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Péter Szilágyi: Autonomie und Integration: Vielheit in Einheit - Einheit in der Vielfalt (Annales, 2011., 63-70. o.)

Das Thema Einheit in der Vielfalt ist an sich zu allgemein, denn jedes Seiende ist aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt, jedes Seiende stellt eine Einheit in der Vielfalt dar. Hier geht es natürlich um das Problem der politischen Einheit, welches in sich auch die Frage nach dem Verhältnis von Autonomie und Integration beinhaltet. Das Problem der politischen Einheit ist ein uraltes Problem der politischen Philosophie und ihrer Nachbarwissenschaften, jedoch ein Problem, das heutzutage eine besondere Aktualität erhalten hat. In meinem Beitrag möchte ich mich mit der Frage beschäftigen, wie diese Problematik im Zusammenhang mit der Globalisierung und der europäischen Integration verstanden und wie sie in der Literatur behandelt wird. Bevor ich mich darauf einlasse, halte ich es für zweckmäßig, zuerst bestimmte theoretische Voraussetzungen zu klären, und dann einen kurzen problemgeschichtlichen Überblick zu geben.

Jeder staatstheoretische Vortrag drückt eine allgemeine staatstheoretische Auffassung aus, bildet ein Teil dieser Auffassung, welche auf bestimmten Voraussetzungen beruht. Unter diesen Voraussetzungen stellen die zwei wichtigsten Gruppen diejenigen dar, die sich auf die Natur des Menschen und der Gesellschaft sowie auf den Gang der Geschichte beziehen. Ich bin mit der Auffassung einverstanden, dass es bis zu unserer Zeit in der Geschichte zwei entscheidende Wendepunkte gab, der eine war die Entstehung der Zivilisation und mit ihr die der staatlich organisierten Gesellschaften; der andere war die Entstehung des modernen Kapitalismus und des modernen Staates. Meiner Meinung nach stellt auch unsere Zeit einen solchen historischen Wendepunkt dar. Dies alles halte ich deshalb für wichtig vorauszuschicken, weil sie auch für die politische Einheitsbildung Wendepunkte darstellen.

Das Problem der politischen Einheit erschien schon in der griechischen Philosophie. Unter Umgehung einer differenzierenden Argumentation zwischen sozialen, ökonomischen und politischen Sachebenen plädierte Platon in der Politeia schematisch für Einheit und Harmonie. Andererseits erkannte Platon die Gefährdung der inneren Einheit durch die Ungleichverteilung des Eigentums zwischen Arm und Reich (Politeia IV 2). Aristoteles dagegen betonte die Relativität der politischen Einheit. Im Punkt der Einheitsbildung als Voraussetzung politischer Ordnung widersprach Aristoteles Platons Auffassung,

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wonach die politische Ordnung in einem größtmöglichen Maße eine Einheit sein solle (Politik 1261 a 15). Das politische Gemeinwesen ist seinem Wesen nach eine zahlenmäßige Vielheit. Die politische Forderung nach Einheit macht daher in Aristoteles' Augen eher in der Ordnung eines Haushaltes als in der Politik Sinn. Die Einheitsforderung gefährdet sogar die Politik: mit fortschreitendem Eins-Werden gleicht sie sich dem Haushalt an und damit auch der dem Haushalt (oikos) eigentümlichen, der despotischen Regierungsweise (Politik 1261 a I7ff.)

Das Problem der politischen Einheitsbildung war in dieser Zeit etwas einfacher. Das aus drei Gründen: erstens wegen des kleinen Territoriums und wegen der kleinen Bevölkerungszahl der griechischen Polis, zweitens weil die Traditionen der Gentilorganisation noch wirkten, und drittens weil die Einheitsbildung mit der Exklusion von Barbaren und Sklaven verbunden war. Im europäischen Mittelalter wurde die politische Einheit auch durch die einheitliche Konfession und die Kirche, sowie durch den ständigen Aufbau der Gesellschaft gesichert. Das Christentum hat die Exklusion prinzipiell abgelehnt, aber in Form der Ketzer-Verfolgung trotzdem ausgeübt. So wurde die frühere politische Einheit mit der Reformation aufgelöst.

Die entscheidende Wende erfolgte mit der Entstehung des modernen Staates, mit der Anerkennung der formalen Rechtsgleichheit. Die bald herrschende liberale Auffassung hat die Autonomie der rechtlich gleichen Individuen anerkannt und betont und gleichzeitig hat sie die verschiedenen sozialen Bedingungen der Verwirklichungsmöglichkeiten dieser Autonomie zur Kenntnis genommen. Ein weiterer wesentlicher Moment war und ist für die politische Einheitsbildung unter Umständen derjenige Gedanke der Volkssouveränität des modernen Kapitalismus, der das Problem der Einheit aus Vielfalt nachdrücklich aufgeworfen hat, so bezüglich der Einheit, d.h. bezüglich der Souveränität, wie bezüglich der Vielfalt, d.h. bezüglich des Volkes. Notwendigerweise ist die Frage nach der Repräsentation aufgekommen, und es wurde klar, dass die politische Einheitsbildung auch technische Probleme aufweist.

Bei der Darstellung dieser Problematik spielte Hobbes eine ausschlaggebende Rolle. "Der Leviathan verlangt die Ungeteiltheit der Souveränität. Sie kann entweder beim Monarchen oder bei einer Versammlung liegen, eine Machtteilung oder Gewaltenmischung zwischen Personen und Institutionen ist in Hobbes' Augen bereits logisch ausgeschlossen. Er definierte die Repräsentation als Prozess, der aus einer Menge von Individuen eine organisierte politische Person macht, die zu einem Allgemeinwillen mit allgemeinverbindlichen Entscheidungen befähigt wird. [...] Die Repräsentationstheorie von Hobbes hatte sich kontinuierlich von De Cive zum Leviathan fortentwickelt. Hobbes knüpfte

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in De Cive an die Lehre der monarchomachischen Volkssouveränität an und unterschied wie diese zwischen populus und multitudo. [...] Laut Hobbes besteht die Aufgabe darin, aus einer Menge ein Volk zu machen. Als Volk herrscht es immer, selbst in einer Monarchie. Aber es kann immer nur vermittelt herrschen, sei es durch den Willen des Monarchen oder durch die Versammlung der Repräsentanten. Insofern sind es die Repräsentanten, die aus der Menge eine politische Einheit, d.h. in dieser Terminologie: ein Volk hervorbringen, ungeachtet der verschiedenen Formen der Repräsentation."[1]

Die politischen Kämpfe und Bewegungen (nationale Bewegungen, Arbeiterbewegung) im 19. Jahrhundert machten offenbar und bewusst, dass auch die Nationen und die gesellschaftlichen Klassen eigenartige politische Einheiten, politische Subjekte sind. Diese politischen Kämpfe haben die Alternative aufgeworfen: Exklusion oder Inklusion, Unterwerfung gar Vernichtung oder Kompromiss. Die Politik der Kompromisse führt zur Anerkennung eines bestimmten Maßes der Autonomie, das auch die Frage nach dem Subjekt der Autonomie und seiner Rechtssubjektivität aufwirft.

Es ist kein Zufall, dass das Problem der Einheit des Staates und das der politischen Einheitsbildung ein zentrales Thema für die Staatslehre der Weimarer Republik bedeutet. In dieser Zeit sind theoretische Auffassungen entstanden, welche auch bei der Analyse der heutigen Lage lehrreich sind. Infolge der Besonderheiten der deutschen Geschichte konnte und sollte diese Staatslehre mit der Illusion abrechnen, dass die politische Einheitsbildung in der liberalen Demokratie wesentlich gelöst sei, und nur technische Probleme geblieben sind. Ich bin mit Marcus Llanque einverstanden, der über Schmitt, Smend und Heller wie folgt geschrieben hat: "Die Betonung des Politischen bei allen dreien hieß daher zunächst und zumeist Ablehnung einer ausschließlich sachtechnischen Behandlung des Problems der Einheitsbildung: weder ökonomische noch bürokratische Rationalität durften das Politische ersetzen."[2] Diese theoretische Feststellung gilt mehrfach für die politische Einheitsbildung in der Europäischen Union.

Ich möchte mich noch kurz mit der politischen Einheitskonzeptionen der drei genannten Staatstheoretiker und mit der Kelsens beschäftigen. Die immer noch einflussreiche Konzeption von Carl Schmitt ist meiner Meinung nach lehrreich,

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aber nicht mehr relevant. Seine antipluralistische Auffassung ist heute politisch unannehmbar, und theoretisch ist sie auf falschen Voraussetzungen aufgebaut. Mit den Worten von Marcus Llanque: "Schmitt ging soweit, einen grundsätzlichen Gegensatz zwischen Liberalismus und Demokratie zu postulieren: die Idee des Rechtsstaates zum Zwecke des Schutzes der individuellen Rechtssphäre sah er als klassischen Ausdruck des Liberalismus und nicht als genuinen Bestandteil der Demokratieidee, welche Schmitt mit Bezug auf Rousseau als Identität von Regierenden und Regierten definierte. Die von Schmitt als Kennzeichen der Demokratie bezeichnete Identität wird durch substantielle Homogenität gewährleistet, die in einem Volk vorliegen muss, damit seine politische Einheit möglich wird. In der Gegenwart erkennt Schmitt in der Nationalität die Substanz dieser Homogenität. Die Folge ist, dass die Logik der demokratischen Substanzsicherung es verlangt, das "Heterogene" auszuschalten, notfalls zu vernichten - in diesem Falle die nationalen Minderheiten (Geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus 1926). Schmitt meinte, die Substanzsicherung eines Volkes liege außerhalb der Horizonte der liberalen Denkwelt."[3]

Was die falschen theoretischen Voraussetzungen anbelangt, möchte ich zwei Punkte erwähnen. Erstens nimmt Schmitt die Ordnung als hierarchische Herrschaftsordnung an, was den Erfordernissen der heutigen Lage nicht entspricht. Zweitens meint er, die politische Einheit des Volkes gehe der Verfassung voran, d.h. die politische Einheit sei gegeben, und nicht aufgegeben. Darüber hinaus setzt diese politische Einheit eine substanzielle Homogenität voraus, die in einem Volk vorliegen muss. Daraus folgt, dass ein europäisches Volk der politischen Einheitsbildung auch in der EU vorangehen muss. Dieser falschen Voraussetzung gibt die Tatsache Relevanz und Aktualität, dass sie sich gelegentlich auch in maßgebenden Meinungen ausdrückt. In diesem Zusammenhang hat Böckenförde in seinem Beitrag "Die Zukunft politischer Autonomie" Folgendes geschrieben: "Zum anderen haben die Europäischen Gemeinschaften als ihre Grundlage derzeit weder ein europäisches Volk noch eine Nation der Europäer."[4] Robert Chr. van Ooyen hat auf diese Schmittsche Voraussetzung bezüglich des Maastricht Urteils des Bundesverfassungsgerichts auch hingewiesen.[5] Er hat Folgendes festgestellt: "So gesehen hat also der politische Status des Bürgers in einer Demokratie nichts

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mit dem - antipluralistischen - Begriff des "Staatsvolks" zu tun."[6] (S. 136.) Auf dieser Grundlage bevorzugt er die Konzeption Kelsens. Ich teile seine Meinung nicht. Diese Konzeption ist zwar mit den pluralistischen Auffassungen vereinbar, sie ist aber gleichgültig gegenüber den gesellschaftlichen Bedingungen der Rechtsordnung und der Demokratie.

Die Integrationslehre Rudolf Smends scheint auf den ersten Blick für die theoretische Grundlegung der politischen Einheitsbildung geeignet zu sein. Einige Elemente dieser Theorie sind für das Problem der politischen Einheitsbildung auf der europäische Ebene sehr lehrreich, vor allem die Beschreibung der funktionellen Integration. Gestatten Sie mir dazu zwei kurze Zitate. Das erste lautet: "Es handelt sich dabei überall um Vorgänge, deren Sinn eine soziale Synthese ist, die irgendeinen geistigen Gehalt gemeinsam machen oder das Erlebnis seiner Gemeinsamkeit verstärken wollen."[7] Die Relevanz und Aktualität dieser Feststellung sehe ich darin, dass jede politische Einheitsbildung auch eine mentale, sozialpsychologische Dimension hat. Diese bildet bei der politischen Einheitsbildung auf der europäischen Ebene das größte Problem, den engen Querschnitt. Das zweite Zitat lautet: "Es kommt für den letzten Sinn des Parlamentsstaats nicht darauf an, ob das Parlament überhaupt Beschlüsse fasst und ob es insbesondere gute Beschlüsse fasst, sondern darauf, dass die parlamentarische Dialektik innerhalb des Parlaments und in dem miterlebenden Staatsvolk Gruppenbildung, Zusammenschluss, Bildung einer bestimmten politischen Grundhaltung herbeiführt."[8]

Die Relevanz und Aktualität dieser Feststellungen sehe ich darin, dass sie die Aufmerksamkeit darauf richtet, dass die integrierende Funktion bei dem Europäischen Parlament noch fehlt. Das halte ich für ein Strukturproblem. Die Rolle der Parlamente beschränkt sich nicht auf die Gesetzgebung und die politische Kontrolle der Regierung, sondern sie spielt eine wichtige Rolle auch in der Herausarbeitung und der Aushandlung der politischen Kompromisse. Diese Funktion fehlt noch beim Europäischen Parlament, was die weitere Stärkung oder Vertiefung der Europäischen Integration verhindert. Daraus folgt das Problem, wie dieser Mangel behoben werden kann.

Trotz allem hat die Integrationslehre einen großen Nachteil, und sie ist im Großen und Ganzen für die theoretische Grundlegung der politischen Einheitsbildung kaum geeignet. Das ist auf ihre antipluralistische Haltung zurückzuführen. Meiner Meinung nach ist für die theoretische Grundlegung der politischen

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Einheitsbildung auf der Ebene der Europäischen Union die Staatslehre von Hermann Heller am besten geeignet. Aus seiner Staatstheorie hebe ich hier nur drei Punkte heraus. Erstens: Hellers Theorie hat in der Frage der politischen Einheitsbildung ausdrücklich eine pluralistische Tendenz (dagegen nicht in der Frage der Souveränität). Er schrieb im Beitrag "Die Krise" der Staatslehre: "Allgemeine Staatslehre soll ... in den Mittelpunkt ihrer Untersuchungen jene Einheit in der Vielheit stellen, die das alle anderen Fragen mitsetzende Kardinalproblem unserer Disziplin bildet."[9]

Zweitens war Heller derjenige, der auf die Bedingungen der demokratischen Einheitsbildung hingewiesen hat, was auch vom Bundesverfassungsgericht im Maastricht Urteil angeführt wird. In seinem Beitrag "Politische Demokratie und Soziale Homogenität" schrieb er: "Das Volk als Vielheit soll sich selbst bewusst zum Volk als Einheit bilden. Ein bestimmtes Maß sozialer Homogenität muss gegeben sein, damit politische Einheitsbildung überhaupt möglich sein soll. . Von einer größeren oder geringeren sozialen Homogenität ist also die größere oder geringere Möglichkeit einer politischen Einheitsbildung abhängig. . Es gibt einen gewissen Grad von sozialer Homogenität, ohne welche eine demokratische Einheitsbildung überhaupt nicht mehr möglich ist. . Soziale Homogenität kann aber niemals Aufhebung der notwendig antagonistischen Gesellschaftsstruktur bedeuten. Soziale Homogenität ist immer ein sozialpsychologischer Zustand, in welchem die stets vorhandene Gegensätzlichkeit und Interessenkämpfe gebunden erscheinen durch ein Wirbewusstsein und -Gefühl."[10] Der dritte Punkt besteht darin, dass Heller in seiner Staatslehre dem Recht eine bedeutende Rolle zugeschrieben hat, woraus die Frage folgt, welche rechtlichen Formen und Regelungsmethoden die politische Einheitsbildung fördern können. Meiner Meinung nach führt diese Frage zur Konzeption des reflexiven Rechts und zur rechtlichen Anerkennung der Autonomien.

Bei der Behandlung der politischen Einheitsbildung in der Europäischen Union möchte ich davon ausgehen, dass ich eine Analogie zwischen der Entstehung des modernen Staates und dem Prozess der Europäischen Integration sehe, mit bestimmten Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten. In beiden Fällen hatte bzw. hat die Entwicklung drei Dimensionen, die wirtschaftliche, die politische und die mentale - geistige - sozialpsychologische Dimension. In der wirtschaftlichen Dimension ist die Erweiterung der Märkte ähnlich verlaufen, in den anderen Dimensionen dominieren die Verschiedenheiten.

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Der moderne Staat konnte wegen des vom Feudalismus zum Kapitalismus führenden Übergangs nur als starker und souveräner Staat zustande kommen. Die europäische Integration bedarf aber keiner Souveränität, was die Anerkennung der Autonomien erleichtert. Ein wichtiger Unterschied ist, dass im Fall der europäischen Integration die Stärkung, Vertiefung oder Institutionalisierung der politischen Einheit dann auf die Tagesordnung kommt, wenn die Bedeutung der globalen Ebene und ihrer Organisationen wächst. In der frühen Neuzeit stärkte die Ordnung der zwischenstaatlichen Verhältnisse, die sog. westfälische Ordnung, diejenigen innenpolitischen Prozesse, die den modernen nationalen Staat befestigten. Heutzutage dagegen hindern die globalen Vorgänge unmittelbar und in kurzer Zeit die europäische politische Integration.

Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass die wirtschaftlichen und politischen Vorgänge, die zum modernen Staat führten, in der Zeit parallel oder fast parallel erfolgten. Bei der europäischen Integration folgen aber die politischen Vorgänge nur den wirtschaftlichen nach. Der größte Unterschied ist in der mentalen-geistigen Dimension zu sehen. Jede politische Einheitsbildung hat zwei Seiten, die der Inklusion und der Exklusion, d.h. wen und wie fasst es zusammen, bzw. wen und wie schließt es aus. Im modernen Staat erfolgte dieser Vorgang mit Hilfe des nationalen Bewusstseins und des Nationalismus, im Fall der europäischen Integration fehlen aber die entsprechenden geistigen Inhalte und Vorstellungen.

Im globalen Wettbewerb ist es erforderlich die wirtschaftliche Integration weiter zu vertiefen, die gemeinsame Währungspolitik und die staatliche Haushalts- und Sozialpolitik zu koordinieren, was ohne Vertiefung der politischen Integration unmöglich ist. Die weitere erfolgreiche politische Integration hängt jedoch von geistigen - sozialpsychologischen Bedingungen ab, was die Erhaltung der nationalen Identitäten und die Anerkennung der bestimmten Autonomien, vor allem die der Autonomien der nationalen Minderheiten, verlangt. Wenn die notwendige soziale Homogenität ein - zwar von den objektiven Bedingungen nicht unabhängiger - sozialpsychologischer Zustand ist, folgt daraus die Notwendigkeit der Kompromisse, die erst Toleranz, dann Autonomie verlangen.

Einige Auffassungen, vor allem diejenige, die sich selbst gern national oder antiglobalistisch nennen, betrachten den souveränen Nationalstaat als einzigen und absoluten Ausgangspunkt, und behandeln aus diesem Gesichtspunkt sowohl die europäische Integration als auch die globalen Verflechtungen mit gleicher Skepsis und Ablehnung. Meiner Meinung nach liegt die grundlegende Grenze - eben aus dem Gesichtspunkt der nationalen Interessen - zwischen den europäischen und globalen Ebenen. Schon im Jahr 1927 hat Her-

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mann Heller in seinem Buch "Souveränität" Folgendes geschrieben: "Demgegenüber lässt sich sehr wohl die Frage aufwerfen, ob der Kulturindividualismus der europäischen Nationen heute nicht gerade durch ihren politischen Individualismus in seiner Existenz bedroht ist und allein durch einen souveränen europäischen Bundesstaat gerettet werden kann."[11] Mit dieser Erklärung bin ich einverstanden, mit jener Änderung, dass heute die europäische Kultur und die europäischen Nationen durch eine politische Integration gerettet werden können. ■

ANMERKUNGEN

[1] Llanque, Marcus: Politische Ideengeschichte - ein Gewebe politischer Diskurse, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2008 S. 216.

[2] Llanque, Marcus: Die Theorie politischer Einheitsbildung in Weimar und die Logik von Einheit und Vielheit (Rudolf Smend, Carl Schmitt, Hermann Heller) In: Metamorphosen des Politischen: Grundfragen politischer Einheitsbildung seit den 20er Jahren (Hrsg. Andreas Göbel, Dirk van Laak, Ingeborg Villinger) Akademie Verlag, 1995 S. 160.

[3] Llanque, Marcus: Politische Ideengeschichte - ein Gewebe politischer Diskurse, S. 423.

[4] Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Die Zukunft politischer Autonomie. Demokratie und Staatlichkeit im Zeichen von Globalisierung, Europäisierung und Individualisierung. In: Böckenförde, Staat, Nation, Europa. Studien zur Staatslehre, Verfassungstheorie und Rechtsphilosophie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1999 S. 125.

[5] Van Ooyen, Robert Chr., Politik und. Verfassung. Beiträge zu einer politikwissenschaftlichen Verfassungslehre. VS Verlag für Sozialwissenschaften 2006, S. 132-134.

[6] Van Ooyen, Robert Chr., Politik und Verfassung. S. 136.

[7] Smend, Rudolf, Verfassung und Verfassungsrecht, 1928, S. 33.

[8] Smend, Rudolf, Verfassung und Verfassungsrecht, 1928, S. 39.

[9] Heller, Hermann, Die Krise der Staatslehre, In: ARSS Bd.55. (1926) S. 316.

[10] Heller, Hermann, Politische Demokratie und soziale Homogenität, In: Probleme der Demokratie, erste Reihe, Dr. Walther Rothschild, Berlin-Grunewald 1928, S. 40.

[11] Heller, Hermann, Die Souveränität. Ein Beitrag zur Theorie des Staats- und Völkerrechts, Berlin und Leipzig 1927, Walter de Gruyter & Co. S. 176.

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