß eine spezielle Technik der Anwendung der naturwissenschaftlichen und der normwissenschaftlichen Methode, kurz: eine Methode der Methoden.

Die Zusammenbetrachtung ergreift die Tatsache und den Wert nicht im kausalen Sinn, auch nicht im Sinne der gegenseitigen Abhängigkeit, sondern in ihrer Funktionalität. Man sieht in der Synopsis, dass das Sollen seinsfunktional (für das Sein) und das Sein sollfunktional (für das Sollen) abgebogen wird. Die Eigengesetzlichkeiten: die Kausalität und die Normativität haben unbedingte Geltung in ihren Bereichen. Die Wirkung kann nur eine Ursache, aber keinen Normgrund, die Normfolge kann nur einen Normgrund, aber keine Ursache haben, sonst wäre es ein typischer Methodensynkretismus. Es wird durch das abbiegende Sein ein anderes Sollen, und durch das abbiegende Sollen ein anderes Sein "seligierte" in das Denkgebilde einbezogen, als eines, das ohne Abbiegung nach seiner bloßen Eigengesetzlichkeit in seine Struktur eingegangen wäre.

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Infolge der synoptischen Sichtweise hat im "Sucher" gesehenes Bild eine ganz eigenartige, intentionale Struktur. Die gleichzeitige Zusammenschauung ruft weder im ontologischen, noch im erkenntnistheoretischen Sinne ein drittes Glied zwischen der Tatsache (Sein) und dem Wert (Sollen) ins Leben. Die Synopsis ist also ein bloßes reflexives Strukturphänomen: "die Erscheinung der Perspektive". ■

Lábjegyzetek:

[1] Lehrstuhl für Rechts- und Staatsphilosophie, Telefonnummer: (36-1) 411-6507, e-mail: zsidaiagnes@ajk.elte.hu

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