https://doi.org/10.56749/annales.elteajk.2017.lvi.2.25
Procedural principles aim to both capture and shape the character and form of a trial by establishing and defining - partly politically, partly constitutionally required - standards. If they conflict with each other or with other interests acknowledged by law, this conflict is to be resolved taking recourse to the overall aim of criminal proceedings, that is: the restoration of justice under conditions of uncertainty.
In this context, the principle of publicity is of central importance for the acceptance of criminal trials and the functioning of punishment. However, the principle of publicity is very limited in its scope. On the one hand, requirements specific to criminal proceedings justify restrictions, especially the need for an undisturbed truth finding. On the other hand, procedural requirements that are not specific to criminal proceedings can also justify restrictions, in particular with regard to personal rights of the parties to the proceedings. Finally, the vast majority of proceedings are completely or largely hidden from public scrutiny due to special procedural designs that do not include public main hearings. In the remaining trials with main hearings, however, public scrutiny of criminal proceedings is essentially carried out by the media, which are not committed to the overall aim of criminal proceedings mentioned above, but pursue their own interests. As a result, the acceptance of criminal proceedings is based less on direct control and information on the part of the citizens, but rather on a fragile trust placed in the justice system.
Keywords: principle of public trial
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Verfahrensgrundsätze wollen den Charakter und die Gestalt eines Verfahrens sowohl erfassen als auch prägen, indem sie - teils rechtspolitische, teils verfassungsrechtlich gebotene - Festlegungen treffen und auf den Begriff bringen. Sie fassen damit ein Regelungskonzept zusammen, leisten einen Beitrag zu dessen Systematisierung und wirken zugleich als Interpretationshilfen auf das positive Recht zurück.[1] Als Grundsätze, die auf mittlerer Höhe zwischen dem Zweck des Verfahrens und den Einzelnormen angesiedelt sind,[2] benennen sie materielle Hintergründe von Spannungsverhältnissen, wie sie zwischen den unterschiedlichen Verfahrensgrundsätzen und folglich auch zwischen unterschiedlichen Normen bestehen können.
Für die Reichweite und den Geltungsanspruch der Verfahrensgrundsätze sind vor allem deren etwaige verfassungsrechtliche Verankerung und daneben das Bestehen gegenläufiger Grundsätze und rechtlich anerkannte Interessen von Bedeutung.[3] Da die Verfahrensgrundsätze die Maßstäbe für eine Lösung von Konflikten mit anderen Grundsätzen nicht schon in sich tragen, bedarf es eines Kriteriums, das im Konfliktfall die Lösung dirigiert. Da sich alle Verfahrensgrundsätze auf das Ziel des Strafverfahrens insgesamt hinordnen und insoweit eine dienende Funktion haben, ist die Erfüllung dieses Ziels bei konfligierenden Verfahrensgrundsätzen der entscheidende Gesichtspunkt.[4] Eine genauere Analyse sowohl der einzelnen Grundsätze als auch die Entscheidung bei Prinzipienkonflikten verlangt also danach, sich über den Zweck des Strafverfahrens zu vergewissern.
Neben solchen Konflikten zwischen Verfahrensgrundsätzen können die auf die Erreichung des Strafverfahrenszwecks hingeordneten Verfahrensgrundsätze freilich auch mit rechtlich geschützten Interessen konfligieren, welche nicht spezifisch der Erreichung des mit dem Strafverfahren verfolgten Zwecks dienen, deren Beachtung vielmehr generell Kennzeichen legitimen staatlichen Handelns ist. Auch wenn diese Einsicht nichts daran ändert, dass auch die Beachtung solcher unspezifischen Rechte zu den Bedingungen eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens gehört, entfaltet die Unterscheidung in Konflikte zwischen spezifisch strafprozessualen Grundsätzen einerseits und mit unspezifischen Rechtspositionen andererseits doch systematisierende und den Abwägungsvorgang leitende Kraft.
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Die Wurzeln des Öffentlichkeitsgrundsatzes liegen in der Aufklärung.[5] Ein Recht, das nicht mehr auf göttliche Autorität, sondern auf die Vernunft der Rechtsunterworfenen gegründet ist, muss seinen Gerechtigkeitsanspruch in der Anwendung auf jeden einzelnen Fall in einem transparenten Verfahren erweisen.
Aus diesem Ansatz bei der Teilhabe der Bürger am Recht erschließt sich auch die verfassungsrechtliche Herleitung des Öffentlichkeitsgrundsatzes aus dem Rechtsstaats- und dem Demokratieprinzip.[6]
Dementsprechend steht zunächst die Kontrolle der Tätigkeit der Rechtsprechung in der Hauptverhandlung im Zentrum des Öffentlichkeitsgrundsatzes.[7] Die Schutzrichtung dieser Kontrolle ist eine doppelte: Zum einen dient sie dem allgemeinen Interesse an der sachgerechten Ausübung der Rechtsprechung, zum anderen dem Schutz des Einzelnen vor Willkür und Geheimjustiz.[8]
Praktisch nehmen die Bürger ihr Anwesenheitsrecht und damit ihre Kontrollmöglichkeit freilich kaum in Anspruch. Aber schon das Wissen um das Anwesenheitsrecht schafft bei den Beteiligten wie bei der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für die Transparenz des Verfahrens, welches das Vertrauen in die ordnungsgemäße Arbeit der Justiz stärkt.[9]
Im modernen Rechtsstaat ist das Bedürfnis nach Kontrolle der Justiz allerdings etwas in den Hintergrund getreten. Das Interesse der Öffentlichkeit hat sich in Richtung auf ein Informationsinteresse verlagert, das sich auf den Fall als solchen wie auch auf dessen rechtliche Behandlung bezieht.[10]
Befriedigt wird dieses Informationsinteresse durch die Medien, die damit in eine Doppelfunktion geraten: Einerseits sind die Vertreter der Medien selbst kontrollierende Öffentlichkeit - diese, nicht spezifische Rolle der Medien kann im Folgenden vernachlässigt werden. Andererseits prägen die Medien durch ihre Berichterstattung das Bild des Strafverfahrens in der breiten Öffentlichkeit.
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Der Wandel des Öffentlichkeitsgrundsatzes von der Saal- zur Medienöffentlichkeit verändert auch die Leistungen dieses Grundsatzes. Die praktische Bedeutung wird insofern größer, als noch nie so viele Menschen über so zahlreiche Gerichtsverfahren informiert waren wie in der modernen Mediengesellschaft. Zugleich passt sich die Art der Information an die Gesetzlichkeiten medialer Berichterstattung an.[11] D.h. Informationen werden in größerer Menge und schneller verbreitet, ihre Relevanz ist oftmals geringer; dementsprechend ist das öffentliche Interesse häufig von kurzer Dauer. Dabei wird der Diskurs breiter und die Macht der Bilder gewinnt an Bedeutung. Die Berichterstattung orientiert sich in Art und Inhalt an der Nachfrage der Medienkonsumenten - und folglich an den wirtschaftlichen Interessen der Medienunternehmen. Darauf ist zurückzukommen.
Da das Strafverfahren nicht primär zur Befriedigung von Informationsinteressen geführt wird, sondern sich die Informationsinteressen umgekehrt auf das Strafverfahren beziehen, muss Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen die Frage sein, wie sich die Belange der Öffentlichkeit in das Strafverfahren einfügen.
Das Strafverfahren dient der Wiederherstellung des Rechts unter Bedingungen der Unsicherheit.[12] Die in der Literatur häufig zu findende Formulierung, das Strafverfahren diene der Herstellung von Rechtsfrieden,[13] bleibt insoweit weniger klar und ist für unterschiedliche Interpretationen offen, kann aber freilich auch im Sinne des hier zugrunde gelegten Verständnisses interpretiert werden.
Ist Kennzeichen des Strafverfahrens eine Situation der Unsicherheit, so verlangt das Strafverfahren in einem ersten Schritt nach einer Verdachtsklärung, die im gerichtlichen Verfahren dem Gericht obliegt (Amtsaufklärungsgrundsatz, § 244 Abs. 2 stopp). Aus dem Schuldprinzip folgt, dass eine Verurteilung erst dann legitimierbar ist, wenn die Aufklärung der Wahrheit bis hin zur Überzeugung des Gerichts von der Schuld des Angeklagten vorangetrieben worden ist (§ 261 stopp). Dabei ist die Wahrheit nicht um jeden Preis zu ermitteln,[14] weil die Verdachtsklärung nur dann Grundlage für die
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Wiederherstellung des Rechts sein kann, wenn sie unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze der Verfahrensgerechtigkeit erfolgt.
In einem zweiten Schritt muss das Resultat der Verdachtsklärung Grundlage einer Entscheidung werden, durch die auch die materielle Gerechtigkeit verwirklicht werden soll - was praktisch bedeutet, dass der (möglicherweise) Unschuldige freigesprochen und der Schuldige zu einer angemessenen Strafe verurteilt werden soll.
Der Öffentlichkeitsgrundsatz und die mit diesem verfolgten Ziele ordnen sich in diesen Verfahrenszweck ein:
- Das gilt zunächst für die Kontrollfunktion: Die durch die Öffentlichkeit geschaffene Transparenz der Hauptverhandlung schafft Akzeptanz sowohl hinsichtlich der Verdachtsklärung als auch hinsichtlich der strafrechtlichen Reaktion auf die festgestellte Tat. Diese Akzeptanz ist eine Bedingung dafür, dass die Entscheidung ihre das Recht wiederherstellende (rechtsfriedensstiftende) Wirkung in der Rechtsgemeinschaft entfalten kann.
- Auch die Informationsfunktion dient dem Erreichen des strafprozessualen Zwecks: Der öffentlichen Information über begangene Taten und der hierauf erfolgenden strafrechtlichen Reaktion kommt unter straftheoretischen Aspekten zentrale Bedeutung zu.[15] Hier zeigt sich also eine materiellrechtliche Dimension des Öffentlichkeitsgrundsatzes. Die begangene Straftat weist - bei Individualdelikten ebenso wie bei Delikten gegen Rechtsgüter der Allgemeinheit - über das Verhältnis von Täter und Opfer hinaus.[16] Damit die Strafe ihre Funktion bei der Wiederherstellung des verletzten Rechts erfüllt, muss sie in ihrem Bedeutungsgehalt in die Rechtsgemeinschaft vermittelt werden. Das gilt für eine Vergeltungstheorie oder - begrifflich treffender - Schuldausgleichstheorie[17] ebenso wie für alle generalpräventiven Ansätze.[18]
Das Strafrecht bedarf also zu seiner materiellen Verwirklichung im demokratischen Rechtsstaat der Öffentlichkeit. Hier deutet sich schon an, dass die Rolle der Medien in diesem Vermittlungsprozess durchaus eine zwiespältige ist: Einerseits sind es im Wesentlichen die Medien, die die Informationen über das Strafverfahren und dessen Ausgang in die Öffentlichkeit transportieren. Andererseits sind die Medien in ihrer Berichterstattung nicht auf die Ziele des Strafverfahrens verpflichtet, sondern verfolgen ihre eigenen, insbesondere wirtschaftlichen Interessen. Der Öffentlichkeitsgrundsatz wird durch die Medien also einerseits effektuiert, andererseits wird der straftheoretisch
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relevante Gehalt der an die Öffentlichkeit gerichteten Informationen von den Medien in einer Weise geformt, die dem Strafverständnis der Justiz nicht verpflichtet ist.[19]
Wenn man auch den Öffentlichkeitsgrundsatz nach den bisherigen Überlegungen als unerlässlich für einen rechtsstaatlichen Strafprozess halten muss, so wird man zugleich auch feststellen müssen, dass die Öffentlichkeit gewisse Gefahren für das Erreichen des Zwecks des Strafverfahrens begründet (dazu a). Faktische Beschränkungen der öffentlichen Wahrnehmbarkeit von Strafverfahren resultieren weiterhin daraus, dass die öffentliche Präsentation der Beweise unter prozessökonomischen Aspekten häufig als zu aufwändig erscheint (dazu b).
Die Öffentlichkeit des Strafverfahrens begründet tendenziell Gefahren für die Wahrheitsermittlung.[20] Die Anwesenheit anderer Personen, seien es fremde oder solche, die entweder dem Angeklagten oder einem Verletzten nahe stehen, birgt eine nicht von der Hand zu weisende Gefahr verzerrender Darstellungen. Sei es, dass Scham den Angeklagten an einer (offenen) Aussage hindert oder er sich - wie gegebenenfalls auch ein Zeuge - zu einer beschönigenden Darstellung veranlasst sieht oder auch einem Hang zur Selbstdarstellung in besonders intensiver Weise nachgibt.[21]
Damit ist eine Kehrseite des Öffentlichkeitsgrundsatzes angesprochen, die letztlich nichts daran zu ändern vermag, dass die Wertentscheidung für die öffentliche Hauptverhandlung ihre Berechtigung behält. Etwas abgemildert werden die Risiken für die Wahrheitsfindung insofern, als das Gericht verpflichtet ist, etwaige (erkennbare) Beeinflussungen des Aussageverhaltens bei seiner Beweiswürdigung zu berücksichtigen.
Verdichten sich die Gefahren für die Wahrheitsermittlung und kommt noch eine Beeinträchtigung weiterer Interessen hinzu, so kann dies aber einen Ausschluss der Öffentlichkeit rechtfertigen:
- So erlaubt § 172 Nr. 1a GVG einen Ausschluss der Öffentlichkeit, wenn "eine Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit eines Zeugen oder einer anderen Person zu besorgen ist" - wobei es nicht nur um den Schutz der Rechtsgüter des Zeugen geht, sondern auch eine Situation der Einschüchterung und Gefährdung umschrieben
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ist, in der ein staatlicher Anspruch auf eine (wahre) Aussage ohne Maßnahmen zum Schutz des Zeugen nur noch schwer legitimierbar und jedenfalls praktisch nicht realisierbar erscheint.[22]
- § 172 Nr. 4 GVG erlaubt den Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Vernehmung eines unter 18-jährigen Zeugen. Auch hier wird neben dem Schutz des Zeugen die bessere Sachaufklärung als Argument für den Ausschluss der Öffentlichkeit angeführt.[23]
Allerdings sind nicht per se Einschränkungen der Belange der Öffentlichkeit für den Fall vorgesehen, dass die Anwesenheit von Zuhörern die Wahrheitsermittlung gefährdet. So soll etwa die Erwartung, dass der Angeklagte bei ausgeschlossener Öffentlichkeit ein Geständnis ablegen wird, nicht den Ausschluss der Öffentlichkeit rechtfertigen.[24] Beispiele wie diese verdeutlichen, dass die Öffentlichkeit die vom Grundsatz der Amtsaufklärungspflicht geforderte Wahrheitsermittlung empfindlich behindern kann. Der Gesetzgeber hat in solchen Kollisionsfällen im Rahmen der Verfassung ein weites Ermessen und sich zu Recht dafür entschieden, den Ausschluss der Öffentlichkeit nicht je nach Interessenlage und Befindlichkeit der Prozessbeteiligten von deren Aussageverhalten abhängig zu machen. Denn andernfalls hätten es die Prozessbeteiligten in der Hand, über die Reichweite des Öffentlichkeitsgrundsatzes zu disponieren. Das aber wäre bei einem Grundsatz, der die überindividuelle Bedeutung des Strafverfahrens betrifft, nicht angemessen.
Unter dem Aspekt verfahrensspezifischer Beschränkungen lassen sich auch Einschränkungen der öffentlichen Wahrnehmbarkeit von Verfahren diskutieren, die sich aus der Gestalt des Verfahrens ergeben. Es geht also um Konstellationen, in denen der Grundsatz der Öffentlichkeit formal nicht eingeschränkt wird, die Öffentlichkeit aber gleichwohl das Verfahren nicht verfolgen kann, weil eine öffentliche Hauptverhandlung nicht oder nur in eingeschränkter Form stattfindet.
Hintergrund solcher Einschränkungen ist die Ökonomisierung des Strafverfahrens. Die öffentliche Hauptverhandlung, die nur im Zusammenspiel mit den Grundsätzen der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit ihre Funktion erfüllen kann,[25] ist aufwändig und zeitintensiv. Die Anforderungen einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, zu denen sich auch das Interesse an einer zügigen und ressourcenschonenden Verfahrensführung zählen lässt,[26] stehen hinter einem generellen Trend zur Zurück-
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drängung der klassischen Hauptverhandlung mit der Folge, dass in zahlreichen Verfahren das Zustandekommen der abschließenden Entscheidung für die Öffentlichkeit allenfalls eingeschränkt nachvollziehbar ist.[27] Das gilt für Opportunitätseinstellungen, die - etwa nach § 153a stopp - bis hin zu mittlerer Kriminalität zulässig sind, und für das Strafbefehlsverfahren (§§ 407 ff. stopp), in dem immerhin eine zur Bewährung ausgesetzte Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr in Betracht kommt (§ 407 Abs. 2 Satz 2 StGB). Eine Einschränkung des Verfahrensstoffs für die öffentliche Wahrnehmung bringt auch das Selbstleseverfahren nach § 249 Abs. 2 stopp.[28] Einen faktischen Bedeutungsverlust erleidet der Öffentlichkeitsgrundsatz schließlich im Verständigungsverfahren, wie es seit 2009 in die deutsche stopp aufgenommen wurde.[29] Zwar sieht § 243 Abs. 4 stopp eine Unterrichtung der Öffentlichkeit über den "wesentlichen Inhalt" von Verständigungsgesprächen vor, die vor der Hauptverhandlung stattgefunden haben. Tatsächlich wird aber eine ungeschönte Unterrichtung über solche Gespräche, in denen es nicht zuletzt um Strafrabatte als "Belohnung" für den Verzicht auf Beweisanträge geht, in der Praxis nicht vorkommen. Die Erwartung des BverfG, die Öffentlichkeit werde "umfassend" über Vorgespräche unterrichtet,[30] ist realitätsfern. Roxin/Schünemann dagegen formulieren drastisch, dass die Anerkennung der Verständigung "das an der Wiege des Rechtsstaates stehende Kontrollinstrument der Öffentlichkeit paralysiert" habe.[31]
Insgesamt ist jedenfalls festzuhalten, dass rechtlich oder zumindest faktisch in einer beträchtlichen Zahl von Verfahren die Öffentlichkeit allenfalls eingeschränkt Kenntnis vom Verfahrensstoff nehmen kann, weil dieser der Erörterung in öffentlicher Hauptverhandlung entzogen ist. Auch wenn der Öffentlichkeitsgrundsatz insoweit nicht formal eingeschränkt wird, verschieben die besonderen Verfahrensformen das Strafverfahren in ein Halbdunkel, in dem sich die Funktionen des Öffentlichkeitsgrundsatzes nicht entfalten können. Daraus resultieren notwendig blinde Flecken, in denen die Öffentlichkeit nicht informiert und die Justiz öffentlicher Kontrolle weitgehend entzogen ist. Mit Blick auf die skizzierten Funktionen des Öffentlichkeitsgrundsatzes stellt sich die Frage, ob hier ein Akzeptanzverlust und eine Vertrauenskrise für das Strafrecht drohen.
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Der Öffentlichkeitsgrundsatz steht aber nicht nur in einem Spannungsverhältnis mit anderen Belangen des Strafverfahrens, sondern auch mit rechtlichen Belangen, die generell im Umgang des Staates mit seinen Bürgern zu beachten sind. Dahinter steht die Überlegung, dass im Rahmen eines Strafverfahrens u.U. auch solche Rechte von Personen, die nicht gerade (oder zumindest: auch) mit Blick auf die Belange des Strafverfahrens geschützt sind, gewissermaßen "bei Gelegenheit" betroffen sind.
Solche Verstöße müssen nicht die spezifisch dem Angeklagten geschuldete Verfahrensgerechtigkeit und die Qualität der Entscheidung in Frage stellen. Diese Einsicht ist aus der Lehre von den unselbständigen Beweisverwertungsverboten geläufig, wenn gewisse Verstöße gegen Beweiserhebungsvorschriften mit Rücksicht auf den Schutzzweck der verletzten Erhebungsnorm kein Verwertungsverbot begründen.[32] Dabei stellen sich freilich die - auch aus der Beweisverbotslehre geläufigen - Abgrenzungsprobleme; häufig wird der Schutz von Rechtspositionen jedenfalls auch für die Legitimation des Strafverfahrens und damit auch für die Erreichung des Verfahrenszwecks von Relevanz sein.
Die Öffentlichkeit des Strafverfahrens begründet oder intensiviert häufig Eingriffe in die Grundrechte von Verfahrensbeteiligten oder Zeugen. So liegen etwa Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nahe, wenn ein Zeuge verpflichtet ist, Geheimnisse aus seinem privaten Lebensbereich preiszugeben.[33] Entsprechendes gilt, wenn sich ein Angeklagter unter dem Druck des Verfahrens zu solchen Angaben veranlasst sieht. Die Kenntnisnahme solcher Angaben durch Außenstehende als Teil der Öffentlichkeit hat für sich genommen weder Einfluss auf die Wahrheitsermittlung noch auf die Entscheidungsfindung.[34]
Das Gesetz erkennt strafverfahrensunspezifische Interessen in zunehmendem Maße als Gründe für einen Ausschluss der Öffentlichkeit an.[35] So kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, wenn das Verfahren die Unterbringung des Beschuldigten
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in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt zum Gegenstand hat (§ 171a GVG) oder der Ausschluss aus bestimmten anderen Gründen dem Schutz von Persönlichkeitsrechten von Prozessbeteiligten oder Zeugen dient (§ 171b GVG). Zum Schutz von Jugendlichen sind Verfahren nach dem JGG grundsätzlich nichtöffentlich (§ 48 JGG).[36] Und auch öffentliche Interessen wie der Schutz der Staatssicherheit oder der öffentlichen Ordnung können einen Ausschluss der Öffentlichkeit rechtfertigen (§ 172 Nr. 1 GVG).
Vor allem die stärkere Sensibilisierung für Belange des Opferschutzes hat in der Vergangenheit zunehmend zu Einschränkungen des Öffentlichkeitsgrundsatzes geführt.[37] Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die konfligierenden Grundrechte und Interessen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen, wobei ihm für die konkrete Lösung des Konflikts ein erheblicher Spielraum zusteht. Dabei besteht ein beträchtlicher Unterschied zu den strafverfahrensspezifischen Einschränkungen. Während es nämlich bei strafverfahrensspezifischen Einschränkungen letztlich darum geht, dem Zweck des Strafverfahrens oder der Leistungsfähigkeit der Strafjustiz möglichst optimal gerecht zu werden, kann die Rücksichtnahme auf strafverfahrensunspezifische Belange mit dem Zweck des Strafverfahrens sogar in Konflikt geraten; die Auflösung muss dann auf einer übergeordneten verfassungsrechtlichen Ebene erfolgen.
Neben der Tendenz, den Grundsatz der Öffentlichkeit einzuschränken, gibt es auch gegenläufige Tendenzen in Richtung auf eine Erweiterung der durch die Medien vermittelten Öffentlichkeit.
Medienvertreter sind (auch) Repräsentanten der Öffentlichkeit und als solche in dem Rahmen, in dem Hauptverhandlungen allgemein zugänglich sind, auch berechtigt, ihnen als Zuhörer beizuwohnen.
Aber Journalisten heben sich in zweierlei Hinsicht von anderen Zuschauern ab: Erstens sind sie Multiplikatoren, die eine mittelbare Wahrnehmung der Verfahren für zahlreiche Medienkonsumenten erlauben. Zweitens ist ihre Tätigkeit verfassungsrechtlich durch die Pressefreiheit geschützt. Da öffentliche Gerichtsverhandlungen allgemein
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zugängliche Quellen darstellen, sind Pressevertreter auch berechtigt, über die Verfahren zu berichten.[38]
Mit Blick auf die herausgehobene Bedeutung von Pressevertretern für die Informationsvermittlung in die Öffentlichkeit und den Schutz der Presse wird es für zulässig gehalten, Pressevertretern gewisse Privilegien einzuräumen: Findet ein Prozess ein so großes Interesse in der Öffentlichkeit, dass die Zahl der Zuschauerplätze voraussichtlich nicht ausreicht, so ist es jedenfalls zulässig, einen Teil der Plätze für Pressevertreter zu reservieren.[39]
Die rechtspolitische Diskussion um eine Erweiterung der Medienöffentlichkeit hat 2018 zur Eröffnung der Möglichkeit von Tonübertragungen in einen Arbeitsraum für Medienvertreter geführt (§ 169 Abs. 2 S. 3 GVG).[40] In jedem Fall ist, sofern nicht alle Medienvertreter Platz finden, nach einer Entscheidung des BVerfG im bekannten NSU-Verfahren eine sachgerechte, die Chancengleichheit gewährleistende Auswahl gefordert.[41]
Im Zentrum der Diskussion steht aber die Frage nach der Zulässigkeit von Tonund vor allem Filmaufnahmen aus dem Gerichtssaal. § 169 Abs. 1 S. 2 GVG sagt dazu: "Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts sind unzulässig."[42] Diese Regelung hat verfassungsrechtlicher Prüfung mit Blick auf die Einhaltung eines fairen Verfahrens, die ungestörte Wahrheits- und Rechtsfindung und den Schutz des Persönlichkeitsrechts Stand gehalten.[43] Auch hier hat die Reform von 2018 insofern zu Lockerungen geführt, als der BGH für die Verkündung seiner Entscheidungen in besonderen Fällen Ton- und Filmaufnahmen zulassen kann (§ 169 Abs. 3 GVG).[44]
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Der Schutz vor Filmaufnahmen beginnt freilich erst mit dem Aufruf der Sache und endet mit der Urteilsverkündung. Für den Zeitraum unmittelbar vor Verhandlungsbeginn hat es das BVerfG mit Blick auf die Informations- und Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG)[45] für verfassungswidrig gehalten, Filmaufnahmen im Sitzungssaal (nach § 176 GVG) zu untersagen: Die "Vermittlung des Erscheinungsbildes eines Gerichtssaales und der in ihm handelnden Personen" könne "eine der Befriedigung des Informationsinteresses dienende Anschaulichkeit von Gerichtsverfahren vermitteln. Derartige Bilder, gegebenenfalls auch die sie begleitende Geräuschkulisse, sind seit langem zum typischen Inhalt der Gerichtsberichterstattung im Fernsehen geworden und prägen mittlerweile entsprechende Erwartungen der Fernsehzuschauer."[46]
Damit ist nur ein Mosaikstein einer Medienpräsenz angesprochen, die in öffentlichkeitswirksamen Verfahren eine Dominanz entfaltet, der sich die Beteiligten kaum entziehen können (mitunter freilich auch nicht entziehen wollen).[47] Journalisten befragen Angeklagte, Verteidiger, (potentielle) Zeugen und die Pressesprecher von Staatsanwaltschaften und Gerichten; Journalisten recherchieren und kommentieren; Journalisten sprechen mit (selbsternannten) Experten oder einfach mit jedem, der etwas sagen möchte. In der Öffentlichkeit wird ein Parallelverfahren auf der Grundlage medialer Berichterstattung geführt.
Die öffentliche Wahrnehmung entfernt sich damit in dem Maße von den mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz verfolgten Zielen der Kontrolle und Information, wie die mediale Berichterstattung sich - entsprechend den schon skizzierten Eigengesetzlichkeiten - von dem Geschehen im Gerichtssaal entfernt. Die Justiz verliert die Herrschaft über das Bild des Verfahrens in der Öffentlichkeit an die Medien. Diese Tendenz verschärft sich in dem Maße, wie die Medien mit Bildern aus dem Gerichtssaal eine Realität abzubilden scheinen und damit eine Form der Wahrnehmung bedienen, die eher emotional als intellektuell orientiert ist.
Hängt die rechtsverwirklichende Kraft der Strafe auch davon ab, wie deren Verhängung von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, so erlangen die Medien zudem Einfluss auf die Wirkungen, die von der Strafe ausgehen.
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Insgesamt zieht sich damit unter dem Aspekt des Öffentlichkeitsgrundsatzes ein tiefer Riss durch das Strafverfahren: Einer im Verhältnis kleinen Anzahl an Prozessen, die der Öffentlichkeit präsentiert werden, steht die Masse der Verfahren gegenüber, die aufgrund diskreter Erledigung durch Opportunitätseinstellung, Strafbefehl oder Abspracheverfahren, für die Öffentlichkeit im Dunkel bleibt. Was bleibt, ist ein Zerrbild der Justiz: Medial verzerrte Wahrnehmung öffentlichkeitswirksamer Verfahren und ein weiter Bereich, in dem für die Öffentlichkeit Vieles Spekulation bleibt.
Damit lässt sich ein durchaus vielschichtiges Resümee für die Bedeutung des Grundsatzes der Öffentlichkeit im Strafverfahren ziehen:
- Dem Grundsatz der Öffentlichkeit kommt für die Akzeptanz des Strafverfahrens und die Wirkung von Strafe eine zentrale Bedeutung zu.
- Relativierungen der Reichweite des Öffentlichkeitsgrundsatzes lassen sich strafverfahrensspezifisch, insbesondere unter dem Aspekt ungestörter Wahrheitsermittlung, legitimieren.
- Auch strafverfahrensunspezifische Relativierungen können, insbesondere mit Blick auf die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten, ihre Berechtigung haben.
- Die praktisch weit überwiegende Zahl der Verfahren ist durch besondere Verfahrensgestaltungen einer Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit ganz oder weitgehend entzogen.
- Hinsichtlich der verbleibenden Verfahren mit "streitiger" Hauptverhandlung erfolgt die Vermittlung an die Öffentlichkeit wesentlich durch die Medien nach deren Eigengesetzlichkeiten.
- Insgesamt steht damit die Wirklichkeit des Öffentlichkeitsgrundsatzes in einem Spannungsverhältnis zu den Leistungen, die der Öffentlichkeitsgrundsatz erbringen soll.
- Die Akzeptanz des Strafverfahrens ruht folglich weniger auf Kontrolle und unmittelbarer Information der Bürger, als vielmehr auf einem fragilen Vertrauensbonus, der der Justiz entgegengebracht wird. ■
ANMERKUNGEN
[1] LR/Kühne, 27. Aufl., (2016) Einl. I Rn. 2; Radtke/Hohmann/Radtke, StPO, (2011) Einl. Rn. 10; Rieß, FS Rebmann, (1983) S. 381 ff.
[2] LR/Kühne, Einl. I Rn. 1; Rieß, FS Rebmann, (1983) S. 384, 384.
[3] Rieß, FS Rebmann, (1983) S. 382.
[4] Vgl. auch LR/Kühne, Einl. I Rn. 1: Prozessmaximen als "diejenigen Leitgedanken, die nach der jeweiligen Vorstellung der Rechtsgemeinschaft und des Gesetzgebers der Erreichung des Verfahrensziels am dienlichsten sind".
[5] Dazu Gierhake, (2013)JZ, 1032 ff.
[6] BVerfGE 133, 168, 217 f. (Rn. 88); Radtke/Hohmann/Feldmann, § 169 GVG Rn. 6.
[7] BVerfGE 133, 168, 217 f. (Rn. 87 ff.); BGHSt 27, 13, 15; Gierhake, (2013)JZ, 1031.
[8] Vgl. Gierhake, (2013) JZ, 1031 f.
[9] Vgl. Gierhake, (2013)JZ, 1032.
[10] Kritisch zu einer Verlagerung vom Kontroll- auf ein Informationsinteresse Radtke/Hohmann/Feldmann, § 169 GVG Rn. 2. Vgl. auch BVerfGE 133, 168, 218 (Rn. 89). Empirisch dürfte sich der Bedeutungszuwachs des Informationsinteresses kaum bestreiten lassen. Die rechtliche Bedeutung der Kontrollfunktion bleibt davon freilich unberührt.
[11] Eingehend dazu Brosius/Peter, in Murmann (Hrsg.), Strafrecht und Medien, (2016) S. 37 ff.
[12] Murmann, GA (2004), 70 ff.; zustimmend Gierhake, (2013)JZ, 1035; Klesczewski, Strafprozessrecht, 2. Aufl. (2013) Rn. 1; Kröpil, (2015) JuS, 512 f.
[13] Grundlegend Schmidhäuser, FSEb. Schmidt, (1961) S. 516 ff.; auch Duttge, (2003) 115, ZStW, 542 ff.; Krack, Rehabilitierung des Beschuldigten im Strafverfahren, (2002) S. 33; Kühl, Unschuldsvermutung, Freispruch und Einstellung, (1983) S. 74; B. Limbach, Der drohende Tod als Verfahrenshindernis, (1998) S. 53 ff., 68, https://doi.org/10.3790/978-3-428-49455-2; Rieß, FS Schäfer, (1980) S. 170 ff.; Weigend, Deliktsopfer und Strafverfahren, (1989) S. 195 ff., https://doi.org/10.3790/978-3-428-46592-7
[14] BGHSt 44, 243, 249.
[15] Dazu Gierhake, in Murmann (Hrsg.), Strafrecht und Medien, (2016) S. 52 ff.
[16] Gierhake, (2013)JZ, 1034 f.
[17] Zu Begründung und Begrifflichkeit Murmann, Grundkurs Strafrecht, 6. Aufl. (2021), § 8 Rn. 22 ff.
[18] Wobei es für die generalpräventiven Ansätze auf die empirischen Wirkmechanismen ankommt, wohingegen die Vergeltungstheorie/Schuldausgleichstheorie den Vernunftgehalt der Strafe in ihrer Bedeutung für die Person (des Verurteilten wie für die Mitglieder der Rechtsgemeinschaft) thematisiert.
[19] Zur Berichterstattung über Kriminalität und deren Wirkung in der Öffentlichkeit Brosius/Peter, in Murmann (Hrsg.), Strafrecht und Medien, (2016) S. 37 ff.
[20] Vgl. auch Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 29. Aufl. (2017), § 47 Rn. 1.
[21] Kritisch zu diesem Einwand (im Hinblick auf eine Erweiterung der Medienöffentlichkeit) v. Coelln, in Murmann (Hrsg.), Strafrecht und Medien, (2016) S. 29 f.
[22] LR/Wickern, 26. Aufl. (2010), § 172 GVG Rn. 10.
[23] Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, 64. Aufl. (2021), § 172 GVG Rn. 14.
[24] BGHSt9, 280; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, § 172 GVG Rn. 7.
[25] Radtke/Hohmann/Feldmann, § 169 GVG Rn. 5.
[26] Der Grundsatz der funktionstüchtigen Strafrechtspflege lässt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ableiten; BVerfGE 34, 238, 248 f.; 80, 367, 375; 133, 168, 199 f. (Rn. 57); BVerfG, NJW 2002, 51, 52; kritisch zum Begriff der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" Hassemer, StV (1982), 275; befürwortend Landau, NStZ 2007, 121 ff.
[27] Treffend dazu - auch zur permanenten Ausdehnung des Anwendungsbereichs nicht-öffentlicher Verfahrenserledigungen - Marxen, GA (2013), 103 ff.
[28] Vgl. Radtke/Hohmann/Pauly, § 249 Rn. 31.
[29] Gierhake, (2013)JZ, 1037 f.; Murmann, (2009) ZIS, 530.
[30] BVerfGE 133, 168, 219 (Rn. 90). Das entspricht auch nicht der gesetzlichen Regelung, wo nur eine Unterrichtung über den "wesentlichen Inhalt" verlangt wird.
[31] Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 47 Rn. 5.
[32] Vgl. dazu BGHSt 38, 214, 220; Murmann, Prüfungswissen Strafprozessrecht, 4. Aufl. (2019) Rn. 204, 206.
[33] Freilich lässt sich der Schutz vor der Öffentlichkeit hier auch auf die Subjektstellung des Verfahrensbeteiligten (und damit auf einen verfahrensinternen Belang) stützen, weil ein rechtsstaatliches Verfahren nur dann Akzeptanz finden kann, wenn es die Rechte der Beteiligten achtet [so Gierhake, (2013) JZ, 1036]. Aber damit dürfte kein Spezifikum des Strafverfahrens angesprochen sein, sondern ein allgemeiner Achtungsanspruch, dem der Staat bei jeder Tätigkeit Rechnung zu tragen hat.
[34] Freilich kann die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts im Rahmen eines öffentlichen Verfahrens auch Verhaltensweisen implizieren, die zugleich die Wahrheitsermittlung gefährden. So mag etwa ein Zeuge geneigt sein, zum Schutz seiner Privatsphäre unwahre Angaben zu machen. Aber dabei handelt es sich nur um einen Reflex des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht.
[35] Vgl. Marxen, (2013) GA, 103.
[36] Zudem ist die Öffentlichkeit im Verfahren gegen Jugendliche auch aus straftheoretischer Sicht weniger bedeutsam, da ein Jugendlicher nicht in gleicher Weise das Recht in seinem Allgemeinheitsanspruch verletzen kann wie ein Erwachsener, sondern in erster Linie noch der Erziehung bedarf; dazu Gierhake, (2013) JZ, 1036.
[37] Der Bedeutungszuwachs des Persönlichkeitsrechts und die zunehmende Sensibilisierung für Opferbelange hat dazu geführt, dass der Gesetzgeber diese Möglichkeiten für einen Ausschluss der Öffentlichkeit immer wieder ausgedehnt hat; vgl. Marxen, (2013) GA, 103.
[38] BVerfGE 103, 44, 61 f.
[39] Radke/Hohmann/Feldmann, § 169 GVG Rn. 22.
[40] Diskutiert wird zudem die Frage, inwieweit die Verhandlung in einem größeren Raum außerhalb des Gerichtsgebäudes stattfinden kann (nicht: muss). Eine Grenze besteht hier jedenfalls dort, wo die aus dem Umfang der Öffentlichkeit resultierenden Belastungen für die Verfahrensbeteiligten nicht mehr zumutbar sind und die Sitzung zu einem "Spektakel" gerät, unter dem die Wahrheitsermittlung leidet und der Richter seine Sitzungsgewalt faktisch nicht mehr ausüben kann; vgl. Radke/Hohmann/Feldmann, § 169 GVG Rn. 19; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 47 Rn. 4; LR/Wickern, § 169 GVG Rn. 10.
[41] BVerfG, NJW 2013, 1293.
[42] Vor dem BVerfG erlaubt § 17a Abs. 1 BVerfGG Ton- und Filmaufnahmen in der mündlichen Verhandlung, bis das Gericht die Anwesenheit der Beteiligten festgestellt hat und bei der öffentlichen Verkündung der Entscheidung.
[43] BVerfGE 103, 44, 64 ff. Schon der Schutzbereich von Informations- und Rundfunkfreiheit sei nicht eröffnet, weil es sich bei einer Gerichtsverhandlung nur insoweit um eine allgemein zugängliche Informationsquelle handle, wie der Zugang eröffnet ist, also gerade nicht bezogen auf eine Fernsehberichterstattung; Prüfungsmaßstab seien damit das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip; BVerfGE 44, 59 ff. Ablehnend dazu v. Coelln, in Murmann (Hrsg.), Strafrecht und Medien, (2016) S. 19 f.
[44] Zur Ermessensausübung BGH, NStZ 2019, 45; BGH, Beschl. v. 1.7.2021 - 1 StR 519/20; BGH, Beschl. v. 5.11.2019 - 2 StR 557/18.
[45] Hier sei der Schutzbereich betroffen, weil insoweit gerade keine gesetzliche Regelung bestehe, die die allgemeine Zugänglichkeit der Informationen beschränke; BVerfGE 103, 44, 62; BVerfG, NJW 2009, 350, 351; Radtke/Hohmann/Feldmann, § 169 GVG Rn. 34.
[46] BVerfG, NJW 2008, 977 ff.; zutreffend scharfe Kritik dazu bei Gerhard Schäfer, (2008) JR, 119.
[47] Eindringlich Marxen, (2013) GA, 100 f.
Lábjegyzetek:
[1] Der Autor ist Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Georg-August-Universität Göttingen.
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