Am 27. Februar 1989 traf Prof. Georg Brunner[1] in Budapest ein, wohin er von der ungarischen Regierung eine Einladung als Experte des deutschen und ungarischen Rechts zu Vorträgen und Besprechungen erhalten hatte. Sicher stand er schon länger mit den ungarischen Kollegen in Verbindung, denn er war zweisprachig aufgewachsen und somit mit der ungarischen Sprache vertraut. Ich hatte eine ungarische Juristendelegation auf der Pariser Tagung im Jahre
1988 kennen gelernt als Teilnehmer am Internationalen Kongress der Gesellschaft für Gesetzgebung, die auch vom französischen Senatspräsidenten empfangen wurde. Dort hatte ich mit den bis dahin unbekannten ungarischen Tagungsteilnehmern vereinbart, möglichst umgehend eine Konferenz oder ein Symposium zu organisieren, an welchem eine gleiche Zahl von ungarischen und deutschen Experten des öffentlichen Rechts, vor allem des Verfassungsrechts, teilnehmen sollten. Zur Vorbereitung dieser Konferenz reiste ich im September 1988 nach Pécs, um die Einzelheiten mit Prof. Antal Ádám zu besprechen.
Unabhängig davon hatte das Forschungszentrum der ungarischen Akademie der Wissenschaften Herrn Brunner am 18. Oktober zu dieser Forschungsreise eingeladen, wohl um von seinen hervorragenden Kenntnissen des deutschen und des ungarischen Rechts, aber auch seiner Beherrschung der ungarischen Sprache einen besonderen Fortschritt und eine besondere Aufklärung anstehender juristischer Fragen des öffentlichen Rechts erhalten zu können. Dabei wurden zwei Hauptthemen ihm gestellt: Praktische Probleme beim Verfahren der modernen Verfassungsgerichtsbarkeit und die Behandlung verfassungs-friedlicher politischer Parteien.
Dies alles hatte mir Prof. Brunner schriftlich mitgeteilt, als er von seiner Ungarntagung und Reise zurückkam, wohl da er wusste, dass wir im Mai 1989 unsere eigene Tagung in Budapest durchführen wollten und schon kurz vor der Realisierung dieses Planes standen. Wir waren wohl auch für die ungarischen Regierungsstellen weniger problematisch, da die deutschen Referenten, wie sie nachstehend aufgeführt werden, sich bisher mit wenigen Ausnahmen, nicht mit Ungarn beschäftigt hatten. Eine solche Ausnahme bildete der Marburger Ordinarius für öffentliches Recht Prof. Gerhard Hoffmann, der auf der Grundlage der Zusammenarbeit mit Prof. Ottó Bihari und Prof. Mihály Szotáczky bereits den Ehrendoktor der Universität Pécs erhalten hatte, weil er für die Betreuung ungarischer Studenten, vor allem an der Universität Marburg/Lahn, sich sehr aktiv und erfolgreich eingesetzt hatte.
Prof. Brunner hatte zwei wichtige Vortrags- und Besprechungstermine, einmal an der staats- und rechtswissenschaftlichen Universität Budapest und einen zweiten am ungarischen Justizministerium. Er konnte aber auch an einer nichtöffentlichen Sitzung des kulturwissenschaftlichen Ausschusses des Parlaments teilnehmen, an einer Sitzung, in welcher es um die Neufestlegung der ungarischen Staatssymbole in der Verfassung ging. Er bemerkte in jenem Schreiben an mich und seine an Ungarn interessierten Kollegen, dass ohne Zweifel die ungarische Verfassungsreform im Zentrum aller Diskussionen stehe. Anfang des Jahres 1989 hatte das Justizministerium schon seine Konzeption niedergelegt und dem Parlament und der Öffentlichkeit zur Diskussion überreicht. Inhalt dieser Konzeption waren folgende Punkte.
1) Betonung der zentrale Stelle der Garantie der Menschenrechte einschließlich der Beachtung internationaler Menschenrechtsabkommen,
2) Übernahme eines allgemeinen Auffanggrundrechts, wohl in Anlehnung an die Bestimmung des Art. 2 Abs. l des deutschen Grundgesetzes,
3) Garantie der Gewaltenteilung anstelle der bisherigen Festschreibung der Gewalteneinheit des Staates,
4) Beseitigung der Garantie der sog. "Führenden Rolle der Partei",
5) Festschreibung der Garantie des Mehrparteiensystems,
6) Vorwegnahme einer Regelung der Parteien durch ein Parteiengesetz vor Inkrafttreten der Verfassung für den Sommer 1989,
7) Beseitigung eines Bekenntnisses zur Festschreibung einer "sozialistischen Verfassungsnorm" und Einführung eines Staatspräsidenten,
8) Einführung eines Kabinettssystems mit Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament,
9) Einführung der Richtlinienkompetenz für den Vorsitzenden des Kabinetts.
Außerdem sollte ein Verfassungsgericht eingeführt werden, das auch die Aufgaben der Nor-
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menkontrolle haben sollte. Das Verfassungsgericht sollte auch eine Kompetenz für Beschwerden der Bürger haben und daneben sollte der Verfassungsgerichtshof durch die Verfassung garantiert werden. Anschließend wurde alternativ das Einkammeroder Zweikammersystem vorgeschlagen, wobei man die zweite Kammer durch die Einführung von Korporationsvertretungen strukturieren wollte. Die Aufgaben der Staatsanwaltschaft, die bisher sehr ausgeprägt waren, sollten beschnitten werden und eine allgemeine Staatsaufsicht durch sie sei abzuschaffen. Bei den Staatssymbolen, die vorher schon erwähnt wurden, wollte man zu den historischen und traditionellen Symbolen zurückkehren. Der Staat sollte nicht mehr als "Volksrepublik" bezeichnet werden, sondern nur noch als Republik. Und die Verwaltungsgerichtsbarkeit sollte zusammen mit der ordentlichen Gerichtsbarkeit garantiert werden.
Natürlich gab es auch Vorschläge zur Änderung der Wirtschaftsverfassung, insbesondere hinsichtlich der GmbH, der OHG und anderer juristischer Personen des Wirtschaftsrechts, um sich aus der Klammer des staatlichen Wirtschaftssystems lösen zu können. Interessant war, dass Prof. Brunner in seinem Bericht erwähnte, dass die ungarische Öffentlichkeit sich hinsichtlich der Machbarkeit und Durchführbarkeit dieser Vorschläge wegen Gorbatschow Hoffnung machte, selber aber nicht daran glaubte, dass Gorbatschow Erfolg haben würde, ja man glaubte, dass in Ungarn durch einen "Polizeiputsch" die Lage wieder rückgängig gemacht werde, die man bisher erreicht habe.
Unser Kolloquim, das wir im Mai kurz nach dem Besuch von Prof. Brunner in Budapest durchführten, und an dem die gleiche Zahl ungarischer und deutscher Hochschullehrer teilnahm, hatte sich auf die öffentlich-rechtlichen Probleme, insbesondere die Probleme der Verfassung und des Wahlrechts, beschränkt und dadurch auch den Vorteil gehabt, durch die entsprechende Konzentration der Verbindung und Übereinstimmung mit ungarischen Experten eine stärkere Wirkung auf die Öffentlichkeit zu haben.
1990 erschien in Deutschland die Veröffentlichung eines Kolloquiums in Budapest unter dem Titel "Die Verfassung als Katalysator zwischen Gesellschaft und Staat". Das Kolloquium fand ein Jahr zuvor am 18.-19. Mai statt. Die Teilnehmer wurden ungarischerseits vom Stellvertreter des Justizministers Prof. Géza Kilényi begrüßt. Auch der deutsche Botschafter in Ungarn, Dr. Alexander Arnot, gehörte zu den Rednern der Eröffnung des Kolloquiums, das von Graf Westerholt, dem gerade ernannten Direktor des GoetheInstitutes, organisiert worden war. Ungarische und deutsche Staatsrechtslehrer trafen sich auf diesem Kolloquim in Budapest, auf dem "sowohl die neuesten ungarischen Entwicklungen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts unter besonderer Hervorhebung des Verfassungsrechts dargestellt und diskutiert wurden, als auch eine kritische Bestandsaufnahme der Verfassungserfahrungen aus damaligem Anlass des 40-jährigen Bestehens des Grundgesetzes auf bundesdeutscher Seite erfolgten."
Diese knappen Worte der Herausgeber Prof. Antal Ádám und Prof. Heinrich Scholler sagen nicht viel über die spannungsreiche Situation, in welcher diese erste Tagung eines freiheitlichen Gedankenaustausches zwischen Staatsrechtlehrern Ungarns und Deutschlands (noch Westdeutschlands) stattfand, aus. Vorbereitet wurde die Tagung im Herbst 1988 in Pécs bei einem Wiedersehen zwischen Prof. Ádám und mir. Die Berliner Mauer war noch nicht gefallen und Ungarn hatte noch nicht die berühmte Grenzöffnung durchgeführt, durch welche zehntausender deutscher Touristen in den Westen strömten.
Der labilen und ins Wanken geratenen ungarischen Öffnung stand die Feier der 40-jährigen Stabilität, die durch das deutsche Grundgesetz erreicht worden war, gegenüber. In zwei Buchbesprechungen wurden die Beiträge der ungarischen Kollegen besonders unter dem Gesichtspunkt des raschen und grundsätzlichen politischen Wandels wie folgt hervorgehoben.
"Die ungarischen Autoren äußerten sich zu Entwicklungstendenzen des ungarischen Verfassungslebens (Antal Ádám), zu aktuellen Problemen der Freiheitsrechte in Ungarn (Lajos Szamel), zur Entwicklung des ungarischen Wahlrechts und seinen Perspektiven (Péter Schmidt), zu den zentralen Organen des Justizwesens und der Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit (Imre Takács), zur regionalen Selbstverwaltung (Imre Verebélyi) und zu Wurzeln und Entwicklungen des Parlamentarismus in Ungarn (Albert Takács)."[2] Im Nachfolgenden sollen nun schlaglichtartig einige zentrale Gesichtspunkte hervorgehoben werden.
In einer frühen internen Niederschrift, die offenbar dem inzwischen gegründeten Goethe-Institut und wohl auch der Hanns-Seidel-Stiftung in München vorgelegt werden sollte, habe ich die Referate der ungarischen Kollegen wiedergegeben, wohl um ihre Publikation in Deutschland vorzubereiten und um dazu den Finanzier, die "Münchner Südosteuropa Gesellschaft" zu gewinnen und auch die HannsSeidel-Stiftung für eine Teilnahme an der neuen Aufgabe zu interessieren. An dieser Stelle kann ich nur einige Aspekte hervorheben. Referent Prof. Szamel
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betonte, dass die geringen Ansätze zu Grundrechtsgarantien in der ungarischen Verfassung von 1949 nicht einmal den einfachsten Anforderungen an die Grundrechte zu Beginn des 19. Jahrhunderts genügt hätten. So sei z.B. auch die Pressefreiheit als Zentrum der persönlichen Freiheit nur durch ministerielle innerdienstliche Anordnungen, nicht aber durch nach außen wirkende Grundrechtsgarantien gesichert worden. In diesem Zusammenhang geht die Tagung auch auf den Grundgedanken der sog. "Konkordanzdemokratie" ein, eine demokratische Form des Minderheitenschutzes, der vor allem von Althusius ausgehend in der Schweiz propagiert wurde. Durch das neue Wahlrecht sollte auch der politische Pluralismus öffentlich sichtbar gemacht werden, obwohl die Reformversuche im Herbst 1988 in Ungarn noch daran festhalten sollten, dass die sozialistische Partei eine führende Rolle zu spielen hätte. Im Laufe der Referate und Diskussionen wurde klargestellt, dass das neu vorgeschlagene Wahlrecht sich vor allem am deutschen Wahlrecht orientieren soll. Die verschiedenen Entwicklungsstufen in der weiteren Fortschreibung der ungarischen Verfassung wurden vor allem von Prof. Ádám herausgestellt, der, wie andere Referenten auch, betonte, dass über die revidierte Verfassung weitere Schritte zu einer völligen Neugestaltung des ungarischen Verfassungsrechts getan werden müssten, damit die tausendjährige ungarische staatsrechtliche rechtskulturelle Entwicklung adäquat wiedergegeben werden könne. Die Wiederherstellung dieses rechtsstaatlichen Verfassungsbildes müsse auch durch den Ausbau einer Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Neuschaffung einer Verfassungsgerichtsbarkeit abgerundet werden. Nur so könne Ungarn nach der Abtrennung aus Mitteleuropa wieder in den Kulturbereich hineingeleitet werden, dem es so lange angehört hatte. Für diese Rückbesinnung und Wiederherstellung des traditionellen Verfassungsgehalts müsse auch die Beziehung Staat und Kirche wieder neu geordnet werden, und zwar im Sinne einer Kooperation und Verständigung zwischen den beiden Größen und einer Gleichstellung zwischen den christlichen Konfessionen.
Die deutschen Teilnehmer sollen hier aus Raumgründen nicht weiter besonders hervorgehoben werden, doch muss unbedingt Prof. Hoffmann (Marburg) erwähnt werden, der im Jahre 1985 den Ehrendoktor der juristischen Fakultät der Universität Pécs erhalten hatte. Sein Referat bezog sich auf das Recht der politischen Parteien in Deutschland. Interessant ist, dass bei den übrigen deutschen Referenten die Verfassungsgerichtsbarkeit generell oder doch bezogen auf die Bundesrepublik im Mittelpunkt der Darstellung stand. So behandelte Prof. Engelbert
Niebler das Thema "Stellung und Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts der Bundesrepublik Deutschland", das von mir mit ähnlicher Thematik ergänzt wurde: "Das Bundesverfassungsgericht und sein System der Kontrolle in der Bundesrepublik Deutschland". Auch der damalige Privatdozent Otto Luchterhandt behandelte ein ähnliches Thema, wenn er sich mit der Rechtsstellung des Individuums aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts befasste. Dagegen hat Prof. Peter Lerche diesen engeren Kreis der verfassungsgerichtlichen Betrachtung verlassen und sich generell mit der Entwicklung des Verfassungsrechts beschäftigt, denn sein Thema lautete: "Entwicklungstendenzen im gegenwärtigen Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland".
"Antal Ádám spricht von der weltweiten Erscheinung, dass sich die Spannungen zwischen Gesellschaft und Staat immer mehr vergrößern, dass die Bürger und die gesellschaftlichen Gemeinschaften nicht nur die Unverletzlichkeit ihrer Autonomie beanspruchen, sondern dass sie gleichzeitig auch nach der Beeinflussung und Kontrolle der Staatsorgane streben." Die beiden ersten Referate von Antal Ádám[3], dem späteren ungarischen Verfassungsrichter, und Lajos Szamel unterstrichen aus der negativen Erfahrung der eigenen Geschichte die Notwendigkeit genau garantierter Grund- und Menschenrechte und die Beschränkung der Ermessensgewalt des Polizeistaats. Ádám hat sich damals schon in seinem Referat mit der besonders wichtigen Grundsatzfrage der Religionsfreiheit[4] und der Situation der Kirche in Ungarn beschäftigt. Diese Thematik verbindet ihn auch mit Fragestellungen, die den Berichterstatter vor allem aus deutscher Sicht immer wieder beschäftigt haben.[5] Im gleichen Jahre 1989 und im Jahr zuvor hatte Ungarn das Ein-Parteien-System gelockert und im Justizbereich bereits einen wesentlich höheren Grad an rechtstaatlicher und justizieller Absicherung erlangt, worauf die Referate von Péter Schmidt und Imre Takács eingegangen sind. In Fortführung des Referates von Péter Schmidt hat Albert Takács die Entwicklung des ungarischen Parlamentarismus dargestellt und hier den Anfang der Wende in Ungarn im Jahre 1985 gesehen, in dem Jahr, in welchem Michail Gorbatschow in der ehemaligen UdSSR das Amt des Parteisekretärs der KPdSU übernahm. Hieran erkennt man deutlich, dass das Kolloquium im Jahre 1989 die neue geistige Strömung zu einem sehr frühen Zeitpunkt aufnahm, in welchem die bekundeten Hoffnungen und Pläne noch keineswegs als gesichert angesehen werden konnten. Die deutschen Teilnehmer und die Rezensenten der Veröffentlichung des Tagungsbandes "Die Verfassung als Katalysator zwischen Staat und Gesellschaft" haben die hohen Erwartungen des
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Kolloquiums, wonach sich "der Wille zur Macht zum Willen zur Verfassung"[6] (S.99) in Ungarn zähmen würde, hoffnungsvoll aufgenommen. Während des Kolloquims haben wir allerdings nicht nur Zweifel, sondern untereinander auch Ängste im Hinblick auf die Zukunft des ganzen Ostens geäußert.
Interessant ist, dass im Rahmen des Kolloquims auch die Fragen von Peter Lerche behandelt wurden, die sich aus der Öffnung der Europäischen Gemeinschaft ergeben haben; natürlich konnte niemand wissen, dass auch der Gastgeber Ungarn ca. 15 Jahre später selbst Mitglied der Europäischen Union werden sollte. Die Tagung fand eine sehr positive Aufnahme in den beiden dem Berichterstatter bekannten Rezensionen (Jürgen Harbich, APF, April 1991 und Engelbert Niebler, BayVBl 1990, 11). Das Goethe-Institut in Budapest hat die Tagung finanziert und die Drucklegung im Rahmen der SüdosteuropaGesellschaft ermöglicht. Als der Berichterstatter den ersten Kontakt ein Jahr vor dem Beginn der Tagung mit dem Münchener Zentralinstitut aufnahm, war das damals westdeutsche Goethe-Institut nicht einmal in Ungarn zugelassen. Mehr als der Optimismus der deutschen Seite war aber die Zukunftshoffnung und der Mut der ungarischen Kollegen allgemein im Westen bewundert worden.
Eine wichtige - und zwar die zweite - Konferenz fand im Juni 1990 in Winterscheid statt, in der deutsche und ungarische Fachleute die Probleme des konstitutionellen Schutzes der Menschen- und Bürgerrechte untersucht haben. Das Material der Konferenz erschien 1991 in München unter dem Titel "Politischer Pluralismus und Verfassungsstaat in Deutschland und Ungarn".
1991 ist in der Redigierung von Antal Ádám und László Kiss der Band "Elvek és intézmények az alkotmányos jogállamban" (Prinzipien und Institute im Verfassungsstaat) erschienen, in dem Beiträge von Antal Ádám, Georg Brunner, Ferenc Csefkó, Gerhard Hoffmann, Imre Ivancsics, Géza Kilényi, László Kiss, Hartmut Krüger, József Petrétei, Klaus Stern, Ferenc Sükösd, Peter Weides in ungarischen Sprache zu lesen sind.
Angeregt durch die intensive Betätigung von Prof. Ádám hinsichtlich des neu zu ordnenden Verhältnisses von Kirche und Staat habe ich auch selbst diese Problematik wieder aufgenommen. Sie war ja schon zu Beginn meiner akademischen Tätigkeit ein Thema meiner Münchener Promotion[7] gewesen und ich hatte mich damit unter dem Gesichtspunkt der Neuinterpretation der Gewissensfreiheit auch später immer wieder beschäftigt. In der Schrift aus dem Jahre 1962[8] habe ich versucht, Gewissensfreiheit nicht als besonderes, wenn auch fundamentales Menschenrecht (Carl Schmitt) zu begreifen, sondern sie als durchgehendes Strukturprinzip zu verstehen. Durch meine später in Ungarn gewonnenen Erfahrungen, kam ich zur Einsicht, dass die in Ungarn registrierten Kirchen nicht als Körperschaften des öffentlichen Rechts anzusehen sind. Infolge der in der ungarischen Verfassung von 1989 festgelegten strengen Trennung zwischen Kirche und Staat genießen die Kirchen eine weitläufige Autonomie, und können mit den Organen des weltanschaulich neutralen Staates in partnerschaftliche Beziehung treten.
Da das gleiche Problem auch in der vom kommunistischen Herrschaftsdruck befreiten Mongolei in Bezug auf den wiedererstandenen Lamaismus akut geworden war, organisierte ich ach in Ungarn eine Konferenz zu diesem Thema, an der ein hoher Vertreter des mongolischen Lamaismus teilnahm. Die ungarische Erfahrung wirkt zurzeit im fernen Osten also positiv weiter. Dr. Jürgen Harbich, mit dem ich später auch in der Mongolei an Entwicklungs- und Transitionsprojekten arbeiten konnte, hat ebenfalls an den Seminaren und Beratungen zur Modernisierung des ungarischen Rechts aktiv teilgenommen.
Zum ersten Mal waren wir dann gemeinsam mit Dr. Werner Seebauer zu einer kommunalrechtlichen Tagung in Budapest, die von einer Initiative des bayerischen Innenministeriums ins Leben gerufen wur-de.[9] Es folgte im selben Jahr eine Wiederholung der Tagung mit dem gleichen Thema am Plattensee.
Nach weiteren Tagungen haben wir anlässlich des 70. Geburtstages von Prof. Ádám in Pécs zwei weitere Vorträge zum öffentlichen Recht gehalten.[10] Auch aus Anlass des 80jährigen Bestehens der Staats- und Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Pécs hat Dr. Harbich einen Vortrag zum Thema Verwaltungsvertrag, ich selbst zum Staatsvertrag gehalten.[11] Zum 75. Geburtstag von Prof. Ádám haben wir wieder von uns hören lassen und in der dem Jubilar gewidmeten Festschrift "Adamante Notare" zu den Themen Verfassungsbeschwerde und Grundrechtscharta Beiträge geliefert.[12]
Die Verfassung blieb weiterhin Thema von internationalen oder binationalen Konferenzen, so gab es eine Konferenz verfassungsrechtlicher Art im Jahr 1995 (bei welcher Prof. Schaffhausen aus St. Gallen referierte) zum Wahlrecht im Allgemeinen und zu dem neuen ungarischen Wahlrecht. Bei dieser Konferenz trug ich weniger das deutsche Wahlrechtssystem vor, sondern versuchte die Wahlrechtsdiskussion in Deutschland zwischen 1949, also dem Jahr des Inkrafttretens des Grundgesetzes, und der ersten
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gesamtdeutschen Wahl 1990 darzustellen. Die deutsche Wahlrechtsdiskussion hatte die Frage zum Kernpunkt, ob man das Verhältniswahlrechtssystem oder das Persönlichkeitswahlrechtssystem zugrunde legen sollte, oder ob man eine Mischform beider einzuführen hätte. An dieser Tagung nahmen sieben der neun ungarischen Verfassungsrichter teil und es mag hier erlaubt sein zu bemerken, dass vier von ihnen mit einem Humboldt-Stipendium in Deutschland studiert hatten. Ein weiterer Diskussionspunkt war die Frage, ob die Verfassung über eine zweite Kammer verfügen sollte, und ich glaubte nicht, dass es falsch oder ahistorisch war, einen solchen Standpunkt nach bayerischem Vorbild zu vertreten, denn in Ungarn hatten die Komitate und die kommunalen Organisationen einen großen Einfluss auf das Staatsganze gehabt und sollten daher auch ein Mitwirkungsrecht erhalten. Trotz der Beseitigung des bayerischen Senates ist es als Mangel zu empfinden, wenn die entscheidenden gesellschaftlichen und kommunalen Kräfte keine Vertretung in einer zweiten Kammer haben.
Im Rahmen der von mir ins Leben gerufenen sogenanten Mittwochsreferaten in Budapest, die auf ungarischer Seite von Verfassungsrichter Kilényi und dem Leiter des Regionalbüros der HSS, Freiherr von Solemacher, organisiert wurden, hat Harbich 1995 ebenfalls einen Vortrag zum Thema der Normenkontrolle nach § 47 der deutschen Verwaltungsgerichtsordnung gehalten. Diese Mittwochsreferate fanden immer zu höchst aktuellen Rechtsproblemen statt, zu deren Darstellung ich kompetente deutsche Experten mit zu einem Flug nach Budapest nahm, wo wir uns am frühen Nachmittag zu dem Referat trafen und bis in den späten Abend über das Thema diskutierten. Auf der ungarischen Seite hatte schon Kilényi dafür gesorgt, dass wir exzellente Gesprächspartner hatten. Einen gewissen Abschluss fand diese Tätigkeit in meiner Berufung in den provisorischen wissenschaftlichen Beirat zur Gründung einer deutschsprachigen Universität in Ungarn, dessen konstituierende Sitzung am 3. Dezember 2000 stattfand mit einem Referat von mir zur Gründung einer "staatswissenschaftlichen" Fakultät.
Es ist zu bemerken, dass auch Prof. Ádám mehrere Gastvorträge gehalten hat, und zwar in München, Marburg, Bayreuth und Köln.
1. Das verfassungsrechtliche Symposium am 9.-10. September 1993 in Budapest wurde von ungarischer Seite von Verfassungsrichter Professor Ádám und von deutscher Seite von Professor Brunner, Köln, vorbereitet. Es war das dritte Symposium dieser Art.
Die Referate dieses verfassungsrechtlichen Symposiums wurden von Antal Ádám redigiert und von der Hanns-Seidel-Stiftung in ungarischer Sprache herausgegeben.[13] Es wurden von deutscher und ungarischer Seite folgende Referate gehalten.
Gestaltung der Grundrechte in der Verfassung. Referenten: Verfassungsrichter Prof. Dr. Ádám (Pécs), Prof. Dr. Klein (Mainz). Themenfelder und Probleme: Es wurden als aktuelle Grundrechtsfragen Probleme diskutiert, die Spezialgrundrechte und Auffanggrundrechte, subjektive Garantien und Einrichtungsgarantien, sowie die Bedeutung der Sozialstaatsklausel (Staatszielbestimmung) betreffend. Außerdem wurde auch die Abstimmung der nationalen Grundrechte mit den europäischen und internationalen Grundrechten zum Gegenstand der Diskussion gemacht.
Entwicklungsrichtungen der Verfassungsgerichtsbarkeit. Referenten: Prof. Dr. Imre Takács (Budapest), Prof. Dr. Georg Brunner (Köln). Themenfelder und Probleme: Brunner gab einen Überblick über die Entwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit in Osteuropa und stellte die Realisierung des deutschösterreichischen Verfassungsgerichtsbarkeitsmo-dells dar. Er verwies darauf, dass zwischen den einzelnen Ländern große Unterschiede feststellbar seien. Nur Estland sei dem schwedischen Beispiel gefolgt. Takács stellte die Entwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit in Ungarn dar. Der bekannte ungarische Menschenrechtler hatte auch schon im Ausland große Aufmerksamkeit erhalten. In der Diskussion sprach einleitend das Mitglied des ungarischen Verfassungsgerichts Jenő Kaltenbach, der spätere Ombudsmann für nationale Minderheiten zum gleichen Thema und zur Frage, ob die Popu-larklage weiterhin aufrechterhalten werden sollte, um die Verfassungsmäßigkeit der Umwandlung zu garantieren.
Beziehungen zwischen Parlament, Staatsoberhaupt und Regierung im parlamentarischen Regierungssystem. Referenten: Prof. Dr. István Kukorelli (Budapest), Prof. Dr. Gerhard Hoffmann (Marburg). Themenfelder und Probleme: Der nächste Themenbereich befasste sich mit dem Verhältnis zwischen Exekutive und Parlament, vor allem unter dem Gesichtspunkt der parlamentarischen Verantwortlichkeit, dem Recht der Parlamentsauflösung und der Kompetenzreduktion des Staatspräsidenten. Prof. Hoffmann, der seit 22 Jahren immer wieder als Gastdozent in Ungarn Vorlesungen gehalten hat, sprach vor allem über die Entwicklung der Kanzlerdemokratie in Deutschland im Verhältnis zur gemischten Präsidialverfassung und dem parlamentarischen Regierungssystem, wie
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es in Frankreich der fünften Republik sich ausgeprägt hat. Er nahm Stellung gegen plebiszitäre Weiterentwicklungen des Grundgesetzes und stellte vor allem auch die Entwicklung der Parlamentsorgane, insbesondere des parlamentarischen Untersuchungsausschusses dar.
Probleme des Parlamentswahlrechts. Referenten: Verfassungsrichter Prof. Dr. Péter Schmidt, Dr. Márta Dezső, Dr. Zoltán Tóth (Budapest), Prof. Dr. Heinrich Scholler (München). Themenfelder und Probleme: Hinsichtlich des Wahlrechts wurden die Fragen untersucht, ob das Verhältniswahlrecht oder das Mehrheitswahlrecht oder eine Mischung beider Systeme wegen ihrer größeren Praktikabilität oder stärkeren demokratischen Affinität vorzuziehen sei. Aber auch spezielle Fragen wie die des Ausländerwahlrechtes, des Briefwahlrechtes, sowie des Nominierungsmonopols politischer Parteien wurden erörtert. Prof. Dr. Schmidt ging vor allem auf das Thema der Wahlbeteiligung von 50 Prozent als notwendige Voraussetzung für die Gültigkeit von Wahlen ein und wandte sich sehr dem Thema des Minderheitenschutzes in Ungarn zu. Ungarn verfügt über 13 Minderheiten, während in der Bundesrepublik die Minderheiten - nicht die Ausländer - nur eine marginale Größe in Schleswig-Holstein und in Sachsen ausmachen. Ich konnte in meinem Referat das Problem des Ausländerwahlrechts darstellen, betonte die Diskussion um Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht, die Fragen um die 5 %-Klausel und zeigte vor allem die Wirkung des bundesdeutschen Wahlrechts bei der ersten gesamtdeutschen Wahl am 2. Dezember 1990 anhand von Diagrammen.
Nach allen Vorträgen gab es intensive Diskussionen, bei denen sich die deutschen Referenten mehr als Antwortende und weniger als Fragende zu offerieren suchten. Die Diskussionsbeiträge bewegten sich ausnahmslos auf sehr hoher Ebene. In Ergänzung zu dem Referat von Professor Peter Schmidt sprach noch ein hoher Beamter des ungarischen Innenministeriums, Dr. Tóth, der einer Forschungsgruppe für Wahlrechtsfragen in Osteuropa angehört. Diese Forschungsgruppe umfasst bereits 7 Länder: neben Ungarn Rumänien, Bulgarien, Polen, die baltischen Staaten und Russland.
2. Das ungarische Verfassungsgericht hat nach Georg Brunner eine Vorreiterrolle in der Entwicklung der osteuropäischen Verfassungsgerichtsbarkeit gespielt, da es wohl die umfassendste Grundlage in der Verfassung, die 19 Artikel diesem Gegenstand widmet, umfasst. Diese ungarische Verfassung wurde im Rahmen einer Totalrevision im Oktober 1989 angenommen und die Aufnahme der verfassungsgerichtlichen Aktivität auf den 1. Januar 1990 festgelegt.[14]
In den ersten drei Jahren hatte man 5.627 Klagen zu entscheiden gehabt (1990 bis 1992). Unter diesen Klagen befanden sich ungefähr 4.500 Popularkla-gen, d.h. Klagen, die ähnlich wie in der bayerischen Verfassungsgerichtsbarkeit von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, in seinen Grundrechten verletzt zu sein. Allerdings wurden auch zwei Drittel aller Anträge wegen mangelnder Kompetenz des ungarischen Verfassungsgerichts abgewiesen, offenbar weil die Kläger oder Antragsberechtigten doch nicht im Klaren waren, welche Voraussetzungen das ungarische Recht für die Zulässigkeit postuliert hatte. Allerdings hat das Gericht in 573 Fällen eine Sachentscheidung getroffen, also die Zulässigkeit des Antrags bzw. der Klage bejaht und die Sachfrage entschieden. Dabei wurden in 153 Popularklagen Gesetze oder Verordnungen ganz oder teilweise aufgehoben. Die Tätigkeit des ungarischen Verfassungsgerichtshofs wurde zu einem entscheidenden Motor der Umorientierung in der politischen Diskussion, belebte die Wahrnehmung und die Bedeutung der zentralen Elemente von Rechtsstaat und Demokratie.
In diesem Zusammenhang darf auch auf zwei Veröffentlichungen hingewiesen werden, die Prof. Brunner schon nach Ablauf der ersten drei Jahre Rechtsprechung des ungarischen Verfassungsgerichtshofs in deutscher Sprache der Öffentlichkeit vorlegte, denn sie belegen das, was man auch die Entfaltung einer neuen Grundrechtsdogmatik in Ungarn genannt hat. Es sei hier erlaubt, auch auf die Entwicklung in Südosteuropa, insbesondere auf die Verfassungsgerichte in Slowenien und in Kroatien, hinzuweisen. Auch hier konnte der Verfasser, sei es auf direkter Einladung der entsprechenden Justizministerien oder der Obersten Gerichte, unmittelbar oder über die Vermittlung der Hanns-Seidel-Stiftung die Entwicklung der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit im Bund und den Ländern darstellen und auf Spezialfragen-Symposien und im Rahmen von Vorträgen eingehen. Eine besonders fruchtbare Kooperation entwickelte sich vor allem mit dem späteren Justizminister Sturm in Slowenien.
Am 08. 09. 1993 fing die Herbstreihe der Workshops wieder an. Im Oktober war ein weiteres WorkshopTreffen zum Thema Datenschutz geplant und im November und Dezember 1993 jeweils am ersten Mittwoch im Monat gleich geartete Veranstaltungen zu den Themen "Genossenschaftsrecht und Privatisierung".
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Eingeleitet wurde der Workshop vom Verfassungsrichter, Professor Imre Vörös, der die Sicherung des Eigentums in der neuen ungarischen Rechtsordnung in den Mittelpunkt seines Referates stellte. Diesem Vortrag folgte ein Referat von mir zum Thema "Die Bedeutung der Grundrechte für die Wirtschaftsverfassung im Grundgesetz". Ich zeigte oder versuchte zu zeigen, dass das Grundgesetz bewusst wirtschaftspolitisch offen und neutral geblieben war, da es sich ja auch als Provisorium fühlte. In den Grundrechten war aber von Anfang an eine klare Richtung - auch Marktwirtschaft -gegeben, die durch die Garantie des Sozialstaatsprinzips in Art. 20 GG den Charakter der sozialen Marktwirtschaft annahm. Insbesondere erwähnte ich die Rechtsprechung zu Art. 2 Abs. l GG, aus der die Vertragsfreiheit, die unternehmerische Freiheit, die Wettbewerbsfreiheit und andere Freiheitsrechte durch die Jurisdiktion entwickelt wurden. Die Beschäftigung mit Art. 2 Abs. 2 GG (körperliche Unversehrtheit) versuchte den Weg zu einem Grundrechtsschutz auf eine ökologisch angepasste Umwelt darzustellen. Anschließend wandte ich mich den Artikeln 12 (Berufsfreiheit) und Art. 14 GG (Eigentum) zu. Der Ministerialrat Dr. Manfred Pfeiffer (Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft) behandelte im Anschluss daran zum gleichen Thema das von mir ausgesparte Grundrecht Art. 9 Abs. 3 GG und stellte die Tarifautonomie und die Stellung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände in den Mittelpunkt. Er wandte sich dann vor allem dem magischen Viereck (Art. 109 GG) zu und versuchte, die Begriffe Vollbeschäftigung, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und Geldstabilität zu erörtern. Das genaue Thema seines Vortrages lautete "Grundgesetz und Wirtschaft".
Manfred Pfeiffer war ein Jahr lang im Wirtschaftsministerium in Dresden und hat dort an der Neuordnung des Wirtschaftsrechtes aktiv teilgenommen. Er hat auch große Erfahrungen mit dem Problem der Privatisierung. Im Anschluss an Pfeiffers Vortrag sprach auf Einladung der ungarischen Seite Professor Josef Kaiser, Freiburg, zum Thema "Probleme des Maastrichter Europa-Unions-Abkommens und der demokratischen Legitimation des Integrationsprozesses". Er stellte die Schwierigkeiten dar, die der Europa-Union durch die monetären Entscheidungen zur europäischen Währungsreform vom 31. Juli - 1. August 1993 entstanden sind. Gleichzeitig beschäftigte sich sein Referat mit Europa und völkerrechtlichen Problemen grenzüberschreitender Wasserwege. Das nicht vorgesehene Thema passte sich aber dann doch einigermaßen an den Gesamtrahmen an. In der Diskussion wurden folgende Probleme besprochen.
- Bedeutung des Umweltrechtes und Umweltschutzes für die Wirtschaftsverfassung (bezüglich meiner Ausführungen zu Art. 2 Abs. 2 GG),
- Die Rolle der Verfassungsgerichtsbarkeit auf dem Gebiet der Wirtschaftsverfassung, zur Berufswahlfreiheit und ihrem Verhältnis zum Wettbewerb und zur unternehmerischen Freiheit,
- Die Frage der sozialen Grundrechte (Recht auf Arbeit).
Anschließend konnte ich in einem Interview des ungarischen Rundfunks die Frage klären, warum sich in Ungarn stärkere liberale Tendenzen in der Wirtschaft durchzusetzen versuchen, während in der Bundesrepublik die sozialstaatliche Komponente und der Umweltschutz betont werden. Von Seiten der Teilnehmer - aber auch der Projektleitung in Budapest - wurde der Wunsch geäußert, ein Ganztagsseminar zur Privatisierung abzuhalten. Auch Dr. Pfeiffer sollte an diesem Seminar teilnehmen.
Zurückblickend sind noch einige Vorträge und Tagungen beginnend mit dem Jahre 1990 zu erwähnen, die teilweise unter Teilnahme meines amerikanischen Kollegen Prof. Paul Brietzke und meines früheren Münchener Kollegen Prof. Roland Wittmann durchgeführt wurden. Zunächst traf ich in Budapest mit Prof. Imre Takács zusammen, der auch an der Budapester Tagung 1989 teilgenommen hatte. Im Rahmen eines Essens zusammen mit Wittmann und Brietzke wurde die Veröffentlichung der Budapester Tagung sowie die Teilnahme an der Kölner Tagung am 10. Juli 1990 besprochen.
Mit Prof. Ádám fuhren wir am 05.06.1991 nach Pécs, wo im Rahmen eines Abendessens mit dem Dekan Prof. Szotáczky ein Meinungsaustausch mit weiteren Kollegen stattfand. Dabei wurde hier und auf der Abschlussbesprechung mit Prof. Ádám über die weitere Zusammenarbeit unter Einfluss der amerikanischen Universität Val Paraiso (Indiana) gesprochen.
Hier möchte ich vor allem meinen eigenen Vortrag hervorheben, der auf Wunsch der Gastgeber zum Thema "Der Status der Kirchen als öffentlichrechtliche Körperschaften in der Bundesrepublik Deutschland" stattfand. Prof. Brietzke sprach über Markt und Verfassung aus der Sicht der Vereinigten
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Staaten. An die beiden Vorträge schloss sich eine längere Diskussion an.
Dem Seminar vorgeschaltet war ein Informationsgespräch am 31. August 1991 an der Hochschule für Staatsverwaltung in Budapest. Dr. Engelschalk (Bayerisches Staatsministerium des Innern), Dr. Harbich (Bayerische Verwaltungsschule in München), Dr. Seebauer (Bayerisches Staatsministerium des Innern) und Prof. Dr. Scholler (Universität München) nahmen auf deutscher Seite an diesem Gespräch teil, das von ungarischer Seite vom Leiter des Lehrstuhls für Staatsverwaltung, Prof. Dr. Lajos Lőrincz, geführt wurde. Dabei wurde auf ungarischer Seite der Wunsch nach einer Unterstützung bei der Durchführung der Lehre an der Verwaltungsschule und der Beschaffung von deutschsprachigem Material zum Verwaltungsrecht geäußert.
Zurzeit sind an der Hochschule für Staatsverwaltung, die über 1.000 reguläre Studenten verfügt, amerikanische und französische Gastdozenten tätig. Die Hochschule für Staatsverwaltung verfügt auch über eine Fernausbildungsabteilung und ist dabei, auch für den akademischen Verwaltungsberuf ergänzende Ausbildungsstufen einzubauen.
Am 1. September 1992 eröffnete der Rektor der Weiterbildungszentrale für Verwaltung, Dr. Tamás Klement, die Tagung. Dr. Klement hatte auch bereits die erste Tagung dieser Art im März eröffnet und betreut. Die Tagung war so organisiert, dass zunächst die deutschen Teilnehmer referieren sollten, und dass anschließend am Donnerstag zwei Experten aus dem ungarischen Innenministerium die aktuelle Problemsituation darstellen sollten.
Folgende Themen wurden den Teilnehmern vorgestellt:
1) Das Kommunalverfassungsrecht und das Zusammenwirken kommunaler und staatlicher Organe (Scholler)
2) Das Recht der staatlichen Kommunalaufsicht (Harbich)
3) Rechtsschutz, der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes (Engelschalk)
4) Das Recht des öffentlichen Dienstes (Seebauer) Daraufhin fanden die beiden Referate der ungarischen Seite statt. Hier referierte Dr. Lajos Szabó, Leiter der Hauptabteilung für Selbstverwaltung im Innenministerium, zum Thema: "Das ungarische Kommunalrecht einschließlich der staatlichen Aufsicht".
Der Referent versuchte einen Überblick über die Bemühungen der ersten beiden Reformjahre zu geben. Es zeigte sich, wie viel in Ungarn in Bewegung gekommen war und wie notwendig eine Konsolidierungsphase zu sein schien. Ende des Jahres sollte durch eine weitere Reform des Kommunalrechtes eine Absicherung erfolgen.
Das Thema der Gesamtveranstaltung betraf das Wahlrecht in der Bundesrepublik Deutschland. Hierzu sprachen einleitend ein Unterstaatssekretär des ungarischen Justizministeriums, weiterhin der Berichterstatter und der Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Hefty.
Die einleitenden Bemerkungen von ungarischer Seite beschränkten sich auf die Darstellung des ungarischen Wahlrechtes, das ein 2-Stimmen-Wahl-recht ist, das in wesentlichen Zügen dem deutschen geltenden Bundeswahlrecht nachgebildet wurde. Auf tiefere innere Problemzusammenhänge wurde nicht eingegangen. Das Referat des Berichterstatters versuchte weniger die deutsche formalrechtliche Regelung darzustellen, da man davon ausgehen konnte, dass sie den ungarischen Hörern bereits bekannt sei. Das Referat des Berichterstatters war von Anfang an darauf angelegt, die Wahlrechtdiskussion in der Bundesrepublik - beginnend mit der Bayerischen Verfassung 1946 bis hin zur ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl 1990 -darzustellen.
In einem ersten Abschnitt wurde die Diskussion um relative Mehrheitswahl oder Verhältniswahl untersucht und ihre innere Problematik und Dynamik aufgezeigt. In einem zweiten Teil versuchte der Berichterstatter die bayerische Wahlrechtsregelung aufzuzeigen, wie sie sich aus der Bayerischen Verfassung - Art. 14 ff. - ergibt und wie sie in der Bayerischen Gesetzgebung und in der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes ihren Niederschlag fand. Dabei wurde nicht nur das Bayerische Landeswahlrecht, sondern auch das Bayerische Kommunalrecht in den Kreis der Betrachtungen einbezogen und ein besonderer Wert auf die Darstellung der stärkeren Personalisierung des Wahlrechtes in Bayern gelegt. Auch die Regelung des Europa-Wahlrechtes wurde in die Betrachtung mit einbezogen. Nicht unerwähnt blieben auch die verschiedenen Wahlrechtsberechnungssysteme und die Gründe dafür, warum das deutsche Wahlrecht in Bund und Ländern vom Dorn'schen Verfahren auf das Verfahren Nemeier zurückgegangen ist.
Das Referat von Hefty betraf politische Aspekte des Wahlrechtes in der Bundesrepublik und ging auf die ungarische Frage ein, ob Nachwahlen sinnvoll
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seien, die im Gegensatz zum deutschen Wahlrecht im ungarischen eine große Rolle spielen.
Die Diskussion betraf zunächst die Frage der schon erwähnten Zwischenwahl. Hierbei war der Verweis auf die deutsche Regelung - § 48 BWG -nicht recht hilfreich, weil zwar in der Bundesrepublik Zwischenwahlen nur im Kommunalrecht als Ersatzwahlen bekannt sind, aber doch die Wahlen in den Bundesländern selbst eine Art Zwischenwahl darstellen.
Weitere Themen der Diskussion waren die Regelung des Briefwahlrechtes in der Bundesrepublik Deutschland und die Wahlanfechtung bei Verstößen gegen die Wahlgesetzgebung, insbesondere die Neutralität und die Abstinenz von Wahlwerbung unmittelbar vor der Wahl. Hier waren die Meinungen der ungarischen und deutschen Experten sehr unterschiedlich. Die ungarischen Experten schienen eine gerichtliche Wahlprüfung für unzweckmäßig anzusehen und glaubten, dass durch die Erstellung eines Kataloges dem abgeholfen werden könne.
Hier zeigte sich wieder, dass auf dem Gebiet der Verwaltungskontrolle einschließlich der Wahlkontrolle noch ein großer Nachholbedarf auf ungarischer Seite bestand. Es wurde daher angeregt, gelegentlich auch Wahlprüfungs- und Wahlanfechtungsfragen mit auf die Themenliste zu setzen.
Es besteht insbesondere Bedarf, eine automatisierte Gesetzesdokumentation einzuführen (Rechtsveränderungen, altes Recht/neues Recht).
a) Dokumentation von Gerichtsurteilen (Urteile von grundsätzlicher Bedeutung, z. B. Verfassungsgericht, für Kommunen geeignet).
b) Dokumentation und Automatisierung des Satzungsrechtes der Kommunen (Automatisierung der 3.100 Kommunen in Ungarn).
c) Literaturdokumentation
d) Erschließung ausländischer Rechtsregeln (z. B. sogenannte "Eckpfeilergesetze", die Rechtserkenntnisse auch für Ungarn schöpfen lassen, Gerichtsurteile, Entscheidungen im strafprozessualen Bereich, Freiheits- und Staatsbürgerrechte), wobei die Zielvorstellung dahin ging, dass verschiedene Urteile aus bestimmten ausgewählten Ländern automatisiert erschlossen werden, um so auch einen Eindruck der Rechtsentwicklung in anderen Ländern zu erhalten, die wiederum Einfluss auf die ungarische Rechtsentwicklung nehmen könnte. Zu denken wäre etwa an Referenzländer wie Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Portugal, Finnland.
Von ungarischer Seite war ein Referat zum Thema: "Öffentlich-rechtliche Körperschaften und Stiftungen" gewünscht. da zurzeit ein neues Gesetz über öffentliche Stiftungen im ungarischen Parlament beraten wird. Dieses Gesetz hat Bedeutung für die Dezentralisierung und Dekonzentrierung des ehemaligen zentralistischen Staatsapparates durch Ausgliederung von Verwaltungsfunktionen und durch Einführung körperschaftlicher Selbstverwaltung bzw. der Selbstverwaltung von Stiftungen. Es bestand von ungarischer Seite der Wunsch, das deutsche bzw. das bayerische Recht (insbesondere bezüglich der Stiftungen) dargestellt zu erhalten. Von Prof. Kilényi war der ungarische Gesetzesentwurf in einer 34-seitigen Darstellung analysiert worden, sodass der deutsche Referent auf Detailfragen, die dort aufgeworfen worden waren, gut eingehen konnte.
Die Wiedererrichtung von öffentlich-rechtlichen Körperschaften - so z.B. auf dem Gebiet der Berufsstände, des Handwerkes und der Stiftungen - kann in Ungarn an eine reiche Tradition anknüpfen, die schon im 19. Jahrhundert vom deutschen und österreichischen Recht beeinflusst war.
Eine besondere Bedeutung hat die Diskussion dadurch erhalten, dass gegenwärtig Bestrebungen vom ungarischen Parlament zu erkennen sind, das öffentliche Rundfunkwesen - Hörfunk und Fernsehen - in eine Stiftung umzuwandeln, wobei von Seiten oppositioneller Kräfte vermutet wird, dass damit nur attraktive Arbeitsplätze geschaffen werden sollen.
Eine Veröffentlichungspflicht der Stiftungsmittel wurde angeregt, doch konnte darauf verwiesen werden, dass auch nach deutschem - bayerischem -Recht eine solche Pflicht nicht besteht, die durch das Parteiengesetz nur für politische Parteien begründet wurde. Weiterhin wurde nach Stiftungsregelungen gefragt bzgl. der kirchlichen und der kommunalen Stiftungen und die Regelung nach dem bayerischen Recht erörtert.
Einen besonderen Schwerpunkt bildeten weiterhin die kommunalen Versorgungsbetriebe, insbesondere die kommunalen Wasserversorgungen und Wasserverbände, wobei ich die Vermutung äußerte. dass hierfür nach bayerischem Recht das Zweckverbandsgesetz zuständig wäre und in Bayern Zweckverbände gegründet werden müssten.
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Am 8. Juni 1994 wurde in Budapest die vierte Workshop-Veranstaltung (von insgesamt sechs des Jahres 1994) durchgeführt. Alle sechs WorkshopVeranstaltungen wurden von mir auf deutscher Seite organisiert. Vier verschiedene Fernsehteams haben Aufnahmen von der Veranstaltung aufgezeichnet. Der auf ungarischer Seite agierende Organisator, der Verfassungsrichter Professor Géza Kilényi, hatte den Zustand des ungarischen Verfassungsrechtes mit Bezug auf das Thema durch eine vorbereitende Unterlage ("Die Rechtsstellung und die Aufgaben des Republikpräsidenten, seine Tätigkeit im öffentlichen Leben und das Präsidialamt") sehr gründlich dargestellt.
Professor Kilényi wurde ebenfalls vom ungarischen Fernsehen interviewt und ein Teil des Interviews wurde bereits am 8. bzw. am 9. Juni ausgestrahlt. Auf ungarischer Seite nahmen noch die weiteren Verfassungsrichter, Professor Antal Ádám und Professor Péter Schmidt, teil.
Vor meinem Referat sprach zunächst Professor Kilényi, gefolgt von dem Referat einer ungarischen Universitätsdozentin, Dr. Márta Dezső. Beide Referate befassten sich mit der Lösung der Machtverteilung zwischen dem Republikpräsidenten und dem Regierungschef nach der revidierten ungarischen Verfassung.
Es war unter der Regierung des Premierministers Antal zu einem Konflikt über die Frage gekommen, ob der Republikpräsident das Recht habe, bei der Ernennung von führenden Beamten die persönliche Eignung nachzuprüfen. Mit anderen Worten ging es um die Frage, ob der Republikpräsident außerhalb der Exekutive stehe und dennoch mit einer selbständigen Befugnis zur Exekutive ausgestattet sei. Dabei ging es vor allem auch um die Frage, welche Bedeutung das Gegenzeichnungsrecht oder die Gegenzeichnungspflicht in der ungarischen Verfassung haben.
In der revidierten ungarischen Verfassung kommt die Angst, dass die Machbefugnisse des Republikpräsidenten über die verfassungsrechtliche Kompetenz hinaus in das parlamentarische System präjudizierend eingreifen könnten, zum Ausdruck. Der ungarische Staatspräsident, Árpád Göncz, der sich eigentlich für die Teilnahme an der WorkshopVeranstaltung angemeldet hatte, sollte durch sein geplantes Erscheinen sicher nicht nur eine Referenz vor der Arbeit der Stiftung machen, sondern auch das brennende Interesse an diesen Fragen dokumentieren.
Wegen der Regierungsverhandlungen zwischen der Partei des Wahlsiegers Horn und den Liberalen hatte aber der Staatspräsident kurzfristig abgesagt. Dennoch nahm dies nichts von der Bedeutung der Veranstaltung, was in der starken Publikumswirkung und am Medieninteresse abgelesen werden kann.
Mein Referat zu obigem Thema stellte in einem ersten Teil die Ausgangssituation in der Weimarer Verfassung vor, die dann zur Krise der Demokratie schon vor 1933 führte. In einem zweiten von mir dann sehr gekürzten Teil wurde die Wahl des Bundespräsidenten behandelt, die durch die Wahl von Roman Herzog am 23.05.1994 natürlich besondere Aktualität hatte.
In einem dritten Abschnitt widmete sich das Referat den Aufgaben des Bundespräsidenten, und zwar gegliedert nach Aufgaben und Funktionen im Gesetzgebungsbereich, im Exekutivbereich und im Rechtsprechungsbereich.
In einem anschließenden eigenen Abschnitt 4 wurde dann das materielle Prüfungsrecht im Gesetzgebungsbereich und im Rahmen der Ernennung von Beamten besonders gewürdigt. Aufgeführt als Beispiel wurde das materielle Prüfungsrecht des Bundespräsidenten, das zuletzt gegenüber dem Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes ausgeübt wurde. Einen breiteren Raum nahmen auch die Mitwirkungsrechte bei der Bildung der Bundesregierung und vor allem im Rahmen des Krisenmanagements ein.
Im Anschluss daran erörterte ich die Reformvorschläge wie Kompetenzerweiterung bzw. unmittelbare Volkswahl.
In einem letzten Abschnitt widmete sich mein Referat der Organisation des Bundespräsidialamtes. Ich war kurz vor der Veranstaltung von den ungarischen Organisatoren gebeten worden, gerade hierzu und zur Praxis der Arbeit des Präsidialamtes näheres auszuführen.
Die Workshop-Veranstaltungen hatten sich in Ungarn bereits fest eingebürgert und nahmen einen sicheren Platz in den Veranstaltungen in Ungarn ein. Da die ungarische Seite sehr intensiv an der Vorbereitung mitarbeitete und sehr gute Unterlagen lieferte, wurde auch gewährleistet, dass es zu einem echten Dialog kam.
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Am ersten Seminartag wurden nach verschiedenen kürzeren Einführungsstatements durch Prof. Kilényi und entsprechenden Antworten oder Statements vom Berichterstatter folgende Probleme diskutiert:
- Das Verhältnis vom Verfassungsrecht zum einfachen Gesetzgebungsrecht, insbesondere aber zu den sogenannten organischen Gesetzen.
Die ungarische Rechtspraxis folgt dem französischen Vorbild und hat einen größeren Teil von Rechtsfragen in sogenannten organischen Gesetzen geregelt, die eine erhöhte Bestandskraft gegenüber dem einfachen Gesetzgeber haben. Von Seiten des Berichterstatters wurde auf Art. 79 Abs. 3 GG (Unverbrüchlichkeitsklausel) hingewiesen sowie auf die Garantie des Wesensgehaltes in Art. 19 Abs. 2 GG.
- Die Problematik der 2. Kammer nahm einen großen Raum der Ausführungen und auch der Diskussion ein. Ungarn als Einheitsstaat hatte zurzeit nur eine funktionierende 1. Kammer, doch gibt es eine breite Diskussion, ob eine 2. Kammer sinnvoll wäre und wie sie ausgestaltet werden könnte. In meinem Referat wies ich darauf hin, dass von den 16 Bundesländern nur Bayern über einen Senat verfügte, der - obwohl nur mit beratender Stimme ausgestattet - eine mäßigende Einwirkung auf die Gesetzgebung wohltuend ausüben sollte. Mein Vorschlag ging dahin, die ungarischen Gemeinden und die Wirtschaftskräfte - Arbeitgeber und Arbeitnehmer - in einer 2. Kammer am Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen. Dabei konnte ich auch auf die Tendenz in der EU hinweisen, wonach Gemeinden und Regionen in zunehmendem Maße Anhörungsund Mitwirkungsrechte erhalten. In der Diskussion wurde dieser Gesichtspunkt intensiv erörtert und auch weiter ausgebaut, insbesondere mit der Begründung, dass die ungarischen Komitate immer eine gewisse Selbstverwaltung kannten, und dass es daher nicht außerhalb der ungarischen Tradition sei, solche Selbstverwaltungsträger in eine 2. Kammer mit einzubinden.
- Grundrechte und Grundrechtsbeschränkungen. Ein weiterer Gegenstand des ersten Seminartages war das Problem der Grundrechtsbeschränkung. Ich wies darauf hin, dass in der wissenschaftlichen Diskussion die im Schweizer Reformgesetz vorgesehene - noch nicht in Kraft gesetzte - Regelung einer generalklauselartigen Beschränkung auf Zustimmung im Kreis der Rechtswissenschaft gestoßen ist, doch dass die Schweiz natürlich aufgrund einer lang anhaltenden demokratischen Tradition bessere Startvoraussetzungen hat als Länder in Osteuropa. Die deutsche Lösung eines differenzierten Systems, das von unbeschränkten Grundrechten bis hin zu spezialisierten Schranken reicht, sei prinzipiell vorzuziehen, doch könnte man sich auch eine Regelung vorstellen, die von den Gerichten einfacher zu handhaben ist als die deutsche Lösung. Prof. Kilényi Meinung war dahingehend formuliert, dass eine 2. Kammer, die nur eine zweite politische Instanz wäre und dem Parteienproporz sich fügen müsse, keinen rechten Sinn habe. Er ließ es aber wohl offen, ob er für eine von den Kommunen und den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden besetzte 2. Kammer positiv beurteilte oder nicht.
- Weitere Diskussionspunkte waren: Die Garantie des "sozialen Rechtsstaates und das Problem des formellen oder materiellen Rechtsstaates"; das Verhältnis von Rechtsverordnung zum Gesetz - gesetzesverändernde und gesetzesvertretende Rechtsverordnung -; der Wirtschafts- und Sozialrat der Weimarer Verfassung als Vorbild für eine 2. Kammer in Ungarn bzw. das Bayerische Senatsprinzip; Einbeziehung und Mitwirkungsformen der Opposition an der Regierungsverantwortung.
Der zweite Tag beschäftigte sich vor allem mit den folgenden zentralen Problemen: Gesetzgebungsinitiative, Normenkontrolle und organische Gesetze[22]. An diesem Tag des auf zwei Tage anberaumten verfassungsrechtlichen Seminars nahm auch Frau Dr. Barbara Wagner aus München teil, die zwei Jahre in Korea im öffentlichen Recht unterrichtet hatte und auch die Entwicklung des koreanischen Verfassungsgerichtes sehr gut beobachten konnte. Die meisten ungarischen Verfassungsrichter waren auch am zweiten Tag des Seminars anwesend.
Verfassungsrichter Kilényi führte das Seminar wie am Vortag und bat nach kurzen einführenden Statements die bayerischen Experten um Stellungnahmen, wonach dann die allgemeine Diskussion eröffnet wurde. Folgende Themen und Argumente wurden angesprochen:
a) Zweikammersystem
Das am Vortag bereits erörterte Zweikammersystem wurde wieder aufgegriffen. Als Legitimationsgrundlage hierfür wurden folgende Argumente angeführt: Machtkontrolle, besondere Bedeutung im Falle eines rechtlichen Systemwechsels, Vor-und Nachteile der Verlangsamung des Gesetzgebungsverfahrens. Bei der Konstruktion der zweiten Kammer wurde erörtert, ob ein Delegationssystem oder ein kooperatives System vorzuziehen sei sowie nach der territorialen oder körperschaftlichen Orga-
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nisationsstruktur. Von deutscher Seite wurde vor allem betont, dass die kommunale Ebene und die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen vertreten sein müssten, wie dies auch im bayerischen Senat erfolgreich geschehen sei. Dieses Argument wurde von den Teilnehmern sehr positiv aufgenommen und darauf hingewiesen, dass vor dem Krieg die Komitate schon eine relativ große Autonomie gehabt hätten, so dass man an ungarische Erfahrungen anknüpfen könne.
b) Normenkontrolle
Bei diesem Thema behandelten die Statements und die Diskussionsbeiträge vor allem die Frage der Zweckmäßigkeit und Zulässigkeit präventiver Normenkontrolle. Darunter wird die Zulässigkeit der Anrufung eines Verfassungsgerichtes vor Ab-schluss des Gesetzgebungsverfahrens verstanden. Eine solche im deutschen Recht beseitigte präventive Normenkontrolle würde das Verfassungsgericht zu sehr in die politische Verantwortung des Parlaments eingreifen lassen und damit auch das Gewaltenteilungsprinzip verletzen können. Die deutschen Teilnehmer haben auf die deutsche Regelung hingewiesen und auch die Gründe angegeben, warum nach geltendem Recht eine präventive Normenkontrolle nicht mehr besteht. Es wurde auch die Frage diskutiert, ob es möglich und wünschenswert sei, dass das Verfassungsgericht die Rolle einer zweiten Kammer übernehmen könne. Auf die Lösung nach dem französischen Modell wurde wiederholt hingewiesen.
c) Gesetzgebungsinitiative und Gesetzgebungsverfahren
Nach der Darstellung der ungarischen Regelung von Gesetzgebungsinitiative und Gesetzgebungsverfahren wurden von deutscher Seite die Regelungen des Grundgesetzes erörtert. Es wurden folgende Gesichtspunkte herausgestellt: Die Bedeutung des Initiativrechtes der zweiten Kammer (Bundesrat) sowie die Funktion der Regelung, wonach die Bundesregierung Gesetzesvorlagen im ersten Verfahrensabschnitt dem Bundesrat vorlegen muss. Dabei wurde auch dargestellt, dass durch die Unterscheidung von Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen und die Einrichtung des Vermittlungsausschusses eine Verlangsamung des Verfahrens vermieden wird. Auch ist eine absolute Beschleunigung von Gesetzgebungsverfahren nicht wünschenswert, da durch das Mitwirken verschiedener Organe die Gesetzgebung an Funktionalität gewinnt.
d) Verhältnis von Gesetz und Verordnung
Eine wichtige Rolle im Rahmen der Neuorganisation der Verwaltung unter Beachtung rechtsstaatlicher Ordnungsgrundsätze spielt das Verhältnis von Gesetzgebungskompetenz durch das Parlament und Rechtssetzung durch die Verwaltung. Aufgrund des Einflusses der marxistischen Rechtstheorie waren auch in Ungarn in der Staats- und Verwaltungspraxis die Unterschiede zwischen dem parlamentarischen Gesetz und der administrativen Rechtssetzung verwischt. In der Rechtspraxis ging man sogar so weit, dass die Rechtssetzung durch die Verwaltung eine immer größere Rolle spielte und die parlamentarische legiferierende Funktion der Volksvertretung beseitigt schien. Dieser Zustand bedurfte einer rechtsstaatlichen Neuordnung, wobei auch das Demokratieprinzip Beachtung finden musste. Von deutscher Seite wurde die Bedeutung und die Notwendigkeit der administrativen Rechtssetzung nicht nur nicht bestritten, sondern ihre wachsende Bedeutung betont. Allerdings wurde auch darauf hingewiesen, dass die Lösung, die das Grundgesetz in Art. 80 I GG und die bayerische Verfassung in Art. 55 gefunden haben, auch nicht durch noch so große Interessen der Verwaltung an Effektivität und Verfahrensbeschleunigung unterlaufen werden darf. Auch in Ungarn müssten solche Regelungen verfassungsrechtlich verankert werden, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß, also das Programm der delegierten Gesetzgebung vom Parlament aufgestellt werden muss. Gesetzesvertretende Verordnungen sind schon vom Grundgesetz selbst ausgeschlossen, aber auch unbeschränkt gesetzesändernde oder unbeschränkt gesetzesergänzende sind unzulässig.
e) Organische Gesetzgebung
Die Frage, ob wichtige Elemente oder ganze Gesetzgebungsmaterien nach dem französischen Modell durch organische Gesetze geregelt werden sollen, wurde ebenfalls diskutiert. Eine solche Regelung ist dem Grundgesetz unbekannt, das nur bei der Verfassungsänderung oder Verfassungsergänzung eine qualifizierte Mehrheit verlangt. Allerdings hat die deutsche Seite hier eingeräumt, dass im Falle staatlicher Umbruchsituationen, wie sie nicht nur in Ungarn vorlag, ein berechtigtes Interesse daran bestehen kann, außerhalb der Verfassung stehende Elemente der Verfügungsgewalt des einfachen Gesetzgebers zu entziehen. Es kann hier darauf hingewiesen werden, in welch großem Umfang das Bundesverfassungsgericht beispielsweise den Begriff des sozialen Rechtsstaates interpretiert hat. Damit wurden weitgreifende Elemente der Verfassungsgarantie unterstellt und somit dem einfachen Gesetzgeber entzogen.
f) Staatspräsident
Eine ausführliche Diskussion entwickelte sich nach dem Statement von Prof. Kilényi. Es soll hier auch erwähnt werden, dass zum Thema des Staatspräsidenten unter besonderer Berücksichtigung des Präsidialamtes in diesem Jahr bereits ein Workshop
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von mir stattgefunden hatte. In dem neuen Diskussionspunkt Staatspräsident lag aber keine reine Wiederholung des früheren Themas, da weniger die Verwaltungsstruktur des Präsidentenamtes, sondern Kompetenz- und Aufgabenbereiche dargestellt und diskutiert wurden. Die Fülle der Fragen soll hier nur in Stichworten umrissen werden: Neutrale Position außerhalb des Parteiensystems als Pouvoir Neutre, Wahl durch das Volk oder ein besonderes Wahlorgan, auch wenn die Kompetenz des Präsidenten eingeschränkt ist (non executive president), kein rein protokollarischer Staatspräsident erwünscht, Problem der Gegenzeichnungspflicht, Ministerernennungsrecht oder Richterernennungsrecht, Reservekompetenzen und Machtzuwachs in Krisenzeiten.
g) Regierung und Ministerpräsident (Kanzler)
Prof. Kilényi stellte die Frage, ob nach dem Grundgesetz die Staatsregierung oder ein einzelner Minister überhaupt noch eine vom Kanzler unabhängige Verfassungskompetenz hätten. Die starke Stellung würde auch noch durch das konstruktive Misstrauensvotum erhöht. Man könne daher in der Bundesrepublik nicht nur von einer Kanzlerdemokratie sondern geradezu von einer Kanzlerdiktatur sprechen. Auch habe das Parlament nach dem GG auch nicht die Kompetenz eines Misstrauensvotums gegen den einzelnen Minister. Von deutscher Seite wurde dem widersprochen. Die Regierung habe eine dreifache Kompetenz: als Kollegialorgan die Gesamtheit von Ministern und Kanzler, der Ressortminister als einzelner und der Kanzler im Rahmen der Richtlinienkompetenz. Es wurde allerdings eingeräumt, dass das konstruktive Misstrauensvotum gewissermaßen eine Überreaktion gegenüber den Weimarer Verhältnissen sei.
i) Grundrechte
Zu den Grundrechten wurden auch am zweiten Seminartag ergänzende Ausführungen gemacht. Hier hat vor allem Frau Dr. Wagner die Notwendigkeit von Interessenverbänden hervorgehoben. In allen demokratischen Staatswesen seien solche NGOs wichtige Instrumente der Grundrechtsverwirklichung, weil häufig der Einzelne den Instanzenzug nicht ohne finanzielle Unterstützung durchlaufen könne. Welche inneren Konflikte in Großorganisationen von NGOs auftreten können, zeigte sie auf am Beispiel des ADAC (Allgemeiner Deutscher Automobil-Club) anlässlich der Diskussion um die Ozongesetzgebung.
h) Wahl und Ernennung von Verfassungsrichtern
Eine umfangreiche Diskussion entstand auch zum Thema der Wahl und Ernennung von Verfassungsrichtern. Im Gegensatz zum deutschen Beispiel wurde die Lösung in der spanischen Verfassung als vorbildlich angesehen, wobei das Wahlrecht auf alle drei Staatsorgane verteilt ist. Hier hat auch Frau Dr. Wagner ihre Erfahrung als Beraterin des koreanischen Verfassungsgerichtes in Seoul/Südkorea eingebracht. Von ungarischer Seite wurde um Überlassung der beiden Artikel über das koreanische Verfassungsgericht gebeten, was auch sofort von Freiherrn von Solemacher veranlasst wurde.
Auch der zweite Seminartag war durch eine intensive Sachdiskussion gekennzeichnet. Die Ergebnisse der Aussprache werden sicherlich in die abschließenden Verfassungsberatungen Eingang finden.
Die große Teilnahme der ungarischen Richter, insbesondere der Verfassungsrichter, aber auch der Politiker, zeigte, dass das Seminar zur Vorbereitung der neuen ungarischen Verfassung auf aktives Interesse stieß. In abschließenden Gesprächen konnte ich auch feststellen, dass die bisherigen Workshops und Seminare im Rahmen dieses Programms gut aufgenommen worden waren, und die anhaltend starke Beteiligung der ungarischen Seite kann dafür durchaus als Beweis des großen Interesses herangezogen werden.
1) Der Veranstaltung im April kam hier wiederum deshalb große Bedeutung zu, weil die Regelung der kommunalen Selbstverwaltung in der neuen ungarischen Verfassung, die sich damals in Vorbereitung befand, von großer Bedeutung war. Dies ging auch aus den Referaten von Prof. Kilényi hervor.
2) Der Vortrag der ungarischen Seite (Prof. Kilényi) legte den besonderen Wert auf die organisatorisch exakte Einordnung der kommunalen Selbstverwaltung in einem fortschrittlichen Staat. Dabei wurden folgende Schwerpunkte herausgearbeitet: die wirtschaftlichen Unternehmen und das Problem der Regelung eventueller Zahlungsunfähigkeit (damals standen die ungarischen Gemeinden vor großen wirtschaftlichen Problemen), der Umfang der Autonomiegewährleistung, die Regelung der Aufsicht, insbesondere die möglichen Befugnisse ultimativer Art der Auflösung und der Kommissarbestellung, sowie das Verordnungs- und Satzungsrecht der Gemeinden im Verhältnis zum Staate.
3) Das Referat des Berichterstatters behandelte die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung im Grundgesetz und in der Bayerischen Verfassung. Auch wurde vor allem die Verfassung von BadenWürttemberg herangezogen, da dies die ungarische Seite besonders gewünscht hatte. Inhaltsbestimmun-
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gen und Schranken der kommunalen Selbstbestimmung wurden vor allem in Anschluss an die RastedeEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts (E 79, 127) dargestellt. Daran schloss sich ein kurzer Vergleich der deutsch-rechtlichen Regelungen mit den Entwürfen zur Neuordnung in der ungarischen Verfassung an. Ein weiterer Abschnitt behandelte den Rechtsschutz der Kommunen vor den Verfassungsgerichten in Bund und Land, der Neuregelung des Kommunalrechtes in den fünf neuen Ländern und der Bedeutung des Maastricht-Vertrages für die Weiterentwicklung des Kommunalrechtes in den Mitgliedsstaaten.
4) In der anschließenden Diskussion wurden dem Berichterstatter folgende Fragen gestellt: Welche Möglichkeiten der Absetzung von kommunalen Organträgern, Einsetzung eines Kommissars oder Auflösung kommunaler Organe soll die Aufsichtsbehörde im Falle von Zahlungsunfähigkeit haben?
- Wie weit soll eine kommunale Gebietsreform in Ungarn vorangetrieben werden und welche Erfahrungen bietet insbesondere Bayern oder andere Länder der Bundesrepublik auf diesem Gebiet?
- Wie weit müsste auch die mittlere Verwaltungsebene - als höhere Kommunalebene oder als reine Staatsverwaltung - organisiert und in der Verfassung mitgeregelt werden?
- Welche Funktion soll das ungarische Verfassungsgericht gegenüber der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung haben?
- Wie weit soll das kommunale Eigentum geregelt werden und welche Vorschriften sind zur Begrenzung und Eindämmung kommunaler Wirtschaftsunternehmen erforderlich?
- Wer haftet im Falle von Zahlungsunfähigkeit einer Kommune? Haften hier auch die Ratsmitglieder?
- Soll ein innerer Kontrollbeamter im Rahmen der Bürgermeisterorganisation oder im Rahmen der Ratsorganisation unterhalb des Gemeinderates angesiedelt werden?
In der Gegenwart gibt es Stimmen, die die Meinung äußern, dass der vor 20 Jahren nicht nur durch die Grenzöffnungen sondern auch gerade durch die Transformation des Rechtes erstrebte Wandel flüchtig gewesen sei und einer Enttäuschung Platz gemacht habe. Hierzu soll aus einer führenden deutschen Tageszeitung zitiert werden:
"Europa war vor 20 Jahren für Millionen Slowaken, Tschechen, Ungarn, Polen oder Rumänen eine Chiffre für zivilisatorische Errungenschaften, die den Bewohnern des kommunistischen Machtbereichs versagt geblieben waren: Freiheit, Demokratie, Wohlstand. (...) Europa hieß und heißt für die Bewohner seiner östlichen Hälfte: dazugehören.
Die Begeisterung von 1989 ist längst verflogen und hat bei vielen Intellektuellen einer tiefen Enttäuschung Platz gemacht. Realität ist nämlich (...), dass vor den Kulissen des Übergangs die alten Theaterstücke weitergespielt werden. Die Transformation sei oberflächlich, es dominiere die Kontinuität". (Süddeutsche Zeitung, "Der Osten hat die Wahl" Nr. 113/2009, Seite 12)
Als ich zusammen mit anderen Rechtsreferendaren kurz nach dem ersten Examen in der Mitte der 50er-Jahre eine Reise in den Osten antrat, mussten wir auf der österreichischen Seite des Plattensees Halt machen. Vor uns lag hinter dem Eisernen Vorhang eine verschlossene Welt. Ich kann nicht glauben, dass die Stimmen Recht haben, die den vor 20 Jahren begonnenen Wandel als Täuschung und Illusion ansehen.
Allen deutschen und ungarischen Mitarbeitern an der großen Aufgabe der Öffnung Ungarns für Europa, insbesondere dem Vertreter der Hanns-Seidel-Stiftung in Budapest Freiherr von Solemacher, sei für den geleisteten Einsatz Dank ausgesprochen.
Von den vielen Persönlichkeiten, die auf beiden Seiten an dem Rechtstransfer mitgewirkt haben, sollen hier nur der Ehrendoktor der Juristischen Fakultät der Universität Pécs, Gerhard Hoffmann, sowie Prof. Georg Brunner, Köln, erwähnt werden, die beide schon verstorben sind. Gerhard Hoffmann ist am 26. März 2009 im Alter von 91 Jahren in Marburg gestorben. Die Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer würdigte Gerhard Hoffmann in einem eigenen Nachruf. Alle Teilnehmer an unserem verfassungsrechtlichen Seminar in Pécs werden sich noch lange und gerne an den humorvollen Lehrer des Rechts, Gerhard Hoffmann erinnern.■
NOTEN
[1] Georg Brunner (1936-2002) war zuletzt Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, Allgemeine Staatslehre und Ostrecht sowie Direktor des Instituts für Ostrecht der Universität Köln. S. zu Georg Brunner auch: Mahulena Hofmann (Hrsg.), Kontinuität und Neubeginn. Staat und Recht in Europa zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Festschrift für Georg Brunner aus Anlass seines 65. Geburtstags, Baden-Baden 2001; Alexander Steininger, Georg Brunner - 65 Jahre, in: Osteuropa, Hl, 2002, S. 88 ff.
[2] Jürgen Harbich, APF, April 1991, S. 111
[3] S. auch folgende Beiträge von Prof. Ádám: Die Wandlungen der Determiniertheit der Rechtsentstehung in Ungarn, in: Philipps/Wittmann (Hrsg.), Rechtsentstehung und Rechtskultur, Heidelberg 1991, S. 49 ff.
[4] Zur Religionsfreiheit in Ungarn: Die Religionsfreiheit als Verfassungswert in Ungarn, in: Das Menschenbild im weltweiten Wandel der Grundrechte, Berlin 2002, S. 73 ff.
[5] So sind z.B. in der ungarischen Fachzeitschrift "Jura" folgende beiden Beiträge erschienen:
1) Der Status der Kirchen als öffentlich-rechtliche Körperschaft in der Bundesrepublik, in Jura (Ungarn) 2001, S. 78 ff.
2) Von der Kirche der "spaltigen Religion" des Augsburger Religionsfriedens zur modernen Garantie des Pluralismus von Religionsgemeinschaften, in: Glaube - Freiheit
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- Diktatur in Europa und den USA, Zeitschrift Jura Nr. 2, Pécs 2007, S. 155
[6] S. 99 im Tagungsband; Prof. Albert Takács zitiert hier zwar Hesse, doch geht der Begriff auf Nietzsches Buch Also sprach Zarathrustra (erstmals zusammenhängend erschienen 1886) zurück.
[7] Die Freiheit des Gewissens, Schriften zum Öffentlichen Recht, Bd. 2, Duncker & Humblot, Berlin 1958, Nachdruck Duncker & Humblot, 2003
[8] Das Gewissen als Gestalt der Freiheit - Das Gewissen als Sinngestalt und Strukturprinzip im Verfassungsrecht, Heymann, Köln 1962, sowie: Gewissen, Gesetz und Rechtsstaat in: Das Gewissen in der Diskussion, Darmstadt' 1976, S. 407 ff. und: Zum Verhältnis von (innerer) Gewissensfreiheit zur (äußeren) religiösen Bekenntnis- und Kultusfreiheit, in: Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte Göttingen 1981, S. 183 ff.
[9] Dr. Engelschalk war ebenfalls Teilnehmer.
[10] Beide Vorträge zum Thema Religionsgesellschaft wurden veröffentlicht in: ungarische Fachzeitschrift Jura 2001, S. 36 ff. und S. 78 ff.
[11] Beide Vorträge wurden veröffentlicht in: Közjogi intézmények a XXI. században, Pécs 2004, u.a. S. 181 ff.
[12] S. dazu: "Adamante Notare" - Essays in honour of Professor Antal Ádám on the occasion of his 75th birthday, Editor Nóra Chronowski, Pécs 2005, S. 32 ff., 518 ff.
[13] S. Alkotmányfejlődés és jogállami gyakorlat / Verfassungsentwicklung und rechtsstaatliche Praxis. Hanns Seidel Alapítvány, Budapest 1994, S. 314
[14] Brunner S. 827, 828).Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 1993 "Der Siegeszug der Verfassungsgerichtsbarkeit nach der politischen Wende"
[15] Vortragsreise nach Budapest/Pécs vom 3. Juni bis 8. Juni 1990
[16] Kommunalpolitisches Seminar am Plattensee/Ungarn vom 31. August 1992 bis 4. September 1992
[17] Vortragsveranstaltung am 2. Dezember 1992 in den Räumen der Hanns Seidel Stiftung in Budapest
[18] Veranstaltung der Hanns-SeideI-Stiftung am 03.03.1993 in Budapest
[19] Workshop zum Thema "Die öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Stiftungen" der Hanns-Seidel-Stiftung am 5. Mai 1993
[20] KZE-Einsatz in Budapest am 8. und 9. Juni 1994 zum Thema: Der Bundespräsident im System der parlamentarischen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland
[21] Kurzzeit-Experteneinsatz in Budapest vom 27. bis 28. Oktober 1995
[22] Zweiter Teil gemeinsam erstellt von Herrn Prof. Scholler und Frau Dr. Wagner
[23] Workshop-Veranstaltung "Die kommunalrechtliche Regelung in der Verfassung" in Budapest; siehe hierzu auch die Übersicht über die verschiedenen kommunalrechtlichen Regelungen in den deutschen Ländern in: H. Scholler/ B. Schloer: "Grundzüge des Kommunalrechts in der Bundesrepublik Deutschland", 4. Auflage, Heidelberg, 1990.
Lábjegyzetek:
[1] Der Autor lehrt in München.
Visszaugrás